Öffentliche Jobmesse abgenervt

Tom 07.06.2008 20:55 Themen: Soziale Kämpfe
In Hamburg fand vom 04.06 - 06.06.2008 eine öffentliche Jobmesse statt, zu der
Erwerbslose unter Sanktionsandrohung eingeladen und deren Persönlichkeitsrechte
vorsätzlich verletzt wurden.
Am 04.06. um 09:30 wurde die Messe nach dem Motto, wie bemüht man sei, Erwerbs-
lose in Arbeit zu bringen, eröffnet.
Zu dieser Messe luden mehrere Zweigstellen der team.arbeit.hamburg (Arbeitsämter
in Hamburg) unter Anwenundung der Allgemeinen Meldepflicht nach § 309 SGB 3
Erwerbslose zum Besuch ein. Dadurch wurden ALG-II-BezieherInnen unter
Sanktionsgefahr von der ARGE zu dem Besuch verpflichtet.
Wider dem Grundgesetz kam es für Betroffene zum Zwangsouting als Erwerbslose
im Einkaufszentrum.

Von Verwaltungsfehlern der Veranstalter kann nicht die Rede sein.
Im letzten Jahr haben die selben Veranstalter auch schon in diesem Hause eine
öffentliche Jobmesse betrieben und mit Hartz 4 - GegnerInnen Ärger bekommen.
Dabei wurde eine Propagandashow für das TV abgeblasen und die Veranstalter auf
Ihre Rechtsverstöße ausdrücklich gerügt. Zudem wurde den Veranstaltern mit
rechtlichen Schritten gedroht, falls es noch mal in der Form passiert.

Mit Ignoranz wurde dieses Mal noch raffinierter Rechtsverstöße begangen.
Nach dem Motto Frechheit siegt mussten die vorgeladenen Erwerbslosen sich zuerst
am ARGE-Stand registrieren lassen. Deren Einladung wurde eingezogen, in einer
Roten Mappe als erschienen registriert und die Austellung eines Besuchsnach-
weises oder signierte Rückgabe der Einladung energisch verweigert.

Kurz vor 10:00 Uhr traten wir mit 4 Aktiven am ARGE-Stand auf und unterstützten
Erwerbslose zu ihren Rechten. Dies führten wir strikt nach dem § 13.Abs.4 SGB 10
durch, da die ARGE dort einer Amtshandlung nachging.
Unser Beisein zwang die ARGE-MitarbeiterInnen dazu, die Einladung zu signieren,
diese dem Erwerbslosen zurück zu geben.

Dies war der erste Schachzug zu gunsten der Erwerbslosen, damit sie den Besuch
nachträglich nachweisen können, die Fahrkostenbeihilfe dazu beantragen können
und ggf. rechtliche Schritte gegen die Veranstaltung ein zu leiten.
Damit haben sie ein Beweis für den Verstoß gegen ihre Persönlichkeitsrechte und
Vorbeugung gegen Sanktion, falls etwas bei der ARGE diesbezüglich verloren geht.

Auf der Messe waren ca. 16 Zeitarbeitsfirmen an der Arbeit, Erwerbslose in
Arbeitsverhältnisse zu bringen, die zum Leben meistens nicht reichen.
Süßigkeiten, Kugelschreiber und Hochglanzprospekte schmückten die Stände.
In aller Öffentlichkeit wurde den Erwerbslosen das Ausfüllen von Frage- und
Bewerberbögen zugemutet. Hierbei konnte jeder Dritte persönliche Daten von
Erwerbslosen erspähen.

Wir Anti Hartz 4 Aktiven hefteten uns ein deutliches Kenzeichen an die Brust.
Auf dem stand "Beistand für Erwerbslose nach § 13 Abs. 4 SGB X".
Dieser § legitimiert uns dazu, Erwerbslosen Begleitung anzubieten und sie dabei
zu unterstützen, nicht in böse Fallen solcher Messen zu tappen.
Die ARGE ist daran interessiert, bei Nichterscheinen das Arbeitslosengeld zu
kürzen und die Zeitarbeitsfirmen sind auf möglichst günstige Arbeitskräfte aus.
Gibt ein Betroffener seine persönlichen Daten an den Ständen preis, ist die
Gefahr hoch, einen Job ans Bein gehängt zu bekommen, von dem Mensch nicht leben
kann. Es traten auch wieder die gleichen Zeitarbeitsfirmen auf, die oft einen
schlechten Ruf bei Arbeitsuchenden haben.

Um ca. 10:30 lernten wir das erste Mal den Sicherheitsdienst des Hauses kennen.
Mit dem Vorwurf der Veranstalter, wir würden den Betrieb stören, erklärten wir,
warum und wofür wir anwesend sind. Mit dem Verständnis eines Sicherheitsfachmanns,
das wir uns für die Einhaltung der Rechte der Erwerbslosen einsetzen,
deeskallierte der Disput und wir konnten unserer Aktiwität weiter nachgehen.
Lange Gesichter am ARGE-Stand gaben den Erwerbslosen die signierte Einladung
zurück, schrieben sich an der roten Akte die Finger wund und versuchten energisch
unseren Erwerbslosen-Beratundsservice in Streitgespräche zu ziehen. Weiter
belaberten sie Erwerbslose, das sie keine Bestätigung bräuchten und Einladungen
einzogen.
Wir sprachen darauf Erwerbslose an, das eine Bestätigung besser sei. Betroffene
nahmen unsere Unterstützung gern an und in bösen Blicken der ARGE-Mitarbeiter-
Innen, bekamen Erwerbslose Tipps und Tricks, sich auf Jobmessen richtig zu
verhalten.

Unseren Vorstellungen entsprechend, reduzierten sich schnell die Süßigkeiten und
Kugelschreiber an den Zeitarbeitsständen. Die Bauernfängerei in Hungerlohnver-
hältnisse nahm auch rapide ab.

Kurzer Hand später, hatten wir wieder den Sicherheitsdienst an den Hakken mit
dem Vorwurf, wir würden die Besucher von der Messe abhalten. Drauf wurde uns
im Einkaufszentrum das Ansprechen von Besucher verboten.
Nach diesem gegnerischen Schachzug positionierten wir uns so, das Erwerbslose
auf uns aufmerksam wurden und es kam doch noch zu Gesprächen.
Völlig sauer, versuchten die ARGE-MitarbeiterInnen uns weiter in Eskallationen zu
reißen, um einen begründeteten Vorwand unserer Entledigung vor Ort zu bekommen.
Wir wirkten dem deeskallierend entgegen und konnten weiter agieren.

Um ca. 15:00 Uhr hatten wir wieder den Sicherheitsdienst am Hintern.
Nun die Anschuldigung, wir würden weiter Erwerbslose ansprechen. Nachdem diese
Lüge nicht geklärt werden konnte, kam der Hausinspektor.
Der ist Leiter der Sicherheit im Hause, hörte sich die Unterstellungen der ARGE
an und untersagte uns die weitere Tätigkeit. Im diesen Disput ignorierte er
unsere Argumennte und selbst die Aufklärung darüber, das die ARGE dort gegen die
Persönlichkeitsrechte der Erwerbslosen vorgeht, hielt den Hausinspektor nicht
davon ab, uns mit Hausverbot zu drohen, falls noch weitere Beschwerden kommen.

Anschließend streiften wir weiter unter bösen Blicken der Veranstalter an den
Stand der ARGE und Zeitarbeitsständen herum.
Inzwischen haben wir über die Hälfte der Erwerbslosen erreichen können und die
Messe sah sich bereits dem Vermittlungsgeschäft an Leiharbeit geschädigt.

Nach einer weiteren Unterstellung, das ein Aktiver eine ARGE-Mitarbeiterin
bedroht hätte, zogen wir es vor, das Haus zu verlassen, da kaum noch vor-
geladene Erwerbslose sich am ARGE-Stand registrieren lassen mussten und wir
kein Bock auf Hausverbot hatten.

Somit ging der erste Aktionstag erfolgreich zu Ende und tauchten am nächsten
Tag mit Superheldenkostümen wieder auf.
Kaum im Hause, erblickten uns erschrockene Augen von ARGE-MitarbeiterInnen
und dieser Tag gehörte der Vermittlung in Quallifikationsmaßnahmen.

Nach Beschau der Stände in Superheldenschleppe und einschlägiger Anti Hartz
4 - Tasche entpuppte sich zu 90 % der Angebote als unsinnige Ein - Euro - Job
ähnlichen Kursen, Bewerbungsterror- und Coachingmaßnahmen.
Hierbei wurde erkennbar, das es mehr darum geht, die Erwerbslosenindustrie zu
bereichern, den Erwerbslosen Selbstschuldgefühle zu suggerieren und die
Arbeitslosenstatistik zu schönen, statt Erwerbslose in eine bessere berufliche
Zukunft zu fördern. Zertifizierungen aus diesen Maßnahmen finden eher in der
Analhygiene Anerkennung als bei potentiellen Arbeitgebern.

Mit unserer bunt aufälligen Anwesenheit haben wir trotz Redeverbot im Hause
weitere Erwerbslose erreichen können. Nun musste jedoch auch für den Erwerbs-
losen klar gemacht werden, das er uns angesprochen hat, statt wir ihn.
Das Katz und Mausspiel ging in weitere Runden voller Unterstellungen, Diskus-
sionen mit dem Sicherheitsdienst und Unterstützung vorgeladener Erwerbslose.
Unter anderem fiel um 13 Uhr einer ARGE-Mitarbeiterin auf, das ich um 11 Uhr
ein Foto einer Modegruppe mit deren Erlaubniss machte. Darauf bekam ich
striktes Fotgrafierverbot.
Das Katz und Mausspiel wurde immer extremer, wir waren nun zu sechst agierten
mit zunehmenden Erfolg.

Völlig abgenervte ARGE-Mitarbeiter und Vertreter der Erwerbslosenindustrie
konstruierten wieder ein Beschwerdegrund, um uns Ärger mit dem Sicherheitsdienst
zu bereiten. Nun wollten wir wissen, was los ist und verlangten eine Gegenüber
stellung. Am einen Stand saß ein depremierter Vertreter und behauptete, daß wir
zwei Erwerbslose angesprochen hätten und er dadurch keine Geschäfte mehr
abschließen könne.
Nach einer Minute stellte sich heraus, das dieser Vertreter gelogen hatte und
stöhnte mit Tränenglasigen Augen, das wir Geschäftsschädigung betreiben würden.
Wegen Mundvervot usw. wechselten wir zwischen Messe und der Brücke vor dem
Einkaufszentrum hin und her. Draußen Erwerbslosenberatung und drinnen Beistand
nach § 13 Abs.4 SGB X unter strickter Einhaltung der Hausordnung.

Zur Abwechslung des Sport pausierten wir an einer Propagandashow zu dem Thema
Bewerbungsgespräche. Hinter uns unauffällige schwere Bewachung von ARGE-Mitarbeiter
und Vertreter der Messe, schlürften wir säuerliche Erfrischungsgetränke.
Das Wasser im Munde der Propagandisten war teilweise in der Lautsprecheranlage
zu hören. Die Registration von Vorladungen am ARGE-Stand flauten ab, die Ängste
der Veranstalter standen ihnen ins Gesicht geschrieben und wir beendeten den Tag.

Am dritten Tag standen Maßnahmen für Erwerbslose über dem 50zigsten Lebensjahr
auf dem Programm. nach dem Motto "noch lang kein altes Eisen" waren sogenannte
midnmang-Maßnahmen im Angebot. Diese dienen eher der Senkung der Arbeitslosen-
statistik, da diese Maßnahmen zu weit von der Intregration in Arbeit entfernt
sind. Bei erfahrenen Erwerbslosen werden diese midnmang - Maßnahmen gern als
Erwerbslosen-Verwahranstallten bezeichnet.

Von 9:30 bis 16:00 Uhr, konnten wegen Mistreitermangel nur sechs Erwerbslose
unterstützt werden und die Bedienungen waren schwerer, weil die Messe so
umgebaut wurde, daß der ARGE-Stand nun unter ständiger Beobachtung eines
schwergewichtigen Sicherheitstypen stand. Ihm stannd Boxer und wenig IQ im
Gesicht geschrieben.
Dies hielt jedoch nicht davon ab, weiter für die Rechte von Erwerbslosen zu
kämpfen. Eine ARGE - Mitarbeiterin grinste mich nach dem Motto "ätsch bätsch"
an und ich sprach ihr im Vorbeigehen ins Ohr "Hääh, das Finale kommt noch !"
Nach reichlich Mobillisierungstelefonaten, Aufnahme der Namen von ARGE -
Mitarbeitern wurden wir nun zu dritt.
Nach Gesprächen mit Vertretern der Messe stellte sich heraus, wer für was
verantwortlich ist und wir nahmen in zivil Platz zum letzten Bühnenprogramm.

Dort sprach ein Vertreter des Bundesverband Mittelständiger Wirtschaft zum
Thema Vernetzung für Selbständige. Nachdem das Mikro für Fragen der Gäste offen
stand und die ARGE-Mitarbeiter sich auf der Siegerseite fühlte, fragte eine
Mitstreiterin, ob das der richtige Ort für solche Vorträge sei.
Der Verträter meinte dazu, das er das nicht so gut findet und würde dies auch
lieber in privater Atmosphäre machen.
Dannach bekam ein weiterer Mitstreiter das Mikro zu Mund, hielt sich daran fest
und es schallte die nackte Wahrheit über die Hintergründe der Jobmesse im Raum.
Der Vertreter war geschockt und antwortete, das er das nicht wusste beendete
seinen Beitrag. ARGE-Mitarbeiter eilten herbei, jedoch zu spät. :-)))
Erwerbslose stürmten den ARGE-Stand, um ihre Einladung signiert zurück zu ver-
langen und die verantwortliche Veranstalterin, geriet in arger Erklärungsnot.

Ich hoffe, das im nächten Jahr nicht die selbe Schikane an Erwerbslose verübt
wird und würde mich sehr darüber freuen, wenn sich Erwerbslose bei uns melden,
die ihre Einladung zurück bekommen haben.
Dadurch wird es möglich, solche Messen in Hamburg entgültig den Garaus zu machen.
Da die verandwortliche Veranstalterin auch eine Widerholungstäterin ist, die mit
Vorsatz gehandelt hat appelliere ich an alle Erwerbslosen, die noch im Besitz der
dementsprechenden Einladung in Verbindung mit dem § 309 SGB III sind, sich beim
arge.basta.team zu melden. Unterstützung diesbezüglich werden vertraulich behandelt
und dadurch ist eine Enthebung der Verantwortliche aus dem Amt wegen vorsätzlichen
Amtsmissbrauch möglich.

Dank an MitstreiterInnen aus folgenen Iniativen :

AG Arbeit und Armut der Linkspartei Hamburg
chefduzen.de Das Forum der Ausgebeuteten
Erwerbslosenrat von verdi
Erwerbslosen - Selbsthilfe im Lerchenhofkolleg

Ihr arge.basta.team
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Ergänzungen

Extra3-Die Durchschnittsfamilie: Mindestlohn

Extra 3 10.06.2008 - 21:19

Teilerfolg der Erwerbslosengruppen in Berlin

http://www.berlinerumschau.com 11.06.2008 - 00:11
Berlin-Brandenburg

Aktivisten der Erwerbslosenszene haben am 02.06.08 erfolgreich versucht, einen großen Beratungstisch vor der Arbeitsagentur Mitte (Kochstraße 30) aufzubauen, um den wartenden „Kunden“ der Agentur ihre beratenden und begleitenden Dienstleistungen anzubieten.

Die Aktion ähnelt anderen Aktionen in Köln, Göttingen und Nürnberg, bei denen Erwerbslosen ein öffentlicher Raum für unabhängige Beratung und Begleitung zu den Sachbearbeitern angeboten worden ist. Die Agentur gehört nicht der Behörde, sie ist oft nur bizarrer Duldungs- und Zurichtungsort für Erwerbslose. Durch das zusätzliche unabhängige Beratungsangebot soll dazu beigetragen werden, dass die Erwerbslosen besser als bisher mit der allzu oft entwürdigenden Situation umzugehen lernen.

„Gerade weil fast die Hälfte aller ALG 2-Bescheide fehlerhaft ist und die Beratungsqualität der Jobcenter einen miserablen Ruf genießt, ist die Rückgewinnung der Arbeitsagenturen zum Lernen des aufrechten Gangs zwingend notwendig.“ erklärt Professor Peter Grottian vom Berliner Sozialforum.

Im Zuge einer ähnlichen Aktion im April waren die Aktivisten vom Bezirksleiter des Jobcenters ausdrücklich eingeladen worden. Damals gab sich der Bezirksleiter gesprächsbereit und verzichtete auf polizeiliche Maßnahmen. Heute ließ er zumindest zu, dass ein Beratungstisch vor der Arbeitsagentur aufgebaut wurde und einzelne unabhängige Beraterinnen und Berater sich in die Warteschlange der Erwerbslosen einreihten, um einzelne Betroffene zu ihrem jeweiligen Sachbearbeiter zu begleiten.

Die Aktivisten kündigten für den 16 Juni zur Anhörung der Arbeitslosengeld-Regelsätze im Bundestagsausschuss für Arbeit neue bundesweite Proteste an.

Die Anhörung im Bundestag ist als blanke Farce inszeniert: Es ist eine Sachverständigen-Anhörung der Oppositionsfraktionen und zeigt eine Null-Bock-Bereitschaft der Großen Koalition irgendetwas an den Regelsätzen ändern zu wollen. Farbbeutel für die Hartz4-Verantwortlichen sind als Protestmittel in Vorbereitung.

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Coole Aktion — Sven Kapade

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