Anschläge vor Treffen zw. Ibarretxe u Zapater

Ralf Streck 19.05.2008 22:23 Themen: Weltweit
Die baskische Untergrundorganisation ETA hat eine Offensive vor dem Treffen des spanischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero mit dem baskischen Regierungschef Juan José Ibarretxe morgen in Madrid gezündet. Die Autobombe wurde in Getxo (bei Bilbao) gezündet und sie hat den Marine-Club "El Albra" verwüstet. Die ETA hatte telefonisch vor der Bombe gewarnt, weshalb diesmal niemand verletzt wurde. Letzte Woche zerstörte eine Bombe eine Kaserne der Guardia Civil und tötete einen der Militärs.
Die ETA hat eine neue Offensive gestartet und der Anschlag auf den Edelclub ist kein Zufall. Hier finden oft Treffen zwischen Unternehmern und Politikern statt, zuletzt in der letzten Woche mit dem Chef der baskischen Sektion von Zapateros Sozialisten (PSOE). Sie wirft Zapatero und Ibarretxe vor, die linke Unabhängigkeitsbewegung mit Verboten ( http://de.indymedia.org/2008/05/216248.shtml), Repression ( http://de.indymedia.org/2008/05/217138.shtml) und Folter ( http://de.indymedia.org/2008/05/215664.shtml) "vernichten" zu wollen. Ibarretxe suche erneut ein Autonomieabkommen für drei der sieben baskischen Provinzen, um dessen Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) die Vorherrschaft in der "Autonomen Baskischen Gemeinschaft" (CAV) zu sichern. Letzten Mittwoch zerstörte die ETA mit einer Autobombe im baskischen Legutio eine Kaserne der Guardia Civil. Sie tötete einen Zivilgardisten und verletzte vier Beamten der Militäreinheit mit Polizeiaufgaben.

Seit acht Monaten fordert Ibarretxe von Madrid einen politischen Dialog ( http://de.indymedia.org/2007/10/197247.shtml), um ein Abkommen zu beschließen, das der Bevölkerung der CAV zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Erst kurz vor der Debatte im baskischen Parlament, erklärte sich Zapatero nun bereit, den Basken zu hören. Im Juni soll das Parlament Ibarretxe die Erlaubnis zu einem Plebiszit für den 25. Oktober ( http://de.indymedia.org/2008/01/204314.shtml) erteilen, falls es zuvor kein Abkommen mit Madrid gibt. Das soll von zwei Prinzipien bestimmt sein: Die "Ablehnung der Gewalt" und die Verpflichtung zum ausschließlichen Einsatz "demokratischer und politischer Mittel". Im Gegenzug soll Spanien den "Willen der baskischen Gesellschaft respektieren" und das Baskenland in der Verfassung anerkennen.

Gern wird behauptet, Ibarretxe strebe die Unabhängigkeit ( http://de.indymedia.org/2007/10/195732.shtml) an und wolle die Bevölkerung darüber abstimmen lassen. Tatsächlich geht es ihm um einen "doppelten Prozess des Dialogs und der Verhandlungen", der zum "definitiven Ende der Gewalt und zur Lösung des politischen Konflikts" führt. Diesem Prozess soll 2010 ein "politisch verbindliches" Referendum folgen, um die Beziehungen zwischen Spanien und den Basken neu zu regeln, nachdem die Autonomie in 30 Jahren in weiten Bereichen nie umgesetzt wurde.

Als Gesprächsbasis mit Zapatero dient Ibarretxe nun ein Dokument, dass 2006 während des gescheiterten Friedensprozess ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25472/1.html) ausgehandelt worden sei. Die PSOE und die PNV hatten sich in den Gesprächen mit der ETA und mit der verbotenen Partei Batasuna (Einheit/ http://www.heise.de/tp/r4/artikel/14/14389/1.html) auf gemeinsame Positionen verständigt, welche die ETA ablehnte. "Ich habe die fünf zentralen Punkte daraus ausgewählt und ich schlage vor, sie gemeinsam den Parteien und dem baskischen Parlament vorzulegen", sagt Ibarretxe.

Doch er stößt erneut auf Ablehnung in Madrid. Die PSOE behauptet, 2006 habe es nur einen unverbindlichen "Entwurf" gegeben. Ibarretxe solle erst einen Konsens im Baskenland erreichen, um Zeit zu gewinnen. Denn schon 2005 hatten die PSOE mit der Konservativen Volkspartei (PP) in Madrid den "Plan Ibarretxe" im spanischen Parlament abgeschmettert, die Bevölkerung über den "freiwilligen Anschluss" an Spanien abstimmen zu lassen. Der Plan, vom baskischen Parlament mehrheitlich verabschiedet ( http://de.indymedia.org/2005/01/103196.shtml), wurde nicht einmal zur Behandlung an die Verfassungskommission überwiesen. Anders wird wohl auch diesmal nicht ablaufen. Die Vizeministerpräsidentin María Teresa Fernández de la Vega lehnte Ibarretxes Pläne "kategorisch" ab. Sie bezeichnete das Plebiszit als "illegal", dass der zur Not auch ohne das Plazet aus Madrid am 25. Oktober durchführen will.

© Ralf Streck, Donostia den 19.05.2007
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Ergänzungen

Ende mit Lustig?

Paul 20.05.2008 - 09:04
Ja, wieder einmal haben sich die Berichte geändert. Lange wurde davon geschwafelt, die ETA sei am Ende und alsbald militärisch besiegt. Nun schreiben die gleichen Leute, sie habe eine potente Infrastruktur und mit schweren Anschlägen müsse jederzeit gerechnet werden.  http://www.elperiodico.com/default.asp?idpublicacio_PK=46&idioma=CAS&idnoticia_PK=511036&idseccio_PK=1008&h=

Mein Gott, wie lange werden wir diesen Schwachsinn noch ertragen müssen, bis Spanien wirklich zu effektiven Verhandlungen bereit ist, um den Konflikt zu lösen.

Genial ist auch, dass die ohnehin abgespeckte "Autofinanzierung" der Katalanen wieder gekippt werden soll. Nun wird die wirtschaftliche Situation angeführt. Gut, Katalanen und Basken sollen mal wieder dafür zahlen, dass die Spanier keine vernünftige nachhaltige Entwicklung hinkriegen und das Geld, auch die Milliarden aus der EU in den Säckeln zahlloser Politiker versickern und bestenfalls in Beton gegossen werden.

"Madrid" lehnt Volksabstimmung ab

http://www.euronews.net/ 21.05.2008 - 01:02
Madrid lehnt Volksabstimmung über baskische Autonomie weiterhin ab

Ein freundlicher Händedruck, aber keine Einigung: Die Fronten zwischen Spaniens Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero und dem baskischen Regierungschef Juan José Ibarretxe bleiben auch nach dem Treffen in Madrid am Dienstag verhärtet. Einer für Oktober geplanten Volksabstimmung über das Selbstbestimmungsrecht des Baskenlandes erteilte Zapatero eine Absage. "Die spanische Regierung wird keine Initiative unterstützen, wenn nicht zwei Bedingungen erfüllt sind", sagte Zapatero. "Zum einen muss das Baskenland zu einem Konsens finden. Alle Parteien müssen sich an der gemeinsamen Zivilgesellschaft beteiligen. Zweitens müssen alle Demokraten es als selbstverständlich sehen, dass jegliche Initiative sich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bewegt, die unsere Verfassung vorschreibt."

Zweieinhalb Stunden dauerte das Gespräch zwischen Zapatero und Ibarretxe. Der baskische Regierungschef beklagte, dass sich Madrid einer Lösung des Basken-Konflikts verschließe: "Es ist nicht akzeptabel, dass Zapatero zwar mit der ETA bestimmte Dinge verhandelt, aber nicht mit einem Regierungschef, einem legitimen und demokratischen Vertreter, den die Bürgerinnen und Bürger des Baskenlandes gewählt haben." Wenige Tage zuvor hatte die ETA ihren vorerst letzten Anschlag verübt: vor einem Jachtklub in der nordspanischen Küstenstadt Getxo. Wie Ibarretxe kämpft auch die Separatistenorganisation für ein unabhängiges Baskenland - allerdings nicht mit demokratischen Mitteln, sondern mit Gewalt.

Studenten stürmen Uni in Bilbao

Paul 21.05.2008 - 08:16
Etwa 200 Studenten haben gestern die Uni in Bilbao gestürmt, um gegen die Repression gegen sechs Studenten zu protestieren, die im Rahmen von Protesten gegen Bologna angeklagt wurden. Es kam zu einer heftigen Schlacht, wie hier zu sehen ist.  http://www.eitb24.com/multimedia/audios/es/sociedad/2008052013204711/Momento-de-los-incidentes-registrados-en-la-UPV/

Angeblicher ETA-Chef verhaftet

Ralf 21.05.2008 - 08:49
Wieder einmal soll der ETA-Chef verhaftet worden sein ( http://www.gara.net/paperezkoa/20080521/78746/es/Arrestados-cuatro-presuntos-militantes-ETA-Burdeos). Mit
Francisco Javier López Peña sind in Bordeaux gestern Nacht drei weitere
mutmaßliche ETA-Mitglieder verhaftet worden, die sicher in der Organisation
zum Teil einiges Gewicht hatten. Doch in der ETA gibt es keinen Chef, weshalb man die Organisation (anders als die PKK zum Beispiel) auch nicht "enthaupten" kann, wie in immer wiederkehrenden Stellungnahmen zu hören ist.

Komisch ist zum Beispiel, dass unter den Verhafteten nicht Josu Urrutikoetxea, der bisher stets als ETA-Chef gehandelt wurde. Lopez Peña wurde erst seit dem letzten Sommer als angeblicher ETA-Führer aufgebaut. Es handelt sich bei den Verhafteten wohl um Führer des politischen Apparats der ETA und nicht aus dem militärischen Apparat (Waffen und Sprengstoffe wurden, bis auf die vier Pistolen der Verhafteten, nicht gefunden). Peña soll auch an den Verhandlungen mit den Sozialisten teilgenommen haben und es könnte sein, dass es ihm wie Mikel Albisu (Antza) erging, an dessen Fersen sich die Sicherheitskräfte nach den Verhandlungen 1999 gehängt hatten, es gelang ihm aber, anders als den übrigen Verhandlungsmitgliedern, der Verfolgung etliche Jahre zu entkommen. Dass er kurz vor einem neuen Friedensprozess verhaftet wurde, war ein schlechtes Zeichen und zeigte an, dass der Friedenswillen der spanischen Sozialisten nur sehr begrenzt war.

Jedenfalls dürfte auch mit diesen Verhaftungen die Bereitschaft der ETA geringer werden, sich wieder an einen Tisch zu setzen und sicher wurde die Gruppe geschwächt, die Verhandlungen vorangetrieben haben. Man darf bei solchen Verhaftungen auch davon ausgehen, dass die Leute schon länger unter Kontrolle standen und nach den neuen Anschlägen nun Medienwirksam verhaftet wurden, um Effektivität zu zeigen.

Trotzdem wird diesmal nicht posaunt, die ETA sei am Ende und alsbald militärisch besiegt. Nach den letzten Anschlägen heißt es vielmehr, sie habe eine gut ausgebaute Infrastruktur und mit schweren Anschlägen müsse jederzeit gerechnet werden.

Siehe auch

Ralf 21.05.2008 - 10:02