Demo-Anmelder in Karlsruhe verurteilt

Kampagne 19.Mai 20.06.2008 10:10 Themen: Antifa G8 G8 Heiligendamm Globalisierung Repression
Amtsgericht untergräbt Demonstrationsrecht

Karlsruhe, 19. 6.2008. Heute war der zweite Prozeßtag gegen den Anmelder der Demo unter dem Motto "Jetzt erst recht - Repression und G8 entgegentreten", er endete mit einer Verurteilung zu 60 Tagessätzen zu 15 Euro. Nach der Verurteilung stellt sich die Frage, wie es in Zukunft möglich sein kann, eine Demonstration anzumelden und durchzuführen, ohne mit einer Strafverfolgung rechnen zu müssen.
Schuldlos schuldig

Bis zum Schluß blieb unklar, worin die Schuld des Angeklagten lag. Die Polizei sprach in ihrer eigenen Einschätzung von einer "friedlichen Demo". Die vermeintlichen Auflagenverstöße blieben in jeglicher Hinsicht folgenlos. Das einzige Vergehen ist die angebliche Untätigkeit des Angeklagten. Obwohl mehrere Zeugen sogar einen hohen Einsatz des Angeklagten bestätigten, schloß sich der Richter den Aussagen der Polizeizeugen an, denen das Engagement des Angeklagten gegen Auflagenverstöße nicht ausreichte. Es ist nicht Aufgabe der Polizei, das Engagement des Anmelders zu beurteilen; hier wird der Bock zum Gärtner gemacht.

Die Verurteilung trotz unsicherer Beweislage begründete der Richter mit dem Spruch "wer bestellt muß auch bezahlen".

Fragwürdiges Rechtsverständnis

Mit konkreten Vorwürfen befaßte sich Richter Neuberth weniger. Statt dessen monierte er die heutigen Protestformen. Allein die Tatsache, daß der Angeklagte gegen die teilweise rechtswidrigen Auflagen Widerspruch einlegte, wertete er als Beleg dafür, daß dieser die Auflagen ablehne und somit Verstöße billigend in Kauf nähme. Richter Neuberth leitete die Schuld des Angeklagten daraus ab, daß dieser seine Rechte in Anspruch nahm. Das ebenfalls rechtswidrige Abfilmen der Demonstration von Beginn an erklärte er für rechtens aufgrund der Annahme, daß nicht angekündigt werde, wann Auflagenverstöße stattfinden würden.

Statt einer Urteilsbegründung salbaderte er über die schlechte Demonstrationskultur und gab den ZuhörerInnen einen Einblick in sein politisches Weltbild. Man sei hierzulande doch viel besser gestellt als in anderen Ländern - "da muß man gar nicht nach Moskau oder Peking blicken". Danke Herr Richter!

Grundrecht abgestraft

Nach der Verurteilung gerät das Demonstrationsrecht - zumindest im Einzugsgebiet der Karlsruher Staatsanwaltschaft - aus den Fugen. Mit dem heutigen Entscheid sind Versammlungen in Zukunft vom Wohlwollen der Ordnungsbehörden abhängig. Wie sollte ein Anmelder in einer großen Demonstration für alle einzelnen DemoteilnehmerInnen bürgen können?!

Es war ein politischer Prozeß, in dem die Fakten in den Hintergrund gerieten. Das fragwürdige Prinzip "Einer haftet für Andere" ist damit vorerst richterlich durchgesetzt.

Trotz direkter Nachbarschaft scheinen die Grundsatzurteile des Bundesverfassungsgerichts zum Versammlungsrecht nicht bis in die Amtsstuben des Amtsgerichts vorgedrungen zu sein.
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Ergänzungen

Pressebericht BNN

Zeitungsleser 20.06.2008 - 11:50
Der Anmelder haftet auch für Verstöße bei Demonstrationen

Amtsgericht verurteilt einen Studenten zu einer Geldstrafe

Von unserem Mitarbeiter Marcus Dischinger

Wer wird eigentlich zur Rechenschaft gezogen, wenn Teilnehmer einer Demonstration gegen Auflagen verstoßen, die die Behörden verhängt haben? Die Person, die die Kundgebung angemeldet hat. So zumindest war die Sichtweise des Amtsgerichts Karlsruhe gestern Nachmittag, die einen 27 Jahre alten Studenten zu einer Geldstrafe verurteilte. Bei einer weitgehend friedlichen Demonstration im Mai 2007 gegen die rechtswidrigen Hausdurchsuchungen bei vermeintlich verdächtigen Linksautonomen im Vorfeld des G-8-Gipfels durch die Bundesanwaltschaftwar es laut Gericht zu Verstößen gegen die Auflagen gekommen.

Richter Karl Neuberth sah es nach einer umfangreichen Beweisaufnahme als erwiesen an, dass Teilnehmer im vorderen Bereich der Kundgebung Transparente so gehalten hätten, dass die Personen nicht mehr zu erkennen gewesen seien. Ausserdem seien im Verlaufe der Demonstration etliche Teilnehmer mehrere Male auf eine Polizeikette zugerannt. Auch dies war durch die Auflagen verboten und gilt damit als Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Gegen diese und andere Auflagen hatte der Anmelder Widerspruch eingelegt, der aber vom Verwaltungsgericht Karlsruhe in einem Eilverfahren abgelehnt worden war.Jetzt verhängte der Richter noch 60 Tagessätze zu je 15 Euro und blieb damit deutlich unter den von der Staatsanwaltschaft beantragten 160 Tagessätzen. Der Verteidiger hatte Freispruch gefordert.

Die Beweisaufnahme förderte außerdem ein großes Ausmaß an Fehlverhalten in einer GmbH zutage, die rund zur Hälfte der Stadt Karlsruhe gehört. Eine Zeugin, die in der Dienststelle Bürgerservice und Sicherheit (BuS) arbeitet, hatte die Stadtmarketing Karlsruhe GmbH routinemäßig über den bevorstehenden Demonstrationszug und die Wegstrecke informiert. In ihrem "Newsletter" für die Geschäftsleute ließ das Stadtmarketing hingegen als "Warnung" weiter verbreiten, dass auch gewaltbereite Autonome aus Hamburg zur Demonstration kommen würden. Dass dies nicht der Fall sein würde, hatte der Angeklagte zuvor beim BuS allerdings glaubhaft versichert, sagte die Zeugin aus. Damit nicht genug: Der Newsletter der Marketinggesellschaft war unterzeichnet mit dem Namen der BuS-Mitarbeiterin, von der die Informationen aber nicht stammten. Von wem die Informationen stammten blieb ungeklärt. Damals musste der Erste Bürgermeister eingreifen. Er veranlasste eine Korrektur und eine Entschuldigung der GmbH gegenüber der Dienststelle.

Quelle: Badisch Neueste Nachrichten vom 20. Juni 2008, S. 25

Presse SWR

lost 20.06.2008 - 11:57
Karlsruhe
Demo-Anmelder zu Geldstrafe verurteilt

Das Karlsruher Amtsgericht hat am Nachmittag den Anmelder einer Demonstration zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt. Bei der Veranstaltung in Karlsruhe im Vorfeld des G-8-Gipfels war es im vergangenen Jahr zu Ausschreitungen gekommen. Der Mann sei den mit der Demonstration verbundenen Auflagen nicht ausreichend nachgekommen, so das Gericht. Es blieb aber mit einer Strafe von 60 Tagessätzen deutlich unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 160 Tagessätzen gefordert hatte. Der Demonstrationsanmelder sieht durch die Verurteilung das Versammlungsrecht in Gefahr und will in die Berufung gehen.

Radiobericht SWR4

Badenradio 20.06.2008 - 13:34
Hier ein Link zu einem Bericht in der Sendung Badenradio (SWR4)

 http://mp3.swr.de/swr4/bw/regional/baden/podcast/20080619-1811.6444m.mp3

Systematischer Grundrechtsabbau

Erfahrener Demoanmelder 20.06.2008 - 13:40
Solche Urteile fallen keineswegs zufällig.
Die gehören zu dem systematischen Menschenrechtsabbau der kontinuierlich vonstatten geht.

Während die Polizei zunehmend repressiv gegen unerwünschte Demonstrationen vorgeht, werden parallel dazu vermehrt Ermittlungsverfahren gegen Akive derartiger Demos eingeleitet.

Das Versammlungsrecht- eigentlich ein Recht der Bürger gegen den Staat- wird so zunehmend zum Repressionsmittel des Staates gegen unerwünschtes Bürgerverhalten umdefiniert.

Es ist auch kein Zufall, daß davon vor allem Menschen betrofffen sind, die sich diesem dreisten Menschrechtsbruch - Versammlungs/Demonstrationsrecht ist eines der zentralen Menschenrechte!- selbstbewusst und entschlossen entgegenstellen.

Wir dürfen das auf keinen Fall hinnehmen, sondern müssen das, -wie's ja hier passiert- so benennen und uns GEMEINSAM dagegen wehren.

Betroffen ist in Karlsruhe Einer, gemeint sind wir alle.




Unbedingt Anzeige erstatten !

Rote Hilfe 20.06.2008 - 18:47
Richter Neuberth sollte bezüglich straftatsbestandrelevanter Rechtsbeugung angezeigt werden!

Strafgesetzbuch - 30. Abschnitt:

§ 339
Rechtsbeugung

Ein Richter, ein anderer Amtsträger oder ein Schiedsrichter, welcher sich bei der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei einer Beugung des Rechts schuldig macht, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.

Zudem sollte betreffs des Abfilmens wenigstens Beschwerde eingereicht werden. Auch bei voraussichtlicher mangelnder Wirkung ebendieser, ist sehr zu beachten, dass erst dadurch die verwaltungsinterne Prüfung der Willkür solch fragwürdiger Methoden einzelner Einsatzgruppen in Gang gebracht werden kann. Jedwedes Echauffieren in szene-eigenen Kreisen mag sehr wichtig sein, stört aber keinen Sesselpfurzer und Einsatzleiter...

Viel Erfolg und danke für euren Bericht!

Schöne Soli-Veranstaltungen für den Verurteilten und viel Freude bei allen folgenden Aktionen!

Urteil gegen Demo-Veranstalter gefallen

http://www.ka-news.de 20.06.2008 - 23:21
Nachdem der Prozess vor rund zwei Wochen wegen eines fehlenden Zeugen vertagt worden war, wurde es am heutigen Donnerstag ernst für den Angeklagten. Im Karlsruher Amtsgericht sprach der Richter das Urteil über den 27-jährigen Studenten, der als Veranstalter einer Demonstration gegen rechtswidrige Hausdurchsuchungen bei Linksautonomen im Vorfeld des G-8-Gipfels gegen Auflagen verstoßen haben soll. Die Karlsruher Staatsanwaltschaft forderte eine Verurteilung zu 160 Tagessätzen oder 4.800 Euro Strafe.

Bei der Demonstration im Mai vergangenen Jahres in Karlsruhe war es zu Auseinandersetzungen mit Polizisten gekommen. Für die Übergriffe auf die Beamten wird jetzt aber nur der Veranstalter zur Rechenschaft gezogen, der nicht oder nicht ausreichend eingegriffen haben soll. Es gehe nicht darum das Recht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken, erklärte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer, das Recht werde aber immer wieder vom "Schwarzen Block", also der linksautonomen Karlsruher Szene, missbraucht. Diese machte er für den Vorfall mitverantwortlich.

Der Verteidiger sah die Angelegenheit anders. Er zeigte sich über die Höhe des von der Staatsanwaltschaft geforderten Strafmaßes entsetzt und unterstrich, dass die Demonstration weitgehend friedlich verlaufen sei. Der Angeklagte habe getan, was er konnte, um die Übergriffe zu verhindern. Der Verteidiger fragte sich außerdem, warum der Veranstalter und nicht die eigentlichen Übeltäter zur Verantwortung gezogen werden. Er forderte Freispruch für seinen Mandanten. Zuvor waren die Videoaufzeichnungen der Polizei präsentiert worden. Der Verteidiger hatte gegen die Verwertung solch umfassender Aufnahmen Protest eingelegt, jedoch vergeblich.

Als Zeugin war eine Mitarbeiterin der Dienststelle Bürgerservice und Sicherheit (BuS) geladen. Sie hatte im Vorfeld der Demonstration die Stadtmarketing Karlsruhe GmbH routinemäßig über die Veranstaltung und die Wegstrecke informiert. Das Stadtmarketing bastelte daraus flugs eine "Warnung", die die ansässigen Geschäftsleute vor der Teilnahme gewaltbereiter Autonomer aus Hamburg warnte. Dabei hatte der Veranstalter bei BuS glaubhaft versichert, dass dies nicht der Fall sein würde, so die Zeugin. Der Newsletter war mit ihrer Unterschrift veröffentlicht worden, obwohl die Informationen gar nicht von ihr stammten. Von wem die Informationen stammten, blieb ungeklärt. Erster Bürgermeister Siegfried König griff damals ein, veranlasste eine Korrektur und eine Entschuldigung des Stadtmarketing bei der Dienststelle.

Als der Richter schließlich das Urteil fällte gab es keinen Freispruch aber auch die Forderung der Staatsanwaltschaft erfüllte sich nicht. Das Strafmaß wurde deutlich gesenkt auf 60 Tagessätze zu 15 Euro. Ob der Veranstalter das Urteil anfechten will ist noch unklar.

Presse Rheinpfalz

Rheinpfalz 21.06.2008 - 10:36
Wegen rennender Demonstranten verurteilt
KARLSRUHE: Gericht sieht dies als Verstoß gegen Auflagen - Anmelder der Protestaktion soll 900 Euro Strafe zahlen

Von unserem Mitarbeiter

Lothar Nernn

Birgt es in Zukunft ein unkalkulierbares finanzielles Risiko, eine Demonstration anzumelden, also von den Rechten des Deutschen Grundgesetzes Gebrauch zu machen? Tom S. aus Karlsruhe hat jedenfalls diese Erfahrung gemacht. Das Amtsgericht Karlsruhe verurteilte ihn am Donnerstag nach zwei Verhandlungstagen zu 60 Tagessätzen zu je 15 Euro, die Staatsanwaltschaft hatte 160 Tagessätze gefordert.

Was war geschehen? Tom S. hatte für den 19. Mai eine Demonstration gegen „Repressionen für G8 Gegner" angemeldet. Die angeordneten Hausdurchsuchungen bei den Gegnern des G8 Gipfels wurden später sogar von Gericht als nicht rechtmäßig verurteilt. Die Demonstration am 19. Mai durch die Karlsruher Südweststadt wurde unter Auflagen genehmigt. Gegen zwei Auflagen - „Rennen während der Demonstration" und „1,5 Meter Abstand halten zwischen den Transparenten" - wurde nun von einigen Demonstranten verstoßen. Dies wurde dokumentiert und ist unzweifelhaft. Fraglich sei allerdings, wieweit der Anmelder der Demonstration darauf Einfluss nehmen kann, solche Sachen zu verhindern. Fraglich auch, wie die Staatsanwaltschaft auf ihre Forderung von 160 Tagessätzen kommt, so ein Sprecher der „Kampagne 19. Mai", die sich zur Unterstützung des Angeklagten gründete. Schließlich sei die Demonstration mit 400 bis 600 Teilnehmern - so berichteten Zeugen der Polizei vor Gericht - „sehr friedlich" verlaufen. Die gesetzlich höchstmögliche Strafe wären 180 Tagessätze.

Auf jeden Fall will die Verteidigung, die Freispruch forderte, in Berufung gehen. Mit Spannung wartet sie dabei die schriftliche Begründung des Richters ab. Denn der ließ in seiner mündlichen Urteilsbegründung unerwähnt, warum er denn zum einen soweit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft geblieben ist und warum er denn zum anderen den Angeklagten überhaupt verurteilt hat. Dagegen sprach er über die schlechte deutsche Demonstrationskultur. Außerdem sei man hierzulande doch viel besser gestellt als in anderen Ländern - „da muss man gar nicht nach Moskau oder Peking blicken". Vor einigen Jahren beim G8 Gipfel in Italien sei die Polizei ja auch ganz anders mit dem Demonstranten umgesprungen.

Eine mysteriöse Geschichte konnte zudem auch in der Verhandlung nicht geklärt werden. Die Demonstration wurde den Geschäftsleuten der Südweststadt in einem Schreiben - unterschrieben von einer Mitarbeiterin des Amtes für Bürgerservice und Sicherheit - als sehr gefährlich angekündigt, weil gewaltbereite Demonstranten aus Hamburg erwartet würden. Die Mitarbeiterin, die als Zeugin gehört wurde, hatte allerdings nur wie vor jeder Demonstration das Stadtmarketing auf den Termin und den Demonstrationsweg hingewiesen. Wie ihre Unterschrift nun auf dieses Schreiben gekommen ist, konnte sie sich nicht erklären.

Birgt es in Zukunft ein unkalkulierbares finanzielles Risiko, eine Demonstration anzumelden, also von den Rechten des Deutschen Grundgesetzes Gebrauch zu machen? Tom S. aus Karlsruhe hat jedenfalls diese Erfahrung gemacht. Das Amtsgericht Karlsruhe verurteilte ihn am Donnerstag nach zwei Verhandlungstagen zu 60 Tagessätzen zu je 15 Euro, die Staatsanwaltschaft hatte 160 Tagessätze gefordert.

Was war geschehen? Tom S. hatte für den 19. Mai eine Demonstration gegen „Repressionen für G8 Gegner" angemeldet. Die angeordneten Hausdurchsuchungen bei den Gegnern des G8 Gipfels wurden später sogar von Gericht als nicht rechtmäßig verurteilt. Die Demonstration am 19. Mai durch die Karlsruher Südweststadt wurde unter Auflagen genehmigt. Gegen zwei Auflagen - „Rennen während der Demonstration" und „1,5 Meter Abstand halten zwischen den Transparenten" - wurde nun von einigen Demonstranten verstoßen. Dies wurde dokumentiert und ist unzweifelhaft. Fraglich sei allerdings, wieweit der Anmelder der Demonstration darauf Einfluss nehmen kann, solche Sachen zu verhindern. Fraglich auch, wie die Staatsanwaltschaft auf ihre Forderung von 160 Tagessätzen kommt, so ein Sprecher der „Kampagne 19. Mai", die sich zur Unterstützung des Angeklagten gründete. Schließlich sei die Demonstration mit 400 bis 600 Teilnehmern - so berichteten Zeugen der Polizei vor Gericht - „sehr friedlich" verlaufen. Die gesetzlich höchstmögliche Strafe wären 180 Tagessätze.

Auf jeden Fall will die Verteidigung, die Freispruch forderte, in Berufung gehen. Mit Spannung wartet sie dabei die schriftliche Begründung des Richters ab. Denn der ließ in seiner mündlichen Urteilsbegründung unerwähnt, warum er denn zum einen soweit unter der Forderung der Staatsanwaltschaft geblieben ist und warum er denn zum anderen den Angeklagten überhaupt verurteilt hat. Dagegen sprach er über die schlechte deutsche Demonstrationskultur. Außerdem sei man hierzulande doch viel besser gestellt als in anderen Ländern - „da muss man gar nicht nach Moskau oder Peking blicken". Vor einigen Jahren beim G8 Gipfel in Italien sei die Polizei ja auch ganz anders mit dem Demonstranten umgesprungen.

Eine mysteriöse Geschichte konnte zudem auch in der Verhandlung nicht geklärt werden. Die Demonstration wurde den Geschäftsleuten der Südweststadt in einem Schreiben - unterschrieben von einer Mitarbeiterin des Amtes für Bürgerservice und Sicherheit - als sehr gefährlich angekündigt, weil gewaltbereite Demonstranten aus Hamburg erwartet würden. Die Mitarbeiterin, die als Zeugin gehört wurde, hatte allerdings nur wie vor jeder Demonstration das Stadtmarketing auf den Termin und den Demonstrationsweg hingewiesen. Wie ihre Unterschrift nun auf dieses Schreiben gekommen ist, konnte sie sich nicht erklären.

Quelle: Rheinpfalz vom 21. Juni 2008

Pressemitteilung der Roten Hilfe

support RH 21.06.2008 - 14:48

Amtsgericht Karlsruhe hebelt Demonstrationsrecht aus - Wahrnehmung eines Grundrechts pauschal unter Strafe gestellt!
Göttingen,19.06.2008

Der Anmelder einer Demonstration gegen staatliche Repression, die am 19.Mai 2007 in Karlsruhe stattgefunden hatte, ist am gestrigen Freitag vom Amtsgericht Karlsruhe zu 60 Tagessätzen verurteilt worden. Als Reaktion auf die Razzien und Verhaftungen gegen G8-GegnerInnen im Mai 2007 hatten unter dem Motto „Jetzt erst recht - Repression und G8 entgegentreten“ rund 700 Menschen in Karlsruhe gegen die Kriminalisierung des G8-Widerstandes demonstriert. Nach diesem nachträglich auch von der Einsatzleitung der Polizei als „friedlich“ bezeichneten Aufzug wurde dem Anmelder der Demonstration per Strafbefehl vorgeworfen, nicht energisch genug verhindert zu haben, dass TeilnehmerInnen gegen diverse Auflagen verstoßen hätten. Der Student sollte mit einer Vorstrafe von 160 Tagessätzen à 30 € (!) belegt werden, weil er beispielsweise nicht vehement genug unterbunden habe, dass Transparente zusammengehalten werden, TeilnehmerInnen nach dem Herunterzählen von "Countdowns“ einige Meter der Strecke schneller laufen oder DemonstrantInnen ihr Missfallen gegenüber der Polizei verbal zum Ausdruck bringen.

Nun haben im Juni 2008 vor dem Amtsgericht in Karlsruhe zwei Verhandlungstage stattgefunden, die gestern mit seiner Verurteilung zu 60 Tagessätzen à 15 € endeten. Nach diesem skandalösen Urteil stellt sich prinzipiell die Frage, wie es in Zukunft möglich sein soll, eine Demonstration anzumelden und durchzuführen, ohne mit einer Strafverfolgung rechnen zu müssen.

Der zuständige Richter Neuberth nutzte die Zeit zur Urteilsbegründung ausschließlich für seine eigene Vergangenheitsbewältigung. Als so genannter Alt-68er, der mit seinem ehemaligen politischen Werdegang nicht mehr zu Recht kommt, hielt er eine politische Kampfrede, in deren Verlauf unter anderem mit dem „schwarzen Block“, „komplett bewaffneten Kampfverbänden an der Spitze linker Demonstrationen“, der „gut organisierten autonomen Szene in Karlsruhe“ und „heutigen Protestformen“ aufgeräumt wurde. Außerdem könne man ja, wenn es einem denn nicht passe, nach Moskau oder Peking gehen.

Konkrete Vorwürfe gegen den Angeklagten wurden in der ideologisch ausgerichteten Rede des Richters nicht thematisiert. Allein die Tatsache, dass der Angeklagte gegen die als rechtswidrig einzustufenden Auflagen Widerspruch einlegte, wertete er als Beleg dafür, dass dieser Verstöße billigend in Kauf nehme. Die Schuld des Angeklagten wurde also daraus abgeleitet, dass er seine Rechte in Anspruch nahm. Das ebenfalls rechtswidrige Abfilmen der Demonstration von Beginn an erklärte der Richter hingegen für rechtens aufgrund der Annahme, dass nicht angekündigt wurde, wann Auflagenverstöße stattfinden würden. Mit der Verurteilung gerät das Demonstrationsrecht aus den Fugen: Versammlungen sind in Zukunft vom Wohlwollen der Ordnungsbehörden abhängig. Wie sollte ein Anmelder oder eine Anmelderin in einer großen Demonstration für alle einzelnen DemoteilnehmerInnen bürgen können?! Das fragwürdige Prinzip „Einer haftet für Andere“ ist soll exemplarisch richterlich durchgesetzt werden.

Das aktuelle Karlsruher Urteil ist ein Skandal, der die Grundlagen der Demonstrationsfreiheit angreift und DemonstrantInnen und (potenzielle) AnmelderInnen gleichermaßen einschüchtern soll. Auf diese Weise könnte eine der wichtigsten politischen Aktionsformen der Linken noch weiter zu einer Farce deformiert werden. Absurde Auflagenkataloge dienen mittlerweile nicht mehr nur dazu, der Polizei jederzeit Vorwände für ein gewalttätiges Eingreifen zu liefern, sondern auch dazu, die AnmelderInnen von Demonstrationen nachträglich zu kriminalisieren.

Die Rote Hilfe ruft dazu auf, sich in Wort und Tat gegen solche grotesken Beschneidungen des Demonstrationsrechts zur Wehr zu setzen. Anlass dazu bietet nicht nur das aktuelle Urteil, von dem wir hoffen, das in einer höheren Instanz an rechtsstaatlichen Maßstäben gemessen werden wird, sonder auch die geplante massive Einschränkung des Versammlungsrechts, wie sie in Bayerrn im kommenden Monat durchgesetzt werden soll.

Die Rote Hilfe wird alles in ihrer Macht stehende dafür tun, das Grundrecht auf Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit gegen die bundesdeutschen Strategen der „Inneren Sicherheit“ zu verteidigen.

Mathias Krause für den Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V.

Weitere Informationen unter www.kampagne19mai.de

Quelle:  http://rote-hilfe.de/news/amtsgericht_karlsruhe_hebelt_demonstrationsrecht_aus

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