Rostock: Neuigkeiten aus der 'Frontstadt'

Red_Angel 08.05.2008 21:30 Themen: Antifa
Vom Verfassungsschutz, der Offensive der Nationalen Sozialisten Rostock, einer Spontandemo anlässlich des 8. Mai, der erste Mai in Hamburg und warum 'national befreite Zonen' (beinah) irrelevant sind...
Der neue Verfassungsschutzbericht ist da und alle sind gespannt auf das Ergebnis. Hat sich die Arbeit im letzten Jahr gelohnt? Würdigt der Verfassungsschutz die Aktivitäten der verschiedenen Antifagruppen in MV in ausreichendem Maße?
Insbesondere Rostocker Antifaschisten verschlangen gierig das 'offizielle' Arbeitszeugnis. Der Kampf gegen den Rostocker Naziladen wird erwähnt, aber zu einer Sonderausgabe hat es (noch) nicht gereicht. 50 Autonome soll es seit letzem Jahr in MV mehr geben - immerhin ein Anfang, jetzt sind es schon 150. Sollte der Zuwachs anhalten wird man in fast 20 Jahren die Neonazis eingeholt haben. Es besteht also allen Grund zur Hoffnung.
Für die heimliche Hauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns scheinen bereits rosige Zeiten angebrochen zu sein. Man erreichte nicht nur bundesweit Aufmerksamkeit, sondern auch einen signifikanten Zustrom zur linken Szene. Schwierig dagegen die Stärke der Neonazis einzuschätzen. Zwar herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass man in der Hansestadt allenfalls von vereinzelten organisierten Neonazis sprechen kann und auch das Mobilisierungspotential der Neonazis zu den ECC-Demos ließ stark zu wünschen übrig. Dennoch gab und gibt es zahlreiche mahnende Stimmen. Denn weder ist der Neonaziladen bisher weg, noch ist Rostock weit davon entfernt eine linke Hochburg zu sein.
Ausgerechnet die Naziszene sieht Letzteres völlig anders. So tauchten jüngst Aufkleber auf, auf denen die 'Nationalen Sozialisten Rostock' verkünden: "Antifa es ist soweit - Wir holen uns unsere Stadt zurück". Dies ist bemerkenswert, schließlich wurde Rostock immerhin zur Frontstadt erklärt, eine Stadt also die unter keinen Umständen fallen darf. Glaubt man den Nazis ist dies offensichtlich bereits geschehen. Die rechten Kämpfer scheinen aber nun zum alles entscheidenden Kampf auszurücken. Erst kürzlich marschierte ein Dutzend wackerer Volksgenossen blitzschnell des nächtens durch die Innenstadt. Auch zum 8. Mai verklebten sie wieder zahlreiche Flyer, waren aber sonst am 'Tag der Schmach' nicht gesehen.
Derweil demonstrierten annähernd 100 Antifaschisten durch die Innenstadt. Mehr als eine Stunde zog die Demonstration, von der Polizei weitgehend unbehelligt, durch die Straßen. Nur am 'East - Coast - Corner' wurde die Polizei etwas hektisch als der Pulk die Doberaner Straße herrunterstürmte. Es blieb jedoch alles friedlich und somit bestand kein Grund zur Besorgnis.
Sorgen müssen sich die Nazis dagegen insgesamt machen. Allein in Hamburg am 1. Mai gab es mehr Gegendemonstranten als auf allen Nazidemos bundesweit zusammen. Nachdenklich müsste die Szene eigentlich auch stimmen, dass es ihnen offensichtlich in Hamburg nicht gelungen auch nur annähernd eine erfolgreiche Demonstration zu veranstalten.
Allein bereits die Anreise: Die die mit Bahn kamen, mussten vorher aussteigen, weil Unbekannte Feuer auf dem S-Bahnnetz gelegt hatten. Die die mit Autos kamen, konnten teilweise nur den Totalverlust ihres 'Volkswagens' konstatieren, während Busreisende zur Rückfahrt ein Bahnticket lösen mussten. Bei der Demonstration ging es der Polizei nur noch darum die angereisten Rechtsextremisten in Richtung des nächsten Bahnhofes zu verfrachten. Wäre die Abreise auch von vor Ort möglich gewesen, die Nazis wären vermutlich kein Stück gelaufen.
Sicher diese taktischen Erfolge sind vor allem auf eine völlig überforderte Polizei zurück zu führen, jedoch stellt sich auch grundlegend die Frage wie erfolgreich Neonazis insgesamt sind.
Auch nach jahrzehntelanger Kaderarbeit will sich der Erfolg im Westen nicht so recht einstellen. Erinnert sich noch jemand an den Beginn der 90er Jahre, als u.a. nach den Krawallen in Rostock - Lichtenhagen Befürchtungen laut wurden, dass das IV. Reich unmittelbar bevor steht? Im Westen zieht die Linkspartei in ein Landesparlament nach dem anderen ein und die neofaschistische Parteien stehen beleidigt im Abseits. Ohne Frage die Erfolge der NPD in Sachsen und M-V dürfen nicht übersehen werden - aber wie relevant sind sie? Nach jeder Wahl das gleiche Spiel - Elendstourismus in die Gemeinde mit den höchsten Anteil an NPD-Stimmen. Doch man macht sich weniger Sorgen um die Ausbreitung faschistische Gedankengutes. Der Grundtenor der Berichte: "Was für Verlierer!". Der Stimmenanteil NPD ist mittlerweile zu einem recht guten Gradmesser geworden für die Trostlosigkeit einiger Regionen. Wo die NPD gewählt wird, sitzen die Verlierer, die Abgehängten, die Vergessenen.
Ist diese Feststellung eine Verharmlosung? Vielleicht, aber man muss zugeben, dass die Neonaziszene schon lange keine Dynamik mehr erzeugen kann. Stattdessen äfft man linken Lifestyle und linke Parolen hinterher. Wohl das deutlichste Eingeständnis, dass mit originärer 'nationaler Politik' nichts mehr zu reißen ist. Zwar dominieren Neonazis immer noch große Teile in Mecklenburg - Vorpommern, aber es sind eben genau jene Teile, aus denen jeder möglichst schnell weg will. Was dort übrig bleibt, ist gesamtgesellschaftlich schlicht irrelevant. Inzwischen hält sich sogar die Entrüstung in Grenzen, wenn es Vorschläge gibt, ganze Dörfer niederzureißen, weil dort die Instandhaltung der Infrastruktur kaum noch lohnt. Denn mittlerweile haben viele insgeheim begriffen, dass es Zonen gibt in Ostdeutschland wo eh nichts mehr zu retten ist. Für die Leute dort mag dies verheerend sein. Für Nichtrechte Jugendliche besteht dort auch zuweilen Gefahr für Leib und Leben.
Aber lohnt sich tatsächlich ein Kampf um diese von der Gesellschaft bereits mehr oder weniger offen aufgegebenen Gebiete? Natürlich lohnt sich antifaschistischen Engagement an allen Orten immer und überall, aber um jeden Preis? Die These mag vielleicht provokant sein, aber in diesen Gebiete ist solche Arbeit schlicht Perlen für die Säue.
Die hippen Leute ziehen eh über kurz oder lang in Stadt, zum Beispiel nach Rostock. Und hier war heute aus 100 Kehlen zu vernehmen: "Hier regiert die Antifa!" Und im Buch zur Geschichte des ECC ist auch noch längst nicht das letzte Wort geschrieben...



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Limo Antifaschistische Jugendliche aus Rostock

A3 - Antifaschistische Gruppe Rostock
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Ergänzungen

Hallo?

ich 08.05.2008 - 22:16
Was soll das denn für eine Analyse sein? Wer sich über Nazis lustig macht, sollte auch nicht vergessen, was für eine ernste Gefahr sie sind - und 60.000 Stimmen für die NPD in MV abzutun, ist schon eine große Verdrängungsleistung. Von der falschen Bagatellisierung der Nazi-Szene in Rostock mal abgesehen...

jaja....

anita 08.05.2008 - 22:19
diese aktion zum 8.mai wurde immer noch von anita organisert also würde ich es sehr begrüßen wenn auch unsere adresse genannt wird....

www.anitaRostock.blogsport.de

thx...

anita? flashmob? sponti?

meckerkopp 08.05.2008 - 22:53
moin anita....


man mag fast meinen die anitagruppe wurd im beitrag vergessen....

aber eine gruppe names anita, die einen "spontanen" flashmob am 8 mai 2008 ohne jegliche inhaltlichen punkte bzw hintergründe macht und sie wochen vorher in der szene bewirbt, kann man gar nicht so wirklich ernst nehmen. sorry

genau-so-gut kann man der gruppe anita keine 100 mann/frau/transgender zusprechen, weche dort teilgenommen haben sollen, obwohl nur ca 40-max 50 leute auf dem foto zu sehen sind.

trozdem BIG UP! :)

^^

du und ich... 08.05.2008 - 23:44
jaja immer alles schlecht reden...
ja vll kann man auf dem foto nur 50 leute erkennen aber das waren definitiv 100 leute, vor allem sind immer welche dazu gekommen oder wieder abgehauen weil sie z.B zum Vortrag in der anderen buchhandlung gegangen sind....
wieso haben dir die inhalte gefehlt?? hast nicht zugehört bei der Rede?? Thema war 8.mai befreiung... erst kurze geschichtliche erläuterung, dann bissl was was nach'm krieg war und dann was zu den heutigen problemen etc...
naja wochenlang angekündigt... es lagen 20 -30 flyer aus und 2 dina4 zettel... ^^



Sorry...

Red_Angel 08.05.2008 - 23:54
Anita wurde tatsächlich 'nur' vergessen. Danke für den Hinweis.

Bzgl. Teilnehmerzahl:

Handzählungen ergaben in der Kröpeliner Straße 90 Personen. Allerdings befanden sich viele Antifas nur im Umfeld der Demo. Zusätzlich schlossen sich noch einige Jugendliche der Demo an und somit ist diese Zahl zutreffend.

P.S.

Das nächste mal: Vielleicht hätten sich ja nochmehr Leute der Demo angeschlossen, wenn in der letzten Reihe nicht ein Haufen "Punker" rumgerannt wären. Spaß haben ist ja alles schön und gut, aber auf eine Handvoll "Genossen" die eine Demo lediglich als willkommenen Anlass für ein Bierchen nehmen, kann ich getrost verzichten.

Der Text enthält eine sehr schöne These!

ja 09.05.2008 - 03:04
nämlich jene das die antifaschistische bewegung stark im aufwind ist! der nazi wanderzirkus verliert stark an teilnehmern und frequenz. zwischen autonomen nazis und npd wird es zum bruch kommen. unser potential auf der strasse nimmt zu. in hamburg wurden sie nach hause geschickt. und selbst wen sie ihre marginalen erfolge feiern (demo durchgesetzt, journalisten verprügelt) sie hatten keine busse mehr, keinen handyticker, aber 5 stunden verspätung, usw. usw. abseits von dreseden gibt es kaum noch nazi demos die über die 1000ender kommen. keine frage die erfolge der npd mahnen uns zur vorsicht. aber das völlige versagen der npd im westen (und teilen des ostens) und der zustrom zur linkspartei bezeugen unsere erfolge. obwohl ich damit nie gesgat habe das die linkspartei was tolles ist! also mädels/jungs/transgender: sich auch mal an den erfolgen freuen! und für ein doppelt so mieses 2008 (für alle nazis und ihre helfershelfer!)

Presse

Red_Angel 09.05.2008 - 11:13
Nordeutsche Neueste Nachrichten, S.15 Regionalteil erste Seíte:

Aufmarsch gegen Nazis
Rostock (NNN) Rund 70 Jugendliche, die dem linken Spektrum zugerechnet werden, versammelten sich gestern Abend auf dem Neuen Markt, bevor sie durch die Stadt über den Doberaner PLatz in Richtung Stadthafeb marschierten. Ihr MOtto anlässlich des 8. Mai "Nazis Raus!". Wie ein Polizeisprecher sagte, verlief der Aufmarscham Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht friedlich. Vorbeugend war die Polizei mit rund 20 Beamten im Einsatz, um Präsenz zu zeigen.

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Dazu sollte jedoch noch erwähnt werden, dass die Demonstration vor dem Neuen Markt am Kröpeliner Tor startete und via Kröpeliner Straße (Haupteinkaufsmeile Rostock) dorthin gelangte.

Ansonsten ist sicher kritisch anzumerken, dass die Teilnahme der 'alten Hasen' tatsächlich zu Wünschen ließ, jedoch sollten die Ursachen vor Ort diskutiert werden und nicht auf indymedia...

wenn schon

denn schon 09.05.2008 - 15:18
bei den losern gehts ab:
 http://youtube.com/watch?v=p-z-zP-Snb0

Schlechte Arbeit

revolutionärer Antifa 09.05.2008 - 17:27
Aus meiner Sicht, ist es ganz schlechte Antifa - Arbeit, wenn die Marginalisierten und sozial Entrechteten (die Kapitalismusverlierer)sich selbst überlassen werden, oder noch schlimmer verhöhnt werden. Dann kann Mensch ja gleich Mitglied eines asozialen Berliner PDS-Senates werden. Gerade in Zeiten zunehmenden Sozialabbaus haben Antifaschisten sich auch sozial zu engagieren, um autoritären faschistischen Kräften das Wasser abzugraben, deren Lösung der kapitalistischen Dauerkrise die Entfesslung sozialdarwinistischer Gesellschaftsstrategien ist! Aber leider haben auch viele Antifas nichts aus der Geschichte gelernt.
Denn die Formel Rot = Braun, die uns schon in der Schule (mittels Totalitarismusthese) eingeimpft wurde ist schlicht gelogen. Nicht nur die SS rekrutierte sich aus Söhnen "bester" Bürgerfamilien. Deutsche Kapitalisten verdienten an den mit den Nazis organisierten Massenmord prächtig und wurden von diesen National"sozialisten" in keiner Weise enteignet. Bella Ciao!

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ja hauser — genau

@ Rotengel — fuckspalter

NBZ zu Nationalparks? — Baubiber

nur schlechtrederei — röbel-riot

Urbanität — Sister

Aha! — ich