Hessen: Studiengebühren abgeschafft

Bildung für deine Meinung !!! 03.06.2008 23:37 Themen: Bildung
Gegen den Willen der geschäftsführend noch amtierenden CDU-Regierung schafft Hessen zum nächsten Semester die Studiengebühren wieder ab. Mit dem heute mit der Mehrheit von DIE LINKE, SPD und Grünen im hessischen Landtag verabschiedeten Gesetz zur Sicherstellung von Chancengleichheit an hessischen Hochschulen ist Hessen das erste Bundesland, welches Studiengebühren, Langzeit- und Zweitstudiengebühren wieder abschafft.
Die den Hochschulen durch die Rücknahme entstehenden finanziellen Ausfälle werden zu hundert Prozent durch Landesmittel ersetzt. Nach zwei Semestern wird somit nun erstmals in einem Bundesland den unsozialen offenkundigen Auswirkungen der Gebühren Rechnung getragen.

Der Gesetzentwurf von SPD und Grünen erhielt im Wiesbadener Landtag auch Stimmen der Linken und damit die Mehrheit von 57 gegenüber 53 Stimmen, wie ein Landtagssprecher mitteilte. Kurz nach 19 Uhr waren die Studiengebühren in Hessen abgeschafft. Die CDU- und FDP-Fraktion scheiterten mit ihrem Antrag, zumindest die Gebühren für Langzeitstudierende zu erhalten. Die Regierung von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte die Studiengebühren zum Wintersemester 2007/2008 eingeführt. Dagegen hatte es bereits vorher schon zwei Jahre massive Proteste gegeben.

Rückblick:

Demo gegen Studiengebühren in Frankfurt
 http://de.indymedia.org/2006/05/147253.shtml

Demo und Autobahnbesetzung
 http://de.indymedia.org/2006/05/147972.shtml

Nach dem Willen des Landtags soll das Studieren im Land also wieder gebührenfrei werden, genauer ab dem bevorstehenden Wintersemester 2008/2009. Das rot-grüne Gesetz kippt auch die Gebühren für das Zweitstudium. Die wegfallenden Einnahmen für die Hochschulen in Höhe von jährlich gut hundert Millionen Euro sollen demnach aus Mitteln des Landes ersetzt werden. Die Linke forderte vergeblich, zudem im laufenden und vergangenen Semester erhobene Studiengebühren zurückzuzahlen.

„Ein großer Erfolg für die Studierendenbewegung und für alle Gebührengegner!“, freut sich André Schnepper, Sprecher des bundesweiten Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren. „Der heutige Tag zeigt, dass die besseren Argumente am Ende doch den Ausschlag geben und eine andere Bildungspolitik in ganz Deutschland möglich ist. Wir freuen uns, dass die verfassungswidrigen Gebühren auf politischem Wege und nicht durch den Urteilsspruch der Gerichte zurückgenommen worden sind. Dieser Tag macht deutlich, dass es Alternativen zu Studiengebühren gibt, die man nicht wegdiskutieren kann.“

CDU und FDP hatten gefordert, wer die Regelstudienzeit um mehr als vier Semester überschreite, solle sich auch weiter "mit einem angemessenen Beitrag an den Studienkosten beteiligen". Ziel sei es, die Studienzeiten zu verringern und die missbräuchliche Nutzung des Studierendenstatus einzudämmen. SPD und Grüne wollen dieses mittels Zielvereinbarungen zwischen Studenten und Hochschulen über den jeweiligen Studienverlauf erreichen.

Gegen den Beschluss des Parlaments kann die Landesregierung allerdings theoretisch noch Einspruch einlegen und damit eine erneute Lesung des Gesetzes erzwingen. Gemäß der Hessischen Landesverfassung müsste der Einspruch binnen fünf Tagen eingelegt und innerhalb von zwei Wochen begründet werden. Käme dann bei einer weiteren Lesung im Landtag dennoch eine erneute Mehrheit zustande, würde das Gesetz als beschlossen gelten.

Die heutige Entscheidung dürften eventuell auch Auswirkungen auf die Diskussion in den anderen Ländern mit Gebühren haben. Das bundesweite Aktionsbündnis gegen Studiengebühren und das LandesAstenTreffen NRW riefen nach dem heutigen Parlamentsbeschluss zu einer landesweiten Demonstration am 17.06.2008 in Düsseldorf auf.
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Ergänzungen

Stimmung im Landtag

Meier 03.06.2008 - 23:48

Soli-Grüße aus Bochum

fubstudent 04.06.2008 - 03:56
Warum entscheiden sich selbst Sozialdemokraten, das Bezahlstudium (das sie in manchen Bundesländern mit Langzeitgebühren selbst eingeführt haben) wieder abzuschaffen? Weil ihr konstant Druck gemacht habt - und zwar mit verschiedensten Aktionsformen von Autobahnblockaden und Direkten Aktionen über Gebührenboykott bis hin zur Verfassungsklage. Das ganze mit langem Atem und ohne euch in die Ecke eines rein legalistischen Protest drängen zu lassen. Wir gratulieren und hoffen, daß der Funke nach NRW überspringt!

Bleibt noch zu erwähnen, dass es am Mittwoch, den 11. Juni 2008 erneut auf die Straße geht, wenn der hessische Staatsgerichtshof über die Verfassungsklage berät. Sollte die Klage Erfolg haben, müssen auch bereits gezahlte Gebühren rückkerstattet werden...

P.S.: Landesweite Demo in Düsseldorf am 17. Juni!

Grüne in Hamburg für Studiengebühren

gütersloh versenken 04.06.2008 - 09:51
Die Grünen in Hamburg haben einen ähnlichen Beschluss bei ähnlichem Stimmenverhältnissen in der Bürgerschaft aus machttaktischen Gründen abgelehnt. So wollte sie das Scheitern der Koalitionverhandlungen mit der CDU auf keinen Fall riskieren. Das Resultat in Hamburg sind somit die "nachgelagerten" Studiengebühren. Die hamburger Grünen retteten somit unnötig die Studiengebühren, obwohl sie noch im Wahlkampf mit dem Vorhaben jene Abzuschaffen auf Stimmenfang gingen. Dafür müssten die Grünen in Hamburg eigentlich kräftig versohlt werden, zumal es wie Hessen zeigt, auch anders geht.

Studiengebühren abschaffen !
Grüne abwählen !
Gütersloh versenken !




Richter beurlauben!

Till Timmermann 04.06.2008 - 09:51
Der Richter scheint unterbezahlt und schlecht beraten gewesen zu sein, anders kann ich mir diese Entscheidung nicht erklären. Seit wann ist denn Verfassungsbruch von oben ein Problem, solange er der Wohlfahrt unserer jungen, moralisch flexiblen Führungselite dient?

Be part of it!

 http://youtube.com/watch?v=D4TzPr0E59Q

Studiengebühren in Hessen

Radio Corax 05.06.2008 - 22:36
Aus Hessen kamen ganz erstaunliche Meldungen. Denn während anderswo das Geld, das durch Studiengebühren eingenommen werden soll, schon fest im Inventar der Hochschulen eingeplant ist, kam aus Wiesbaden ein anderes Signal. Denn: gestern wurde dort ein Gesetz verabschiedet, welches Studiengebühren wieder abschafft. Einer, der sagt, dass dies ein großer Erfolg für die Studierendenbewegung und für alle Gebührengegner ist, ist André Schnepper. Schnepper ist Sprecher des bundesweiten Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren in Hessen.

Radiobericht:
 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=22769

Ergänzung

blub 06.06.2008 - 12:19
Roland Koch will das Gesetz nicht unterschreiben, dahergab es gestern am 5. Juni eine Spontandemo in Marburg (100-200 Teilnehmer). Sie dauerte ungefähr 2 Stunden, die Polizei war mit ca 5 wagen präsent wobei nur 1-2 permanent begleiteten. Es gab (meines Wissens nach) keine Festnahmen oder Provokationen seitens der Polizei.
Am 11. Juni gibt es eine angemeldete Demo in Frankfurt, um 18 Uhr, also nachdem der Staatsgerichtshof über die Studiengebühren entschieden hat. Was wird passieren? Lust oder Frust?
11. Juni, 18 Uhr, Südbahnhof Frankfurt.
Lets rock RoKo!!!

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