Neues Versammlungsgesetz Bayern beschlossen

Luzi-M 17.07.2008 16:26 Themen: Antifa Repression SiKo München
München. Nach achtstündiger Beratung hat die CSU-Mehrheit im Landtag gestern den Entwurf der Staatsregierung für ein bayerisches Versammlungsgesetz mit 100 zu 45 Stimmen abgesegnet. Das Gesetz wird am 1. Oktober in Kraft treten. Monatelang hatten Gewerkschaften, Verbände und Initiativen gegen das Vorhaben des Innenministeriums gekämpft - Ergebnis waren minimale und eigentlich selbstverständliche Änderungen wie Löschfristen für die von der Polizei bei Versammlungen erstellten Videoaufnahmen. Die 253 Eingaben, die gegen den Entwurf eingereicht wurden, ignorierte die Ausschussmehrheit am vergangenen Donnerstag mit Hilfe von Geschäftsordungstricks. Die SPD prüft nun verfassungsrechtliche Schritte.

CSU-Mehrheit beschließt Versammlungsgesetz


Der Kampf gegen das scharfe bayerische Versammlungsrecht konnte dieses nicht verhindern

München. Nach achtstündiger Beratung hat die CSU-Mehrheit im Landtag gestern den Entwurf der Staatsregierung für ein bayerisches Versammlungsgesetz mit 100 zu 45 Stimmen abgesegnet. Das Gesetz wird am 1. Oktober in Kraft treten. Monatelang hatten Gewerkschaften, Verbände und Initiativen gegen das Vorhaben des Innenministeriums gekämpft - Ergebnis waren minimale und eigentlich selbstverständliche Änderungen wie Löschfristen für die von der Polizei bei Versammlungen erstellten Videoaufnahmen. Die 253 Eingaben, die gegen den Entwurf eingereicht wurden, ignorierte die Ausschussmehrheit am vergangenen Donnerstag mit Hilfe von Geschäftsordungstricks. Die SPD prüft nun verfassungsrechtliche Schritte.

Der Artikel 113 der bayerischen Verfassung, nach dem "alle Bewohner Bayerns" das Recht haben, "sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln", wir nun noch weiter eingeschränkt. Ziel des bayerischen Versammlungsgesetzes war es aus Sicht der Staatsregierung, den "Mißbrauch der Versammlungsfreiheit" zu verhindern. Immer wieder, so hieß es aus dem Innenministerium, würde "durch Extremisten" die "öffentliche Sicherheit und Ordnung" aus Versammlungen heraus bedroht. Um nun nicht jedesmal den "bayerischen Notstandsparagraphen" Artikel 48 bemühen zu müssen, mit dem die Staatsregierung Grundrechte für eine Woche außer Kraft setzen kann, hatte sie - neben der so genannten "Onlinedurchsuchung" - das Versammlungsgesetz erfunden.

Hinter dem angeblichen Motto "Kampf gegen Neonazis" zeigte sich rasch, dass es der Landesregierung tatsächlich um weitreichende Einschränkung der Versammlungsfreiheit geht, von denen beispielsweise AntifaschistInnen mindestens ebenso bedroht sind. Tatsächlich ist das "bayerische Versammlungsgesetz" in weiten Teilen Polizeirecht, das zudem der Versammlungsleitung Ordnungsaufgaben überträgt. Das inzwischen in das Landesstraf- und Verordnungsgesetz übernommene "Militanzverbot", umfangreiche Videoaufnahmen und -zeichnungen, Meldepflichten und neue (wenngleich juristisch umstrittene, s.u.) Möglichkeiten für verdeckt arbeitende Beamte machen deutlich, dass die Staatsregierung jene "ungebändigte Demokratie" fürchtet.

Vom "breiten Widerstand" zum letzen Aufbäumen

Schnell regte sich Protest gegen das Vorhaben. Parteien, Gewerkschaften, Verbände, Bürgerinitiativen und linksradikale Gruppen setzten sich an einen Tisch und organisierten mehr oder weniger intensiv Demonstrationen und Kundgebungen. Angesichts der Vielzahl von Organisationen wäre anfangs durchaus an einen Erfolg der GegnerInnen zu Denken gewesen. Jedoch wurde schnell deutlich, dass sich im Grunde nur "die üblichen Verdächtigen" für ihr Recht zur Meinungskundgebung interessieren. Während das radikalere Spektrum viele Leute auf die Straße brachte, sah die Mobilisierungsfähigkeit der Parteien und Gewerkschaften traurig aus. Inhaltliche Differenzen zwischen verschiedenen Gruppierungen führten auch nicht eben zu einer "Massenmobilisierung".

Spätestens die "Großdemonstration" der Gewerkschaften ließ dann nichts Gutes für den Widerstand gegen das Gesetz ahnen. Offenbar hält es die Mehrheit der Bevölkerung ohnehin für sinnlos (oder gar falsch?), gegen die Einschränkung auch ihrer Grundrechte zu demonstrieren. Dass beispielsweise die verschärften Pflichten von VeranstalterInnen insbesondere jene empfindlich treffen können, die nicht aus Erfahrung schon mit dem juristischen Gezerre um Versammlungsleitung etc. vertraut sind, scheint vielen nicht klar zu sein.

Und so ebte der Widerstand auf der Straße - wo er eigentlich hingehört - bald wieder ab. Nur noch wenige beteiligten sich ander Sternfahrt gegen das Gesetz am vergangenen Freitag. Die Mahnwache der Gewerkschaft Verdi vor dem Landtag gab nicht nur angesichts des schlechten Wetters kein Bild des energischen Widerstandes ab. Und so blieb das "letzte Aufbäumen" schließlich bei den Oppositionsparteien im Maximilianeum, die bis gestern abend vergeblich versuchten, die Entscheidung bis nach der Wahl zu verschieben.

Ausblick

Wie wird es nun mit Demos, Kundgebungen und - ja! - Infoveranstaltungen weiter gehen? Sicherlich wird auch hier erst die Praxis zeigen, wie sich das Gesetz konkret auf politische Betätigung in Bayern auswirken wird. Die Erfahrung aber zeigt, dass Polizei und Behörden neue Instrumentarien rasch be- und ausnützen. Eine Nagelprobe dafür könnten die Demonstrationen gegen die nächste "Sicherheitskonferenz" im Februar in München werden.

Wie DemonstrantInnen auf die neue Rechtslage reagieren werden, bleibt offen. Absehbar ist, dass es deutlich mehr Spontandemonstrationen geben wird. Diese "Eilversammlungen" unterliegen auch nach dem neuen Gesetz nicht dem scharfen Regelwerk, das für Versammlungen in Bayern gelten wird, die länger als 72 Stunden vor Beginn bekannt sind.

Naheliegend ist zudem, dass es häufiger als bisher zur Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und Polizei kommen wird, die - deutlich öfter als bisher - den VersammlungsleiterInnen zu Last gelegt werden. Die Polizei wird nach kaum nachvollziehbaren Kriterien bestimmte Demos oder Teile davon als "militant" bezeichnen, die VeranstalterInnen zum Abbruch der Aktion oder Auschluß der "Militanten" drängen und schließlich selbst auflösen können. VersammlungsleiterInnen müssen sich generell auf noch mehr juristische Auseinandersetzungen einstellen, als ohnehin in letzter Zeit stattfinden.

Dass solche nicht immer schlecht ausgehen müssen, zeigte sich zuletzt am vergangenen Mittwoch. Der bayerische Verwaltungsgerichtshof gab dem Journalisten Michael Backmund letztinstanzlich darin Recht, dass die Polizei eine Veranstaltung in geschlossenen Räumen nicht präventiv ohne Hinweise auf Bedrohungslagen etc. besuchen darf. Das schriftliche Urteil steht zwar noch aus, die mündliche Verhandlung am Mittwoch lasse jedoch diesen Schluß zu, so die sueddeutsche.de.

Originaltext von Luzi-M
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Auch in BaWü...

aaf 24.07.2008 - 18:06
Badische Zeitung vom Donnerstag, 24. Juli 2008

Land will strengere Regeln für Demos

Wird Grundrecht gefährdet?

Von unserem Korrespondenten Roland Muschel

STUTTGART. Die Regierung will das Versammlungsrecht verschärfen. Der Grund: Gewalttätige Demonstrationen sollen verhindern werden. Das Vorhaben richtet sich vor allem gegen Neonazis. Kritiker fürchten Nachteile für alle Demos.

Der Gesetzentwurf von Innenminister Heribert Rech (CDU) sieht vor, dass vom nächsten Jahr an Kundgebungen unter freiem Himmel drei statt bisher zwei Tage im voraus angemeldet werden müssen. Der Veranstalter selbst muss gleichzeitig bekanntgemacht werden. Die Ordnungsämter sollen Versammlungsleiter wie Ordner ablehnen dürfen, falls diese etwa wegen Volksverhetzung oder Körperverletzung vorbestraft sind. Außerdem sollen am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des KZ Ausschwitz, und am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, Kundgebungen leichter verboten werden können. Zudem wird das bestehende Uniformierungsverbot ergänzt durch ein Verbot paramilitärischen Auftretens. Das soll Neonazis mit Springerstiefeln, aber auch militant gekleidete Linksradikale treffen. "Aufmärsche von Rechten lösen oft Reaktionen von Linken aus und es kommt dann zu Gewaltausschreitungen. Das wollen wir verhindern", sagte Rech gestern. Die CDU-Fraktion hat den Gesetzentwurf, der nach der Sommerpause ins Kabinett soll, schon gebilligt. Die FDP sei einverstanden, berichtete deren Innenexperte Hagen Kluck.

Doch Widerstand formiert sich. "Das berechtigte Ansinnen, rechtsradikalen Umtrieben Einhalt zu gebieten, darf nicht zur Einschränkung von Grundrechten für alle führen", warnt Rainer Bliesener, Landeschef des DGB. Die Möglichkeit der Bürger, durch Demos spontan auf berechtige Anliegen aufmerksam zu machen, werde erschwert, fürchtet Grünen-Innenexperte Uli Sckerl. "Gut gemeint, schlecht gemacht", lautet sein Urteil. Auch die SPD sieht Diskussionsbedarf, will aber laut SPD-Landeschefin Ute Vogt "keine Fundamentalopposition" betreiben", wenn es gegen Neonazis geht. In Bayern hat ein ähnliches Gesetz vergangene Woche erhebliche Proteste hervorgerufen.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 13 Kommentare an

edf — 454r

... — ,,,

ne ne ne — nele

zum kotzen! — Daniel Düsentrieb

shit — bayer

@AutonomeZelle — antifa

@AutonomeZelle — alerta!

iq — qi

@ all — trauerkloß

verdammt — jaja

An die Zelle — GuerillaAntifascistZelle