Neue Gen-Feldbefreiungen

Wühlmaus 24.06.2008 11:35 Themen: Biopolitik Ökologie

Das Frühjahr 2008 war geprägt von einer bemerkenswerten Ausdehnung widerständiger Aktionen gegen die Agro-Gentechnik. Sieben Felder wurden besetzt, ein Feld per Hacke befreit, zweimal verhinderten Gegensaaten die Versuche. Fünfmal konnten die AktivistInnen den Anbau von Gensaaten verhindern - zudem sorgte der Protest von LandwirtInnen, ImkerInnen und BürgerInneninitiativen an vielen Standorten dafür, dass bereits angemeldete Felder zurückgezogen wurden.

Noch war die letzte der Besetzungen (Wendland) gar nicht beendet, da wurden erneut Flächen attackiert: "Auf dem Gelände der DLG-Feldtage in Buttelstedt bei Weimar sind in der Nacht zum 20. Mai zahlreiche Mais-Anbauparzellen zerstört worden. Die Aktion richtete sich offenbar gegen gentechnisch veränderten Mais." (bioSicherheit.de am 21.5.2008) Unklar blieb bis heute, ob die richtige Fläche auch getroffen wurde - wäre schade und auch unglücklich, auch wenn konventionelle Züchtungen meist ebenso von Profit- und Kontrollstreben geprägt sind. Die Veranstalter der DLG-Feldtage und etliche Lobbyverbände regten sich sehr auf, auf Gesprächs- und Diskussionsangebote von FeldbefreierInnen aus anderen Regionen reagierten sie aber gar nicht. Wollten sie diese nur kriminalisieren, hatten aber Angst vor den Argumenten?

Die nächste Aktion war zielgenau: "Radikale Gentechnik-Gegner sind auf ein Versuchsfeld mit gentechnisch verändertem Weizen in Zürich-Affoltern eingedrungen und haben große Teile davon zerstört." Offenbar war die Aktion nicht so einfach - und gelang trotzdem: "Am frühen Morgen des 13. Juni drangen etwa 35 vermummte Personen auf das umfangreich gesicherte Versuchsfeld ein. Unter Bedrohung der dort anwesenden Personen gelang es ihnen, Teile der Versuchsanlage mit gentechnisch verändertem Weizen zu zerstören. Die Täter konnten entkommen. Derzeit ist noch nicht absehbar, ob der Versuch fortgesetzt werden kann." (TransGen am 13.6.2008)

Nicht viel Anderes dürfte für die nächste Aktion gelten - mitten in der Höhle des Löwen auf dem massiv eingezäunten Hauptgelände der BASF-Agrarfoschung: "In der Nacht vom 20. auf den 21. Juni haben unbekannte Täter Feldversuche der BASF Plant Science im Agrarzentrum der BASF SE in Limburgerhof zerstört. Die Täter hatten Löcher in den Zaun geschnitten und gelangten so auf das Versuchsfeld. Auf den Versuchsparzellen wurden nahezu alle Kartoffelpflanzen herausgerissen." ( BASF-Pressemitteilung am 21.6.2008) Genauer stand es am folgenden Montag in der Tagespresse: "Die Polizei geht von mehreren Tätern aus. Laut einer Pressemitteilung der BASF hatten sie Löcher in den Zaun geschnitten und waren so auf die Anlage gelangt. Wie eine Sprecherin von BASF Plant Science gestern erläuterte, seien auf einer Fläche von 900 Quadratmetern, auf der etwa 4000 Pflanzen angebaut worden waren, nahezu alle Gewächse herausgerissen worden. Der Großteil des Versuchsanbaus sei dadurch zerstört worden." (Die Rheinpfalz am 23.6.2008)
Die Schadenshöhe war enorm - und eine mögliche Freude über die gelungene Aktion könnte sich noch steigern, denn hier auf dem Kernfeld der BASF könnte das gesamte Genkartoffelprogramm des Konzerns ins Wanken kommen: "Nach der Zerstörung eines Gentechnik-Versuchsfeldes der BASF bei Ludwigshafen in Rheinland-Pflanz am Wochenende geht das Unternehmen von einem Schaden im fünfstelligen Bereich aus. Genauer lasse sich der an dem Anbaufeld für Genkartoffeln entstandene Schaden derzeit nicht beziffern, da noch die Verzögerung in der Produktentwicklung geprüft werden müsse, sagte eine Sprecherin der BASF am Montag auf Anfrage der ddp/Dow Jones Wirtschaftsnachrichten. «Das wird noch einmal zusätzlich ein erheblicher Schaden sein, wenn wir das Produkt beispielsweise erst ein Jahr später auf den Markt bringen können», sagte sie. (ddp auf YAHOO!nachrichten am 23.6.2008)
"Das trifft die Richtigen!" jubelten darauf Gießener FeldbefreierInnen. Sie hatten 2006 in einer öffentlichen Aktion ein Gerstenfeld der Uni Gießen zerstört. Dessen Versuchsleiter, Prof. Kogel, hat direkte Verbindungen zur BASF, u.a. hatte der Konzern mehrere Patente des selbsternannt unabhängigen Wissenschaftlers angemeldet. ""Die Feldbefreiung auf den Genversuchsanlagen der BASF in Limburgerhof trifft einen der führenden deutschen Gentechnikkonzerne und -lobbyisten. Wir freuen uns über die gelungene Aktion gerade an diesem Ort und hoffen, dass die verzerrende Darstellung von einer vermeintlich guten deutschen Gentechnik und dem bösen Treiben des US-amerikanischen Monsanto-Konzern damit ein Ende hat. Diese Aufteilung, die sei Monaten große Teile der öffentlichen Auseinandersetzung prägt, ist falsch. Hohe Einschaltquoten bei Monsanto-kritischen Fernsehbeiträgen und die oft auf die Genmaissorte Mon810 reduzierte Wahrnehmung waren und sind verbunden mit Täuschungsmanövern über die Freisetzungsversuche und agrogentechnischen Entwicklungen an Universitäten in Deutschland und deutschen Konzernen. So wurden Genmanipulationen an Pflanzen und Tieren hierzulande meist als Sicherheitsforschung verharmlost, obwohl tatsächlich neue Produkte oder sogar neue gentechnische Methoden erforscht wurden. Zudem sind es deutsche Konzerne wie BASF, Bayer und KWS sowie die von ihnen und etlichen GentechnikforscherInnen dominierten Lobbyverbände, die trotz überwältigender gentechnikkritischer Mehrheiten in der Bevölkerung immer wieder eine Gesetzgebung und Forschungsförderung durchsetzen, mit der der Ausbau der Agro-Gentechnik umfangreich vorangetrieben wurde und wird.
Wir hoffen daher, dass diese Attacke auf eines der Zentren deutscher Agrartechnik auch die Debatte beflügelt, dass hinter den Machenschaften der Gentechnikkonzerne immer das menschenverachtende und umweltgefährdende Streben nach Profit und Macht steckt. Dieses ist weder ur-amerikanisch noch nicht-europäisch. Unter den herrschenden Verhältnissen gibt es weder eine menschengerechte Gentechnik noch überhaupt eine emanzipatorische Ausrichtung von Forschung, weil die Beherrschung der Menschen und der maximierte Profit das Ziel allen Handelns in Industrie und Forschung ist. Das gilt in den USA genauso wie in Europa und überall auf der Welt." (Gesamte Erklärung aus Gießen bei www.scharf-links.de)

Das Forschungsprogramm mit Genkartoffeln, vor allem von BASF vorangetrieben, erhielt noch einen weiteren Dämpfer: "Auf dem Feld mit gentechnisch veränderten Kartoffeln der Sorte Amflora wurden vor rund zwei Wochen bei Dambeck (Müritzkreis) trotz Bewachung mehrere hundert Kilo Bio-Kartoffeln ausgepflanzt. Durch diese starke Vermischung der verschiedenen Sorten ist eine Reinheit des Saatgutes nicht mehr gewährleistet. Deshalb müssen jene Kartoffeln, die zur Saatgutgewinnung gedacht waren, vernichtet werden." (Indymedia am 22.6.2008)

Das Jahr ist erst zur Hälfte rum - und es ist so viel geschehen wie lange nicht mehr. Noch reiben sich etliche an geordnete Lobbyarbeit gewöhnten Umwelt-NGOs und Medien die Augen - manche reagieren mit reflexhafter Zensur oder Distanzierung. Andere diskutieren ihre Bündnisarbeit und kommen nur langsam in Schwung. Doch es ist Bewegung im Spiel. Die Zeit reiner Appelle an die Mächtigen scheint vorbei. "Die Biotech-Forschung des Konzerns werde sich künftig verstärkt ausserhalb Europas abspielen, vor allem in den USA und Asien, erklärte BASF-Vorstand Stefan Marcinowski in einem Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Künftig werde nur noch erforscht, was sich international auch umsetzen lasse." (FruchtPortal am 20.6.2008) Da bleibt zu hoffen, dass auch anderswo der Widerstand stark ist oder wächst. Schließlich reicht es nicht, nur einzelne Regionen oder Länder gentechnikfrei zu halten - obwohl andererseits jedes Feld weniger und jede gentechnikfreie Region ein Schritt voran ist.

Am kommenden Wochenende ruft "Gendreck weg!" zu einer großen gemeinsamen Aktion auf. Mehrere Hundert Menschen werden in Kitzingen erwartet, um sich auszutauschen, neue Pläne zu schmieden und in einer gemeinsamen Feldbefreiung am Sonntag, den 29. Juni, ein weiteres Signal des Widerstandes zu setzen. Es soll ein Höhepunkt sein - mehr nicht. Die Frage der Agro-Gentechnik wird ansonsten an den konkreten Orten entschieden: Firmensitze, Versuchsfelder und -anlagen, kommerzieller Anbau. Es ist noch viel zu tun ...

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Ergänzungen

BASF Programm um ein Jahr verzögert?

dpa 24.06.2008 - 17:53
BASF-Genkartoffel: Projektverzögerung möglich

Lim­bur­ger­hof/Lud­wigs­hafen Nach einem Anschlag auf ein Ver­suchs­feld der BASF mit genveränderten Kar­tof­fel­pflan­zen fürchtet der Che­mie­kon­zern eine Verzögerung des Pro­jek­tes. «Der Schaden ist immens», sagte eine Spre­che­rin des Unter­neh­mens am Diens­tag in Lim­bur­ger­hof bei Lud­wigs­hafen.

Sie bestätigte einen Bericht der Lud­wigs­hafe­ner Tages­zei­tung «Die Rhein­pfalz» vom Diens­tag, wonach sich das Projekt zur Ent­wick­lung einer pilz­resis­ten­ten Kar­tof­fel im schlimms­ten Fall um ein Jahr verzögern könnte, weil die Knollen neu gepflanzt werden müssten. Unbe­kannte hatten laut BASF in der Nacht zum Samstag fast alle Kar­tof­fel­pflan­zen her­aus­geris­sen.

Attacke auf BASF-Feld regt auf

google/paperball 24.06.2008 - 18:02

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schmacht... — Maulwurf

Weg — mit Gendreck

Macht weiter — leonxox