BMW und die Presse im Zentrum der Kritik

uh 18.07.2008 09:52
Auf Indymedia.org spricht man vom ruinösen Wiederverkauf des Deutschen liebsten Bikes, der BMW R 1200 GS. Auslöser waren Probleme mit den Handprotektoren, bei denen die Presse gezielt weggeschaut haben soll

Au Backe! Jetzt geht's dem Bayerischen Motorenwerk, Sparte Motorrad, schon wieder an den Kragen. Noch immer hat es sich nicht ausgebremst, ein Dilemma, das wie ein Damoklesschwert über dem Thema Sicherheit einer selbst-apostolierten Erfolgsmarke schwebt. Aber warum liest man so wenig kritische Berichte über grundsätzlich heikle Themen, die doch sicher zahlreiche Leser interessieren dürfte?

Die Original-Meldung von RAPEX, einem elektronischen Informationssystem der Europäischen Union
"Injuries: The product poses a risk of injuries because in the event of inappropriate handling, such as pulling roughly, hitting objects while manoeuvring, or if the motorcycle falls over, the hand protector on the handlebar controls can twist. It could then touch the handbrake or clutch control causing brake or clutch malfunction. In addition, if the twisted hand protector lightly touches and operates the handbrake control, the brake linings may touch the brake disc and the resulting heat generation would cause the brake pressure to build up which could slow down the front wheel, even so far as to block it. Three incidents reported."

Hier zur BJ-Meldung zum BMW-Problem mit Handprotektoren
BMW-Bremse: Und wieder grüßt das Murmeltier
http://www.bikersjournal.de/news/hersteller/ansicht/datum/2008/07/14/bmw-bremse-und-wieder-gruesst-das-murmeltier.html

Nein, Motor-Journalisten sind grundsätzlich weder allwissend noch käuflich. Dennoch kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass es unangenehmen Pressevertretern durchaus passieren kann, seitens der Industrie sowie über Medien- und Verlagshäuser genötigt zu werden, möglichst 'nett' zu berichten. Was der einzelne freilich draus macht, muss letztendlich er vor sich selbst und/oder seinem Sponsor verantworten.

Spielt er mit, geht's ihm erstmal gut. Ein Leckerlie folgt dem anderen - solange er sich nur an die ungeschriebenen Gesetze hält. Als da wären ... 'Dessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing' oder 'Wie Du mir, so ich Dir' oder auch 'Tu Du mir nix, tu ich Dir auch nix' fänden durchaus ihre Berechtigung. Meint der gut informierte und erfahrene Journalist dennoch seinen eigenen Weg zu gehen, muss er mit Gegenwind rechnen. Denn nicht alle Dinge will man in der Industrie hören. Und die Ohren der Wirtschaftsvertreter sind groß. Ob die Auflage da mithalten kann?

Mindesten so groß wie deren Münder, die einem eifrigen Pressefritzen schnell das ein oder andere Privileg - und sei es auch nur die Information als solche - vorenthalten können. Plötzlich erhält man die ein oder andere Presse-Information nicht mehr. Einladungen bleiben aus und wenn's ganz übel kommt, wird auch vor übler Nachrede nicht Halt gemacht. Freilich alles unter dem netten Deckmäntelchen wohl-situierter Medienkollegen. So sind die Gesetze der Marktwirtschaft. Nicht alle haben sie sich ausgesucht, doch wer im Zirkus mitspielen will, sollte auch das ein oder andere Kunststück beherrschen.

Im marktwirtschaftlichen Medien-Getue geht es um den Spagat - jenem Dressur-Highlight, dem nicht jeder gewachsen ist oder sein will. Verbal geschickt austarrierte Halbwahrheiten sind an der Tagesordnung, die Kunst, Grün für Blau zu 'verkaufen' nach wie vor Pflicht und unterm Strich der Renner schlechthin. Bloß, wer dressiert die Medien, die Verantwortlichen, den Redakteur, den kleinen Hobby-Schreiber, der für einen verantwortungsvoll verfassten Zeitungsbericht im kostenlosen Lokalblättchen in der Regel nicht einen Pfifferling Honorar erhält?

Nicht umsonst bedienen sich Redaktionen gern an entsprechend aufgemachten Presse-Mitteilungen der Hersteller. Der Tag hat nur 24 Stunden und aufwändige Recherche kostet Zeit, sprich Geld, das heutzutage immer weniger Redaktionen bereit sind, zu bezahlen.

In Teilen muss ich dem Indymedia-Prolog darum gern Recht geben. Ich begrüße eine kritische Denke, selbst wenn sie sich am Ende doch 'nur' zum emotionalen Breakout entwickelt. Immerhin, Harley-Davidson baut ein ganzes Firmenkonzept auf eine solche Ideologie. Selbst wenn sich die kürzliche Übernahme von MV Agusta und Cagiva irgendwann möglicherweise doch als Schuss nach hinten herausgestellt haben sollte: Auch Italiener bauen seit jeher auf Emotionen.

Harley-Davidson übernimmt MV Agusta und Cagiva
http://www.bikersjournal.de/news/hersteller/ansicht/datum/2008/07/13/harley-davidson-uebernimmt-mv-agusta-und-cagiva.html

Zurück zu BMW und den Presse-(Un)wahrheiten
Immer dann, wenn es entweder um Geld, besondere Annehmlichkeiten oder Vitamin B geht, ist der Mensch - aus mir mittlerweile unerklärlichen Gründen - versucht, Konfrontation nach Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Es ist einfacher, den Text 'Bla und Blubb' stumpf zu übernehmen, als ihn zeitintensiv zu recherchieren, um am Ende die gleichen Worte in einem anderen Wortlaut zu verfassen.

Mir ist es persönlich ziemlich egal, wann und wo ich ein Motorrad oder ein Produkt lobe oder kritisiere. Allerdings freue ich mich ebenso persönlich darüber, wenn der ein oder andere Mangel ausgemerzt werden konnte oder es Neuerscheinungen gibt, die im Grundgedanken einfach gut sind. Um die Qualität(en) heutiger Motorräder oder Motorradprodukte jedoch punktgenau definieren zu können, ist reichlich praktische Erfahrung und ein kritischer Kopf vonnöten. Wer sich das vor Augen hält, braucht so gesehen nicht mal zwingend den Pressekodex. Ehrlichkeit, Erfahrung und ein gesunder Menschenverstand sind unbezahlbare Indikatoren. Noch funktioniert das Prinzip von 'Zuckerbrot und Peitsche' jedoch offenbar so gut, dass der ein oder andere Schreiber geneigt ist, sich dem Druck der Industrie und Aktualität zu beugen. Ein neues Motorrad bleibt ein neues Motorrad. Wie es sich jedoch tatsächlich in der Praxis gibt, kann nur ein intensiver Fahrbericht eines erfahrenen Motor-Journalisten klären.

Insbesondere in den vergangenen Monaten ließ die Bereitschaft der Motorradindustrie, Testfahrzeuge zu Testzwecken zur Verfügung zu stellen, spürbar nach. Um auf den Punkt zurückzukommen: Die veröffentlichten BMW-Berichte basierten bis dato ausschließlich auf den tatsächlichen Eindrücken mit Händler-Maschinen. BMW-News zu hauseigenen Produkten hat sich Bikersjournal.de entweder recherchiert oder selbst 'erfahren'. Von üblichen, kostenfrei zu veröffentlichenden Fahrberichten mit Werbe-Effekt für den Hersteller sehen Bikersjournal.de sowie meine Wenigkeit grundsätzlich ab. Außer dem offiziellen Newsletter erhalten wir seitens BMW keinerlei Infos. Nur über den unaufgeforderten Presse-Login kommen uns gezielt Informationen zu. Nicht unbedingt zuträglich war vielleicht der Bericht bzgl. des ABS. --> http://www.bikersjournal.de/news/allgemein/ansicht/datum/2005/08/03/bmw-abs-kommt-zeit-kommt-rat.html

Privat findet sich unter den vielen BJ-Helferlein kein einziger BMW-Fahrer. Ob sie wohl wissen warum? Egal, weil de facto kommen wir so ohne Weiteres nicht an interne Infos aus Bayern ran. Darum: Wenn ihr Rund- oder Kundenschreiben bekommt - immer her damit oder postet sie im BJ-Forum!

Seitens des deutschen Suzuki-Importeurs erwarten wir für die Zukunft mehr Unterstützung. GSX-R & Co. gehen Lichtjahre an uns vorbei - es sei denn, man hat Positives zu vermelden. Gründe: Was früher aus Heppenheim bzw. heute aus Bensheim an Infos rüberkommt ist mehr als dürftig. Von Online-Portalen distanziert man sich dort rigeros. Vielleicht ist man ja auch bereits anderweitig 'verheiratet'. Offizielle Suzuki-Testmotorräder erhielten wir jedenfalls zu keiner Zeit. Warum nicht? Vielleicht zu kritisch?

Noch anders beim deutschen MV Agusta- / Cagiva-Importeur, bei dem uns ein ehemaliger Kollege anschwärzte, der sich gern als IDM-Spezialist und/oder Fotograf ausgab. Wer auf die falschen Leute hört ist verloren und verkauft. Die MV AG jedenfalls ist verkauft - der ehemalige Kollege mittlerweile im Abseits der Szene.

Machen wir uns nichts vor: Der Motorradmarkt ist ziemlich am Ende. Lediglich über die Dorna-First-Class-Driver der MotoGP wird in den nächsten Jahren noch so viel Geld zu verdienen sein, dass sich die - mehr oder minder erfolgreiche - Sportliga zumindest halbwegs finanzieren lässt. Köpfe zahlreicher Weltklasse-Koryphäen werden rollen, und am Ende stehen wir wieder da wo wir angefangen haben. Denn alles begann mit zwei Rädern.

Ich liebe den Motorsport und kann keinen Tag ohne Motorrad. Darum fahre ich weder BMW noch Suzuki. (uh)

BMW ruiniert Wiederverkauf
http://de.indymedia.org/2008/07/222421.shtml

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Ergänzungen

Motor-Presse schaut gezielt weg!

Leserbrief-Schreiber 18.07.2008 - 15:46

Die Motor-Presse hat nicht nur gezielt weggeschaut. Für die Motive gibt der vorstehende couragierte Artikel genug Hinweise, wenn auch nicht erschöpfend. Aber die Motor-Presse informiert auch gezielt falsch. Für die letzte Behauptung lohnt es sich jedenfalls, ein paar Indizien anzuführen.

(1)  Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg hat eine Warnmeldung an die Europäische Kommission zur Veröffentlichung im Schnellwarnsystem RAPEX gegeben, um die EU-Mitgliedsstaaten vor der Verletzungsgefahr durch die darin genannten unsicheren Produkte (BMW Motorräder, 2002-2007) zu warnen. Die EU-Kommission veröffentlichte diese Warnmeldung der deutschen Behörden am 11. Juli 2008 mit der Referenz-Nummer 12 0738/08: “Concerns motorcycles built between December 2002 and October 2007”. Dieser Produktionszeitraum ist in der Meldung immer noch so angegeben. Als Modell wird jedoch nur die BMW R1200GS angegeben, die erst ab März 2004 ausgeliefert wurde (überprüft am 18. Juli 2008 um 14:52 Uhr).

(2)  Die Nachrichtenagentur dpa-AFX korrigierte Ihre erste Meldung vom 14. Juli 2008, die aber schon im Radio gesendet und am nächsten Tag in den Zeitungen gedruckt wurde. Ursprünglich hieß es da: „Betroffen seien weltweit rund 108.000 zwischen Dezember 2002 und Oktober 2007 verkaufte Maschinen des Typs R1200GS, sagte ein Sprecher von BMW“. In der nachträglich geänderten Fassung vom 15. Juli 2008, kurz vor Mitternacht, war dann wie folgt zu lesen: „Betroffen seien weltweit rund 108.000 zwischen März 2004 und Oktober 2007 verkaufte Maschinen des Typs R1200GS, sagte ein Sprecher von BMW“.

(3)  Offenbar kommt aber kein Journalist zur Überlegung, dass die Warnmeldung des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) an die EU-Mitgliedsstaaten vor unsicheren BMW-Motorrädern womöglich nicht die angeblich falsche Produktionsdaten-Zahl „2002“ enthält, sondern dass lediglich ein Modell nicht aufgeführt ist. Nämlich das BMW-Motorrad Modell BMW R1150GS. Die Meldung wäre nämlich dann auch stimmig.

(4)  Mitdenkende Menschen, zumal Motor-Journalisten, müssten sich ja fragen: Wie kommt das Kraftfahrt-Bundesamt eigentlich dazu, „Dezember 2002“ als Beginn des Produktionszeitraums zu nennen? Darauf wissen diejenigen, die es betrifft, eine Antwort!

(5)  Ein weiteres Indiz: Bei anderen Modellen (also nicht BMW R1150GS, BMW R1150GS Adventure, BMW R1200GS, BMW R1200GS Adventure), anderen Baujahren und auch „Enduros“ anderer Fabrikate ergibt sich keine akute Gefahr durch Verdrehen des Handprotektors.

(6)  Wer das sehen will, müsste es sehen. Wer das nicht sehen will, für den ist die Angelegenheit ein "Handprotektor-Problem".

(7)  Wer „Dezember 2002“ begreift oder begreifen will, der hat kapiert, worum es geht.


Auflösung: Es geht um BMW-Motorräder vom Typ GS (Dezember 2002 – Oktober 2007), die mit Antiblockiersystem (ABS) ausgestattet sind. „Dezember 2002“ markiert, dass es dabei vor allem auch um das defektanfällige Bremssystem Integral-ABS (FTE automotive) geht. Und es ist kein Unfall im Zusammenhang mit der KBA-Untersuchung bekannt geworden, bei dem das jeweilige GS-Motorrad nicht mit ABS ausgestattet gewesen wäre.


- Unfälle mit BMW Motorrad ABS (Tagesschau)
- Keine Anklage von BMW Motorrad Managern (Indymedia)

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