Yearly Soap VII - Nazidemo in Neubrandenburg

useless 03.06.2008 14:48 Themen: Antifa
Auch in diesem Jahr wollen Neonazis in Neubrandenburg aufmarschieren. Dieses Mal jedoch unter anderen Vorzeichen.
2006 betitelte der Colporter das jährlich wiederkehrende Spektakel in Neubrandenburg noch als “Mission without succes V” oder “Teil V der YEARLY SOAP”. Doch würde es den gegebenen Rahmenbedingungen Rechnung tragen auch in diesem Jahr lediglich die Versionsnummer auf VII zu korrigieren?
Wie am 06.05. bekannt wurde, planen die Neonazis ihren diesjährigen Wanderzirkus im (ehemals) “Roten Neubrandenburg” für Samstag den 07.06.2008. Schnell stellte sich heraus, dass Neubrandenburgs Bürgermeister Krüger wie gehabt, ein Verbot der Demonstration erwirken wollte. Am 20. Mai war es dann so weit und die Verbotsverfügung nahm so ziemlich alles auf, was die Situation her gibt. Ein Punkrock-Open Air im AJZ, Zitate von Udo Pastörs und die Vorstrafe von Gewalttäter Stefan Köster. Wirklich interessant sind jedoch die anderen Verbotsgründe, nämlich die befürchtete Anreise so genannter “Autonomer Nationalisten”, deren Auftreten bereits vor einem Monat in Hamburg von exzessiver Gewaltanwendung gegen Zuschauer, Passanten und Journalisten geprägt war. Aber auch ein laufendes Verfahren gegen den Anmelder wurde als Grund für ein Verbot genannt.[1]
Seitdem brodelt die Gerüchteküche, um wen es sich dabei nun eigentlich handelt. AntifaschistInnen aus der Region sowie das Internetportal “Endstation-Rechts” handeln den berüchtigten Neonazi Michael Grewe als Anmelder der Demonstration, die unter dem inzwischen nicht mehr ganz neuen Motto “Sozial geht nur national! Nationaler Sozialismus statt Globalisierung!” stehen soll.[2]

Michael Grewe - der unbekannte Randalierer

Sollte dies der Wahrheit entsprechen, wäre das nicht nur sehr gewagt seitens der NPD, sondern auch ein eindeutiges Signal für die zur Teilnahme aufgerufene Neonaziszene.
Der früher noch in Lüneburg wohnende Grewe ist bereits seit Mitte der 80er Jahre als Naziskinhead und Herausgeber des Neonazifanzines “Kahlschlag” bekannt. Zusammen mit seinen Brüdern Hans und Sven Grewe (letzterer bekannt als Kader des “Hammerskin Chapter Nordmark”) trieb er sich in der regionalen Naziskinhead-Szene herum. In diesem Zusammenhang fiel er als Mitglied der Kameradschaft “Lüneburg/Uelzen - Trupp 16″ auf. 1997 durchsuchte die Polizei Grewes Wohnung in Hamburg-Lohbrügge und stellte dabei ein Maschinengewehr, einen Karabiner und mehr als 1000 Schuss Munition sicher.[3]
Michael und Hans Grewe eröffneten in den 90er Jahren in Hamburg auch einen der ersten Naziläden in Norddeutschland, den “Buy or Die”. 1998 verlegten sie den Laden nach Lüneburg und übertrugen ihn kurz darauf an Christian Sternberg, welcher ebenfalls als Mitglied der Kameradschaft “Lüneburg/Uelzen - Trupp 16″ auffiel.[4]
Seit 2000 wohnt er nun in Mecklenburg-Vorpommern. Zusammen mit Thomas Wulff zog er in den Landkreis Ludwigslust, in den kleinen Ort Teldau-Amholz um dort in einem alten Gutshaus einen überregionalen Treffpunkt zu etablieren. Er machte daraufhin Karriere in der NPD-MV ohne jedoch seine früheren Gewohnheiten aufzugeben. Seit 2004 ist er im Gemeinderat Teldau vertreten. Inzwischen stieg er sogar in den Landesvorstand auf und wurde zum Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion im Schweriner Schloß.
Am 30.06.2007 überfielen etwa 100 Rechtsextremisten, welche sich gerade auf dem Weg zu einer NPD-Demonstration in Rostock befanden, in Pölchow etwa 70 Besucher des zeitgleich stattfindenden “Fusion-Festivals”.[5]
Immer wieder wurde Michael Grewe mit dem Überfall in Verbindung gebracht. Als letztes sogar von der Polizei, die Anfang April einen Fahndungsaufruf veröffentlichte in dem ein “unbekannter Randalierer” wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung gesucht wird. Dazu ein gut erkennbares Portraitfoto von Michael Grewe.[6] und [7]
Wenn solch eine Person als Anmelder für die Demonstration herhalten soll, kann dies nur als Signal an die Teilnehmer verstanden werden, dem Aufmarsch einen anderen Charakter als in den letzten Jahren zu geben.

The Yearly Soap

Bereits seit 2001 versucht die NPD in Zusammenarbeit mit “freien Kräften” aus der Region in Neubrandenburg aufzumarschen. Waren es 2001 noch weniger als 100 Teilnehmer, die sich mehr als 2000 Gegendemonstranten gegenüber sahen, glichen sich die Zahlen mit der Zeit immer mehr an.[8]
Mit Ausnahme des Jahres 2003 konnte tatsächlich eine Kontinuität aufgebaut werden. Die Aufmärsche selbst blieben jedoch stets durch Polizei und AntifaschistInnen isoliert und konnten mehrere Male behindert und zeitweise gestoppt werden.
Ebenso kennzeichnend war jedoch über die Jahre eine überregionale Teilnahme von Rechtsextremisten, besonders aus dem Raum Berlin-Brandenburg.
Hielten in den Vorjahren Personen wie Enrico Hamisch und David Petereit als Anmelder her, so wurde sich dieses Mal für eine Person aus dem militanten Spektrum entschieden, die laufende Strafverfahren offen hat.
Neubrandenburgs Bürgermeister Paul Krüger hat, wie alle Bürgermeister vor ihm auch, ein Verbot der Demonstration erwirkt. Wie alle Verbote in den Jahren zu vor, wurde es aber auch vom Verwaltungsgericht Neubrandenburg wieder aufgehoben.[9] Selbst wenn die Stadt den juristischen Streit noch weiterführen sollte, ist nicht mit einem Verbot des Aufmarsches zu rechnen.
Die Neonazi-Szene hingegen frohlockt bereits und hofft auf eine Neuauflage der Krawalle von Hamburg. Militante Neonazis griffen dort während eines Neonaziaufmarsches anlässlich des 1. Mai, gezielt Journalisten und Gegendemonstranten aus dem Demonstrationszug heraus an. Der dortige Polizeieinsatzleiter Peter Born sah sich deshalb zum Fazit gezwungen: “In den rechten Reihen hat ein enorm hohes Gewaltpotential geherrscht”.[10]
“Neubrandenburg - wir kommen . Na Hanburger - die nächste Party kann steigen” (sic!) - solche und ähnliche Kommentare, wie dieser von der Neonaziseite “Altermedia” füllen die bekannten Rechtsextremen Websites. Daher auch kein Wunder das gewaltbereite Neonazigruppen, wie die “Autonomen Nationalisten - Bundesweite Aktion (AN-BA)” im Internet zur Fahrt nach Neubrandenburg aufrufen.

Vor diesem Hintergrund ist es dennoch erstaunlich, dass das Verwaltungsgericht das Demonstrationsverbot aufhob, da die Verbotsbegründung des Bürgermeisters mit genau diesen Fakten untermauert wurde. Es braucht daher auch keine Hellseher um einen friedlichen Verlauf des Neonazitreffens in Neubrandenburg anzuzweifeln.[11]

[1]. Siehe “Endstation-Rechts” vom 22. Mai 2008
[2]. Siehe “Entstation-Rechts” vom 09. Mai 2008
[3]. Siehe “Michael Grewe - das unbekannte Wesen” von Recherche-Nord
[4]. Siehe “Szene-Läden” in Der Rechte Rand, Nummer 110, Jan./Febr. 2008, S. 17/18
[5]. Siehe Pressemitteilung des LOBBI e.V. vom 30.06.2007 “Rechter Gewaltexzess vor NPD-Demo in Rostock”
[6]. Siehe Webseite der Polizei-MV “Polizei sucht unbekannten Randalierer”
[7]. Siehe Ostsee-Zeitung vom 08.04.2008 “Rechte Gewalt: Polizei blamiert sich bei Tätersuche"
[8]. Siehe Colporter, Nr. 2 / Mai 2006, Seite 2, 4-6
[9]. Siehe Ostsee-Zeitung vom 30.05.2008 “Gericht lässt NPD marschieren”
[10]. Siehe “Wenig sozial - 1. Mai-Aufmärsche” in Der Rechte Rand, Nummer 112, Mai/Juni 2008, S. 3
[11]. Siehe “final countdown” auf der Webseite der Antifa Offensive NB (aonb.blogsport.de)
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Ergänzungen

Korrektur

Antifa 03.06.2008 - 15:24
1997 durchsuchte die Polizei Michael Grewes Wohnung nicht in Hamburg-Lohbrügge, sondern im Dorf Eddelstorf im Landkreis Uelzen. Dort stellte die Polizei eine Maschinenpistole (eine Uzi, kein Maschinengewehr), einen Karabiner, zwei Pistolen und mehrere 1000 Schuss Munition sicher.

Grewe lebt auch schon seit 1999 in Amholz (Teldau).

aktuelle infos

auge 03.06.2008 - 15:56
aktuelle infos; auf der seite der antifaschistische offensive neubrandenburg unter:
 http://aonb.blogsport.de

Korrektur des Artikels

useless 03.06.2008 - 18:07
Eine korrigierte Version des Artikels steht auf dem dazugehörigen Blog
useless.blogsport.de (Korrektur zum Bürgermeister etc.)

@Antifa
das Problem dabei ist die Quellenlage. Ich habe mich bei den Angaben zu Amholz auf Recherce-Nord gestützt. Die sagen er würde seit 2000 dort wohnen. Wenn ich einen Zeitungsartikel oder dergleichen aus dem Jahre 1999 finden würde, würde ich auch etwas anderes schreiben.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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