Antifa-Kaffeefahrt durch Ostsachsen

Text: Mensch aus Ostsachsen Bilder: Akubiz.de 06.06.2008 22:49 Themen: Antifa
Etwa 60 AntifaschistInnen waren am 31.05.08 im Rahmen einer Kaffeefahrt in Ostsachsen unterwegs. Sie besuchten mit kreativen Aktionen und Spontandemonstrationen das Büro und die Pizzeria des NPD-Kreisvorsitzenden in Kamenz, das Wohnhaus des rechten Ex-CDU-Politikers Henry Nitzsche in Oßling, sowie abschließend das von alternativen Jugendlichen aus der Region als rechte Problemzone eingeschätzte Hoyerswerda.
Sommer, Sonne, Antifa


Der weiße Reisebus, der am 31. Mai durch Ostsachsen tourte, bot nicht das für solche Fahrzeuge gewohnte Bild einer SeniorInnen-Reise mit Milchkaffee und Streuselkuchen. Für letzteres war zwar dennoch gesorgt, an jenem Samstag war aber keine Reisegruppe älterer Menschen, sondern die Antifa auf Kaffeefahrt in Ostsachsen unterwegs. Auch wenn das für Antifa-Aktionen obligatorische Schwarz die Kleiderauswahl der Reisenden dominierte, war doch auch deutlich zu sehen, dass die Gruppe am wohl ersten Sommertag 2008 mit deutlich mehr als 30 Grad Celsius unterwegs war.

Die Aktion initiiert von der Antifa Lausitz, der Antifa Aktion Bautzen und der AntifaAG Hoyerswerda war die erste ihrer Art in Ostsachsen, mit Blick auf ganz Sachsen lag die letzte Antifa-Kaffeefahrt bereits einige Jahre zurück.

Anlass der Kaffeefahrt war die eine Woche später stattfindende Kommunalwahl, bei welcher sowohl die NPD, als auch die rechte Wählervereinigung „Arbeit, Familie, Vaterland“ von Ex-CDU-Mitglied Henry Nitzsche aus Oßling KandidatInnen aufstellt. Ziele, die für die Antifa-Reisegruppe attraktiv erschienen, boten sich in Ostsachsen einige. So gibt es in Görlitz ein NPD-Büro, in Wilthen befindet sich der Naziladen „Nordland“ von Markus Rose aus dem Umfeld der Bautzener Kameradschaft „Sturm 24“, der auch als Frontsänger der Bautzener Nazi-Band „Asatru“ aktiv ist. Nordwestlich davon finden sich in Kamenz ausgedehnte NPD-Strukturen, im benachbarten Dorf Oßling wohnt der rechte Ex-CDU-Politiker Henry Nitzsche. Im nur wenige Kilometer entfernten Hoyerswerda sind Strukturen der NPD zwar weniger ausgeprägt, dafür fühlen sich alternative junge Menschen dort umso mehr von unorganisierten Nazis oder rechten und rechtsoffenen Jugendgruppen bedroht.

Letztendlich konnten im Rahmen der Kaffeefahrt Aktionen in Kamenz, Oßling und Hoyerswerda realisiert werden – leider von Anfang an nur unter Polizeibegleitung.


Das NPD-Büro und „Tomsens Pizzeria“ in Kamenz


Kamenz war das erste Ziel auf der Reiseroute der Antifas – und das nicht ohne Grund. Denn dort befindet sich zum einen ein Bürgerbüro des NPD-Landtagsabgeordneten Holger Apfel, sowie des Kreisvorsitzenden der NPD Spree-Elster Mario Ertel, welcher sich zur Kommunalwahl am 08. Juni 2008 als Landratskandidat aufstellen lässt. Das Gebäude ist darüber hinaus ausgestattet mit einem größeren Aufenthaltsraum, sowie dem „Nationalen Sport und Freizeitklub“ „Klub 22“ im Kellerbereich des Hauses. Von Seiten der Antifa wurde das Büro zunächst mit Plakaten und Stickern verziert, welche von putzwütigen NPD-Kameraden jedoch im Laufe des Nachmittages wieder entfernt wurden.

Nach einigen Unstimmigkeiten mit der Polizei zog die Antifa-Gruppe anschließend zu „Tomsen‘s Pizzeria“ des NPD-Kreisvorsitzenden Mario Ertel nahe des Messegeländes der Lessingstadt. Mit dabei waren, wie bei allen Station der Kaffeefahrt, ein Lautsprecherwagen, sowie je nach Zielort extra aufbereitete Infoflyer, die in Briefkästen und an ZuschauerInnen verteilt wurden. Dass die angereisten Antifas keinen Bock hatten auf Nazi-Pizza aus Ertels Pizzeria, zeigte die Reisegruppe ganz praktisch und veranstaltete ein Kochduell zwischen zwei Teams, die mit den mitgebrachten Zutaten Pizza nach ihrem Geschmack belegten. Die Ergebnisse sahen zwar weniger nach Steinofenpizza aus, die Botschaften waren jedoch klar: ein mit Paprika gelegtes „No Nazis“ zierte die eine, ein „Nazis raus“-Symbol die andere Pizza. Mario Ertel, der die ganze Szene beobachtete, sah eher wenig erfreut darüber aus, dass Antifa und Polizei den Zugang zum Hof seiner Pizzeria blockierten und niemand zur Mittagsstunde sein Restaurant besuchen konnte.


Mit Henry durch die Zone – in Oßling


Nächstes Ziel war Oßling – das Dorf des CDU-Aussteigers Henry Nitzsche, der in der Vergangenheit vor allem durch platte, nationalistische und ausländerfeindliche Parolen von sich Reden machte. Dieser ließ sich nur kurz mit einem Gesichtsausdruck zwischen Angst und Wut blicken und verschwand schließlich in seinem Wohnhaus. Vor diesem postierte sich wenig später die Antifa und brachte Leben in die Siedlung, wie es das verschlafene Dorf sicher lange nicht erlebt hat. Es entstand jedoch schnell der Eindruck, dass Nitzsche großen Rückhalt in Oßling genießt, näherten sich VerteilerInnen von Infoflyern den ZuschauerInnen an den Gartenzäunen, wehrten diese meist panisch ab oder flüchteten gleich in ihre Häuser. Davon ließ sich die Reisegruppe ihre Stimmung nicht verderben und spielte das für die Kaffeefahrt vorbereitete Würfelspiel „Mit Henry durch die Zone“. Dabei mussten zwei Teams gegeneinander im Stile von „Mensch ärgere dich nicht“ verschiedene Stationen der politischen Laufbahn des Ex-CDU-Mitgliedes ablaufen, an den Orten Dresden, Lieske, Berlin und Oßling wurden jeweils kurze Redebeiträge zu Äußerungen Nitzsches verlesen.


Rechte Gewalt und Angstzonen in Hoyerswerda


Abschließend ging es nach Hoyerswerda. Zum Auftakt einer Spontandemo durch die Hoyerswerdaer-Neustadt wurde im Stadtzentrum ein Redebeitrag zur Lebenssituation alternativer Jugendlicher in der von Abwanderung und einer zunehmend alternden Bevölkerung geprägten Stadt verlesen. Darin wurden rechte Strukturen in Hoyerswerda thematisiert, sowie die von jungen Menschen vor Ort als permanente Bedrohung wahrgenommene Dominanz rechter oder rechtsoffener Jugendgruppen auf Plätzen des öffentlichen Raumes, wie jenem „Lausitzer Platz“, auf dem die Kundgebung stattfand. Die anschließende Spontandemo führte auch vorbei an einem heute als „Stadtmauer“ bekannten Plattenbauhochhaus. In diesem wurden 1991 die Wohnungen von GastarbeiterInnen von einem Mob von mehreren hundert Deutschen angriffen. Die Gewalt gegen Nicht-Deutsche weitete sich auch auf ein Wohnheim von AsylbewerberInnen in Hoyerswerda aus und war der Auftakt für eine ganze Reihe pogromartiger rassistischer Übergriffe wie z.B. in Rostock 1992.


Die Polizei – leider von Anfang an mit dabei


Die Antifa-Kaffeefahrt durch Ostsachsen hatte von Anfang an leider einen unschönen Beigeschmack, denn die gesamte Reise über wurde die Kaffeefahrt von Polizei-Einheiten begleitet – welche laut einem Bericht der „Sächsischen Zeitung“ bereits am Tag zuvor einen Hinweis erhielten.

Die zunächst eingeplante erste Station der Kaffeefahrt, der Naziladen „Nordland“ in Wilthen, wurde übersprungen, weil sich davor bereits PolizistInnen postierten. Deswegen steuerte die Antifa-Reisegruppe direkt das NPD-Büro in Kamenz an. Der dadurch gewonnene Vorsprung konnte jedoch nicht verhindern, dass wenig später von allen Antifas Personalien aufgenommen und mit Anzeigen gedroht wurde. Es gelang anschließend dennoch alle Aktionen als spontan angemeldete Kundgebungen und Demonstrationen durchzusetzen.


Das Presseecho: Von einem jammernden Henry Nitzsche und „Demonstrationen gegen Rechts“


Am schnellsten reagierte der „Arbeit-Familie-Vaterland“-Landratskandidat Henry Nitzsche aus Oßling mit einer Pressemitteilung auf den Besuch der Antifa in seinem Dorf. Ihm war offenbar entgangen, dass die angereiste Gruppe Antifas vor seinem Haus lediglich mit einem Würfelspiel, Redebeiträgen, veganem Kokoskuchen und Musik aus dem Lauti beschäftigt war, denn er sah den Besuch der AntifaschistInnen als „offenen Drohung gegen ihn und seine Familie“. Die linke Reisegruppe habe „ganz klar mehr, als lediglich friedlich demonstrieren“ wollen, so Nitzsche.

Die „Sächsische Zeitung“ räumte in ihren Artikeln in der landesweiten und den regionalen Ausgabe Nitzsches Gejammer z.T. zwar sehr viel Platz ein, teilte aber nicht sein Vokabular von „Linksextremisten“. Stattdessen wurden die Aktionen in Oßling und Kamenz als „Demonstration gegen Rechts“ „junge(r) Leute der Antifaschistischen Aktion (Antifa)“ und „ostsächsische(r) Antifagruppen“ beschrieben.


Mehr Bilder: www.akubiz.de


Kontakt in die Region:

Antifa Lausitz:

Homepage:  http://lausitz.antifa.net
Mail:  antifa_lausitz@fastmail.us

Antifa Bautzen:

Homepage:  http://afabautzen.blogsport.de
Mail:  afa-jugend-bz@gmx.de

Antifa Hoyerswerda:

Homepage:  http://aaghoyerswerda.blogsport.de
Mail:  antifa_ag_hoyerswerda@fastmail.fm
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Danke für das Eis!

dabeigewesener 07.06.2008 - 15:21
Zu bemerken ist auch noch, dass in Kamenz testosteronüberflutete BFE-Bullen zur Identitätsfeststellung anfangs willkürlich Leute rausgezogen haben ohne mal den Mund aufzumachen und mal ordentlich anzukündigen, was sie denn wollen. So kams bei der ersten Person, die sie rausgezogen haben zu einem Geschubse und anschließenden Geziehe. Die betreffende Person wurde an der einen Seite von anderen Demonstranten festgehalten und auf der anderen Seite von den Bullen gezogen.

Dafür war es dann umso schöner, als die ganze Demo das von dem Orga-Team spendierte Eis essen konnte und diese kleinen grünen Männchen in ihren dicken Einsatzuniformen zu Schweißausbrüchen und roten Köpfen tendierten... danke nochmal dafür!

Gerne wieder :)

Nazis in Kamenz und Hoyerswerda

buntspecht 07.06.2008 - 15:29
Auffällig auch, dass auffällig viele rechten Dorfgorillas in Kamenz und Hoyerswerda oberkörperfrei und bierbauchzeigend ankamen, aber nich wirklich mehr gemacht haben als doof geguckt. Man hatte den Eindruck, die kamen gerade ausm Schrebergarten und denen bekam das Bierchen in Kombination mit der Sonne nich so gut...

Kommunalwahlen

(a) 09.06.2008 - 07:58
Bei den gestern stattgefundenen Landratswahlen hat der Henry Nitzsche mit seinem Bündnis Arbeit-Familie-Vaterland 12,9% geholt (in seinem Heimatort Oßling sogar fast 50%), Mario Ertel von der NPD 5,5%.
D.h. 18% haben für den rechten Rand gestimmt.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 11 Kommentare an

ja ja! — Antifaschist Harburg

Schön! — Jok

Köpfchen=) — Kurzer

coole aktion — ulims

ergänzug — ergänzer

Ach so geht das also! — FreierDenker

@ freier Denker — xxx