Plädoyer für ein Anklage des sudanesischen Präsidenten wegen Völkermordes

Robert Schütte 12.07.2008 12:27 Themen: Antirassismus Militarismus Weltweit
13.07.2008 - Der vorliegende Artikel argumentiert, dass eine Anklage des amtierenden sudanesischen Präsidenten wegen Völkermordes zu einer internationalen Stigmatisierung des Regimes in Khartum führen würde. Ohne die diplomatische und wirtschaftliche Unterstützung durch Peking und Moskau, wäre es dem Sudan quasi unmöglich, das Morden in Darfur so fortzuführen. Die positive Dynamik einer Anklage Omar al-Bashirs wegen Völkermordes würde die möglichen Risiken für einen - bis dato nicht existierenden - Friedensprozess in Darfur aufwiegen.
Die Konsequenzen einer Anklage des sudanesischen Präsidenten wegen VölkermordesEs wäre ein historisches Ereignis, wenn tatsächlich einträte, was die Washington Post in ihrer Ausgabe von Freitag, dem 11.07.2008, berichtete: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Louis Moreno-Ocampo, soll Anklage gegen den amtierenden Präsidenten des Sudan, Omar al-Bashir, wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erheben. Es wäre das erste Mal in der Geschichte des Gerichtshofs in Den Haag, dass ein im Amt befindliches Staatsoberhaupt wegen schwerster Brüche des humanitären Völkerrechts vor Gericht gestellt werden soll. Die Konsequenzen: Unabsehbar. Nur eins scheint fest zu stehen: Eine solche Entscheidung würde neue Dynamik in die bisher stagnierenden Friedensbemühungen im Darfur-Konflikt bringen.Eine hitzige Diskussion ist entbrannt seit Ocampo am 5. Juli vor dem UNO Sicherheitsrat seinen jährlichen Bericht zur Lage in Darfur vorgetragen hat. Der Chefankläger machte hierin deutlich, dass der gesamte sudanesische Staatsapparat in die Menschenrechtsverbrechen in Darfur involviert sei, und dass er die Verantwortlichen vor dem Weltgerichtshof zur Rechenschaft ziehen wolle. Seit dem diskutieren Diplomaten und Sudan-Experten über die Frage, ob Ocampo wirklich wagen wird, den Präsidenten des Sudan wegen seiner politische Verantwortung für die Verbrechen in Darfur anzuklagen. Gegen einen solchen Schritt haben sich im Vorfeld prominente Persönlichkeiten ausgesprochen, so z.B. Andrew Natsios, ehemaliger Sudan Sondergesandter des US-Präsidenten, und Alex De Waal, ein bekannter Sudanexperte der US-Universität Harvard. Ihr Argument: Eine Anklage Bashirs vor dem IStGH könnte alle Friedensbemühungen in Darfur zunichte machen und die Stabilität des Sudan gefährden. Anstatt symbolischer Anklagen sollten lieber alle Konfliktparteien an einen Tisch gebracht werden um das Leiden in Darfur schnellstmöglich zu beenden. Eine Anklage des sudanesischen Präsidenten in Den Haag? Eine Katastrophe für die Menschen in Darfur, so die Kritiker.Überwiegen also die negativen Konsequenzen die positiven Rückwirkungen einer Anklage? Dies ist unwahrscheinlich. Richtig ist, dass eine Anklage von Präsident Bashir Risiken birgt. Genau so richtig ist aber auch, dass die positiven Anstöße einer Anklage die potenziellen negativen Konsequenzen aufwiegen könnten. Khartum hat in den letzten fünf Jahren weder Interesse an einer friedlichen Beilegung der Krise gehabt, noch die Verantwortlichen für Menschenrechtsverbrechen hinter Gitter gebracht. Vielmehr muss festgestellt werden, dass trotz aller Bemühungen der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen kein Friedensprozess in Darfur existiert, der durch eine Anklage Ocampos gefährdet werden könnte. Wichtiger jedoch ist, dass eine Anklage des IStGH dem Regime in Khartum seine überlebenswichtige internationale Unterstützung auf diplomatischer und wirtschaftlicher Ebene entziehen würde.Aus der Geschichte lernen: Was Milosevic und Bashir gemeinsam haben.Schon einmal wurde ein amtierender Präsident wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Sein Name: Slobodan Milosevic. Während die NATO 1999 Bombenangriffe auf Serbien wegen Menschenrechtsverbrechen im Kosovo flog, klagte die Chefanklägerin des Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien, Carla Del Ponte, den serbischen Präsidenten wegen seiner Verbrechen im Bosnienkrieg an. Auch damals erklärten zahlreiche Diplomaten und Experten, dass Milosevic in Folge dessen keinem Waffenstillstand mehr zustimmen würde. Was habe er auch zu gewinnen außer einem Platz hinter Gittern, so die These. Das Gegenteil der pessimistischen Prognosen geschah: Russland reduzierte seine internationale Unterstützung der „serbisch-slawischen Brüder“ in Belgrad, um nicht als Protegé eines Kriegsverbrechers zu gelten. Der schwindende Rückhalt aus Moskau zwang Milosevic letztlich klein beizugeben. Die Anklage des amtierenden serbischen Präsidenten führte also letztlich zu einer internationalen Stigmatisierung seiner Person, seiner Politik und seines Regimes. Ohne den Schutz des mächtigen Protektors aus Russland war eine Weiterführung seiner Politik von Mord und Vertreibung nicht mehr möglich.Auch das Regime Omar al-Bashirs ist auf die internationale Rückendeckung Chinas und Russlands angewiesen. Eine Anklage des sudanesischen Präsidenten wegen Völkermordes würde es beiden Ländern erheblich erschweren, wenn nicht gar unmöglich machen, ihre bisherige Politik des Beschützens und Wegschauens weiterzuführen. Vor allem die Volksrepublik China würde im Vorfeld der olympischen Sommerspiele in erhebliche Erklärungsnöte geraten, die Unterstützung des Regimes in Khartum in ihrer derzeitigen Form aufrechtzuerhalten. Auch der neue russische Präsident Medvedev würde nur ungern als jemand dargestellt, der einem Völkermörder im fernen Sudan den Rücken stützt. Die Quintessenz: Der Druck auf das sudanesische Regime wird gerade von Seiten seiner engsten Verbündeten zunehmen, für welche Präsident Bashir zu einem gigantischen Imageproblem zu werden droht. Aber auch Deutschland und die Europäische Union werden sich nicht länger hinter wohlfeilen Appellen verstecken können, sondern ernsthafte Schritte ergreifen müssen. Noch im Juni 2008 lehnten die EU-Außenminister (nach Intervention Frankreichs und Spaniens) eine Verhängung von Sanktionen gegen die sudanesische Regierung ab. Nach einer Anklage durch den IStGH könnte ihnen nun möglicherweise nichts anderes übrig bleiben, wenn sie den Weltgerichtshof in Den Haag nicht vollkommen unglaubwürdig machen wollen. Eine Fortsetzung der bisherigen EU-Politik des „Handel ja, Handeln nein“ würde undenkbar. Für das Regime Omar al-Bashirs, das über alle Maßen abhängig ist von internationaler diplomatischer, wirtschaftlicher und finanzieller Hilfe, könnte eine Anklage aus Den Haag bittere Konsequenzen haben, die nur durch Kooperation auf anderen Feldern abgemildert werden könnten.Anklage wäre ein historischer AktWie in der Vergangenheit wird das sudanesische Regime keinen Kuhhandel scheuen, um seinen Kopf noch einmal aus der Schlinge zu ziehen. Tatsächlich hätte das Regime in Khartum einiges anzubieten, um die internationale Gemeinschaft fürs Erste zu besänftigen: Eine ungehinderte Dislozierung der UNAMID-Friedenstruppe in Darfur, eine Einstellung der Angriffe auf Zivilisten, oder auch ernsthafte Friedensverhandlungen in Darfur. Dennoch: Die politischen Verantwortlichen für die Verbrechen in Darfur werden früher oder später vor Gericht gestellt werden. Diesen sogenannten „Charles Taylor“-Effekt fürchten Bashir und seine Komplizen zu Recht.Es besteht die realistische Möglichkeit, dass der als machtlos titulierte Internationale Strafgerichtshof zur Lösung einer der schlimmsten humanitären Katastrophen unserer heutigen Zeit beitragen könnte, indem er zum Kristallisationspunkt der Ächtung des sudanesischen Regimes und seines amtierenden Präsidenten wird. Ein Anklage Bashirs könnte aus diesem Grund als historischer Akt in die Geschichte eingehen.(Robert Schütte ist Sudan-Experte und Präsident von Genocide Alert)
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

xxx

xxx 13.07.2008 - 20:04
der icc will bashir jetzt anklagen. dieser zeitpunkt liegt "zufällig" kurz nach einem angriff auf un-truppen, wobei einige von diesen getötet wurden. da fragt man sich doch, ob das eine reaktion auf diesen angriff ist und ob die un und der intern gerichtshof dadurch jetzt eine analoge systemstruktur zu regierungen bilden, die als zentrale körper aufeinander abgestimmt agieren. soll hier jetzt ein verbrechen gegen menschen (hier des sudan), die auch in etlichen anderen weltteilen stattfinden, verurteilt werden oder die attacke gegen un-soldaten sanktioniert werden?
die frage ist insofern wichtig, wenn es um die weitere entwicklung von rolle und funktion des icc und seine (un-)parteilichkeit geht.

Dynamik für den Friedensprozess - Schmarrn

Propaganda-Alert 14.07.2008 - 00:01
Dieser Artikel ist eine deutliche Verdrehung der Tatsachen und begrüßt einen Schritt, der allenfalls geeignet ist, den Konflikt zu verschärfen. Er vertraut den Gipfeln der Macht und richtet sich gegen ein Regime, das vom Westen als Wurzel allen Bösen identifiziert wurde. Vor allem der Vergleich mit Jugoslawien ist hanebüchen. Völlig unterschlagen wird, dass Milosevic nicht einfach "klein beigab", nachdem er angeklagt wurde, sondern Serbien und Kosovo zuvor erstmal wochenlang bombardiert wurden. Zudem konnte Milosevic nie verurteilt werden - der Prozess vorm Ad-Hoc- Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien, der wenig mit dem IStGH zu tun hat, verlief eher peinlich und del Ponte konnte froh sein, als Milosevic starb, eben weil sich die Sache im Prozess ganz anders darstellte, als vorher von Deutschland und der NATO u.a. als Kriegsbegründung dargestellt.
Zur Anklage gegen die sudanesische Regierung: Freilich kann und wird diese weiter unterstützt werden, wenn nicht offiziell, dann doch auch sehr leicht inoffiziell. Aber wer setzt sich mit jemand an den Verhandlungstisch, der als Völkermörder angeklagt ist? Und wer setzt sich an den Verhandlungstisch und gibt evtl. seine Macht ab, dem danach der Prozess droht? Im Effekt wird sich al-Bashir nur noch enger an die Macht klammern und sich jetzt schonmal Milizen aufbauen, um sich für immer dem IStGh zu entziehen. Dass hier das erste mal Mitglieder einer Regierung angeklagt werde, ist insofern kein Fortschritt, dass diese Anklage nur ein Schritt zum erklärten Ziel ist, diese Regierung abzusetzen. Der Südsudan wurde bereits abgetrennt, Darfur ist als nächstes dran. Teil dieser Politik ist der EUFOR-Einsatz in Tschad und der ZAR, der bestens geeignet ist, den Darfur-Konflikt nicht zu lindern, sondern zu eskalieren und zu einem internationalen Konflikt auszuweiten. Oder wie konnten die regierungsfeindlichen Milizen in Darfur kürzlich mit Débys Petrodollars bis nach Khartum vorstossen. Warum bringt dieser Artikel keine Hintergründe, sondern vermittelt er nur eine plumpe Wiedergabe internationaler gut/böse Schemata? Weil er von Genocide-alert ist. Kehrt doch mal vor Eurer eigenen Haustür, seht die Dinge mal kritisch ihr grün-liberalen Kriegstreiber. Pfui!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

was interessiert mich das — Antiimperialist

. — .

für eine Anklage — Marco