[NoG8] Tokyo: absurde Polizei und eine Demo

黒色 29.06.2008 18:48 Themen: G8 Soziale Kämpfe Weltweit
Tokyo: Absurde Polizei verursacht absurde Demo


Eine Demonstration war das nicht. Zumindest nicht, wie es sich üblicherweise vorstell. Stattdessen gab es die Totalität einer absurden Polizei, die nicht nur sich, sondern auch die Demonstration lächerlich machte. Jedenfalls sammelten sich, trotz starkem Regenwetter hunderte Menschen zur einer kurzfristig organisierten Demonstration von Antiautoritären in Shinjuku, um gegen die G8 und ihre Politik zu intervenieren. Tokyo bleibt eine tote Stadt des Konsumwahns.

[Es gab heute in Tokyo zwei Demonstrationen. Dieser Artikel handelt vorzugsweise von der Demonstration im Stadteil Shinjuku. Die in Shibuja, wo es zu Auseinadersetzung mit der Polizei kam, wird nur Ansatzweise und aus zweiter Hand erwähnt.]
Shinjuku, ein Stadteil von Tokyo, erscheint zunächst, wie in Tokyo üblich, als Ort von einer durch Leuchtreklamen ferngesteuerten Hektik rund um Konsumtempel. Ein Gedränge nach Arbeit, um anschließend diese in unzähligen Geschäften auszugeben: Leben zum Tode.
Hinter der Fassade des (Ver)Käuflichen schlummert in den Parks von Shinjuku was nicht in das Bild des Durchschnittlichen passt: eine enorme Obdachlosigkeit, die ständig mit noch mehr Verdrängung zu kämpfen hat. Die politische Aktivität in Shinjuku, welche besonders in den 70'iger Jahren sehr stark war, hatte daher immer einen besonderen Fokus auf die Frage der Obdachlosigkeit, was jedoch viel mehr zu sagen hatte und hat als die Frage nach „Obach“...

Hier sollte also einer der zwei NoG8-Demonstrationen, die für heute in Tokyo angekündigt waren, stattfinden, in Sinjuku, in einem von von jenen Parks, umzingelt von unüberwindbar strotzenden Zäunen. In jenem käfigartigen Ort sammelten sich Menschenmengen: Farbe hatte das ganze, unterschiedliche Transparente in unterschiedlichen Sprachen; Skellet-Marionetten wurden die Köpfe der G8-MinsterInnen aus Pappe aufgesteckt, gelbe Stabvögel mit diversen Botschaften zum Thema in die Höhe gehoben, ja sogar einen „schwarzen Block“ gab es.

Als die Demo starte, es auf die Strasse ging, begann eine Situation, die schwierig zu beschreiben ist und in der Einleitung „absurd“ genannt wurde. Es schien so als wäre mensch auf einer illegalen Demonstration, auf einer Strassenblockade gelandet und die Polizei versuchte die Leute von der Strasse zu drängen. Doch dem war nicht so, es war sozusagen eine ganz gewöhnliche „Demonstration“ in Tokyo.
Ein Versuch zu beschreiben: Die Polizei drängt die DemonstrantInnen ständig von der Strasse auf den Gehsteig, damit der Autoverkehr nicht behindert ist. Die „Demo“ hat nämlich von einer vierspurigen Strasse lediglich eine Spur „zur Verfügung“, die sich die Demo mit der aufdringlichen Polizei teilen muss, die sich demenstprechend breit macht. So besteht schlussendlich eine Demoreihe zwischen 3 und 4 Personen.
Wenn zu langsam gegangen wird, schiebt die Polizei einen nach vorne und versucht dabei noch höflich zu wirken. Die Demo darf schliesslich nur eine begrenzte Zeit auf der Strasse sein und somit die Harmonie der konsumierenden Stadt stören – die Stadtpolitik wünscht nur Fastfootdemos. Jeder Fünfte Polizist hat ein Megaphon in der Hand, mit dem er den Leuten dies klar zu machen versucht, indem das Ohr von einem brüllt: „Weiter gehen“. Solche und ähnliche Ansagen aus dem Megaphone der Poliszisten hört mensch auf der Demo mehr als politische Parolen. Usw.

Ganz „normal“ war die Demo dann auch nicht, weil normalerweise (auf der Mayday beispielsweise) gerne der DJ vom Soundwagen herunter- und dann festgenommen wird, weil sie/er zu laute Musik gespielt habe. Oder auch ziwschen Gesteig und Demonstration eine Polizeireihe steht und niemanden rein lässt, der rausgegangen ist. Dem war diesmal nicht so – ein Erfolg also? So scheint es zu sein, wenn mensch zurück beim Ausgangspunkt, im Käfig, sich die erleichterten Gesichter ansieht, die damit gerechnet haben, dass wegen der G8 die Polizei noch repressiver vorgehen wird als sonst. Doch repressiv gegen was? Es muss ja zunächst sowas wie eine Demonstration geben, damit die netten Herren (übrigens ausschließlich Herren) der Polizei repressiv sein dürfen. Solange mensch fast auf dem Gehsteig geht (ausser dem Soundwagen, den konnte Herr Polizist schwer dorthin drängen), sich gefügig dieser Situation hingibt, gegen was sollte es da eine Repression geben? Gegen wahnhaft konsumierende FussgängerInnen, die doch der Stolz Tokyos sind?
Nein gut, so schlimm vielleicht auch nicht: Es gab jede Menge Menschen, die ernsthaft ein Problem mit der politischen Lage haben und überhaupt nicht zufrieden sind mit der Art wie Demos in Tokyo geschehen, doch noch nicht die Zeit gekommen sehen, aus diesem auszubrechen. Die Demo in Shinjuku war erst kürzlich von antiautoritären Gruppen auf die Beine gestellt, dafür relativ gut besucht und ziemlich bunt (irgendwo gibt es sicher Fotos und Videos davon) und versuchte die Öffentlichkeit, die als Zusehende am Gehsteig Haufenweise vorhanden waren, zu informieren und anzusprechen – was ihr sicherlich auch gelang.

Die zweite NoG8-Demonstration fand in einem andern Stadtteil von Tokyo – in Shibuja – statt, an der mehrere Tausend teilgenommen haben und die ähnlich verlaufen ist. Mit dem Unterschied, dass es dort, wegen beschriebenen Situation, kurz gegen Ende zu einer Auseinandersetzung mit der Polizei kam. Es hat mindestens drei Festnahmen gegeben, von dem einer wieder frei gelassen wurde. Mehr kann davon leider derzeit nicht berichtet werden, weil genauere Infos fehlen.

Eines muss zu Schluss klar gesagt sein: es gibt in Tokyo eine herrschende Ordnung, die keine politische Kultur wünscht. Das mögliche Aufkommen wird mit aberwitzigen, aber erfolgreich nervenden Methoden, zu verhindern versucht. Stattdessen gibt es jedemenge Konsumwahn, das mit Produkten versucht zu kompensieren, was aus diesem selbst entspringt.
Der Wille zum Ausbruch ist da.


Auf nach Hokkaido.
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Ergänzungen

Der Focus schreibt:

http://www.focus.de 29.06.2008 - 19:21
G8-Gipfel ruft Proteste hervor

Mehr als tausend Menschen demonstrieren gegen den geplanten G8-Gipfel in Japan. Das diesjährige Treffen findet in Toyako auf der japanischen Insel Hokkaido statt.

Eine Woche vor dem G-8-Gipfel in Japan ist es am Sonntag in Tokio zu gewaltsamen Protesten gegen die Veranstaltung gekommen. An zwei Kundgebungen nahmen mehr als tausend Menschen teil. Es gab Medienberichten zufolge mehrere Festnahmen. Bereitschaftspolizei stoppte eine Kundgebung im Shopping-Bezirk Shibuya. Auf Plakaten hieß es: „G-8 Nein! Arbeiter Ja!“.

Der G-8 gehören Deutschland, die USA, Japan, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Russland an. Die Staats- und Regierungschefs der Staatengruppe kommen vom 7. bis 9. Juli in Toyako auf der japanischen Nordinsel Hokkaido zu ihrem jährlichen Treffen zusammen. Mitte der Woche hatten die Außenminister der G-8 bei Beratungen in der japanischen Stadt Kyoto die außenpolitische Tagesordnung vorbereitet.

Quelle: Associated Press

Der Tagesspiegel schreibt:

http://www.tagesspiegel.de 29.06.2008 - 19:24
Etwa 1500 Menschen haben am Sonntag in Tokio gegen das bevorstehende G8-Gipfeltreffen im nordjapanischen Toyako demonstriert. Es kam zu Festnahmen, doch die Globalisierungsgegner schmieden bereits neue Pläne für Proteste.

Tokio/Toyako - Im Szene-Viertel Shibuya kam es zu Zusammenstößen mit Einsatzkräften, wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Polizei berichtete. Acht Demonstranten seien wegen "Behinderung der Beamten" festgenommen worden, hieß es. Auch im Stadtteil Shinjuku hätten sich Globalisierungsgegner versammelt. Der G8-Gipfel der Staats- und Regierungschefs der sieben größten Industriestaaten und Russlands (G8) findet vom 7. bis zum 9. Juli in Toyako auf Japans nördlichster Hauptinsel Hokkaido statt.

Kyodo zufolge planen Aktivisten auch auf Hokkaido selbst Proteste anlässlich des Gipfels. Demnach bereiteten Netzwerke von Bürgergruppen Campingflächen für bis zu 3000 Menschen an Orten vor, die etwa 20 Kilometer vom Gipfelhotel Windsor entfernt liegen. Zudem wollen mehr als 140 Nichtregierungsorganisationen (NGO) vom 6. bis 8. Juli einen dreitägigen Alternativ-Gipfel in Hokkaidos Provinzhauptstadt Sapporo veranstalten, um ihre Sicht von den Debatten der Politiker zu vermitteln. Die Stadtverwaltung will den NGOs einen Lagerplatz für 400 Menschen in der Stadt bereitstellen, hieß es. Daneben sind auch Konzerte und Demonstrationsumzüge geplant. (imo/dpa)

Die Nachrichtenagentur AFP:

http://afp.google.com 29.06.2008 - 19:25
Proteste gegen G-8-Gipfel in Tokio

Gut eine Woche vor dem G-8-Gipfel in Japan haben in Tokio bereits tausende Demonstranten aus dem In- und Ausland protestiert. Zwei Gipfelgegner wurden nach Angaben des japanischen Fernsehsenders TV Asahi festgenommen. Sie hatten mit rund 1500 linksgerichteten Demonstranten in Tokios Einkaufsviertel Shibuya protestiert. Bei einer weiteren Demonstration im Stadtteil Shinjuku riefen Globalisierungsgegner: "Stoppt den G-8-Gipfel. Sie können nur Armut schaffen." Es sei unsinnig, dass Staats- und Regierungschefs aus wenigen Ländern wichtige politische Entscheidungen treffen würden, sagte ein Demonstrationsteilnehmer.

Einige der Demonstranten begannen kleinere Handgemenge mit der Polizei wegen der strengen Sicherheitsvorkehrungen. Vor dem Gipfel, der am 7. Juli in Toyako auf der Insel Hokkaido beginnt, herrscht die höchste Sicherheitsstufe. Rund 21.000 Polizisten sind bis zum Ende des Treffens allein in Tokio im Einsatz. Auch eine Flugverbotszone soll über dem Tagungsort eingerichtet werden. Dutzende Aktivisten, die an Anti-Globalisierungsprotesten teilnehmen wollten, wurden bereits im Vorfeld bei der Einreise am Flughafen aufgehalten oder überhaupt nicht ins Land gelassen, wie eine Anwaltsorganisation, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte auf Gipfeln einsetzt, mitteilte.

schon kraß

tagmata 30.06.2008 - 00:50
Japan hatte mal eine der aggressivsten anarchistischen Protestbewegungen der Welt. Gut, das war vor knapp 100 Jahren, aber...

Tun wir mal was für unsere historische Bildung:
 http://en.wikipedia.org/wiki/Eros_Plus_Massacre

kein Vergleich

bam 30.06.2008 - 04:42
was in tokio über die bühne ging, ist nicht zu vergleichen mit dem aufstand von osaka, der noch nicht mal eine woche her ist. siehe:  http://de.indymedia.org/2008/06/220698.shtml

video shinjuku 68

linx 01.07.2008 - 05:28
weil im artikel die politische bewegung von shinjuku aus 68 angesprochen wurde, hier ein video wie es damals zuging:
 http://jp.youtube.com/watch?v=mnrgvmxEkdQ&

Das Handelsblatt meint zu wissen:

http://www.handelsblatt.com 01.07.2008 - 22:22
Attac ohne Attacke

Auch in Japan gibt es Proteste gegen den G8-Gipfel. Aber im Land des Lächelns geht es selbst dabei höflich und zurückhaltend zu. Wer trotzdem Krawall schlägt, bekommt die volle Härte der Staatsmacht zu spüren.

TOKIO. Die Polizisten schieben von hinten mit ihren Schilden und zerren von vorne an den Armen der Demonstranten. Die Protestler in ihren Regenumhängen verschränken ihre Arme und bilden eine Kette, werden zum kompakten Block. Mit verzerrten Gesichtern stemmen sie sich gegen die Beamten. Doch die haben das kleine Grüppchen trotzdem spielend im Griff. „Weiter jetzt gefälligst!“ herrscht ein Polizist mit Helm und Schutzausrüstung einen der Demonstranten an.

Nur einen halben Meter entfernt stehen die Bewohner des ultrahippen Tokioter Stadtteils Shibuya und gaffen erstaunt unter Regenschirmen hervor – halbwüchsige Jungs mit gepflegt verschrubbelten Haaren in T-Shirts von Burberry, Mädchen in grellpinken Röcken mit Spitzenbesatz. „Das ist eine Demonstration. Tretet doch bitte lieber einen Schritt zurück, es kann gefährlich sein“, erklärt ein Schutzpolizist freundlich den gestauten Fußgängern. Sicherheitsleute des noblen Kaufhauses Marui nutzen ihrerseits die Gunst des Augenblicks: „Kommen Sie doch herein, hier ist es sicherer.“

Noch wenige Tage sind es bis zum G8-Gipfel im nordjapanischen Hokkaido, der am 7. Juli beginnt. Und auch in Japan wird demonstriert. Doch wie hier in Shibuya ist es fast immer, wenn es im Land des Lächelns etwas zu bemängeln gibt. Es fliegen keine Steine, es brennen keine Autos. „Wir von der Protestbewegung haben hier viel weniger Leute als in Deutschland, und der Stil ist auch anders“, sagt Yoko Akimoto, Geschäftführerin von Attac Japan.

Die Gesellschaft erlaubt nur wenig Abweichungen vom normalen Lebenslauf, eine aufmüpfige Phase wird den jungen Leuten kaum zugestanden. Und wer das nicht kapieren will, der bekommt auch schon mal die Härte der Staatsmacht zu spüren.

So wie Terumasa Uchida. Uchida ist auch in Shibuya dabei, „globale Konzerne wie Toyota beuten bloß junge Leute aus, um Riesenprofite zu erzielen“, erklärt der 29-Jährige seinen Protest. Bis vor zwei Jahren war er Student. Doch seine Uni hat ihn suspendiert, nachdem er sich der Protestbewegung angeschlossen hat. Im vergangenen Jahr saß er sieben Monaten im Gefängnis – in Siebenerzellen mit echten Verbrechern. Dabei hatte Uchida nur auf dem Campus der Tokioter Hosei-Universität für eine Demo gegen die Globalisierung geworben.

Aber nicht nur solche Aktionen sind ein Grund, warum Globalisierungsgegner und Demonstranten wie Uchida in Japan noch immer die absolute Ausnahme sind. Krawalle liegen den jungen Japanern einfach nicht. „Japan hat keine stark ausgeprägte, organisierte Protestkultur wie etwa die Länder Europas oder das Nachbarland Südkorea“, sagt Politologe Chris Winkler von der renommierten Keio-Universität.

Straßenschlachten während des G8-Gipfels 650 Kilometer nördlich von Tokio in Sapporo sind deshalb auch kaum wahrscheinlich. Auf einer internen Veranstaltung im Versammlungsraum eines „Christian Center“ in Sapporo besprechen Protestgruppen ihren Fahrplan für G8: „Bitte achtet darauf, den Anwohnern keine Unannehmlichkeiten zu bereiten“, sagt Matsumoto-san, ein Japaner Mitte fünfzig mit Palästinenserschal über dem Polo-Hemd und der Stoffhose.

Am Tisch hinter ihm sitzt ein hochgewachsener Typ mit buschigem, grauem Bart. Er vertritt die Ureinwohner Hokkaidos. Ein magerer, junger Mann tritt für alternative Geschlechtsidentitäten ein. Und ein linker Student in blauem T-Shirt und Sonnenbrille von der örtlichen Uni versucht, etwas Struktur in die Versammlung zu bringen. „Was werden wir im Toyako-Camp zu essen bekommen?“ fragt der Ureinwohner. „Eine von unseren vier Organisationseinheiten ist die Lebensmittelgruppe. Wir kochen jeden Tag genug Reis. Es wird aber sicher nicht Gourmet-Level“, erklärt der Student.

Der Staat zieht gleichwohl Polizei aus ganz Japan in Hokkaido zusammen. Allein im Naturschutzgebiet um den See Toya warten 20 000 Mann. Vor dem Christian Center bewachen Beamte eine kleine Demo – sie kommen aus dem 1 300 Kilometer entfernten Hiroshima. Dabei passiert nicht viel mehr, als dass einige brüllen, sie seien gegen alles. „Ich weiß nicht, ob dieser G8-Gipfel was bringt, aber diese Demonstranten stören nur die Anwohner und blockieren den Verkehr“, sagt ein junger Angestellter. „Können die nicht friedlicher demonstrieren?“

Mehrheitlich sind Japanern die Globalisierungsgegner suspekt. „Ich würde nie im Leben bei Attac oder so beitreten, auch nicht aus Spaß, das wäre bloß ein Riesenminus, wenn ich mal einen Job suche“, sagt ein japanischer Anglistikstudent. Aufmüpfig zu sein macht sich in Japan nicht bezahlt. „Individualismus wird oftmals als Egoismus empfunden, und Bücher mit konservativen Botschaften verkaufen sich derzeit blendend“, sagt Politologe Winkler.

Dabei hat in Japan seit den 60er-Jahren die Zahl der ernst zu nehmenden Streiks kontinuierlich abgenommen. Greenpeace verzeichnet in Deutschland über eine halbe Million Fördermitgliedschaften, in Japan sind es weniger als 5 000. In der jüngeren Geschichte hat einzig der Neubau des Großflughafens Narita vor Tokio zeitweilig einige Anwohner zu Protesten animiert.

Diese Lage bringt Attac Japan sichtbar in Verlegenheit. „Wer protestieren will, braucht in der japanischen Gesellschaft ganz schön viel Mut“, sagt Geschäftsführerin Akimoto. Sie selbst ist eine friedliche Frau, typische Japanerin, klein, höflich und sanft. Ihr Landsleute scheint sie sich derzeit allerdings anders zu wünschen. Angesichts der Passivität ihrer Mitbürger hofft sie auch auf Hilfe aus dem Ausland, konkret aus dem Nachbarland Korea. Doch dort binden die Gewerkschaften ihre Kräfte derzeit in Großdemos gegen Rindfleischimporte aus den USA. „Von uns können nur wenige kommen“, sagt die Organisatorin von der koreanischen Metallarbeiterunion.

Außerdem hat die auf Ordnung bedachte japanische Regierung vorgesorgt und die Grenze zugemacht. Schon Anfang März wurden die ersten Protestler wieder zurück in ihr Heimatland geschickt. Gleiches könnte den wenigen Unterstützern aus Deutschland drohen, die Attac Deutschland nach Japan schicken will. Sorge macht den Organisatoren zudem die Einstellung der japanischen Polizei. „Die sind keine Demos gewöhnt, wie sie in Deutschland stattfinden. Wir machen uns echt Sorgen, dass die Reaktion übermäßig hart ausfällt“, sagt Akimoto.

Kommunist Uchida hat da so seine Erfahrung gemacht. „Mich haben sie 23 Tage lang von morgens bis abends verhört“, erzählt er von seiner Verhaftung. „Sie haben versucht, Druck auf mich auszuüben, indem sie gesagt haben, meine Eltern machen sich Sorgen, bekommen aber aus der Haft nichts von mir zu hören.“

Er habe sich jedoch nicht unterkriegen lassen. Mit Freunden hat er gerade die „Revolutionäre Kommunistische Allianz“ gegründet. Als Vorbild nennt Uchida Lenin, und in ernstem und klarem Ton sagt er: „Wir rechnen schon bald mit der Revolution in Japan.“