Abschaffung des Asylrechts 1993 – Rückblick

Wolf Wetzel 20.06.2008 20:20 Themen: Antifa Antirassismus Globalisierung Soziale Kämpfe
Mitte 1992 machte die autonome L.U.P.U.S.-Gruppe den Vorschlag, am Tag der Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl den Bundestag in Bonn zu blockieren. Der Text versucht, auf dieses Ereignis zurückzublicken und die Bedingungen in Erinnerung zu rufen, die Anfang der 90er Jahre zur Abschaffung des Aslyrechtes führten
Die Abschaffung des Asylrechts 1993 – ein Rückblick
Tag X »Die Brandstifter sitzen in Bonn«


Mitte 1992 machte die autonome L.U.P.U.S.-Gruppe den Vorschlag, am Tag der Abschaffung des Grundrechtes auf Asyl den Bundestag in Bonn zu blockieren.
Seit wann mischen sich autonome, außerparlamentarische Gruppen in Verfassungsfragen ein? Wollen nun ›Verfassungsfeinde‹ die Verfassung verteidigen? Nährt man nicht Rechtsstaatsillusionen, wenn man zur Verteidigung von Grund- und Schutzrechten aufruft? Warum überließ man nicht Verfassungspatrioten, der liberalen, kritischen Öffentlichkeit, die Verteidigung elementarer Schutzrechte gegenüber dem Staat?
Im Prinzip waren mit diesem Aufruf alle Fragen gestellt, die bis heute auf eine kollektive Antwort warten.

Vorgeschichte
Rückblickend lässt sich leicht sagen, dass die Wiedervereinigung eine Zäsur in der Geschichte des Nachkriegsdeutschlands darstellte, die auch die außerparlamentarische, autonome Linke völlig unvorbereitet traf und in den folgenden Jahren durcheinanderschüttelte und gänzlich überforderte.
Diejenigen, die sich vor 1989 mit der DDR beschäftigt hatten, waren an einer Hand abzuzählen. Den meisten lag Nicaragua oder El Salvador schlichtweg näher. Kein Wunder also, dass die Implosion der DDR, der Zusammenbruch des Ostblockes, das, was die Wiedervereinigung an Rassismus und Nationalismus freizusetzen drohte, kaum diskutiert wurde. Im Großen und Ganzen herrschte ein scheinbar souveränes Desinteresse: »Die Grenzen verlaufen nicht zwischen Nationen, sondern zwischen oben und unten«
1991 unternahmen wir den Versuch, außerparlamentarische, militante Politik in diese neu-entstehenden Macht-Konstellationen einzuordnen und verfassten ›Die Doitschstunde – Die Mauer ist gefallen – wir mauern weiter‹ . Die Zustandsbeschreibung war alles andere als optimistisch:
»Und wie reagieren wir als Autonome?
Erst einmal so, als ob uns das Ganze nichts anginge. Hartnäckig und geradezu bockig hielten wir über Monate durch. Erst in den letzten Monaten, als eh alles zu spät war, kann man mit viel Mühe zwei Positionen in groben Zügen ausmachen: Die erste ist augenscheinlich recht analytisch. Seit Jahren scheren wir uns nicht um Grenzverläufe und Nationenhickhack. Unser Selbstverständnis und Handeln bestimmt sich nicht entlang nationaler Grenzen, sondern an unserem militanten Internationalismus. Wenn die Mauer zusammenbricht, die Ostblockgrenzen sich auflösen, die Weltkarte neu geschrieben wird, dann mag das ein Problem der Herrschenden sein. Unsere Bezugspunkte sind die Aufstände, die riots ... weltweit ... und damit basta. Die herrschende Realität wird das verdammt nochmal zur Kenntnis nehmen und sich nach uns richten. War die erste Antwort Kosmopolitik und Kopf pur, zeigte die zweite Antwort dafür umso mehr Bauch: »Halt’s Maul, Deutschland. Es reicht« (Aufruf zu den Aktionstagen für den Wiederzusammenbruch vom 30.9. - 3.10.1990 in Berlin). Wenn es uns schon nicht mehr gelingt, die Ohren zuzuhalten, dann sollen die wenigstens ihr Maul halten - als hätten wir was zu sagen ...
»Halt’s Maul Deutschland. Es reicht.« In Berlin reichte es für eine Demonstration mit ca. 15.000 Menschen, in Frankfurt für eine Spontandemonstration von ca. 50 - 100 Menschen. Das reicht vorne und hinten nicht.
Es hat sich wohl weitgehend herumgesprochen. Die Linke im Allgemeinen und die Autonomen im Besonderen stecken in einer Krise. Die Ereignisse 1989/90, der Mauerdurchbruch, die politische Ausschaltung der TrägerInnen der DDR-Opposition, der als Staatsvertrag getarnte Kaufvertrag über die Ex-DDR usw. sind nicht der eigentliche Grund für unsere Krise. In ihnen drückt sich vielmehr in aller Konsequenz unsere radikale Abwesenheit aus. Wir waren zu keiner Zeit ein zu beachtender Stolperstein auf dem Weg zur »Wiedervereinigung«. Es ist nicht die Niederlage, die uns so ohnmächtig macht, sondern die Bedeutungslosigkeit, die uns mit den deutsch-deutschen Ereignissen vor Augen geführt wurde. Gab es in den letzten 20 Jahren zu allen Fragen von oben einen Widerstand von unten, der öffentlich beachtet, reformistisch aufgegriffen und repressiv verfolgt werden musste, so waren die wenigen Proteste und Widerstände 1989/90 kaum noch eine Randnotiz wert. Damit sind Relationen und Gewichts-Verhältnisse offensichtlich geworden, die in den Kämpfen an Bauzäunen, Mauern und Projekten allzu oft untergingen.
Am augenscheinlichsten sind mit den Ereignissen 1989/90 jahrzehntelang, weitgehend unumstrittene Welt-Bilder und -Ordnungen zusammengebrochen. Was für die Reformierten (von Grünen bis hin zu den kommunistischen Ex-Partei-Soldaten) als letzter Akt der Befreiung gefeiert wird und in selbstläuternden Gelöbnissen zum »geeinten« Deutschland seinen Höhepunkt fand, ist für viele Linke ein Grund mehr, an diesen Welt- und Ordnungsbildern festzuhalten. Aus Angst, tatsächliche Risse, Brüche und Veränderungen könnten alles in Frage stellen, werden allzu oft mit ideologischer Füllmasse begründete Unsicherheiten und Zweifel glatt gestrichen. Was für die reformierte Linke in ideologisch-enthemmte Machtpolitik mündet, endet - vorläufig - unter uns in Sprachlosigkeit oder unsäglichen Flugblättern.«

Vom ›passiven‹ zum ›rassistischen Konsens‹

Die Konfrontationen in den 80er Jahren waren im Wesentlichen durch recht klare Konstellationen geprägt: Auf der einen Seite die sozialen Bewegungen, die AKWs, die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen, die Startbahn West usw. verhindern wollten. Auf der anderen Seite der Staat, mit einem zunehmend massiveren Gewaltapparat, der all dies durchsetzen wollte. In den meisten Fällen sympathisierte die (lokale) Bevölkerung mit unseren Anliegen, mit unserem Widerstand. Die schweigende Mehrheit blieb zuhause bzw. stellte sich uns nicht in den Weg, was mit dem ›passiven Konsens‹ recht gut umschrieben ist. Ob in Wackersdorf, an der Startbahn oder in Brokdorf: Man konnte den Eindruck haben, dass wir für eine Mehrheit agierten, dass das, was nummerisch als Minderheit in Erscheinung trat, in gesellschaftlichem Sinne eine Mehrheit hinter sich wusste - so etwas wie eine ›kulturelle Hegemonie‹, was die Straße, den öffentlichen Raum, den Diskurs, die Zuspitzungen, die klammheimliche Freude anbelangte.

Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen, Mannheim-Schönau ... Pogrome der Straße unter der Schirmherrschaft einer großen Koalition

Diese Zuversicht, dieses Trugbild zerbrach mit den Ereignissen 1991ff auf dramatische, erschütternde Weise. Es war die Zeit des Entsetzens und die Zeit einer kaum aushaltbaren Ohnmacht. Kaum ein Tag verging ohne eine Zeitungsmeldung, ohne einen Fernsehbericht, in dem von neuen rassistischen Angriffen berichtet worden war. Dass organisierte Neonazis solche Angriffe machen, kannten wir – auch wenn dies recht selten vorkam. Dass Hunderte, Tausende von ›aufgebrachten‹ BürgerInnen ein Flüchtlingsheim belagern, dass die Straße in jenen Jahren dem ›rassistischen Mob‹ gehörte, schockierte uns alle und erinnerte zurecht an den ›Volkssturm‹ der 30er Jahre. Selbstverständlich agierten diese Massen nicht ›führungslos‹: Die Anfang der 90er Jahre von CDU bis SPD entfachte ›Asylflut‹-kampagne markierte und lokalisierte die Opfer, während sie gleichzeitig die potenziellen Täter/innen argumentativ ausrüstete (»Das Boot ist voll«, »Überfremdung«). Diese handelten de facto im Auftrag des Staates, der sich so lange ›Handlungsunfähigkeit‹ bescheinigte, bis das Grundrecht auf Asyl abgeschafft war. Über Monate und Jahre agierte das Duo ›Politik‹ und ›aufgebrachtes Volk‹ in mörderischem Einklang: Ein weiterer rassistischer Anschlag wird gemeldet. Je nach blutigem Erfolg wird er zunächst, also heuchlerisch bedauert, um im selben Atemzug wirkliches Verständnis für die »berechtigten Sorgen und Ängste der deutschen MitbürgerInnen« zu bekunden. Dem folgte die Aufforderung fast aller Parteien, schleunigst das Grundrecht auf Asyl abzuschaffen, mit dem unausgesprochenen Versprechen, den Terror der Straße in ein geregeltes und geordnetes Verfahren überzuleiten.
Auf einmal hatten wir es nicht nur mit Neonazis und der Polizei zu tun, sondern mit einer Bevölkerung, die in Teilen mit den rassistischenTäterInnen sympathisierte und in großen Teilen mit einer Großen Koalition, die eine unblutige und effektive Lösung des ›Asylproblems‹ versprach.
Rassismus und Nationalismus sind eben nicht nur Herrschaftsideologien, die ganz unten ›falsches Bewusstsein‹ produzieren. Sie konstituieren zugleich ein gesellschaftliches Machtverhältnis, das ›die da unten‹ zu Subjekten einer privilegierten Teilhabe macht.

Selten war unser Widerstand so hilflos, selten waren unsere Reaktionen so symbolisch und wirkungslos. Wir konnten die Angriffe auf Flüchtlingsheime nicht verhindern und die meisten Gegendemonstrationen, Tage oder Wochen später, hatten etwas Gespenstiges und lächerlich Drohendes. Was wir Mitte der 80er Jahre beklagten, im Scheinwerferlicht großer (und gelungener) Kampagnen, unsere Kraft und unsere Verankerung zu überschätzen, auf Demonstrationen, aber nicht im Alltag (als Alternative) präsent zu sein, fiel uns schmerzhaft auf die Füße.
Die geradezu täglichen Angriffe auf Flüchtlinge, Migrantinnen, Behinderte, Langhaarige und alles was nicht ›deutsch‹ genug aussieht, die offene Sympathie der Schaulustigen und die Gleichgültigkeit derer, die zuhause blieben, ließ bestenfalls punktuelles Handeln zu. Dazu zählten auch die Versuche der ›Wohlfahrtsausschüsse‹, mit einem Tross aus antirassistischen Gruppen und Antifas aus dem Westen im ›Osten‹ zu intervenieren.
Es gibt sicherlich viele Fragen, die gerade in dieser Zeit aufgeworfen wurden, Ratlosigkeit und Zerwürfnisse zurückließen. Die wichtigsten Fragen bleiben: Warum haben die meisten von uns mit Flüchtlingen und MigrantInnen erst etwas zu tun bekommen, als sie Opfer rassistischer Angriffe wurden? Warum hatten, warum haben wir so wenig mit ihnen zu tun, als Handelnde, als Subjekte, die in den allermeisten Fällen nichts mit den Projektionen von einem ortsungebundenen, normadierenden Leben zu tun haben.

Der Tag X
Der legale Verfassungsbruch 1993

Die Fixierung auf spektakuläre Opfer rassistischer Gewalt wiederholte sich in der Mobilisierung zur Bundestagsblockade anlässlich der parlamentarischen Absegnung. In Rostock-Lichtenhagen waren es noch 10.000, die sich an der Gegendemonstration beteiligten, am Tag der Abstimmung in Bonn waren es bestenfalls 3 -4.000. Und selbst das war für uns eher überraschend, als enttäuschend. Denn in den Monaten davor gingen wir zähneknirschend von 1.000-1.500 TeilnehmerInnen unseres Blockadekonzeptes aus. Diese Zahl war Ausgangspunkt unserer Überlegungen, an vier Stellen den Zugang zum Bundestag zu blockieren, in der Hoffnung, zumindest die Reibungslosigkeit dieser Abstimmungsmaschinerie zu stören. Und tatsächlich gelang es uns, den meisten Parlamentariern für diesen Tag das Gefühl mitzugeben, wie es ist, wenn der ›Landweg‹ ausgeschlossen ist. Die Mehrheit der Abgeordneten musste sich mit dem Schiffsweg begnügen und empfand diesen Schleichweg doch tatsächlich als demütigend und unwürdig. Sie hätten sich stattdessen einen harten Polizeieinsatz für ihr so selbstverständlich empfundenes Recht auf Freizügigkeit gewünscht. Doch dieser blieb aus kosmetischen Gründen aus. Die ›Festung Bonn‹, in die sich die Hauptstadt Tage zuvor verwandet hatte, sollte nicht noch durch zusätzliche Bilder prügelnder Polizisten unterstrichen werden.
An diesem Tag wurde nicht nur ein bereits reichlich zerfleddertes Grundrecht abgeschafft, an diesem Tag hat sich zugleich die kritische, liberale Öffentlichkeit verabschiedet. Es mögen vielleicht 1.000 – 1.500 TeilnehmerInnen einer Kundgebung (im Anschluss an die Blockade) gewesen sein, die diesen Aufrufen folgten.
Dementsprechend nüchtern fiel unser Redebeitrag auf dieser Bündnis-Kundgebung aus:
»Kommen wir einer trügerischen Übereinstimmung zuvor. Wir protestieren hier zwar von SPD-Oppositionellen bishin zu Autonomen, also von Verfassungspatrioten bishin zu Verfassungsfeinden gegen die Abschaffung des Grundrechts auf Asyl. Doch bereits knapp dahinter tuen sich Welten auf. Seien wir ehrlich: Die größte Gemeinsamkeit besteht in der Schwäche, ohne den jeweils anderen nicht auskommen zu können …«

Dieser Tag machte noch einmal deutlich, dass die liberale Öffentlichkeit, die sich über Jahrzehnte als Vermittler zwischen Staat und System-Opposition begriff, endgültig weggebrochen war. Auch wenn wir auf deren Integrationsfunktion liebend gerne verzichteten, so waren wir doch - ab und an - über deren Schutzfunktion dankbar. Diese wird es - für uns jedenfalls - nicht mehr geben.
Die Frage, ob wir Grundrechte, verstanden als Schutzrechte gegen den Staat, verteidigen müssen, wird uns also weiter verfolgen - wenn wir tatsächlich noch die Bedingungen für zukünftige Kämpfe im Augen behalten wollen.

Wolf Wetzel 2008
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Ergänzungen

Prügeleinsatz fand statt!

einer 20.06.2008 - 21:07
Es ist ja schon lange her, da gerät manches in Vergesenheit. So ist es entgegen der Aussage des Artikels so, dass es einen relativ heftigen Prügeleinsatz der Polizei zum Ende der Veranstaltung hin gegeben hat. Es gab dabei eine Reihe von Verletzten auf Seiten der Blockierenden.

Doch wirklich sclimm wurde es erst dann

später 20.06.2008 - 21:26
Gelang es in den 90ern zumindest noch einige Freiräume zu erhalten und waren die Städte von Subkulturen geprägt, wurde es unter Rot-Grün und am dem 11.9. dann richtig übel. Ausserhalb der 4 großen Städte (Berlin, HH, Leipzig, Dresden) gibt es heute weder Subkultur noch größere Freiraumstrukturen. Gab es aus den Trümmern der liberalen Öffentlichkeit immer noch hier und dort einige kritische Stimmen, die sogar mit der Noglobal- und Antikriegsbewegung zu wachsen schien, ist es damit jetzt endgültig vorbei. Ob es um die neuen Überwachungsgesetze, den Nationaltaumel oder die von Deutschland aus dominierte EU-Verfassung geht (in ihr wird ja die Versammlungs- und Meinungsfreiheit quasi abgeschafft): es gibt nicht einmal die leisesten Stimmen dagegen. Liegt vielleicht auch daran, daß fast alle kritisch denkenden Menschen das Land in den letzten 10 Jahren verlassen haben oder in die innere Emigration gehen.

Demo zum 15. Jahrestag

rot 20.06.2008 - 23:48
In Berlin wird es am 5.7. eine große Demonstration zum fünfzehnten Jahrestag der faktischen Abschaffung des Asylrechts geben: 14 Uhr, Schlossplatz. Es gibt aus einigen Städten Anreisemöglichkeiten, z.B. einen Bus aus Dresden. Mehr Infos unter:  http://www.recht-auf-migration.de.vu

check ma wikipedia

rotfuchs 21.06.2008 - 01:11
>Ausserhalb der 4 großen Städte (Berlin, HH, Leipzig, Dresden)

Die 'gefühlte' Größe von Leipzig und Dresden mag größer sein, aber diese Städte gehören nicht zu den 10 größten Städten der BRD! Umgekehrt gibt es meiner Meinung nach sehr aktive linke Strukturen in den 'kleinen Großstädten' Göttingen, Potsdam und Giessen, zudem in den realiter 4.+5. größten Städten Kölle und [F]rankfurz.

röter der

fuchs 21.06.2008 - 03:25
:] mal abgesehen davon, daß im beitrag zwar gar nicht "größte städte" gestanden hat...
finde ich den "frankfurz" fast so gut wie den POUPS: "Politische Offene Uni Pankberg-Südlich".

um das nicht auf jemand einzelnes zu beziehen: der wahnsninnsnahme stammt aus einer zusammenarbeit mit sok. ich find´s klasse. hängt an der wand eines freiraums als mini-transpi, wir glotzen den neuen namen noch ganz verträumt an....

Das war'n noch Zeiten...

alles bleibt schlimmer 21.06.2008 - 12:38
In einigen Punkte möchte ich - ohne den Rest des Artikels dadurch kritisieren zu wollen - aus eigener Anschauung widersprechen:
- Insgesamt an dem Tag unterwegs waren rund 10.000 Leute, zusätzlich zu den Blockaden gab es auch noch ein Demo, die einmal um die abgesperrte Zone herumlief. Diese bestand großteils aus bürgerlich-liberalen Gruppen (Pax Christi und andere).
- Die Bullentaktik des Tages würde ich schon als einerseits merkwürdig, aber andererseits als durchaus nicht friedlich oder nur auf's gute Bild bedacht bezeichnen. Allein an der einen Blockade, von der ich berichten kann, hat's mehrere Ausfälle der Cops gegeben, allerdings nicht mit dem Ziel, den Eingang komplett freizumachen, was bei der Menge wohl utopisch gewesen wäre. Denen ging's nach meiner Beobachtung eher darum, dass es nicht in die andere Richtung ging. Die Leute hatten sich schon gesammelt (nicht viele, vielleicht 200) und begannen, die Cops mit harmlosen Zeug zu beharken, als diese nach einiger Reaktionslosigkeit (Kein Befehl? *g*)erst mit ner fetten Hundestaffel raus sind (und da als erstes die Peaceniks vermöbelt haben) und dann SEK nachsetzte. Das SEK hat zwei Kessel auf dem Vorplatz gemacht, die aber beide geöffnet werden konnten, da sowohl die Leute drinnen, wie auch die draußen entschlossen genug wirkten. Es gab ne ganze Reihe Verletzter, kann mich noch gut an die Krankenwagen erinnern.

Der Rest enthält viel von dem, was und wie ich's damals auch gesehen hab, sowohl was die rassistische Medienhetze angeht, wie auch das Wegbrechen der Linksliberalen. Nach dieser Startzeit in die Neunziger kam's dann erst einmal zum großen Zulauf zu den Antifagruppen während der und nach den Pogromen. Die radikale Linke hat darauf mit viel Aktionismus reagiert, doch viel an politischen Inhalten und auch an Erfahrungen (Technix, Struktur etc.) ist durch reine Antinazipolitik verdrängt worden und in Vergessenheit geraten. Das schuf meines Erachtens die Grundlage für die Antifabewegung, wie wir sie heute kennen, mit all ihren Bruchlinien, Widersprüchen, den vielen auf links gefärbten, moralischen Argumentationen auf der einen und den oft nur noch schemenhaften Resten alter "politischer Denke" auf der anderen Seite.

Ergänzung

Wolf Wetzel 21.06.2008 - 13:23
danke für die Ergänzungen von "das waren noch zeiten": In der Tat gab es am Ende der Blockade, als wir erfuhren, dass die Abgeordeten per Schiff in den Bundestag gebracht wurden, noch eine Demonstration in Richtung Bundestag, in die Theodor-Heuss-Alllee (wenn ich mich recht entsinne), die mit mehreren Hundertschaften voll gestellt war. Auf diese unerwartete Reaktion (wir ließen auf dem Weg dorthin abstimmen, da es für diese Situation kein Votum im Vorbereitungstreffen gab) reagierte die Polizei mit einem massiven Knüppeleinsatz.
Dennoch war das Polizeikonzept (verglichen mit heute) defensiv ausgelegt:
Als wir die Blockade bundesweit ankündigten, lud der damalige Polizeipräsident von Bonn eine Bonner Gruppe dazu ein, "Einblick" in das Polizeikonzept zu gewähren. Die Idee war, die Blockade für die Polizei berechenbar zu machen und "Alternativrouten" für die Parlementarier festzulegen - was ja nicht spontan, sondern gut vorbereitet vonstatten ging. Erst die für die Polizeiführung nicht vorsehbare "Wende" ließ sie die Polizeitaktik ändern.
P.S. Hast du oder ihr noch Fotos von diesem Tag. Wenn ja, würde ich mich freuen, wenn wir uns in Verbindung setzen.

Wolf Wetzel

15. Jahrestag - der Kampf geht weiter

Freies Fluten 21.06.2008 - 14:12
Wir lassen uns nicht entmutigen, auch wenn die Entwicklung seit 1993 nicht gerade positiv war. Zum 15. Jahrestag sind im gesamten Bundesgebiet diverse Aktionen geplant. Ziel ist es wieder linke Perspektiven auf Flucht und Migration sichtbarer zu machen und aus den Abwehrkämpfen gegen rassistische Diskurse herauszutreten. Die Forderung nach einem globalen Recht auf Migration, globaler Bewegungsfreiheit und einem Bleiberecht für alle Menschen soll wieder in der gesellschaftlichen Mitte platziert werden.

In Berlin findet hierzu eine überregionale Demonstration eines breiten gesellschaftlichen Bündnis am 5. Juli 2008 statt. Weitere Informationen findet ihr unter www.recht-auf-migration.de.vu

Für den 30. August 2008 wird ein Tag ohne Abschiebungen vorbereitet. Ziel ist es konkret in die Abschiebemaschinerie einzugreifen. Der Protest soll nicht symbolisch bleiben, sondern das System von Kontrolle, Lager, Selektion und Abschiebung konkret angreifen und die eigene Handlungsfähigkeit wieder erlebbar machen - auch wenn es auf einen Tag beschränkt bleibt. Weitere Informationen findet ihr unter abschiebefrei.blogsport.de

Außerdem ist bundesweit das Thema Antirassismus wieder mehr im Fokus auch außerhalb der Antira-Gruppen. Achtet auf Veranstaltungen, Aktionen und setzt selber eure eigenen Themenfelder in Bezug zu Rassismus, Flucht und Migration.

Presseerklärung der Bürgerlichen zum 26.5.93

(muss ausgefüllt werden) 21.06.2008 - 14:34
aus: Antifaschistische Nachrichten, GNN, Köln

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Blockade des Bundestages : 10 000 kamen nach Bonn

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Am 26. 5. 1993 demonstrierten tausende von Menschen in Bonn gegen die

Abschaffung des Asylrechts. Die Zufahrtsstraßn zum

Regierungsviertel waren vom frühen Morgen an blockiert.

Zahlreiche Beschätigte konnten ihren Dienst nicht antreten, die

Abgeordneten wurden eingeflogen oder mit dem Boot über den Rhein

gebracht.


Der Trägerkreis Aktion Asylrecht, der die Blockade vorbereitet

hatte, gab am Tag darauf folgende Presseerkläung ab:

Der Trägerkreis sieht die Demonstration vom Mittwoch insgesamt

als Ermutigung für weiteren außerparlamentarischen Widerstand

gegen den Grundrechteabbau der großen Parteienkoalition. Daß der

26. Mai 93, an dem ein Kernstück der demokratischen Verfassung

ohne Not und ohne an den Problemen etwas zu ändern, über Bord

geworfen wurde, auch ungewöhnliche Protestformen wie die

Blockadeaktionen, den Gottesdienst in der Bannmeile und Versuche

von Bannmeilenverletzungen mit sich bringen wrde, hat jedermann

gewußt. Der Tag in Bonn hat in vielen Bildern die künftige

Situation von Flüchtlingen ohne Zufluchtsmöglichkeit und von

einem nach rechts driftenden Deutschland in schlechter Verfassung

deutlich gezeigt. Der gegen alle verbindlichen Absprachen auch

unter den autonomen Gruppen erfolgte Angriff eines Blocks von

autonomen Kids wird scharf kritisiert. Diese Bilder hatten der

Trägerkreis und die bei den Absprachen beteiligten Autonomen

nicht sehen wollen. Gewaltfreie DemonstrantInnen haben durch

mutiges Eingreifen zwischen dem steinewerfenden Block und

prügelnden SEK-Beamten großen Anteil daran, daß diese Situation

die Ausnahme blieb.

Der Trägerkreis kritisiert die Verhinderung von zentralen

Aktionselementen durch den Bundesgrenzschutz und das

Bundestagspräsidium. Der Bundesgrenzschutz verhinderte in

Hangelar den Start für den genehmigten Absprung von

Fallschirmspringern, die gegen mittag hinter dem Bonner

Kunstmuseum landen sollten, um so anschaulich die noch

verbliebene Möglichkeit vorzuführen, zu einem Asylverfahren zu

kommen. Gewaltsam beanspruchte der BGS die alleinige Lufthoheit

ber Bonn. Entgegen allen Genehmigungen und Absprachen auch mit

der Polizei, griff der BGS in Hangelar ein und sorgte durch

vorgeschobene "Sicherheitsbedenken" für ein Verbot der Aktion.

Die Bremer Fallschirmspringer sprachen von einer aggressiven und

aufgeheizten Stimmung auf dem Flughafen Hangelar; BGS-Leute

drohten massiv mit Abdrängung durch Hubschrauber, ein

Hubschrauber ging gezielt über dem Landeplatz in Stellung. So

wurde das letzte "Schlupfloch" am Tag der Grundgesetzänderung vom

BGS über Bonn geschlossen. An der Bühne des Trägerkreises vor dem

Kunstmuseum warteten tausende interessierte DemonstrantInnen und

der "Abschiebebeamte" vergeblich. Nun prüfen die

Fallschirmspringer und Trägerkreis-Vertreter rechtliche Schritte

gegen den ungesetzlichen Eingriff des BGS.

Das Bundestagspräsidium weigerte sich, eine Übergabe der 120.000

Unterschriften für das Asylrecht zu ermölichen, die Pro Asyl und

andere Aufrufer vorbereitet hatte. (...)

Die im Tr�erkreis Aktion Asylrecht zusammengeschlossenen

Menschen-, Brgerechts- und Friedensgruppen rufen zum weiteren

Widerstand gegen die neuen Horrogesetze auf. Pro Asyl verspricht

dem ersten Flüchtling, der gegen die neuen Gesetze klagt, alle

notwendigen Unterstützungen. Der Tag X in Bonn war auch

Ermutigung für eine Opposition von unten gegen den Abbau von

Menschen- und Freiheitsrechten in Salamitaktik. Die

südafrikanische Sängerin Audrey Molaung sang zum Abschluß der

Kundgebung am Kunstmuseun u.a. mit Herbert Leuninger "We shall

overcome" - Ankündigung und Auftakt der Kampagne gegen "Out of

Grundgesetz". - (Presseerklärung des Trägerkreis Aktion Asyl vom

27. 5. 1993)

Freies Fluten gegen EU-Festung

Wolf Wetzel 21.06.2008 - 19:08
Das wäre sicherlich eine Konsequenz aus dem Tag X 1993- wenn man sich da Ergebnis anschaut, das die Institutionalisierung der "berechtigten Sorgen", die Überführung des rassistischen Konsens in eine geregeltes, staatliches Verfahren vergegenwärtigt: Im Prinzip kann heute kein Flüchtling (angesichts der "sicheren Drittenstaaten", mit denen sich Deutschland umgibt) auf dem Landwege Deutschland erreichen. Und wenn er/sie es dennoch schaffen, dannn garaniert eine Anerkennungsquote von 1 Prozent ihre sichere Ausweisung. Und wenn man sich die Zahl der Toten vergegenwärtigt, die das Grenzregime zu verantworten hat (Tode auf der Flucht, in den Abschiebeknästen, Folter bei Rückkehr...), dann hat sich vorallem der Charakter verändert: In aller Regel wird nicht mehr auf "offener Strasse" agiert und exekutiert.
Und noch etwas wäre ganz wichtig, worauf "Früher war alles anders" hinweist: Eine antirassistische Bewegung weist über den Nationalstaat hinaus (für den Rassismus konstitutiv ist), eine Anti-Nazi-Bewegung beschränkt sich - in der Praxis- auf ein "besseres" Deutschland, in dem "Unerwünschtes" nicht auf der Strasse selektiert wird, sondern an den Außengrenzen Deutschlands.

is das so lange her?

inferno 23.06.2008 - 23:54
Oha, ich merke ich werde langsam alt. War eine heisse Sache damals, überall Durchbruchversuche autonome Bootsangriffe mit revolutionären Schlauchbooten.
Sehr entschlossenes Auftreten aller Leute. War in 2 Kesseln, einmal mit Göttinger, Bonner und Berliner Menschen und einmal mit Freundinnen und Freunden aus Frankfurt ( oder sonstwo aus Hessen ), alle wurden durchbrochen. Wir hätten es fast geschafft. Leider nur fast.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 4 Kommentare

.....

..... 20.06.2008 - 20:34
Netter Text, immer noch schwierige situation, aber nicht hoffnungslos.....

@ Wolf wg Fotos

Alte Frau 21.06.2008 - 15:03
Damals hat von uns keiner ne Kamera auf Aktionen mitgenommen, außer das wurd vorher so besprochen. Wir wollten nicht den Cops die Beweisfotos schießen - na ja, und es hat auch keiner gedacht, dass es mal das Internet geben würde, wo sowas dann veröffentlicht werden könnte. Unsere hellseherischen Fähigkeiten waren leider begrenzt - sonst hätten wir bestimmt vieles anders gemacht. ;-)

oller

männeken 21.06.2008 - 15:17
an 'alte frau': ...ach ja... doch-doch. wenn ich mir so denke, jetzt ein onlinealbum mit den souvenirs von damals für die kleinen jungen von heute...


träum

Aber,aber

Berliner 22.06.2008 - 22:36
Wuppertal und Nürnberg seien ach nicht zu verachten,zwar nicht in Sachen Freiraum aber in linken Strukturen