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Hintergrundsbericht Oury Jalloh

Wir sind alle Oury Jalloh 30.07.2008 14:09
Der Prozess gegen die beiden Polizeibeamten, die wegen Körperverletzung mit Todesfolge bzw. fahrlässiger Tötung im Fall Oury Jalloh angeklagt sind, hat sich aus Sicht der Initiative zu einer Farce entwickelt. Im Juni hatte die Initiative ihren Rücktritt aus dem Prozess angekündigt, weil abzusehen war, dass das Verfahren wahrscheinlich mit einem Freispruch oder einer einjährigen Bewährungsstrafe für die beiden angeklagten Polizisten enden würde, bzw. wird. Ein Hintergrundsbericht
Wie viele Skandale sind notwendig um einen Skandal zu skandalisieren? Wie unbedeutend sind der Tod eines Schwarzen durch die Polizei und ihre anschließenden freche Versuche, die Wahrheit vor der Gesellschaft im Ganzen und vor der Presse im Besonderen zu verschleiern? Wie viele Lügen, Vertuschungen, Widersprüche und Anklagen sind notwendig, damit das Schweigen gebrochen wird?
Nachdem die Initiative, die sich in Erinnerung an den ermordeten afrikanischen Flüchtling gegründet hat, zunächst erfolgreich ein Gerichtsverfahren über den Tod von Oury Jalloh erkämpft hatte, zog sie sich im Juni aus der weiteren Beobachtung des mittlerweile 15 Monate und 43 Anhörungen umfassenden Verfahrens zurück, das geprägt von systematischen Lügen und Vertuschungen ist.

Warum?

So gut wie alle bisherigen Beweise widersprechen dem, was die Polizei bis jetzt behauptet hat: Angefangen bei der Ingewahrsamsnahme, zu den Bedingungen, unter denen er zur Polizeistation gebracht wurde; zu dem mysteriösen Feuerzeug, zu der feuerfesten Matratze; zu den verschwunden und manipulierten Beweisen und den Widersprüchen zwischen der Rekonstruktion des Feuers und dem extrem verkohlten Zustand des Leichnams von Oury Jalloh. Der gesamte Block von Zeugenaussagen steht im direkten Widerspruch zu der in internen Berichten verbreiteten und von der Polizei und der Staatsanwaltschaft unmittelbar nach dem Tod eines mit Händen und Füßen an eine feuerfeste Matratze geketteten Menschen vertretene These: Oury Jalloh hat sich selbst angezündet (Selbstmord). „Das ist abscheulich und brutal“, sagt Mouctar Bar, der Begründer der Initiative.

Trotz dieser Beweise, die alle darauf hinweisen, dass die Polizei versucht ein schweres Verbrechen im Verfahren gegen die beiden Polizeibeamten zu vertuschen, ignoriert das Gericht unter Richter Steinhoff weiter konsequent jeden Hinweis, der nicht in Verbindung zu den 6 Minuten steht, innerhalb derer der angeklagte Schubert Zeit gehabt hätte, Oury Jallohs Leben zu retten.

Alle in die Anhörung involvierten Personen betrachtet die folgenden Fakten und Fragen als irrelevant für das Verfahren:
§ Keiner hat angeblich die Schreie des brennenden Mannes gehört
§ Das Gutachten des Polizisten Kiez, ein Feuerspezialist aus Magdeburg mit 27 Jahren Erfahrung, der das Feuerzeug „gefunden“ hat
§ Oury Jallohs Hosen, die bis zur Leiste heruntergezogen waren
§ Eine bislang unerklärte Pfütze einer Flüssigkeit, die von mehreren Zeugen in der Mitte der Zelle gesehen wurde
§ Die Widersprüche der beiden Polizisten über ihren Aufenthaltsort während des Verbrechens
§ Die gebrochene Nase, die abgebrannten Finger und das verletzte Mittelohr
§ Der äußerst stark verkohlte Zustand der Leiche
§ Die verschwundenen Videomitschnitte und Handschellen
§ Die aufschlussreiche Zeugenaussage von Swen Ennulat
§ Die schockierende Rekonstruktion des Feuers
§ Und vielleicht am wichtigsten: Wie das Feuer überhaupt ausgebrochen ist
Wegen der Menschen, die sich täglich seit über 3 ½ Jahre mit einem solch abscheulichen Tod auseinander setzen; wegen der Menschen, deren Schweiß, Tränen und Opfer dieses Verfahren erzwungen haben, welches sonst und wahrscheinlich auch jetzt in einem Freispruch enden wird; wegen der vielen, meist gleichen Menschen, die wegen ihrer Hautfarbe Polizeigewalt erlebt haben und weil wir mit einem solch himmelschreienden Affront in der Rechtssprechung konfrontiert sind, sehen wir uns aus Protest gezwungen, uns aus dem Verfahren zurückzuziehen.

Trotz der Tatsachen, dass die Regierenden/Herrschenden alles in ihren Möglichkeiten stehende getan haben um uns zu kriminalisieren, unsere Redefreiheit zu verbieten, uns als gewalttätige Täter zu brandmarken, deren Körper ständig auf Personaldokumente durchsucht werden, trotz des Kriminalverfahren gegen Mouctar Bah, dem Freund von Oury Jalloh und Vertreter der Familie hier in Deutschland, trotz der anhaltenden Lügen und Verschleierungen, trotz unseres Ärgers und dem Verlangen nach der Wahrheit haben wir die Autorität des Gerichtes respektiert und mussten passiv miterleben, wie wieder einmal nicht nur uns gegenüber mit Arroganz und Geringschätzung von Seiten des Gerichtes begegnet wurde sondern auch dem Verstorbenen Oury Jalloh, mit dem wir uns identifizieren.

Aber nun werden wir nicht länger als Legitimation für diesen Schauprozess herhalten, auch werden wir nicht passiv bleiben im Lichte solcher fortwährender Misshandlung. Wir werden uns die Straße zurückholen, mit deren Hilfe wir den Prozess erzwingen konnten. Wie wir schon wiederholte Male in den letzte 44 Monaten gezeigt haben, werden wir das Schweigen brechen und weiter kämpfen mit dem Blick auf den noch verbleibenden Wunsch der Familie Jalloh: Die Wahrheit herauszufinden, wie und warum ihr Sohn sterben musste. „Wir sehen in diesem Fall einen Mord, den der Staat versucht zu vertuschen und die Gesellschaft ist taub und blind, aber wir werden unnachgiebig und standfest bleiben“, betont Mouctar Bah.

Außerdem werden wir alles in unserer Kraft stehende tun, um nicht nur das Schweigen einer im Fall Oury Jallohs mitschuldigen Gesellschaft zu brechen, sondern auch die zahlreichen anderen Fälle von Polizeigewalt und manchmal sogar Mord zur Sprache zu bringen, wie im Falle Dominique Koumadios, Laye-Alama Kondes, John Achidis und vieler anderer , bis Gerechtigkeit getan ist.

Für weitere Informationen wendet Euch bitte an die oben aufgeführten Kontaktdaten.

DAS SCHWEIGEN BRECHEN!

WAHRHEIT! GERECHTIGKEIT! ENTSCHÄDIGUNG!
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Ergänzungen

@ Janina

Ein betrunkener Sexist 30.07.2008 - 17:37
Ein betrunkener Sexist? Meinst Du wirklich? War er (er lebt ja nicht mehr) ein Sexist weil er schwarz war? Oder weil er Reinigungsfrauen nach ein Handy gefragt hat?
Es wäre wichtig zu erklären, warum Oury Jalloh festgenommen worden ist. Die Polizei behauptet --und die Presse schreibt-- dass Oury Jalloh angeblich Frauen belästigt haben soll.
Als die Polizei gekommen sind, von denen einer jetzt auf der Anklagebank sitzt, haben sie Oury Jalloh festgenommen, angeblich weil sein Ausweis nicht lesbar wäre.
Es gibt jedoch eine andere Version, die bei der Gerichtsverhandlung rausgekommen ist. Die "Belästigung" der Reinigungsfrauen, wovon die Rede ist, sah eher so aus: Oury Jalloh hatte einer der Frauen nach ihr Handy gefragt, damit er telefonieren könnte. Doch obwohl er darauf bestand, hat er niemand belästigt. Als die Frauen Oury damit bedrohten, die Polizei anzurufen, sagte Oury, dass sie es ruhig machen sollten. Als die Polizei gekommen sind, war Oury Jalloh schon ein Stuck entfernt.
Die zwei Polizisten die gekommen sind haben nicht das Problem gehabt, dass sie die letzte Zahl seines Geburtjahres nicht lesen könnten (siehe das WDR Reportage Tod in der Zelle, man kann es bei video.google.de sehen), denn es gab etwas was bis jetzt von der Presse geschwiegen worden ist: die festnehmende Beamten kannten Oury Jalloh schon, d.h. sie mussten nicht eine Identitätsprüfung machen, wie sie nach außen behaupteten, weil einer der Beamten Oury Jalloh schon persönlich kannte. Außerdem lag es keine Anzeige und keine Straftat vor. Die Frau die angerufen hat sagte vor Gericht aus, dass sie nur erreichen wollte, dass er weg geht, hatte aber nie eine Anzeige gemacht.
Wie man auch aus dem Verhandlungssprotokoll lesen kann:
"Ein Vorhalt aus dem polizeilichen Verhör lässt vermuten, dass Jalloh erst heftig geworden sei, als die Polizisten Anstalten gemacht haben, ihn festzunehmen (...) Auf Nachfrage des Vorsitzenden Steinhoff, ob Jalloh sich gewehrt habe, antwortet S.: "Na ja, nachher schon." " Bevor oder nachdem Sie ihm Handschellen angelegt hatten?" " Das weiß ich nicht mehr." (...) "Im Streifenwagen hab` ich ihn, man kann sagen, in den Schwitzkasten genommen. Ich hatte ja Angst, bespuckt zu werden - is` ja alles schon vorgekommen!"
Wie man schon gesehen haben, können solche "Präventivmaßnahmen" sehr leicht zur Erstickung führen.
Polizisten selbst sagen, dass es unmöglich sei, ein Feuerzeug zu übersehen (u.a. ehemalige Staatsschutzer Swen Ennulat:  http://ouryjalloh.wordpress.com/category/41-prozesstag/). Ferner sind die Gerüchte auch bei der Polizei weit verbreitet: ein drittes Hand müsse im Spiel gewesen sein.
Aber Janina, sei ehrlich: wieso können die Beteiligten vom Selbstmord reden?
Wenn es keine konkrete Beweise gibt, dass eine bestimmte Person so und so aus x Motiv Oury Jalloh umgebracht hat, gibt es umso weniger Beweise dafür, dass Oury Jalloh sich selbst angezündet hat. Wer daran Zweifeln hat muss nur die Presse und die Prozessberichte lesen.
Und wenn es gestattet, erlaubt und als richtig verstanden wird, dass man vom Selbstmord spricht bzw. Oury Jalloh habe sich selber verbrannt, wieso sollen die Menschen der Initiative, die durchaus negative und brutale Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben, nicht vom Mord sprechen?
Und dann bist Du so frech, um vom Willkürrecht zu sprechen?! Weißt Du wie es überhaupt gekommen ist, dass ein Prozess überhaupt stattfindet? Weißt Du, dass die Familie für eine sehr lange Zeit als solche nicht anerkannt war und dass das Gericht sich Jahre lang verweigert hat, die Anklage AUF SELBSTMORD überhaupt zu erlauben? Was bedeutet für Dich die Forderungen der Initiative: Wahrheit, Gerechtigkeit, Entschädigung?
Wenn es Dir überhaupt interessiert hätte, wäre es Dir schon bewusst sein, dass die Initiative in Gedenken an Oury Jalloh seit 2005 ganz klar sagt: „Wir werden so lange sagen, dass es Mord war, bis sie uns das Gegenteil beweisen.“
Aber andererseits verstehe ich Dich, letztendlich war Oury Jalloh nur ein betrunkener Sexist.

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Muss mal gesagt werden — Janina Klaas

Leiche im Keller @ Janina — Kein Polizist

Janina, das tut weh — indymedia olé

@mods — warum

@warum — JolliJumper