Knast und Resozialisierung ...

Thomas Meyer - Falk 02.07.2008 17:32 Themen: Repression
Als 1976 der Deutsche Bundestag das Strafvollzugsgesetz verabschiedete, bestimmte er in dessen § 2 als Aufgabe des Freiheitsentzuges, die Befähigung der Gefangenen, „künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.“
Dieser als „Resozialisierungsvollzug“ bezeichnete Strafvollzug versteht unter „sozialer Verantwortung“ eine Haltung, in der straffreie Lebensführung am ehesten erwartet werden kann (Böhm in Kommentar zum StrVollzG, Hrsg. Schwind/Böhm, 4.A. § 2 Rz. 13) Hilfreich sei zwar „Angst vor Strafe“, so Böhm (a.a.O.), jedoch könne man diesen Begriff auch so deuten, dass ihr die Erkenntnis zu Grunde liege, wonach die rechtlichen Regeln dem „gedeihlichen Zusammenleben in der staatlichen Gemeinschaft dienen“.
Wie sehen nun die Rückfallzahlen in Deutschland, unter Berücksichtigung des erwähnten „Resozialisierungsvollzuges“ aus ? Zum Stichtag 31.03.2006 (Stat. Bundesamt,  http://www.destatis.de; Tabelle 4 „Strafvollzug“ der Fachserie 10 Reihe 1 „Ausgewählte Zahlen für die Rechtspflege“) waren 65% der Gefangenen vorbestraft.
Von diesen wiederum hatten 64,7% als schwerste Vorstrafe eine Freiheitsstrafe.
Wer einmal in Haft sitzt wird also nicht nur mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder dorthin zurück kehren (mancher kennt Falladas Satz „Wer einmal aus dem Blecknapf frisst, das Wiederkommen nicht vergisst“), er /sie hat auch nur geringe Chancen vor Ende seiner Haft auf Bewährung frei zu kommen (nur ca. 30% der Gefangenen kommen vor Vollbüßung der Strafe frei; vgl. Tröndle/Fischer, StGB-Kommentar, 54.A., § 57 Rz. 1).

Scheinbar fördert die Knastzeit weder Angst vor weiter Haft, noch die „Einsicht“, dass die Befolgung von Gesetzen einem „gedeihlichen Zusammenleben“ förderlich sein soll. Was könnte eine Erklärung hierfür sein ?

Meiner Ansicht nach hängt vieles mit dem Anti – Aufklärerischen Zustand unserer (Kapitalistischen) Gesellschaftsordnung zusammen. Verkörperte die Aufklärung in ihrem Kern den Anspruch auf Mündigkeit des Individuums oder um es mit Kant zu sagen: „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (selbstverschuldet, weil der Einzelne zu faul oder zu feige ist zum Selber –Denken; unmündig, weil man sich seines Verstandes nicht ohne Leitung eines anderen bedienen kann), so würde Resozialisierung in aufklärerischem Sinne bedeuten, die Gefangenen anzuleiten, aus dieser selbstverschuldeten Unmündigkeit heraus zu treten. Freilich setze dies ein Gegenüber voraus, nämlich auf Seiten der Justiz, welches ebenso fähig wie willens ist, diesem Anspruch gerecht zu werden.

Allzu einfach wäre es, den Inhaftierten die (alleinige) Verantwortung für ihr Schicksal aufzubürden, denn der Strafvollzug in einem kapitalistischen Gefüge zielt gerade nicht auf Veränderung der leidmachenden Verhältnisse (die die Gefangenen in den Knast führten), sondern auf individuelle Lösungen: Ziel ist es geglättetes, reibungsloses Funktionieren des Individuums (hierzu vgl. Böhme in „Die Relevanz der Freudschen Psychoanalyse“ in Cee-Ieh- der Conne Island newsflyer, Mai 2008 (Nr. 154), S. 30-39;
 http://www.conne-island.de).
Aber selbst an diesem Ziel scheitert, wie die hohe Zahl der Rückfälle belegt, die Gefängnisadministration.
Innerhalb des Vollzuges gelingt es (überraschender Weise ?) dem Justizpersonal das letztgenannte Ziel weitesgehend zu verwirklichen; die Mehrzahl der Gefangenen fügt sich reibungslos in den Haftalltag ein und kritisiert Mitgefangene die sich Opposition stellen.

Aber auf freien Fuß gesetzt dauert es of nicht lange und der/die Ex – Gefangenen steht wieder vor Gericht, denn eine Befreiung des Subjektes hat nicht stattgefunden. Und sie wird auch nicht stattfinden, solange sich nicht die gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse geändert haben.

Thomas Meyer- Falk, c/o JVA-Z. 3113, Schönbornstrasse 32, D- 76646 Bruchsal
 http://www.freedom-for-thomas.de
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Ergänzungen

wieviel internet?

abu-kababa emi-omima 02.07.2008 - 20:46
wieviel internet haben die kanstis pro tag heute? gibt es schon sowas wie ein (betreutes zunächst) minimal-kontingent? damit die mal zum zeitungslesen kommen, und zwar auf andere blätter als j.f. u.ä.?

nicht jeder knast erhält so ein knast-abo. die zeitungen sind online, weil denen sonst die letzten fälle wegschwimmen und einen grundanspruch auf den kontakt zur außenwelt haben die.

wo bleibt die ergänzung des knastis auf dieser seite?

minimaltagesonlinezeit in den knästen! pc-rooms! (und sozialarbeiter.)

"Freigang" und leiharbeit

bff 02.07.2008 - 21:03
beliebte Resozialiasierung ist Freigängern die Arbeit bei Leihrabeitsfirmen aufzudrücken. Druckmittel: Leiharbeit oder Normalvollzug. Durch diese Ausbeutung zu Löhnen bei 7 Euro Brutto knallharte Fabrikarbeit spart der Staat Geld und die Leiharbeitsfirmen werden reich.

Antirepressionsdemo am 10.07.08 in Berlin

abc berlin 02.07.2008 - 22:53
Gegen alle Zwangsanstalten

Am 10. Juli findet wieder eine Demonstration in Berlin statt, welche uns allen die Möglichkeit bietet unsere Ablehnung gegen alle Formen des Eingesperrtseins auf die Straße zu tragen.
Als Anlass dafür steht die fortdauernde Inhaftierung unserer GenossInnen Andrea und Christian, welche sich aufgrund ihres aktiven Engagements gegen diese kapitalistische Gesellschaft im Knast befinden, sowohl die Inhaftierung eines kurdischen Aktivisten, welcher seit Ende März in Moabit gefangenen gehalten wird unter dem Vorwurf Teil des Kaderapparates der PKK zu sein – sprich Verfolgung nach §129b.
Repression verändert sich ständig, sei es in neuen Formen von sozialer Kontrolle, neue Überwachungsmassnahmen, aber auch die üblichen Verhaftungen greifen immer noch, gerne auch unter den §129b – angewendet gegen die vielen ausländischen RevolutionärInnen, die in Deutschland aktiv sind.
Repression betrifft nur zum kleinen Teil „unsere” Leute, vielmehr verfolgt sie all diejenigen, die sich mit den von einer Gesellschaft der Ausbeutung diktierten Gesetzen nicht zu recht finden.
Unsere Solidarität gilt unseren eingeknasteten GenossInnen, unsere Verbundenheit all denjenigen, die eingesperrt sind aufgrund ihrer „illegalen“ Antworten auf die Unsozialität des Kapitals.
Unser Hass richtet sich gegen all diejenigen, die diese unsozialen Verhältnisse vorantreiben sowie ihre Schutzmittel, Zwangsanstalten und ihre UnterstützerInnen.
Für eine Gesellschaft ohne Knäste – die gegenwärtigen Verhältnisse umkippen!

10.07.08 - 18.30 Uhr - Berlin-Hauptbahnhof

(Vorabtreffpunkt am S-Bhf. Warschauer Str. um 17.45 Uhr)