Tübinger Mayday-Parade 2008: Bericht und Foto

Fast wäre sie im Regen untergegangen, die Tübinger Mayday-Parade für Globale Soziale Rechte 2008... im letzten Jahr hatte die Sonne vom Himmel gelacht, dieses Jahr fing es mittags zu schütten an, glücklicherweise verzog sich der Regen während der Auftaktkundgebung ab 18 Uhr und es stießen auf dem Weg von der Südstadt in die Innenstadt dann noch einige Hundert Leute zu den anfänglichen knapp 200 etwas durchnäßten aber unverwüstlichen Mayday-Begeisterten hinzu, die sich pünktlich an der Panzerhalle im französischen Viertel gesammelt hatten.

Los gings im Regen um 18 Uhr mit Hip Hop von den PA Rockers, einem Redebeitrag der MAYDAY-Vorbereitungsgruppe zum Motto „Für Globale Soziale Rechte“ und den Inhalten der Parade.

Grüße gingen auch an die vielen anderen (Euro-)Mayday-Paraden und Demonstration ( http://www.euromayday.org/)

Neben Soundwagen und Getränkewagen war dieses Jahr ein (gemieteter) Bus des Tübinger Linienverkehrs dabei – als Auftakt der Kampagne „Nulltarif im Stadtverkehr!“ der Tübinger Gruppe ZAK – mit der Forderung: „Tübingen fährt blau! Nulltarif im Stadtverkehr! Kostenlose soziale Infrastruktur für Alle! Kohlendioxid nix gut!“

Mit kleinen Handwagen und „Walking Acts“ beteiligten sich unter anderem die Tübinger YA Basta-Gruppe (zapatistischer Kaffee und Infomaterial), ein „Hanfwägele“ (Infos zu Cannabis, dessen Kriminalisierung und Forderung nach Legalisierung), die Tübinger Greenpeace-Gruppe (mit Gen-Mais- und Bio-Mais-Anzügen), ein kleines fahrendes Haus der Tübinger Mietshäusersyndikatsprojekte ( http://www.syndikat-tuebingen.de) und das Segelprojekt Migro Birdo ( http://de.indymedia.org/2007/09/193418.shtml) mit einem Miniatursegelschiff an der Parade. Und einige sehr agile rebellische Clowns waren auch dabei...

Von der Panzerhalle setzte sich die Parade dann zur Musik von DJ Baptist, DJ Albenca, DJ Jah Hops und MC Double J in Bewegung.

Die erste Installation war vor den Stadtwerken Tübingen die Errichtung eines stinkenden Kohlekraftwerks – denn die Stadtwerke Tübingen, die sich so gerne ein „grünes Image“ geben (und den grünen Tübinger Oberbürgermeister Palmer im Aufsichtsrat sitzen haben), planen sich am Neubau eines Steinkohlekraftwerks in Brunsbüttel zu beteiligen. Sarkastisch wurde bei dieser Installation, wie auch bei der Kampagne "Tübingen fährt blau! Nulltarif im Stadtverkehr!" Bezug genommen auf die neue offizielle Klimaschutzkampagne der Stadt Tübingen und ihres grünen Oberbürgermeister mit dem Motto "Tübingen macht blau" ( http://www.tuebingen.de/pressemitteilungen/25_24759.html).

Der erste längere Halt der Parade fand an der Apotheke am Sternplatz statt, wo [solid] Tübingen-Reutlingen ( http://tuebingen.solid-sds.de/gruppe/sds) ein kurzes Theaterstück zur Kritik an Arzneimittel-Patenten der großen Pharmakonzerne und der Forderung nach dem Recht auf Generika zur Sicherstellung der Gesundheit in armen Ländern aufführten.

Vorbei ging es dann am Wohnprojekt Ludwigstrasse 15 ( http://www.lu15.de/), wo letztes Jahr der Widerstand gegen die Räumung inszeniert wurde – dieses Jahr konnte dort vorbeigefeiert und gratuliert werden, weil der Erhalt der Lu15 inzwischen geschafft ist (Direktkredite werden gerne noch angenommen)!

Kurz hinter der Lu15 hielt die Parade vor „Kaufland“. Betroffene des Containerprozesses überreichten Kaufland eine goldene Mülltonne mit Stacheldraht, für den Versuch, das Sammeln von noch brauchbaren Nahrungsmittel aus ihren Mülltonnen zu kriminalisieren (Bericht hierzu unter:  http://de.indymedia.org/2007/12/202357.shtml), im Rahmen dieser Verleihung der goldenen Mültonne wurden Überproduktion und globale Nahrungsmittelknappheit thematisiert.

Auf der Blauen Brücke informierte die „Informationsstelle Militarisierung“ ( http://www.imi-online.de) über zivil-militärische Zusammenarbeit, während der gesamten Parade kennzeichneten AktivistInnen auf der Strecke befindliche „gefährdete“ Infrastruktur-Einrichtungen mit Plakaten.

An der Neckarbrücke/ Ecke Gartenstraße thematisierten Leute vom Sturm&Klang-Team ( http://www.sturmundklang.net) Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie.

In der Mühlstraße vor dem Bekleidungsgeschäft „Macho for Men“ und dem im Stockwerk darüber befindlichen Sex-Shop wurde die Inszenierung „Rebellion am Geburtskanal“ aufgeführt. Ein Stück zu Musik, in dem Babys zur Welt kommen, zu Jungs oder Mädchen erklärt und sozialisiert werden, wobei Arzt, Pfarrer, Engel und ein weder/noch-Baby auftreten und ein Babyaufstand gegen Zweigeschlechtlichkeit die Performance gegen alltäglichen Sexismus, gegen Homophobie, Transphobie und Zweigeschlechtlichkeit schließlich auflöst.

Auf dem Geschwister-Scholl-Platz vor der Neuen Aula in der Wilhelmstraße gab es einen Beitrag des AK Freie Bildung zum Dreigliedrigen Schulsystem, ungleichen Bildungschancen, Auswahl, Aussiebung, Ungleichheit. Und es wurde zum Schulstreik aufgerufen (siehe:  http://de.indymedia.org/2008/04/214926.shtml)

Am Eingang zurück in die Altstadt wurde in der Schmiedttorstraße die Parade durch Grenzbeamte und eine Stoff-Mauer in zwei Seiten unterteilt – wobei die Mauer mit Anleitungen zum Niederreißen und Überwinden beschriftet war... und schließlich ein an Luftballons befestigtes Transparent mit der durchgestrichenen Festung Europa in den sich langsam verdunkelnden Abendhimmel flog...

Gegen 22 Uhr trat dann auf dem Haagtorplatz wie schon im letzten Jahr der Tübinger Bloch Chor auf. Und nach der offiziellen Beendigung der Parade, ergriff erneut ein „Burschenschafter“ das Mikro und warnte die Anwesenden davor, sich dieses Jahr wieder auf die Route der Burschenschaften zu setzen und sie an ihrem Weg zum Maisingen zu hindern, so wie das letztes Jahr geschehen war...

Trotz des anfänglichen Regens und ein paar technischer Schwierigkeiten war die Tübinger Mayday-Parade wieder eine schöne Veranstaltung, hat Spaß gemacht, zum Tanzen angeregt und zu verschiedenen politischen Themen Stellung bezogen.

Hinsichtlich des schlechten Wetters bleibt die Frage, wie viele Teilnehmende es wohl geworden wären, wenn wie letztes Jahr die Sonne vom Himmel gestrahlt hätte – und die Feststellung, dass es dann doch noch einiges mehr Spaß gemacht hätte – auch und gerade beim Zugucken und Sich-Einlassen auf die politischen Theaterstücke und Performances.

Wenn Ihr weitere Fotos habt, bitte stellt sie als Kommentare zu diesem Artikel!


Bericht und Fotos von der Tübinger Mayday-Parade 2007 unter:
 http://germany.indymedia.org/2007/05/175163.shtml
und
 http://germany.indymedia.org/2007/05/175185.shtml