Jena: Keine Aktion ohne Strafanzeige

Antifa Jena 28.07.2008 17:19 Themen: Antifa Repression
Pünktlich zum Beginn der heißen Phase der Mobilisierung gegen das 3. „Fest der Völker“ schickt die Justiz Anklagen und Strafbefehle. Die Vorwürfe beziehen sich auf öffentliche Versammlungen, vor allem auf die Protestaktionen gegen den Rudolf-Heß-Marsch und das „Fest der Völker 2007“. Inzwischen werden (vermeintliche) Organisatoren systematisch verfolgt.

Übersicht über laufende Strafverfahren:

1. Strafbefehl gegen Katharina König über 25 Tagessätze wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz:
Der Fraktionsvorsitzenden der Linken im Stadtrat wird vorgeworfen, "entsprechend eines vorgefassten Planes“ die Blockade des „Festes der Völker“ mit organisiert zu haben. (OTZ vom 16.07.08) Offensichtlich soll ein Exempel statuiert werden, um Menschen abzuschrecken, bei Aktionen besonders sichtbare Aufgaben zu übernehmen. Die Konstruktion dieser Rädelsführerschaft dient ebenso zur Ablenkung von der „Vertrauenskrise“, die der massenhafte Zivile Ungehorsam offenbart hat: 3000 Menschen haben sich an den Blockaden beteiligt, weil sie nicht (mehr) davon überzeugt sind, daß der Rechtsstaat den Kampf gegen Rechts für sie führt. Diese Menschen sollen als unmündige Gefolgschaft einiger Strippenzieher dargestellt werden.

2. Verhandlung gegen einen Antifaschisten am 14. August wegen Beleidigung:
Er soll am 18. August 2007 Polizisten als „Idioten“ bezeichnet haben. Sie hatten ihn in einer Kontrolle am Engelplatz gezwungen, seine Turnschuhe auszuziehen, um darin nach Waffen zu suchen. (mehr dazu) Eine Stilfrage, wie man Polizisten nennt, die in Turnschuhen nach Waffen suchen wollen... Die „geschädigten“ Polizisten geben selbst zu, dass sie mit solchen schikanösen Kontrollen die Stimmung vor Beginn der Antifa-Kundgebung angeheizt haben. Genau genommen dementiert diese Anklage die offiziellen Statements, nach denen die Eskalation von den Demonstranten ausgegangen sei. Die Staatsanwaltschaft hat anscheinend nichts handfestes zu bieten, wenn sie ein solches „Delikt“ aufgreift. Ein Strafverfahren gegen vier Kieler Genossen wegen gefährlicher Körperverletzung wurde vor kurzem mangels Tatverdacht eingestellt.

3. Strafbefehl gegen Jan Huwald über 40 Tagessätze wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz:
Er soll als Leiter der Demonstration gegen die Vorratsdatenspeicherung am 6. November 2007 Auflagen verletzt haben. Hauptsächlich wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, dass eine Zwischenkundgebung vor der Goethegalerie und nicht, wie vom Ordnungsamt gewünscht, vor weniger Publikum in der Kollegiengasse durchgeführt wurde.

4. Ermittlungsverfahren wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz gegen die Anmelder der Stura-Demo gegen die Hochschulrektorenkonferenz:
Den genauen Vorwurf kennen wir noch nicht. Bereits während der Studentenproteste im Sommer und Herbst 2006 wurden zwei ähnliche Verfahren geführt, die inzwischen mangels Tatverdacht eingestellt wurden (Bericht). Diese Verfahren zählen nicht zum Bereich Antifaschismus, aber sie treffen - wie in Katharina Königs Fall - (vermeintliche) Organisatoren.

5. Anzeigen wegen Beleidigung gegen zwei Teilnehmer einer Protestaktion gegen den Auftritt des Nazi-Opas Leidenfrost am vergangenen Samstag im „Braunen Haus“:
Die Betroffenen trugen T-Shirts mit der Aufschrift A.C.A.B., das auf dem T-Shirt des einen mit „All Cooks are Bastards“ ausgeschrieben wurde. Reine Schikane – auch die Polizisten mit schlechten Noten in Rechtskunde müssten wissen, dass „A.C.A.B.“ keine Beleidigung ist. (mehr dazu)

6. Anzeige des NPD-Führers Frank Schwerdt gegen Michael Ebenau wegen eines Aufrufes, das „Fest der Völker“ zu blockieren (OTZ vom 07.03.08):
Der Status dieser Anzeige gegen den Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Rechts ist unklar. Schwerdt hatte schon wegen der Aktion gegen die NPD-Demo am 1. Mai 2007 Anzeigen gegen zwei Gewerkschafter erstattet (mehr dazu).

7. Weitere Verfahren wegen Beleidigung von Polizisten:
Wegen einer Soliaktion für das Kopenhagener Ungdomshuset laufen seit Oktober 2007 Verfahren wegen Hausfriedensbruch und Beleidigung gegen 40 Jugendliche. Auch wegen der Demonstration gegen die Razzia am 9. Mai 2007 wurden im November Vorladungen wegen Beleidigung verschickt. Der Beleidigungstatbestand ist längst zum Universaldelikt mutiert – irgendein „geschädigter“ Beamter findet sich immer.

Die Justiz schließt sich damit der neuen, härteren Linie an, die Ordnungsamt und Polizei seit Mitte letzten Jahres gegenüber Demonstranten verfolgen. Dass gerade jetzt mit den Strafbefehlen und der Anklageerhebung die ersten „Ergebnisse“ geliefert werden, liegt nicht hauptsächlich an der Natur der Sache. (So scheinen die
Ermittlungen gegen Udo Voigt, der beim Heß-Marsch 2007 den Nobelpreis für den Hauptkriegsverbrecher forderte, noch ebenso wenig abgeschlossen zu sein wie die Verfahren gegen die Skinheads, die beim „Fest der Völker“ unter Polizeischutz den Hitlergruß zeigten (MDR vom 08.09.07 auf youtube). Vielmehr haben die Behörden allen Grund zur Sorge, dass beim nächsten „Fest der Völker“ am 13. September durch Massenblockaden und andere Aktionen ihr Gewaltmonopol erneut massiv verletzt wird – und da tut Abschreckung not. Bislang scheiterte der Staatsschutz auch bei dem Versuch, einige militante Aktionen gegen Nazis in den letzten Monaten aufzuklären. Die Behörden dürften daher dringend an „Erkenntnissen“ jeder Art über die linke Szene in der Stadt interessiert sein.
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Ergänzungen

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unbekannter 29.07.2008 - 12:37
Ich hatte im letzten Jahr auch Probleme mit der Justiz in Jena. Wegen des Mitführens eines schwarzen Tuches in meinem PkW sollte ich circa 130€ zahlen wegen Verstoßes gegen das VersG. Nach einem Einspruch wurde der Bussgeldbescheid wieder zurückgenommen.

Kiel4Jena-Verfahren eingestellt!

Kiel4Jena 01.08.2008 - 14:04
JENA-VERFAHREN GEGEN VIER KIELER ANTIFASCHISTEN EINGESTELLT!


Im Juli wurden - für uns überraschend - erfreulicherweise die vier gegen uns geführten Ermittlungsverfahren wegen angeblicher gefährlicher Körperverletzung (anfangs noch wegen schweren Landfriedensbruch) an einer Gruppe Nazis in Jena am 18.8.07, die sich auf dem Weg zum Rudolf-Hess-Ersatzmarsch befunden haben soll, mangels Beweisen (nach §170 Abs. 2 StPO) eingestellt.

Wir haben uns im letzten dreiviertel Jahr mit drohenden Anklagen und Prozessen auseinandersetzen müssen, versucht den Fall öffentlich zu machen und Spenden für die erwarteten hohen Prozesskosten und Strafen gesammelt. Wir hoffen, dass diese Öffentlichkeitsarbeit vielleicht seinen kleinen Teil zur Einstellung der Verfahren beigetragen hat. Die bisher gesammelten Spenden werden, wie's aussieht, wohl ziemlich genau ausreichen, um unsere vier AnwältInnen zu bezahlen. Sollte wider Erwarten doch noch Geld übrig bleiben, lassen wir dies anderen Repressionsbetroffenen zukommen.

Wir möchten uns abschließend bei allen GenossInnen bedanken, die uns während des Ermittlungsverfahren unterstützt haben, insbesondere die Rote Hilfe Ortsgruppen Kiel und Jena. Ihr seid klasse!

Solidarität und Kraft senden wir allen von staatlicher Repression betroffenen linken AktivistInnen - in Kiel, - leider gerade brandaktuell - in Jena und überall sonst auf dem Globus!


Das war's von uns!
Kiel4Jena, 01.08.2008

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