Republik Moldau: Homophobie verhindert Demo

Stefan cel Mare 20.05.2008 01:30 Themen: Gender Weltweit
Am 11.5.08 sollte in Chisinau, der Hauptstadt der Republik Moldau, eine Demonstration fuer die Einfuehrung eines Antidiskriminierungsgesetzes, fuer die Versammlungsfreiheit und Toleranz fuer sexuelle Minderheiten stattfinden. Doch eine aggressive Ansammlung von organisierten Konservativen bis Rechten sowie einzelnen Buergern, in ihrer christlichen Grundueberzeugung verletzt, verhinderten dies mit Unterstuetzung der demosntrativ passiven Haltung von Polizei und Politik.
Fuer alle, die mit dieser Stadt oder gar dem Land nichts anfangen koennen: Es handelt sich um das relativ kleine Land, das –historisch gesehen faelschlicherweise- meist ‘Moldawien’ genannt wird, und zwischen Rumaenien und der Ukraine liegt. Hier herrscht zur Zeit ein Ex-Rote Armee–General als Vorsitzender der kommunistischen Partei Moldaus (PCRM), die ein Sowjetrelikt ist und demnach auch noch immer die Anbindung an Russland sucht.
Bei mehr Interesse ueber dieses Land und seine vielen Widersprueche, lasst es mich ueber die Kommentare wissen und es folgt bald eine Vorstellung des aermsten europaeischen Nachbarn und seiner Eigenheiten.

Die Demonstration sollte den Abschluss einer Aktionswoche bilden, in der Menschen aus mehreren Laendern wie unter anderem Weissrussland, Ukraine, Schweden oder Kasachstan an Workshops, Ausstellungen, Theater und Parties teilnahmen. Veranstaltet wurde das Ganze von GenderDoc-M, einer moldauischen NGO, die sich fuer die Rechte sexueller Minderheiten einsetzt.
Obwohl die Demo fruehzeitig bei den Behoerden angemeldet wurde, wurde sie nicht legalisiert, was hier heisst, dass eine Gruppe von maximal 50 Menschen demonstrieren darf und sich die Polizei nicht fuer deren Schutz verantwortlich erklaert. Mit Protest und auch mit Angriffen auf die Demo wurde gerechnet, weshalb alle Teilnehmer zusammen mit einem Reisebus ins Stadtzentrum fuhren und sogar ein privater Sicherheitsdienst engagiert wurde. Etwa zwei Wochen zuvor war bereits eine Fensterscheibe des Bueros eingeworfen worden.
Um 10h, eine Stunde vor Beginn der Demo fand in unmittelbarer Naehe eine Kundgebung der christlich-orthodoxen Kirche und auch anderer lokaler Gruppen “fuer die Familie und gegen Immoralitaet” statt, die natuerlich als direkte Mobilisierung gegen die GenderDoc-M Veranstaltung diente. So fanden sich um kurz vor elf sehr schnell rund 200-300 Leute zusammen, die den gerade angekommenen Reisebus, der mit 60 Menschen besetzt war, prompt umstellten und jegliches Aussteigen unmoeglich machten bzw. deutlich machten, dass der Versuch einer Demo mit Gewalt beantwortet werden wuerde. Es waren Menschen unterschiedlichster Couleur, die sich hier ‘couragiert’ einer bunten, freiheitsversierten Gruppe entgegenstellten. Zuerst fielen natuerlich die Verterter der orthodoxen Kirche auf, die mit hasserfuellten Gesichtern und viel Geschrei als erste eintrafen. Ihnen folgten Veteranen aus dem Afghanistankrieg, organisierte, pro-rumaenische Nationalisten und eine Gruppe von rechten Skinheads/Hools, die der “Noua Dreapta” (neue Rechte = rumaenisches Pendant der NPD) bzw. den “Legionaeren” (militante rumaenische Faschisten) zuzuordnen sind.
Der Reihenfolge der Aufzaehlung nach ist auch die steigende Agressivitaet des Auftretens einzuordnen.
Aber auch aeltere Frauen mit typisch moldauischen bunten Kopftuechern oder ganze Familien fanden sich ein um den “homosexuellen Suendern” Einhalt zu gebieten.

Nachdem der Bus und mit ihm die ganze Strasse blockiert war, und die Polizei ihre vorsaetzliche Passivitaet klar demonstrierte, wurde der homophobe Mob immer offensiver. Befluegelt durch die offensichtliche Vogelfreiheit der Businsassen und begleitet von rund 6 Fernsehteams begannen Vertreter aller anwesenden Gruppen, unterstuetzt durch neugierige sowie erlebnisluesterne Jugendliche, die beiden Bustueren (mithilfe einer Eisenstange..) aufzudruecken, gegen die Scheiben zu haemmern und versuchten, den Motor zu demolieren. Die Stimmung im Bus wurde immer panischer und Angst vor einer zunehmenden Gewalt liessen die Veranstalter alle Plakate und Schilder aus dem aeusseren Sichtbereich entfernen. Diese aengstliche Symbolik veranlasste die in einer Hetzstimmung aufgehenden Belagerer dann wohl dazu, im Austausch gegen eine “unversehrte Abreise” saemtliche Banner, Schilder und mitgefuehrte Moldau- sowie EU-Fahnen zu erpressen. Das einzige bunte Zeichen, was aus dem Bus nach draussen aufstieg, waren Luftballons in Regenbogenfarben, die jedoch von den Huetern der moldauischen Moral sofort mutig zerstochen wurden.

Letztendlich fuhr der Bus nach ca. 45 Minuten Belagerung, von Haemmern und Groelen verabschiedet, wieder ab. Noch nicht mal in das Buero der Organisation konnten die Teilnehmer sich fluechten, da dieses eine Viertelstunde spaeter von einem etwas kleineren, aber nicht minder hetzerischen sondern teils sogar vermummten Mob aufgesucht und fuer mehrere Stunden belagert blieb. Die zum groessten Teil von ausser Landes angereisten Teilnehmer der verhinderten Demo hatten sich schon zuvor in Kleingruppen aufgeloest.

Interessant ist hier auch noch einmal die Haltung des Buergermeisters von Chisinau, Dorin Chirtoaca, zu erwaehnen. Dieser, laut GenderDoc-M, frueher fuer eine Menschenrechts-NGO aktiv, ist Vertreter der liberal-demokratischen Partei, die als Opposition zur kommunistischen Landesregierung steht und bei keiner Gelegenheit vergisst, EU-Flaeggchen in der Stadt zu verteilen. Herrn Chirtoaca ist sehr an einer Anbiederung an EU-Staaten gelegen und sein Ziel ist es, Chisinau zu einer “europaeischen Hauptstadt” zu machen. Jedoch steht hier die heilige EU –sehr beispielhaft- anstatt fuer eine Entwicklung, rein fuer wirtschaftliche Strukturen und Macht. Und ein gewisses Prestige. Eine damit verbundene Entwicklung, also Pluralisierung der Gesellschaft und eine hoehere Achtung der Menschrechte wird nicht gewuenscht. Wie auch, wenn dies fuer die Koepfe der maechtigen EU kein Handelskriterium darstellt?

Trotz des unerwartet heftigen Protests und der Verhinderung einer Demo hat das Medienecho eine sehr breite Diskussion in der noch sehr konfomistischen Gesellschaft gefoerdert, die das letztendliche Ziel solcher Aktionen ist. In Presseberichten kommen Vertreter der Orthodoxen, der liberalen Partei und von GenderDoc-M gleichwertig zu Wort, was schon eine beachtliche Entwicklung widerspiegelt.

Chisinau ist uebrigens ein sehr huebsches und preiswertes Reiseziel. Und mit dem Bus nur etwa 36 Stunden von Berlin entfernt. Also:

Naechstes Jahr gemeinsam in Chisinau gegen Homophobie und fuer Freiheit demonstrieren.Grenzen haben wir schon zu viele um uns rum. Da koennen wir die zwischen den Menschen noch weniger gebrauchen!






Hier der Link zum TV-Bericht (auf rumaenisch):

 http://protv.md/stiri/social/parada-homosexualilor-planificata-pentru-astazi-a-starnit-proteste.html
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Ergänzungen

Mehr über Moldau

hau rein 20.05.2008 - 05:04
kann man beim "Moldova Camping" am 17. und 18. Juni im HAU 2 in Berlin erfahren.
(Filme, Kunst, Theater und Diskussionen)

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