Ermittlungen gg Innenmin Bouffier eingestellt
Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat das Ermittlungsverfahren gegen Innenminister Bouffier eingestellt. Der hatte mit fast unglaublicher krimineller Energie eine größere Polizeiaktion inszeniert, um seine KritikerInnen hinter Gitter zu bringen. Die spektakuläre Aktion im Mai 2006 konnte allerdings inzwischen weitgehend aufgeklärt werden. Doch die Täter scheinen davon zu kommen - erwartungsgemäß. Denn Gerichte und Knäste, deren Existenz aus emanzipatorischer Sicht ohnehin schnell ganz zu beenden sind, waren noch nie dafür da, Angehörige gesellschaftlicher Eliten zur Verantwortung zu ziehen. Offen bleibt, ob die jetzige Einstellung des Verfahrens gegen den Innenminister auch die Bildung der dem Zeitgeist entsprechenden Variante von Landesregierung unterstützen soll - nämlich Schwarz-Grün.
Evelin Schönhut-Keil, die frühere Landesvorsitzende der Grünen, wird zitiert: "Es spricht nichts mehr gegen ein schwarz-grünes Bündnis in Hessen." Zentralen Kreise der Frankfurter Grünen dagegen nennen eine Vorbedingung: „Nicht mit Roland Koch. Das wäre die entscheidende Hürde.“ Da wird es Zeit, dass andere Anwärter auf den Ministerpräsidentenposten nicht länger belastet sind. Zu denen gehört Volker Bouffier, Innenminister und harte rechte Hand von Roland Koch. Er stammt aus Gießen, wo bereits eine Jamaika-Koalition arbeitet – erfolgreich aus Sicht der CDU, denn grüne Akzente sind in der Gießener Stadtpolitik kaum wahrzunehmen. Warum also sollte von dort nicht der zukünftige Ministerpräsident kommen? Da wäre unpassend gewesen, dass gegen Bouffier seit einiger Zeit ein Ermittlungsverfahren lief. Das wurde jetzt eingestellt – von der Wiesbadener Staatsanwaltschaft (Az. 3344 Js 37738/07).
Das Ermittlungsverfahren geht zurück auf das Jahr 2006. Anfang Mai war die Anwaltskanzlei an der Nordanlage 37 in Gießen zweimal mit Farbe und Wurfgeschossen attackiert worden. Dort haben auch Bouffier und sein thüringischer Amtskollege ihren Sitz. Direkt nach der zweiten Attacke wurde ein umfangreiches Aufgebot der Polizei einschließlich Spezialeinheiten der Landespolizei für organisierte Kriminalität im Umfeld eines kleinen politischen Zentrums nahe Gießen stationiert. Für deren Täterschaft an den Sachbeschädigungen bei Bouffiers Kanzlei gab es keine Beweise. Daher entstand von Beginn an der Verdacht, dass die jahrelange Kritik der dortigen AktivistInnen an der Sicherheitspolitik der hessischen Landesregierung dem zuständigen Minister ein Dorn im Auge war und er auf Rache sann gegenüber den unbequemen Geistern. Das weitere Geschehen hat inzwischen Eingang in Bücher gefunden, ist auf Veranstaltungen thematisiert und vom Oberlandesgericht in einem spektakulären Urteil vom 18. Juni 2007 (Az. 20 W 221/06) mit Methoden des Dritten Reiches verglichen worden. Während die KritikerInnen des Innenministers rechtswidrig inhaftiert und die Projektwerkstatt, jenes politische Zentrum im kleinen Ort Reiskirchen-Saasen, durchsucht wurde, ist den Ausführenden Richtern und Polizeibeamten bis heute nicht geschehen. Dabei besteht keinerlei Zweifel mehr, dass Straftaten frei erfunden und Beweismittel gefälscht wurden. Ein Richter notierte die Anweisung der Beamten vom Staatsschutz Gießen, das Recht zu beugen, sogar in den Akten. Gegen diese laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wiesbaden noch, die mit diesen beauftragt wurde, weil die Gießener Staatsanwaltschaft als befangen galt.
Doch die ganzen filmreifen Abläufe im Mai 2006 sind nicht erklärbar ohne den Innenminister Bouffier selbst. Eine Zeitung vermeldete zudem, dass die Presseinformation der Gießener Polizei vom Folgetag der Verhaftungen über seinen Schreibtisch ging. Bereits diese wäre Anlass genug für ein Strafverfahren, denn die Pressemitteilung enthielt alle frei erfundenen Beschuldigungen – „falsche Verdächtigung“ und „Verfolgung Unschuldiger“ nennt das Strafgesetzbuch solches Verhalten. Üble Nachrede ist es ohnehin.
Doch Volker Bouffier hat Glück. Die Ermittlungen gegen ihn sind eingestellt. Eine Begründung liefert der Einstellungsbescheid nicht. Einer der Betroffenen, der damals fünf Tage unschuldig hinter Gittern saß, will das aber nicht einfach hinnehmen: „Ich lege Widerspruch ein und würde auch einen gerichtlichen Entscheid beantragen.“ Dann würde wieder das Oberlandesgericht Frankfurt entscheiden. Es hatte im letzten Jahr die Rechtswidrigkeit des ganzen Vorganges festgestellt und weitergehende Ermittlungen angeregt. Für Bouffier bleibt es also weiter spannend. Über ein Jahr ist er als amtierender Innenminister schon selbst in ein Ermittlungsverfahren verstrickt. Ob es ihm gelingt, diesen Makel loszuwerden, werden die nächsten Wochen zeigen.
Mehr Informationen
- Die gesamten Vorgänge des Mai 2006 sind unter www.projektwerkstatt.de/14_5_06 dargestellt. Diese Seiten sind allerdings im Laufe der Handlungen und nachfolgenden Recherchen zu den Hintergründen entstanden und daher etwas unübersichtlich.
- Das Urteil des Oberlandesgerichtes ist unter www.projektwerkstatt.de/weggesperrt/beschluss.html zu finden.
- Zusammenhängend ist der gesamte Vorgang im Buch „Tatort Gutfleischstraße. Die fiesen Tricks von Polizei und Justiz“ dargestellt. Das Buch ist im SeitenHieb-Verlag (www.seitenhieb.info) erschienen. Informationen zum Buch sind unter www.projektwerkstatt.de/fiesetricks, das Kapitel zum Mai 2006 und den Folgen ist unter www.projektwerkstatt.de/polizeidoku/fiesetricks/buch/kap14mai06.pdf herunterzuladen
- Direkter Kontakt zum Nachfragen über die Projektwerkstatt
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Ergänzungen
Ergänzung
Berichte in FR und HR
Berichte gab es in der Frankfurter Rundschau, 10.7.2008 beim Hessischen Rundfunk: HR-Bericht (Text) und Sendung (Audio)
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
das alle Menschen — auch
Weg mit allen Knästen? — jb