Bericht vom Kieztreffen im Görli /BerlinXberg

Randnotiz 06.07.2008 23:36 Themen: Freiräume Kultur
Ausführlicher Bericht vom Kiezgespräch am 5.7. im Görlitzer Park
Veranstalterin: Quartiersmanagement Wrangelkiez
Thema: Görlitzer Park ohne Dreck und Drogen?!
Die Veranstaltung „Görlitzer Park ohne Dreck und Drogen?!“ fand am Samstag im Görli auf der „Platte“ (asphaltierte Fläche zum sakten hinter Cafe Edelweiß und Jugendeinrichtung) statt.
Moderiert wurde von Wolf Kuhl vom Quartiersmanagement Wrangelkiez.
Als Gesprächspartner_innen waren eingeladen: Frau Kalepky (Bezirksstadträtin für Bauen, Wohnen und Immobilienservice - Umwelt und Verkehr), Frau Menje (Leiterin des Ordnungsamts) 2 Mitarbeiter_innen des Ordnungsamts, Frau Franke (BSR), Dr. Becker (Wirtschaftsstadtrat und Vorsitzender des Wirtschafts- und Ordnungsamt), ein Polizist und ein Kripo-Mitarbeiter der Polizeidirektion 5 und diverse Vertreter_innen von Initiativen in und um den Görli.

Zu Beginn der Veranstaltung distanzierten sich die Mitarbeiter_innen des Quartiersmanagement Wrangelkiez (QM) vom Fake-Flugblatt, dass einige Tage vor der Veranstaltung in den Umlauf gekommen ist. (siehe Anhang)
Das Fake-Flugblatt, dass dem Aufruf des QM zum verwechseln ähnlich sieht, trug den Titel „Görlitzer Park -ohne Dreck, Drogen, Punks und Penner?“ und schlug Mittel wie Bürgerwehr und Platzverweise für verhaltensauffällige Personen als Maßnahmen für einen sauberen Görli vor.

Das QM war sichtlich entsetzt darüber, dass Menschen das geplante Kiezgespräch mit solchen Mitteln manipulieren wollten. Das „echte“ Flugblatt (siehe Anhang) warb mit folgenden Sätzen für die Veranstaltung:
„Der Dreck und die aggressive Belästigung durch Dealer im Görlitzer Park nehmen überhand. Die Situation hat sich so verschärft, dass Menschen den Park meiden -das soll so nicht sein!“

Einleitend wurde von Herr Kuhl vorgeschlagen, dass erst über den Dreck, dann über die Drogen gesprochen werden sollte. Anwohner_innen brachten ein, dass sie auch über „den Lärm beim Grillen“ reden wollten.
Die Stimmung der anwesenden Anwohner_innen war von Anfang an sehr aufgeheizt und zum Teil pöbelig, so dass die geladenen Redner_innen schnell und sehr direkt angesprochen wurden und auch die Anwohner_innen sich untereinander oft lauthals bestärkten oder eben ausbuhten.

Frau Kalepky machte den Anfang und referierte über die Reduktion des Haushaltes, der zu folge hat dass zu wenig Mitarbeitende des Grünflächenamtes im Einsatz sind um den Görli zu bewässern und die zerstörten Spielgeräte zu reparieren. Der Görli sei eine „stark genutzte Fläche“ und „Basis und Grundstruktur der Nutzung (würden) nicht mehr stimmen“ da die Nutzung proportional zur Bevölkerungsdichte um den Park herum sehr hoch sei und damit viele Probleme (Sauberkeit, Bewässerung, Vandalismus) für den Park entstanden seien. Kurz: Der Görli wird „übernutzt“, zu wenig Personal ist da und deswegen vertrocknet der Görli streckenweise.

Die Stadt sei in der Lage, Angebote zur Verbesserung zu machen, sei aber auch stark auf die Mithilfe der Bürger_innen angewiesen. „Das Bezirksamt hat nicht die Aufgabe, den Menschen ihren Müll hinter her zu tragen -wir brauche mündige Bürger!“
Frau Kalepky sagte weiter, dass sie an der Veranstaltung teilnehme um sich ein Bild von den Problemen im Görli zu machen, von denen sie vielleicht noch gar nichts wüsste und zu deren Klärung sie bereit sei.

Sie schloss eine Erläuterung des Reinigungstaktes (immer Montag und Donnerstag zwischen 7 und 18h) an und die Überlegung, den Park auch Samstags reinigen zu lassen.
Auch die zu kleinen Mülltonnen regten bei einige Anwohner_innen hitzige Debatten über die Sauberkeit des Parks an: „Größere Tonnen müssten her!“ - „Wenn dann aber mit Deckeln da die Krähen den Müll immer wieder rausholen!“ – „ Hatten wir doch alles schon, aber größere Tonnen werden immer angezündet!“...

Anschließend sprach Herr Becker vom Ordnungsamt darüber, dass auch seine Mitarbeiter_innen teilweise überfordert seien: Zwei mal pro Woche sind Aussendienstmitarbeiter_innen des Ordnungsamts im Görli unterwegs um Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass Hunde nicht unangeleint rumlaufen dürfen, Grillen nur an den zwei ausgwiesenen Plätzen erlaubt ist und so weiter.
Allerdings sei es laut Becker so, dass sich die weiblichen Mitarbeiterinnen oft nicht gegen die Menschen, die die Regel-Verstöße begehen, durchsetzen können und es deshalb schwierig ist, im Görli angemessen zu arbeiten.

Das Thema Grillen im Görli regte dann abermals Diskussionen im Publikum an: Die einen forderten mehr Grillplätze, weil ja sowieso überall gegrillt würde -die anderen beklagten sich, dass sie an Sommerwochenenden ihre Fenster nicht öffnen könnten, weil sie dann die Wohnung voll mit „beißendem Rauch von gegrilltem Fleisch“ hätten. „Es ist unmöglich dass immer Leute von ausserhalb in den Park kommen und meinen hier Feten feiern zu können!“ beklagte sich eine Anwohnerin. Immerhin waren sich alle einig, dass die Grillfreudigen immer ihren Müll im Park liegen lassen.

Ein Anwohner stellte daraufhin seine Umweltgruppe vor, die sich ab jetzt immer Samstags um 16h zum Müll sammeln im Görli treffen will.

Frau Kalepky sprach das Problem an, dass viele den Park als öffentliche Toilette nutzen würden und verwies auf das Cafe Edelweiß und das neu eröffnete Park-Cafe am Spreewaldplatz, mit denen es Absprachen zur kostenlosen Toilettennutzung gäbe. (Good to know for the next Grillparty)

Eine fröhliche Unterbrechung der Diskussion kam mit einer Gruppe Menschen, die mit Musik und Sprechchören („Görli für alle“ und „Pro Gesocks“) die Veranstaltung durchquerten. Herr Wolf bemühte sich wieder darauf hin zu weisen, dass diese Menschen ja das sagen würden, was auch das QM erreichen will und die Demonstrant_innen offensichtlich ebenfalls das falsche Flugblatt gelesen hätten.

Herr Voß von einer Initiativgruppe für den kaputten Pamukkale-Brunnen übernahm das Wort und berichtete, dass diesen August das 10jährige Brunnenjubiläum anstände: Vor 10 Jahren wurde der Brunnen für 3,4 Millonen DM fertiggestellt, war 6 Wochen in Betrieb und ging dann kaputt... Seitdem gibt es einen Rechtsstreit zwischen Künstler und dem Bezirk (?).
Frau Kalepky kündigte an, dass der Rechtsstreit schon im November zum Resume kommen würde und sich dann eine Lösung anstreben ließe. Ausserdem müssten aber vorher die Zäune um den Brunnen erweitert werden, um die Unfallgefahr weiter einzuschränken. Sie würde aber hiermit den Auftrag zur Konzeptentwicklung für neue Nutzung des Brunnens mit in die Bezirksverwaltung nehmen.


Der Moderator leitete über zum nächsten großen Thema: Drogen und Dealer im Görlitzer Park: „Im Görli wird offen gedealt“

Der Kripobeamte erklärte, dass im Görli eine ähnliche Situation wie am Kottbusser Tor oder in der Hasenheide herrsche. Im Görli würden „sogenannte weiche Drogen, also Canabis und Marihuana,“ verkauft und „dass alle Menschen selber für sich entscheiden sollten, ob sie Drogen nehmen wollen oder nicht“ aber dass die Polizei ein Interesse daran hat, dass dealen im Görli einzudämmen. Hierzu seien sie mit offenen und verdeckten Ermittlern vor Ort um Verkaufshergänge zu beobachten und einzuschreiten. Er bat um die Mithilfe der Park-Besucher_innen, da die Polizei immer nur gerichtliche Schritte einleiten können, wenn der gesamte Verkaufshergang dokumentiert wäre – ein Menschen mit 10g Mariuhana zum Eigenbedarf könne gerichtlich nicht weiter belangt werden - viel wichtiger wäre es, an die Verkäufer heran zu kommen.

Einige Wortmeldung von Anwohner_innen:
- Es entsteht der Eindruck, die Polizei würde nur die Grillgemeinde anpöbeln, die Dealer aber in Ruhe lassen.
- Eine andere Anwohnerin sagte, dass sie noch nie von den Dealern bedrängt worden sei, diese aber soviel Dreck hinterlassen würden.
Man solle auch sehen, dass die Händler Menschen wären und deswegen nicht die Polizei eingeschaltet werden sollte.
Dealer verkaufen auch Drogen an minderjährige oder werben sie als Weiterverkäufer an.

Der Moderator erklärte, dass man sich dann ja schon wie ein Denunziant fühlen würde, aber er habe gemerkt, dass das dealen im Görli durchaus ein Problem sei, über das die Menschen hier sprechen wollen.

Der Bulle sagte, dass sie davon abraten würden, dass die Parkbesucher_innen selber einschreiten wenn sie einen Händler beobachten würden -das Bewusstsein der Menschen, die Drogen nutzen müsse verändert werden um eine Änderung der Situation herbeizuführen.

Als ein Mann of colour die Polizei direkt ansprach und fragte, wieso es immer hieße, dass alle Afrikaner im Görli dealen würden, wand sich der Beamte mit Phrasen wie „Ich bemerke da jetzt eine starke emotionale Betroffenheit“ heraus ohne klar Stellung zu beziehen.

Am Ende des Gesräches erläuterte Frau Kalepky noch auf die Frage nach mehr Lampen für den Görli, dass es in Parks so wäre, dass ein beleuchtetert und befestigter Weg auch von Schnee geräumt werden müsste -also mehr Lampen = sehr viel höhere Kosten für den Bezirk. Auch die eingangs erwähnten Container kosteten 1000 Euro pro Stück. Aber sie würde die Bitten der Anwohner_innen an die Senatsverwaltung weitergeben und meinte, dass der Görli im nächsten Haushaltsjahr mit bedacht werden sollte.

Als letzte Wortmeldung sprach sich ein Mensch der CDU Fhain/Xberg dafür aus, dass mehr Polizei im Görli anwesend sein sollte, worauf ihn das Xberger Publikum mit Buhs und Pfiffen antwortete.




Zusammenfassende Gedanken zur Veranstaltung:

Alles in allem wirkte das Kiezgespräch wie eine Prestigeveranstaltung zur Bürger_innenbeteiligung im Kiez. Es wurde nicht wirklich klar, ob und was sich verändern soll und wo sich die Wünsche der Anwohner_innen und Parkbesucher_innen treffen könnten -und vorallem, wieviel die Vertreter_innen von Stadt und Staat dazu beitragen können.

Klar wurde, dass Probleme wie zu kleine Mülltonnen die Gemüter mehr erregte als die immer häufiger auftauchenden Polizeistreifen im Park.
Die Tatsache, dass es im Görli immer mehr Vergewaltigungsfälle gibt, wurde nicht erwähnt.
Auch das Menschen ohne Papiere sich z.T. nicht mehr in den Görli trauen, weil sie auf Grund ihres nicht mehrheitsdeutschen Aussehens von der Polizei kontrolliert werden, hatte auf der Veranstaltung keinen Platz.

Scheinbar wollen viele Menschen lieber mehr Schilder, Regeln und Verbote, um den Görli in Ruhe zu nutzen – noch mehr Sauberkeit und Ordnung in SO36?!

Nix da - Berlin bleibt dreckig!



ANHANG:

von der Homepage des Quartiersmanagement Wrangelkiez:

„Ankündigung "2. Kiezgespräch" am 05. Juli 2008

Thema: Görlitzer Park
Veranstaltungsort: auf der Platte im Görlitzer Park, Beginn: 15:00 Uhr

Gerade jetzt im Sommer wird es besonders augenfällig und unangenehm: Der Dreck und die aggressiven Belästigungen der Dealer im Görlitzer Park nehmen überhand. Viele Anwohner/innen meiden deshalb den Park.
Auf dem zweiten Kiezgespräch geht es um Aktionen für den Park, damit dieser als Ort der Erholung und der Kommunikation für die Anwohner/innen wieder gestärkt wird. Bewohnerinitiativen stellen Ihre Aktionen vor. Die bezirkliche Baustadträtin Frau Kalepky, zuständig für Grünflächen, und Wirtschaftsstadtrat Herr Dr. Beckers, zuständig für das Ordnungsamt, haben Ihr Kommen zugesagt.“

Quelle:
 http://www.quartiersmanagement-wrangelkiez.de/



Stellungnahme des Quartiersmanagement zum gefälschten Plakat anlässlich des 2. Kiezgespräches am 05. Juli 2008 zum Görlitzer Park

Rund um den Görlitzer Park wurden mit einem gefälschten Plakat und diskriminierendem Inhalt auf die Veranstaltung am 05.07. im Görlitzer Park hingewiesen. Der/die Verfasser/in haben das Plakat im Layout des Quartiersmanagement verfasst und die Logos des Quartiersmanagements und des Programms der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung "Soziale Stadt" verwendet. Wir distanzieren uns von diesem Plakat und dessen Inhalt.
Es spiegelt in keiner Weise die Haltung des Quartiersmanagements zu den Problemen im Görlitzer Park wieder.

Quelle:  http://www.quartiersmanagement-wrangelkiez.de/
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

ergänzung

anwohnerin 07.07.2008 - 00:11
ich weiß nicht, es ist doch relativ anti-überwachung und pro-anwohner-nutzer (warum redet der artikel eigentlich von anwohner vs. nutzer) abgegangen, auch seitens amt und polizei. hier wird einerseits auf die gravierenden probleme (drogendeals [auch an jugendliche/kinder], abgeziehe) eingegangen worden, sogar bemängelt worden, dass auf das problem sexueller übergriffe/ vergewaltigungen nicht eingegangen wurde - um dann am ende hauptsächlich kritik an der polizei zu üben. "Bullen raus" kann man hier herauslesen - doch was soll bei dieser einstellung das gerede von dealern und vergewaltigungen? ich als anwohnerin kann ja vielleicht die linken kritikerInnen, die gegen die veranstaltung heute protestierten oder den autor bitten, mich bei gängen durch den görli vor allem abends zu begleiten? aber das ist für mich bürgerwehr! gegen bürgerwehr-konzepte muss man sich aber verwahren - das wiederum heisst, man muss die letzten reste des rechtsstaates nutzen. und dann muss eben doch die polizei gegen vergewaltiger und aggro-dealer einschreiten.
schade, das dieser widerspruch im artikel nicht reflektiert wurde.

Anmerkungen

auchda 07.07.2008 - 16:04
Der schmierige Typ von der CDU (inkl. seiner beiden Begleiter/Bewacher am Rand) nutzte seinen Auftritt vor allem für Seitenhiebe auf die Regierenden, sprach von verfehlter Senatspolitik und forderte eine Zero-Tolerance-Politik nach New Yorker Modell. Besonders die jetzt freiwerdenden Flächen des Flughafens Tempelhof seien sonst ein nicht zu kontrollierender Freiraum, wie man ja am Görli sehen könne!

Wenn ich mich über den Typ nicht so geärgert hätte, wäre mir vermutlich sofort aufgefallen, wie drollig eingeschnappte CDU'ler eigentlich sind.


Trotzdem: Der jetzige Zustand ist übel und eine Zumutung, die AnwohnerInnen/NutzerInnen haben ein absolut nachvollziehbares und berechtigtes Bedürfnis daran etwas zu ändern.

Vom Bezirk/Senat wird nicht viel ernstzunehmende Hilfe kommen.

lampen und dealen

fnord23 07.07.2008 - 18:07
High,

im Weinbergspark wurde auch erst darüber debattiert, dass Lampen viel zu teuer seien und dann auch die ganzen anderne Bezirke beleuchtete Parks haben will. Warum auch nicht?

Im Weinbergspark gibt es meines wissens nach jetzt beleuchtung...

Zu den Drogen: Wie wärs mit Drogenfachgeschäften? Dann müsste das ganze nicht im Park stattfinden.

Achja, da war ja noch was, das ganze ist ja im Prinzip illegal; auch wenn so einige Kiffer das Land Deutschland als sehr liberal ansehen - gibt ja immer was zu kiffen - , zeigt sich an dieser Stelle, wo der Hammer schwingt.

Leider ist die ganze Diskussionsveranstaltung wiedermal an ner Menge Leute vorbeigegangen, ist schon ne grosse Stadt, Berlin..


Damits Drogenfachgeschäfte gibt, und auch die irrationale Drogenpolitik diesen Landes geändert wird: komm zur Hanfparade- bring deine Meinung zum ausdruck: www.hanfparade.de

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 8 Kommentare an

Regionale Geschichten — Informer

naja — df

Ursachen im System — görlipörli

@informer — xy

So ein Mist! — Putzteufel

görligörlie — mitstreiter

Müll — Anwohner/Nutzer