Aktion vor dem Jobcenter Berlin-Kreuzberg

Anna Panek 02.06.2008 15:40 Themen: Soziale Kämpfe
Jobcenter verweigert Zutritt, LKA versucht, Infotische zu verbieten: eine Aktion der AG Soziales Berlin vor dem Jobcenter Berlin / Rudi-Dutschke-Straße erfährt ungewöhnliche Hindernisse.
Am heutigen 2.6. nahmen um 11 Uhr schätzungsweise 30 Personen an einer Informations- und Protestaktion vor der Agentur für Arbeit in Berlin-Kreuzberg teil. Angemeldet wurde die Veranstaltung von der Arbeitsgruppe Soziales Berlin im Berliner Sozialforum, organisiert wurde sie gemeinsam mit dem Verein CLOF (Musik gegen Gewalt) und dem Erwerbslosenforum.

Ursprünglich war es vorgesehen, die Veranstaltung im Foyer des Arbeitsamtes durchzuführen. Den Veranstaltern war jedoch vom Geschäftsführer des Jobcenters Dudi-Dutschke-Str.30 (ehem. Kochstraße) mitgeteilt worden, daß sie Zutrittsverbot zu den Räumen hätten. Bei einer vorangegangenen unangemeldeten Besetzungsaktion in der ersten Maiwoche hatte das Jobcenter den Veranstaltern gegenüber erklärt, daß es keine Hindernisse für den Aufbau von informationstischen im Foyer der Agentur für Arbeit geben würde, wenn sie zukünftig ihre Aktionen anmelden würden.

Um der Agentur entgegenzukommen und diese Auskunft auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, war die heutige Aktion daher ordnungsgemäß angemeldet worden. In der Folge wurden sie nicht nur mit dem Zutrittsverbot zum Jobcenter konfrontiert, sondern mußten nach Aussage von Rainer Wahls (AG Soziales Berlin) kurz vor Beginn der Veranstaltung erfahren, daß das LKA das Aufstellen von Informationstischen vor dem Eingang zum Jobcenter aus Sicherheitsgründen untersagt hatte. Erst über das Bezirksamt habe sich die Aufstellung von Infotischen doch noch durchsetzen lassen. Während der gesamten Aktion waren mehrere Angestellte des Sicherheitsdienstes am Eingang des Jobcenters postiert.

Unter Bezugnahme auf gelungene Aktionen in Köln ("Agenturschluß") mit jeweils weit über 100 Teilnehmern äußerte Rainer Wahls: "In Berlin ist es insofern schwieriger, als es viele Jobcenter gibt, nicht, wie in Köln, zwei zentrale ARGEs. Auch der private Sicherheitsschutz ist eine Besonderheit in Berlin. Wir haben daher grundsätzlich schwierigere Ausgangsbedingungen als die Kölner, deren Aktionen ein Referenzprojekt für viele waren. Wir haben zeigen können, wie Reaktionen auf eine Anmeldung, also auf legales Handeln aussehen und haben nun die Antwort. Zukünftig werden wir auf andere Strategien zurückgreifen müssen. Daß man uns ernst nimmt, zeigt die LKA-Reaktion und die Zahl der sicherheitshalber positionierten Security-Leute."

Ziel war es, über die von der AG Soziales Berlin mitgetragenen Forderungen nach einer Erhöhung von HartzIV-Beträgen auf mindestens 500 Euro, nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro sowie einer Kindergrundsicherung zu informieren sowie
eine stärkere Vernetzung von Jobcenter-unabhängigen Sozialberatern, die u.a. einen "Beistand" für Antragsteller organisieren wollen, zu ermöglichen.
So waren denn auch Sozialberater aus Büros im Bethanien oder dem Kreuzberger Mieterladen sowie weitere einzelne selbständige Berater, die unabhängig von der Agentur für Arbeit beraten, als Teilnehmer dabei. Auch die Organisation zahlenmäßig größerer Begleitungen von über 20 Personen, die in Fällen klarer gesetzwidriger Leistungsvorenthaltungen die Zahlungen durchzusetzen in der Lage wären, bedarf einer stärkeren Vernetzung der Berater untereinander - wie auch des Zugangs zu den Betroffenen selbst; so wird die heutige Aktion als ein weiterer Schritt zur einer bessereren Organisierung untereinander gewertet:

Geplant sind weitere Aktionen, zukünftig jeweils in der letzten Woche des Monats, als Vorbereitung einer breiteren Kampagne von Erwerbslosen und prekär Beschäftigten, für deren Unterstützung nach Auskunft der AG Soziales Berlin linksradikale wie sozialbewegte Organisationen bis zu Gewerkschaften bereits Zusagen signalisiert haben. Bedingung hierfür ist jedoch eine stärkere Beteiligung der Betroffenen selbst.


Unter dem Motto "reclaim your life" ist für den 16. Juni daher ein nächster "Aktionstag gegen HarzIV-Gesetze, für soziale Grundrechte" angekündigt, diesmal am Brandenburger Tor. Beginn: 11h.




weitere informationen:
socialforum-berlin.de:  http://socialforum-berlin.org/
erwerbslosenforum:  http://www.erwerbslosenforum.de/
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Ergänzungen

pressereaktionen zur aktion

pressebeobachterin 03.06.2008 - 14:07
Berlin/Brandenburg
03.06.2008
Umgang mit der Entwürdigung
Erwerbsloseninitiativen organisieren Beratung vor Arbeitsagentur Mitte
Von Peter Nowak
Vor dem Eingangsbereich steht ein großer Tisch mit Informationsmaterialien. Vor dem Jobcenter Mitte in der Kochstraße begrüßten gestern freundliche Menschen die ankommenden Erwerbslosen – und boten ihnen Beratung an. Dabei handelte es sich aber nicht um einen neuen Service des Jobcenters: Die Aktion wurde vielmehr von der AG Soziales Berlin im Sozialforum, dem Aktionsbündnis Sozialproteste und dem Erwerbslosenausschuss von ver.di organisiert.

»Es geht uns darum, die Erwerbslosen durch die unabhängige Beratung zu unterstützen«, erklärte Rainer Wahls vom Aktionsbündnis Sozialproteste den Hintergrund der Aktion. Er verwies auf ähnliche Aktionen in Köln, Göttingen und Nürnberg.

»Das unabhängige Beratungsangebot soll dazu beitragen, dass Erwerbslose besser als bisher mit der allzu oft entwürdigenden Situation umzugehen lernen und sich gegen fehlerhafte Bescheinigungen besser zur Wehr setzen können«, betonte der Sozialaktivist und Politikprofessor Peter Grottian, der vor dem Jobcenter eine kurze Rede hielt.

Rainer Wahls zeigte sich mit der Resonanz zufrieden. Der Service der vier unabhängigen Berater sei bei den Erwerbslosen gut angenommen worden. Kritik äußerte Wahls am Berliner Landeskriminalamt, weil es das Aufstellen eines Informationstisches untersagen wollte. »Das hätte unsere ganze Aktion infrage gestellt«, betonte Wahls. In letzter Minute habe das zuständige Bezirksamt dann die Aufstellung des Tisches ermöglicht.

Roland Klautke von der AG Soziales Berlin monierte auch die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Jobcenterleiters Ulrich Wilken. Der habe noch bei einer Protestaktion am 24. April vor Medienvertretern erklärt, einen Antrag auf eine unabhängige Beratung wohlwollend zu prüfen. Doch mit dem Verweis auf die Neutralitätspflicht des Jobcenters wurde der Aufbau eines Beratungstisches in der Behörde abgelehnt. Dennoch sprach Klautke von einem Teilerfolg der Aktion: »Zumindest konnte ein Beratungstisch vor der Arbeitsagentur aufgebaut werden. Und einzelne unabhängige Berater konnten sich in die Warteschlange der Erwerbslosen einreihen, um Betroffene auf Wunsch zu ihrem jeweiligen Sachbearbeiter zu begleiten.«

Am 16. Juni wollen die Erwerbslosen wieder auf die Straße gehen. Parallel zu der Expertenanhörung im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales zur Weiterentwicklung des ALG II ist ab 11 Uhr am Brandenburger Tor eine Demonstration unter dem Motto »Von Arbeit muss man leben können und ohne auch!« angemeldet.

Aufforderung zum Rechtsbruch für ARGE

Mambo 03.06.2008 - 19:20
Harald Thomè über fragwürdige Methoden

Am Montag fand in Berlin die Aktion »Zahltag« statt. Verschiedene Erwerbslosengruppen hatten zu dieser Protestveranstaltung aufgerufen. Vor und im Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg wurden Flugblätter verteilt, außerdem bot man den Arbeitslosen einen Begleit- und Rechtsschutz an. Denn immer noch versuchen die zuständigen Arbeitsgemeinschaften (ARGEn), Erwerblose mit zahlreichen Tricks von der Antragstellung abzuhalten. Dass dies durchaus im Sinne des Bundesarbeitsministeriums ist, beweist die Zielvereinbarung SGB II für 2008.

• Herr Thome, worum geht es in dieser Vereinbarung zwischen der Agentur für Arbeit und dem Arbeitsministerium?

In Zielvereinbarungen werden jedes Jahr durch das Arbeits- und Finanzministerium die Vorgaben für die ALG II-Gewährungspraxis gesetzt. So wird für das Jahr 2008 das Planziel ausgegeben, die »passiven Leistungen« um 6,5 Prozent zu senken, und die Integrationskurve um 10,3 Prozent zu steigern. Hinsichtlich der passiven Leistungen bedeutet das nichts weniger als die ministeriale Aufforderung zum vorsätzlichen Rechtsbruch. Dabei werden die lokalen Jobcenter angehalten, Erwerbslose um Leistungen zu bringen, auf die sie einen Rechtsanspruch haben. Diese Zielvereinbarung hat die Bundesagentur für Arbeit im Februar mit dem Arbeits- und dem Finanzministerium getroffen. Die ursprüngliche Planung enthielt sogar die Zielvorgabe, Rechtsanspruchsleistungen um 7,9 Prozent zu senken.

»Was sind »passive Leistungen»?

Alles, was Erwerbslose zum Leben brauchen und worauf sie einen Rechtsanspruch haben, etwa den Regelsatz, Kosten für Unterkunft, Heizung, sowie Mehrbedarfe bei Alleinerziehung, Krankheit oder Schwangerschaft. Diese Zielvereinbarung bedeutet: ARGEn, ihr seid angewiesen, bewusst und planmäßig die Rechtsanspruchsleistungen möglichst nicht zu gewähren! Also baut Zugangshürden auf, seid telefonisch und persönlich nicht erreichbar, stellt Sicherheitsdienste vor die Tür, macht mehr Sofortangebote, senkt die Angemessenheitsgrenzen bei den Unterkunftskosten und erhöht die Ablehnungsquoten. Das wird in der Beratung mehr als deutlich. Auch mehr als drei Jahre nach Einführung der Hartz IV-Gesetze sind immer noch 80 Prozent aller ARGE-Bescheide, die den Beratungsstellen vorgelegt werden, falsch - zum Nachteil der Betroffenen.

• Womit haben Erwerbslose zu rechnen, wenn in den Zielvereinbarungen von gesteigerter »Integration« die Rede ist?

So richtig deutlich ist es nicht, was sich alles unter den Begriff subsumieren lässt. Einerseits gibt es notwendige und sinnvolle Eingliederungsmaßnahmen, mit denen etwa Schulabschlüsse oder Qualifizierung für sozial Benachteiligte ermöglicht werden. Ich gehe aber auch davon aus, dass darunter die Verfolgungsbetreuung fällt. Dazu zählen auch Trainingsmaßnahmen zur Prüfung der Arbeitsbereitschaft, Ein-Euro-Jobs, Sofortangebote, Gruppenveranstaltungen zur Einschüchterung und Prüfung der Ortsanwesenheit. Mit solchen Fällen werden wir in der Beratung regelmäßig konfrontiert. Eine Folge des behördlichen Drucks ist, dass die Betroffenen immer wieder auf Anträge verzichten. Sie halten dem Druck nicht stand und landen so in der Kriminalität, Schwarzarbeit oder Prostitution. Am Ende sind die Leiter der ARGEn stolz darauf, dass sie es geschafft haben, 30 Prozent oder mehr Erstantragsteller vergrault zu haben.

• Was bezweckte die Bundesregierung mit der Einführung dieser umstrittenen Zielvereinbarungen?

Mit dieser Zielvereinbarung nach § 48 SGB II wurde ein zentrales Steuerungsinstrument der Armutsverwaltung in Deutschland geschaffen. Es geht nicht mehr um arbeitsmarktpolitisch sinnvolle und wirksame Instrumente sowie die Umsetzung der vom Gesetzgeber beschlossenen Vorgaben. Vielmehr wird eine Sonderrechtsebene der Steuerung geschaffen, die außerhalb der eigentlichen gesetzlichen Grundlagen läuft und mit der Drangsalierung von Millionen Erwerbslosen perfektioniert wird.

• Welche Möglichkeiten haben Erwerbslose, sich gegen eine repressive Gesetzgebung zur Wehr zu setzen?

Sie können in selbstorganisierten Einrichtungen für ihre demokratischen Rechte laut werden. Mit diesem Anliegen hatten wir Tacheles e.V. gegründet. Außerdem sollten mehr Menschen auf der Straße protestieren - oder sich im Jobcenter solidarisch zeigen. Wie bei der Aktion »Zahltag« in Berlin.

Fragen: Luise Michels

Das Protest-Konzept »Zahltag« wurde ursprünglich in Köln entwickelt. Wegen der zunehmenden Schikanen der ARGEn gegenüber Erwerbslosen hatte dort das Bündnis »Agenturschluss« zu gemeinsamer Gegenwehr und Widerstand aufgerufen.

Harald Thomè ist Vorsitzender des Tacheles e.V. und Fachreferent für Sozialrecht.


Quelle: ND, Dienstag, 3. Juni 2008, Innland, Seite 4

Warum sollte über die Probleme

n.n. 04.06.2008 - 01:29
mit Amt und Hartz nicht frei informiert werden bzw.sich Hhhhhartzempfänger nicht sozial ausdrücken dürfen ,das ist doch das mindeste ,all das Gelaber damals über Akademikerarbeitslosigkeit ,das verhindert die Entstehung von Kultur am unteren sozialen Rand;Arbietskräfte sind mmehr als Verhandlungsmaße,die meisten u.a. auch noch Bürger mit politischen Rechten .Arbbbeitslosengeld ist nicht das Schlimmste ,die Abhängigkeiten der eigenen Llebenssituation vom Staat machen Selbstorganisation und Unterstützungszusammenschlüße aber notwendig ,um nicht Spielball zu bleiben .Und bitte ,nicht immer die Bullen !

Die Latte höher hängen!

Überflüssig(er) 05.06.2008 - 00:01
Zitat:

»Das unabhängige Beratungsangebot soll dazu beitragen, dass Erwerbslose besser als bisher mit der allzu oft entwürdigenden Situation umzugehen lernen und sich gegen fehlerhafte Bescheinigungen besser zur Wehr setzen können«, betonte der Sozialaktivist und Politikprofessor Peter Grottian, der vor dem Jobcenter eine kurze Rede hielt.

Das ist EINE Seite solcher Aktionen, die andere Seite aber ist die, dass JEDER "Bewilligungsbescheid" von ARGE/Jobcenter 'dem Grunde nach' per se fehlerhaft ist - weil zutiefst unmoralisch - und es just genau DESHALB derlei Aktionen wie "Zahltag!" geben MUSS!

Das Problem von ARGEn und Jobcenter, inkl. ihren Beschäftigten(!), ist nicht deren berühmt berüchtigte Software, Handlungszwänge durch das SGB oder falsches Ermessen, das Problem sind WIR!!! Insofern wollen wir ein Problembewusstsein entwickeln, den strategischen und mechanischen Ablauf dieser hässlichen Politik zu stören, zu verhindern, ABZUSCHAFFEN!

Lasst und bitte nicht um die Genehmigung der Aufstellung von Infotischen streiten und über das kooperative Verhalten diverser Erfüllungsgehilfen. Das ist erschöpfend und somit hinhaltend und verlängert nur unser Elend!

In diesem Sinne: Wir treffen uns morgen 16:00 Uhr zur Revolution! ;-)

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Agenturschluss — Zahltag