Protest bei Wolfgang Schäuble in Erlangen

andrenalin 06.07.2008 22:51 Themen: Freiräume Netactivism
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble trägt bei einer Veranstaltung der CSU in Erlangen unter kreativem, andauerndem und lautem Protest seine Sicht auf die Sicherheitspolitik vor.
Am 01.07.2008 sprach Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in der Heinrich-Lades-Halle in Erlangen bei einer Veranstaltung der örtlichen CSU. Das Publikum bestand zum größten Teil aus älteren Personen, die Schäubles Ausführungen mit Begeisterung folgten.

Die Sicherheitsvorkehrungen waren hoch, so waren noch nicht einmal Handtaschen erlaubt. Trotzdem haben es sich viele hauptsächlich junge Menschen in der Universitätsstadt nicht nehmen lassen, in der von Ordnern und Polizei bewachten Halle ihre Meinung durch kreative Protestaktionen öffentlich zu machen.

Schäubles Vortrag wurde von permanenten Zwischenrufen begleitet, durch die sich der Innenminister sichtlich gestört fühlte und auch in den meisten Fällen durchaus aus dem Konzept gebracht wurde, so dass er oft mehrere Minuten brauchte um sich wieder seinem eigentlichen Thema zu widmen. Er bedauerte, dass er die Kritik leider akustisch nicht verstehen konnte, aber anstatt den Betroffenen ein Mikrofon zu geben, wurden sie von Ordnern und der Polizei aus dem Saal gebracht.

Anhaltenden Applaus der jüngeren Anwesenden ernteten einige studentische AktivistInnen. Eine Gruppe stieg mitten im Saal auf die Tische und zeigte auf ihren T-Shirts, die mit je einem großen Buchstaben bedruckt waren, den Slogan "S-T-A-S-I 2.0". Sie warfen Flyer mit Informationen zu den bereits umgesetzten und noch geplanten Gesetzen in die Menge, die sofort von CSU-Ordnern beseitigt wurden. Eine zweite Gruppe lief quer durch die Halle und breitete direkt vor Wolfgang Schäuble zwei große Transparente mit den Aufdrucken "Freiheit statt Angst" sowie "Lebst Du noch oder überwachen die schon?" aus.

Schäuble reagierte auf die Kritik mit der Behauptung, dass die jungen Menschen ja keine Ahnung hätten, wovon sie reden. Um diese Erkenntnis reicher wurden die AktivistInnen aus dem Saal entfernt. Im Anschluss an die Transparent-Aktion wurde eine Privatperson, die Bilder von den AktivistInnen gemacht hat, darum gebeten alle Fotos davon zu löschen, da einer der CSU-Ordner das Recht an seinem Bildmaterial schützen wollte. Als sich der Fotograf weigerte, wurde er ebenfalls gebeten den Saal zu verlassen.

Am Ende der Veranstaltung durfte das Publikum Fragen an Minister Schäuble stellen. Ein Informatikstudent wies darauf hin, mit wie wenig Wissen es möglich sei, den staatlichen Überwachungsmaßnahmen zu entgehen. Er habe das nötige Wissen bereits im ersten Semester erlernt und frage sich, warum trotzdem auf Überwachung bestanden wird, obwohl es nur die ahnungslosen, unschuldigen Bürger und höchstens einige dumme Verbrecher treffen würde. Schäuble gab zu verstehen, er selber sei kein Computerexperte und zeigte sich bereits damit zufrieden, wenn man anstatt der Schwerkriminellen nur ein paar Dumme erwische. Ob die gerade mit Terrorismusbekämpfung begründeten Überwachungsmaßnahmen dann nicht ihr Ziel verfehlen würden, wurde nicht weiter diskutiert. Ein anderer Gast war besorgt darüber, was passieren könnte, wenn die Gesamtheit der Überwachungsgesetze umgesetzt ist und irgendwann die Linkspartei an eine Mehrheit im Bundestag kommen würde. Leider blieb diese ebenso wie die direkt daraus resultierende Frage nach der Vertraulichkeit der Daten sowie dem möglichen Missbrauch der Überwachungswerkzeuge durch beliebige andere Parteien oder Polizei und Geheimdienste unbeantwortet.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 3 Kommentare an

großes Lob — Sympathisant

Der wahre Zweck — André Marggraf

Na endlich — tommy