Lohnarbeit ist keine gute Arbeit

Wal Buchenberg 28.06.2008 17:23 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit
Ist Lohnarbeit gute Arbeit? Der DGB machte sich mit einer umfangreichen Untersuchung auf die Suche nach "guter (Lohn)Arbeit" und befragte in diesem Jahr dazu fast 7000 Lohnabhängige in der Bundesrepublik.
Ganze 13 Prozent der Befragten meinten, ihr Lohnarbeitsverhältnis sei eine "gute Arbeit". 87 Prozent hatten an ihrer Arbeit mehr oder minder viel auszusetzen. Davon hatten 32 Prozent sehr viel auszusetzen und hielten ihre Arbeit für unzumutbar und schlecht.
In den Augen der großen Mehrzahl der Lohnarbeiter ist Lohnarbeit keine gute Arbeit.



Der DGB ist in seinem Urteil zwar nicht so konsequent, aber dennoch lohnt sich der Blick auf einige seiner Detailergebnisse.
So geht derzeit "nur jeder zweite Beschäftigte ... davon aus, dass sie/er den derzeitigen Arbeitsbedingungen bis zum Eintritt ins Rentenalter standhalten wird." (DGB-Report: 13).

Die Meinungsforscher des DGB dachten sich 15 "Dimensionen" aus, "an deren Gestaltung die Qualität der Arbeit zu messen ist." (DGB-Report: 9) Betrachtet wird mit diesen "Dimensionen", was es an Arbeitsbedingungen innerhalb der Lohnarbeit heute in Deutschland gibt. Diese "Dimensionen" richten den Blick nicht auf die großen Unterschiede zwischen den heutigen Arbeitsbedingungen und dem, was an Arbeitsqualität wünschenswert ist, und was zum Beispiel durch genossenschaftliche Arbeit längst machbar wäre.

Schauen wir uns die Ergebnisse im Einzelnen an:



Von den "15 Dimensionen" des DGB hat Frosch 12 in diese Grafik übernommen. Mit "Kreativität" weiß ich außerhalb von künstlerischen Berufen nichts anzufangen. "Betriebskultur" ist mir ganz fremd und auch "emotionale Anforderungen" kann ich nur schwer in den Berufsalltag einordnen. Diese "Dimensionen" des DGB wurden aus der Frosch-Grafik weggelassen.

Folgendes entnehme ich diesen Daten: 60 Prozent der Lohnarbeiter sind mit ihrem Lohn ausgesprochen unzufrieden (Dimension 12) und jede/r zweite aktive LohnarbeiterIn (51 Prozent) fürchtet um ihre/seine Arbeitsplatzsicherheit (Dimension 10).

Die Frage nach dem Lohn und die Frage nach der Arbeitsplatzsicherheit sind für den DGB allerdings nur zwei beliebige Fragen unter 15, obwohl die mit Lohn bezahlte Arbeit die alleinige Existenzgrundlage für Lohnarbeiter ist. Reicht uns der Lohn nicht für ein anständiges Leben, dann zählt auch eine "sinnvolle Arbeit" gar nichts, in der wie jede Menge "Anerkennung" bekommen können.

Jede ehrenamtliche Arbeit mag sinnvoll sein und Anerkennung bringen, aber da sie kein Einkommen bringt, taugt sie nicht als Existenzgrundlage. Eine Arbeit, die keine gute Existenzgrundlage bietet, ist niemals eine "gute Arbeit". Nach den 15 "Dimensionen" des DGB ist jede Ehrenarbeit eine wirklich "gute Arbeit". So weltfremd sind die Kriterien des DGB.

Auch in Bezug auf die Verursacher gewichten die DGB-Kriterien nicht und vergleichen Äpfel mit Kartoffeln: Die "Kollegialität" im Betrieb hängt weitgehend vom Verhalten der Lohnarbeiter untereinander ab - damit sind nur 23 Prozent unzufrieden. Die meisten anderen Aspekte des Arbeitslebens wie Arbeitszeit, Arbeitsintensität und Lohnhöhe werden jedoch im wesentlichen von den Kapitaleignern und ihrer Geschäftsführung gestaltet und vorgegeben.

Dass heutige (Lohn)Arbeit streng hierarchisch geordnet ist, akzeptiert der DGB, indem er nach "Aufstiegsmöglichkeiten und Karriere" (Dimension 11) und nach dem "Führungsstil" der Vorgesetzten (Dimension 6) fragen lässt. Aufstiegsmöglichkeiten werden von der Mehrheit vermisst (53%). Der Führungsstil der Vorgesetzten wird von 35 Prozent kritisiert. Das halte ich noch für einen vergleichsweise positiven Wert.

Und noch einen schwerwiegenden Mangel hat diese Umfrage: Der DGB konstatiert, dass die Arbeitszufriedenheit gegenüber dem Vorjahr gestiegen sei. Wenn nur die aktiven Lohnarbeiter nach ihrer Zufriedenheit gefragt werden, dann lässt sich die "Zufriedenheit" umso mehr steigern, je mehr Unzufriedene gekündigt und in die Arbeitslosigkeit geschickt werden.

Lohnabhängig sind aber sowohl Leute mit Arbeit wie Leute ohne Arbeit (und ohne Vermögen). HartzIV-Empfänger sind lohnabhängig, denn ihr Einkommen wird aus der gesellschaftlichen Gesamtlohnsumme bezahlt. Wer die Arbeits- und Lebensverhältnisse in "unserem" Land beurteilen will, der muss auch die Verhältnisse derjenigen mitberücksichtigen, die keine (Lohn)Arbeit finden oder die keinen Bock haben auf schlechte (Lohn)Arbeit.

W. Buchenberg für Indymedia, 28.06.2008

Die Datenbasis der Grafik:
http://media.de.indymedia.org/images/2008/06/220951.png

Die komplette Umfrage des DGB
http://www.dgb-index-gute-arbeit.de/downloads/publikationen/data/diga_report_08_internet.pdf
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Ergänzungen

mit dem

job 28.06.2008 - 18:04
kann man unzufrieden sein, wenn:

- er unterbezahlt ist [weils halt dann für det notwendigste zum weitermachen net reicht]

- der chef eine riesenmeise hat [was vorkommen soll]

- die spree eine eigene kräuselwelle alle tage anzurühren imstande, solange.

- das wetter während der umfrage nicht besonders

- das kind gerade aus der kita muß und jemand jemanden aufhält

- aus vielen weiteren gründen.


an nichtlohnarbeit auszusetzen kann man vieles dann haben, wenn zu nichtlohnarbeit gezwungen. wofern freiwillig, kann selbst nichtlohnarbeit hier und da ihre eigenen späße entwickeln.

an lohnarbeit, welche gewerkschaftlich NULL, NIENTE gestützt, die zu mini-groschen ohne vertragsverhältnisse führt,
kann man so unzufrieden sein, wie die kleine spitze der grafik, einmal auf himalaya-größenverhältnisse angepaßt.

auch ich stänkere an manchen gewerkschaften immer mal wieder gerne herum. aber - liebes indymedia - mal langsam und nicht ohne kopp, sprich nicht ohne nachzudenken, wem zu viel an zu wenig reflektierter gewerkschaftskritik nur und ausschließlich zu nützen imstande.

...

ra0105 28.06.2008 - 20:38
Ach Wal, sonst mag ich ja deine Artikel aber hier bist du wohl doch etas über das Ziel hinausgeschossen...

Kreativität: Möglichkeit des AN mittels eigener Strategien Probleme zu lösen.
Betriebskultur: => Unternehmeneskultur, beobachte mal 1 Tag die Angestellten im Ordnungsamt und dann in einem start-up Unternehmen.
Emotionale Anforderungen: Hier stehe ich etwas auf dem Schlauch, würde aber meinen, dass hierbei vielleicht auf eine Dimension verwiesen wird, die bei Berufen mit vielen menschlichen Kontakten auftaucht.

Dein größtes Problem ist aber, dass du üerhaupt nicht verstanden hast, was mit dem Konzept "Dimension" gemeint ist. Deine Ausführungen über, welche Dimension ist wichtiger als die andere, oder hier werden Äpfel mit Birnen verglichen, zeigen dies überdeutlich.


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