B: "Kamera-Arschloch"-Freispruch

smackedPony 17.07.2008 03:39 Themen: Bildung Repression
Am 14.07.08 fand vor dem Landgericht Berlin, die letzte Verhandlungveranstaltung gegen einen Aktivisten statt, der im August 2005 auf der Demo "Das Leben ist kein Ponyhof" einen Polizisten mit den Worten "Kamera-Arschloch" beleidigt haben soll.
Nach 2 Instanzen und insgesamt 4 Terminen traute sich endlich der mittlerweile vom Dienst suspendierte und angeblich betroffene POM Breninek, auf die Gerichtsbühne um in schwungvoller Lustlosigkeit seine Nichtversion der Geschehnisse darzustellen. Am Ende stand der Freispruch, eine Statistik der Lebenszeitverschwendung und die Frage: Wo ist Kummerlöw (schreibweise unbekannt)?
Endlich, nach unzähligen Aufführungen und zahlreichen Ankündigungen schaffte es der "betroffene" Polizeiobermeister Breninek auf die Bretter die das Gericht bedeuten, vom Lampenfieber gezeichnet bewegte er sich noch kurz vor der Aufführung untriebig auf den langen, hohen Fluren der Berliner Landgerichts-Einschüchterungsarchitektur.
War die Betroffenenrolle doch bis zu diesem Zeitpunkt eine Statistenbesetzung und tauchte bisher nur am Rande auf, sollte er nun seinen großen Auftritt haben. Die "Betroffenen-Monologe" in der zweiten Verhandlungsaufführung, der zweiten Instanz zum Prozesstheater "Kamera Arschloch".

"Er war schwer zu kriegen" so der Vorsitzende Richter Holldorf am Landgericht, aber es lohnte sich. Der, aus dem Theaterstück nicht ablesbaren Gründen, suspendierte POM Breninek ging in seiner Rolle des Desinteressierten vollständig auf, ein Paradebeispiel für die Darstellung der neuen, sachlichen Lustlosigkeit.
Poetisch Sätze wie: "Ja, da war mal was." oder "Ich glaube Willy-Brandt-Haus." oder "Kann mich nicht mehr richtig erinnern." wanderten sinnlich über seine Lippen und wurden durch die schlaffe, sich hängen lassende Körperhaltung betont. Man sehnte sich als Zuschauer geradezu nach einer Hängematte und einem kühlen Drink. Großartiges, kurzes, prägnantes und prägendes Intermezzo.

Nach diesem fulminanten Auftritt des Zeugen, hatte der Rechtsanwalt dem ganzen nichts mehr hinzuzufügen und konnte ohne großen Schnörckel übergehen in sein Plaedoyer. Welches sich in der Rezeption des Publikums recht einfach zusammenfassen läßt Nichts(Videoband) und Niemand (Zeuge POM Ponikau in der letzten Auführung) hatten etwas gesehen, was durch den überwältigend Elan von Keine Lust (POM Breninek) nur bestätigt wurde. Womit die schändliche Beleidigung "Kamera Arschloch" nicht zuordenbar wäre, und selbst wenn stehe doch die beantwortete Frage im Raum, "Sind Kameras beleidigungsfähig? Nein!". Dem schloss sich die Staatsanwaltschaft an und hatte nichts hinzufügen.

So konnte doch endlich Das Letzte Wort des Angeklagten gesprochen werden, hier versagte jedoch der Angeklagte in der Rolle des Angeklagten, und erhält nur die Lesenote: Stümperhaft.
Ein wenig mehr Übung hätte sicher geholfen, der doch recht interessante Monolog litt hierrunter und wird daher nochmal am Ende dieser Kritik seine ihm gebührende Stellung erhalten.

Gelungen ist den Schreiberinnen des Stücks das Einbauen des Abspanns kurz vor dem Stückende, so wurde doch durch den Angeklagten zusammengefasst, wer alles am Stück beteiligt war und ist. Dies geschah in Form einer Lebenszeitverschwendungs-Statistik in der alle Mitspieler aufgelistet wurden, auch wenn die Rezipienten, hier schon das Gefühl haben mußten das einige Akteure vergessen worden sind. Der vollständig halber wird sie der unten verlinkten Rede des Angeklagten angestellt.

Nun war es eigentlich an der Zeit das die "Imagination Volk" , ums mit Angeklagtenworten zu sagen, durch den Richter die "Imagination Recht" spricht. Aber was war das, erneut ein geschickter Werbegag der Stückeschreiberinnen, versteckte sich doch in den Worten des Richters die Ankündigung für ein neues Stück.
So verkündete er kurz vor Urteilsspruch "Ich möchte sie noch darauf hinweisen, das ein Herr Kummerloef (schreibweise unbekannt), von der 14. Einsatzhundertschaft bei mir angerufen hat um mir zu vermitteln, das eine Verurteilung besonders wichtig wäre. Er wies dabei auf Veröffentlichungen auf de.indymedia.org hin."

Großartige Ankündigung für das Stück "Wo ist Kummerloew (schreibweise unbekannt)?".

Das Publikum konnte nun mit aller Zufriedenheit das Urteil geniessen, versichert das sie durch weitere Episoden der Reihe "Theatralik in der Berliner Justiz und Polizei" beglückt werden. Es folgte nach nun dreijähriger theaterpädagogischer Beschäftigungstherapie der Freispruch und das Publikum konnte nun im Anschluss angeregt über das Neue Stück "Wo ist Kummerloev (schreibweise unbekannt)?" spekulieren.


Kamera Arschloch - Abschlussrede des Angeklagten
 http://wiki.bildung-schadet-nicht.de/index.php/Kamera_Arschloch_-_Abschlussrede_des_Angeklagten

Kamera Arschloch - Abschlussstatistik aus der Rede
 http://wiki.bildung-schadet-nicht.de/index.php/Kamera_Arschloch_-_Abschlussstatistik_aus_der_Rede

Wikiseite zum Prozess
 http://wiki.bildung-schadet-nicht.de/index.php/Kamera_Arschloch

30.06.2008: "Wasch doch!" Über Bären ohne Bleichmittel und Haflinger-Schimmel. Eine Theaterrezension.
 http://www.indymedia.org/de/2008/06/909029.shtml

30.06.2008: Theaterrezension. Die Kritik einer Kritik.
 http://www.indymedia.org/de/2008/06/909029.shtml

19.03.2007: "Kamera! Arschloch!"-Prozess
 http://de.indymedia.org/2007/03/171351.shtml
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Ergänzungen

"Das leben ist kein Ponyhof?" - Geschichte

smackedPony 17.07.2008 - 18:50
Also was war die Demo: "Das Leben ist kein Ponyhof"?

Im August 2005 fand im Rahmen von Vernetzung im studentischen Protestsektor ein Camp in Berlin statt, das Summercamp of Resistance, dieses sollte ursprünglich auf dem Mariannenplatz stattfinden, bekannt durch das Bethanien und den Rauchhaussong von "Ton Steine Scherben".

Damals gab es längere Verhandlungen mit der damaligen Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Cornelia Reinauer (PDS). Die am Ende scheiterten. Cornelia Reinauer meinte zu den Campist@s daraufhin das es da ja noch einen Ponyhof gäbe auf dem das Camp stattfinden könnte.

Die Campist@s schauten sich daraufhin nach einem anderen Platz um, aber nicht ohne die Aussage aufzugreifen und für die Abschlußdemo aufzugreifen, diese war von Anfang an als Spassdemo konzipiert und erhielt den Titel "Das Leben ist kein Ponyhof!".

Auf der Demo waren mehrere als Ponys verkleidete Personen anwesend, eines dieser Ponys wurde kurzzeitig festgenommen mit der Begründung die Gegenstand des Prozesses war. Die Demo beantwortete diese Festnahme mit einem verharren an ihrem Platz und wartet unter "Eins,Zwei,Drei, lasst das Pony frei."-Rufen bis ihre Forderung erfüllt wurde. Die Forderung wurde erfüllt. Das Pony konnte in seine Herde zurückkehren.

Das Motto "Das Leben ist kein Ponyhof" wurde im nachhinein noch mehrmals aufgegriffen, so gab es mehrere Aufkleberreihen( http://www.petersgeschichten.de/ponyhof/ponystuff.php), eine Hochschulgruppe mit gleichem Namen,zahlreiche BigBrother-StudiVZ-Gruppen, und mehrere Demonstrationen in denen ponygerechte Accessoires mitgeschliffen wurde. Was teilweise zu herben Verlusten führte, in Wiesbaden zerbiss ein Bullenhund nen schicken rosa "Mein kleines Pony"-Kinderschirm der mitgeführt wurde...grrmpff.

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Neben der Verwendung auf Demos gibt es aber noch ein Musikalbum (2001) von den Schröders mit dem Titel "Das Leben ist kein Ponyhof". ( http://www.myschroeders.de/index.php)

Außerdem Griff die Mockumentary-Serie "Stromberg" den Spruch in ihrer Serie auf.



Gerichtskram

ergaenzer 17.07.2008 - 19:10
Samstag, 19.07.2008, 20.00 Uhr, New Yorck 59, Bethanien:

"Fiese Tricks in Gerichtsäalen".
Ein Fall aus der Ton-Bilder-Schau "Fiese Tricks von Polizei und Justiz". Eintritt frei.

Prozesstraining in Berlin am 19./20.8.

k.o.b.r.a. 18.07.2008 - 13:20
Wer mal richtig intensiv erfahren will, wie so ein Prozess abläuft, was die Rechtsgrundlagen sind und - das ist das wichtigste - welche handlungsmölgichkeiten für Angeklagte und Publikum bestehen, kann zum Training (Theorie und Übungen) am nächsten Wochenende kommen:

19. und 20. Juli in Berlin (jeweils 14-20 Uhr, im Bethanien, Südflügel): Seminar und Training "Kreative Antirepression"
Einführungen zu rechtlichen Grundlagen (Polizei- und Strafprozessrecht), Aktionsmöglichkeiten und -inhalten. Brainstorming zum kreativen Umgang mit solchen Situationen. Dann Trainings in Form von Rollenspielen zu einem Gerichtsprozess (kompletter Verlauf eines Verfahrens) und auf Wunsch auch zu Polizeikontakten (Personalienkontrolle, Demonstration, Festnahme und/oder Verhör). Je Rollenspiel mit Einführung 3-4 Stunden ++ plus Vortrag am Samstag, 20 Uhr: Fiese Tricks im Gerichtssaal

Noch mehr Trainings dieser Art und auch Möglichkeiten, politisch umkämpfte Prozesse live zu sehen, gibts demnächst in Gießen:

# 2. und 3. August in der Projektwerkstatt (Beginn: Samstag, 14 Uhr): Seminar und Training "Kreative Antirepression" (Schwerpunkt: Gerichtsstress und Strafverfahren)
Einführungen zu rechtlichen Grundlagen (Polizei- und Strafprozessrecht), Aktionsmöglichkeiten und -inhalten. Brainstorming zum kreativen Umgang mit solchen Situationen. Dann Trainings in Form von Rollenspielen zu einem Gerichtsprozess (kompletter Verlauf eines Verfahrens) und auf Wunsch auch zu Polizeikontakten (Personalienkontrolle, Demonstration, Festnahme und/oder Verhör). Jedes Rollenspielthema mit Einführung dauert ca. 3-4 Stunden. ++ plus Vortrag am Samstag, 20 Uhr: Fiese Tricks im Gerichtssaal
Am Folgetag besteht die Möglichkeit, einen Gerichtsprozess live zu erleben, Sachen auszuprobieren usw., denn:
# 4. August und folgende Montage, jeweils ab 9 Uhr im Landgericht Gießen (Raum E 15, weitere Termine vorerst: 11. und 18 August): Berufungsverfahren wegen der justizkritischen Farbattacke auf Amtsgerichts und Staatsanwaltschaft am 3.12.2003. Bericht von der ersten Instanz ist das Kapitel 15 im Buch "Tatort Gutfleischstraße" und in der Fiese-Tricks-Schau das vierte Fallbeispiel. Nun also die Chance, das live zu erleben. Mehr unter www.projektwerkstatt.de/prozess
# 9. und 10. August in der Projektwerkstatt (Beginn: Samstag, 14 Uhr): Seminar und Training "Kreative Antirepression" (Schwerpunkt: Gerichtsstress und Strafverfahren)
Mehr siehe 2./3.8. ++ plus Vortrag am Samstag, 20 Uhr: Fiese Tricks im Gerichtssaal ... und auch hier am Folgetag ein Gerichtsprozess:
# 11. August und folgende Montage, jeweils ab 9 Uhr im Landgericht Gießen (Raum E 15, weitere Termine vorerst: 11. und 18 August): Berufungsverfahren wegen der justizkritischen Farbattacke auf Amtsgerichts und Staatsanwaltschaft am 3.12.2003. Bericht von der ersten Instanz ist das Kapitel 15 im Buch "Tatort Gutfleischstraße" und in der Fiese-Tricks-Schau das vierte Fallbeispiel. Nun also die Chance, das live zu erleben.


Und für Leute, die in Nürnberg mal live miterleben wollen ...
Freitag, 1. August, 9 Uhr, Amtsgericht Nürnberg (Fürther Str. 110), Sitzungssaal Nr. 26: Gerichtstermin wegen vermeintlichen Wildplakatierens (Fiese Tricks-Veranstaltungs-Werbung auf Linker Literaturmesse im Dez. 2007 in Nürnberg)

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