Ermittlungen gg Innenmin Bouffier eingestellt

K.O.B.R.A.-antirepressionsplattform 05.07.2008 23:18 Themen: Repression

Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden hat das Ermittlungsverfahren gegen Innenminister Bouffier eingestellt. Der hatte mit fast unglaublicher krimineller Energie eine größere Polizeiaktion inszeniert, um seine KritikerInnen hinter Gitter zu bringen. Die spektakuläre Aktion im Mai 2006 konnte allerdings inzwischen weitgehend aufgeklärt werden. Doch die Täter scheinen davon zu kommen - erwartungsgemäß. Denn Gerichte und Knäste, deren Existenz aus emanzipatorischer Sicht ohnehin schnell ganz zu beenden sind, waren noch nie dafür da, Angehörige gesellschaftlicher Eliten zur Verantwortung zu ziehen. Offen bleibt, ob die jetzige Einstellung des Verfahrens gegen den Innenminister auch die Bildung der dem Zeitgeist entsprechenden Variante von Landesregierung unterstützen soll - nämlich Schwarz-Grün.

Weg frei für eine neue CDU-geführte Landesregierung?

Evelin Schönhut-Keil, die frühere Landesvorsitzende der Grünen, wird zitiert: "Es spricht nichts mehr gegen ein schwarz-grünes Bündnis in Hessen." Zentralen Kreise der Frankfurter Grünen dagegen nennen eine Vorbedingung: „Nicht mit Roland Koch. Das wäre die entscheidende Hürde.“ Da wird es Zeit, dass andere Anwärter auf den Ministerpräsidentenposten nicht länger belastet sind. Zu denen gehört Volker Bouffier, Innenminister und harte rechte Hand von Roland Koch. Er stammt aus Gießen, wo bereits eine Jamaika-Koalition arbeitet – erfolgreich aus Sicht der CDU, denn grüne Akzente sind in der Gießener Stadtpolitik kaum wahrzunehmen. Warum also sollte von dort nicht der zukünftige Ministerpräsident kommen? Da wäre unpassend gewesen, dass gegen Bouffier seit einiger Zeit ein Ermittlungsverfahren lief. Das wurde jetzt eingestellt – von der Wiesbadener Staatsanwaltschaft (Az. 3344 Js 37738/07).

Das Ermittlungsverfahren geht zurück auf das Jahr 2006. Anfang Mai war die Anwaltskanzlei an der Nordanlage 37 in Gießen zweimal mit Farbe und Wurfgeschossen attackiert worden. Dort haben auch Bouffier und sein thüringischer Amtskollege ihren Sitz. Direkt nach der zweiten Attacke wurde ein umfangreiches Aufgebot der Polizei einschließlich Spezialeinheiten der Landespolizei für organisierte Kriminalität im Umfeld eines kleinen politischen Zentrums nahe Gießen stationiert. Für deren Täterschaft an den Sachbeschädigungen bei Bouffiers Kanzlei gab es keine Beweise. Daher entstand von Beginn an der Verdacht, dass die jahrelange Kritik der dortigen AktivistInnen an der Sicherheitspolitik der hessischen Landesregierung dem zuständigen Minister ein Dorn im Auge war und er auf Rache sann gegenüber den unbequemen Geistern. Das weitere Geschehen hat inzwischen Eingang in Bücher gefunden, ist auf Veranstaltungen thematisiert und vom Oberlandesgericht in einem spektakulären Urteil vom 18. Juni 2007 (Az. 20 W 221/06) mit Methoden des Dritten Reiches verglichen worden. Während die KritikerInnen des Innenministers rechtswidrig inhaftiert und die Projektwerkstatt, jenes politische Zentrum im kleinen Ort Reiskirchen-Saasen, durchsucht wurde, ist den Ausführenden Richtern und Polizeibeamten bis heute nicht geschehen. Dabei besteht keinerlei Zweifel mehr, dass Straftaten frei erfunden und Beweismittel gefälscht wurden. Ein Richter notierte die Anweisung der Beamten vom Staatsschutz Gießen, das Recht zu beugen, sogar in den Akten. Gegen diese laufen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Wiesbaden noch, die mit diesen beauftragt wurde, weil die Gießener Staatsanwaltschaft als befangen galt.

Doch die ganzen filmreifen Abläufe im Mai 2006 sind nicht erklärbar ohne den Innenminister Bouffier selbst. Eine Zeitung vermeldete zudem, dass die Presseinformation der Gießener Polizei vom Folgetag der Verhaftungen über seinen Schreibtisch ging. Bereits diese wäre Anlass genug für ein Strafverfahren, denn die Pressemitteilung enthielt alle frei erfundenen Beschuldigungen – „falsche Verdächtigung“ und „Verfolgung Unschuldiger“ nennt das Strafgesetzbuch solches Verhalten. Üble Nachrede ist es ohnehin.

Doch Volker Bouffier hat Glück. Die Ermittlungen gegen ihn sind eingestellt. Eine Begründung liefert der Einstellungsbescheid nicht. Einer der Betroffenen, der damals fünf Tage unschuldig hinter Gittern saß, will das aber nicht einfach hinnehmen: „Ich lege Widerspruch ein und würde auch einen gerichtlichen Entscheid beantragen.“ Dann würde wieder das Oberlandesgericht Frankfurt entscheiden. Es hatte im letzten Jahr die Rechtswidrigkeit des ganzen Vorganges festgestellt und weitergehende Ermittlungen angeregt. Für Bouffier bleibt es also weiter spannend. Über ein Jahr ist er als amtierender Innenminister schon selbst in ein Ermittlungsverfahren verstrickt. Ob es ihm gelingt, diesen Makel loszuwerden, werden die nächsten Wochen zeigen.

 

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Ergänzungen

Ergänzung

egal 06.07.2008 - 17:45
Karl Heinz Gasser ist seit dem 8ten April nicht mehr Innenminister von Thüringen. Er wurde vom bisherigen Präsidenten des Thüringer Rechnungshofes, Manfred Scherer, ersetzt, nachdem es Unstimmigkeiten bei der Umstrukturierung der Thüringer Polizei gab. Kann mensch auf Wikipedia trotz Zensur ganz gut nachlesen. Die Kanzlei ist umgezogen und seit dem 19.5. in der Friedrichstraße 17, 35392 Gießen.

Berichte in FR und HR

k.o.b.r.a. antirepressionsplattform 13.07.2008 - 23:31

Berichte gab es in der Frankfurter Rundschau, 10.7.2008 beim Hessischen Rundfunk: HR-Bericht (Text) und Sendung (Audio)

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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