Aktionstag in Glinde

Bärbel 27.04.2008 15:40 Themen: Freiräume
Am Samstag, den 26.04.2008, fand ein Aktionstag für ein selbstverwaltetes Zentrum in Glinde statt.
Aktionstag in Glinde!

Am 26.04.2008 fand in Glinde ein „Tag des zivilen Ungehorsams“ statt. Ziel des Tages war es, die Forderungen nach einem autonomen Jugendhaus erneut zum Thema zu machen, und den Bürgermeister unter Druck zu setzen. Auf dem zentralem Marktplatz wurde ein "autonomes Wohnzimmer", mit Sofas, Sitzkissen, Tischen, Wasserpfeife, Fernseher, Lampen u.v.m. aufgebaut. Von hier aus starteten mehrere Nerv-Aktionen. Mit Schildern versehene Menschen machten ihre Forderungen nach einem selbstverwaltetem Zentrum sichtbar. Des Weiteren wurden Flyer verteilt, die Forderungen über ein Megaphon verbreitet, die Läden um den Marktplatz herum gestürmt und zum Teil boykottiert. Nach einem leckerem Mittagessen, folgte dann noch eine Spontan-Demonstration durch Glinde.

An diesem Protest beteiligten sich rund 55 Leute. Leider wusste die Polizei von dem Aktionstag. Ein unbekannter hatte einen alten, nicht überarbeiteten Mobilisationsflyer ins Internet gestellt. Die OrganisatorInnen möchten sich von dieser „Dummheit“ distanzieren und fordern den- oder diejenige auf, sein/ihr Handeln nochmals zu überdenken. Obwohl die Polizei das Konzept kannte, agierte sie deeskalierend und ruhig. Eine Live-Band [organisiert vom Kultur Verein Glinde e.V.] unterstütze die Jugendlichen spontan in ihren Forderungen, mittels einer kleinen, aber trotzdem erfreulichen Rede. Die örtliche CDU provozierte unterdessen mit einem Infostand und drohte den anwesenden Musikern mit einem Auftrittsverbot in Glinde. Die Partei-Kader versuchten die BürgerInnen gegen die Jugendlichen aufzuhetzten, sie wurden für angebliche Schmierereien und Wahlplakat-Zerstörungen beschuldigt. Höhepunkt dieser Provokation war, dass der CDU Vorsitzende Dr. Ralf Reck Jugendliche mit Schildern („Für ein autonomes Jugendzentrum!“) als asoziale, arbeitslose Stinker beschimpfte, und sie tätlich angriff [ Zitat Reck : „In Berlin oder Hamburg könnt ihr sowas machen, aber hier nicht. Hier sind wir. Glinde ist CDU!“]. Trotz dieser CDU-Hetze wurden erfolgreich Spenden und Unterschriften für ein selbstverwaltetes Jugendhaus gesammelt. Auf der Spontandemonstration kam es zu Angriffen von vereinzelten Unbekannten, welche die Jugendlichen mit harten Birnen, Äpfeln und faulen Tomaten bewarfen.

Hier ein Flyer, der u.a. am Infostand an die BürgerInnen verteilt wurde :

Platz für die Jugend? Nicht in Glinde!

Was läuft hier bloß schief in der jungen Stadt im Grünen? Neues Wohngebiet, neuer Marktplatz, neues Seniorenheim, neue Regierung, aber immer noch kein Platz für die Jugend!

Wir wollen etwas ändern! Es ist inakzeptabel für uns, dass es in Glinde keine Räumlichkeiten gibt, in denen wir lernen eigenverantwortlich Projekte miteinander und füreinander zu planen und durchzuführen. Deshalb sind wir heute hier, um unsere Forderungen, in Form von kreativen Aktionen, Ausdruck zu verleihen.

Seit 2006 gab es in Glinde die „libertäre Jugendinitiative Glinde“(LJG) die sich in Verhandlungen mit der Stadt und ihrem Bürgermeister für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum einsetzte. Die Bitte ein Jugendbeirat für Glinde ins Leben zu rufen wurde an den Bürgermeister herangetragen und kurz darauf auch schon abgelehnt mit der Begründung, dass es schon genug Jugendbeteiligung gäbe.

Die Mitglieder der LJG wollten allerdings nicht aufgeben und entwickelten ein Konzept für ein Jugendzentrum. Dieses wurde mal wieder kurzerhand abgewiesen, mit der Begründung es sei nicht wirtschaftlich. Jugendzentren sind nicht auf wirtschaftlichen Gewinn ausgelegt, sonder sie haben den Sinn und Zweck Jugendlichen Räumlichkeiten zu geben in denen sie Veranstaltungen wie Partys, Konzerte, Vorträge, Diskussionen u.v.m. machen können; und zwar unabhängig davon, ob sie eine Kaution zahlen können, die Öffnungszeiten passen, sie dort willkommen sind oder aber ob sie in das System passen. Die Spinosa in Glinde ist nicht auf alle Jugendlichen ausgelegt, hier dürfen zu bestimmten Zeiten nur bestimmte Altersgruppen hinein.

Nach weiteren hoffnungslosen Versuchen mit der Kommunalpolitik und dem Bürgermeister zu sprechen, haben sich einige Jugendliche dazu entschlossen, ein Haus zu besetzten. Dieses sollte die Politik als Signal dafür sehen, dass es wirklich dringend ist, dass etwas getan wird. Dies fand auch der Bürgermeister, aber er dachte nicht daran, dass etwas für die Jugendlichen getan wird, nein, lieber gegen sie! Die Kommunalpolitik und der Bürgermeister isolierten die LJG von der Politik und Stadtverwaltung, indem sie der LJG den Dialog verweigerten. Der damit einhergehende Rausschmiss aus allen städtischen Räumlichkeiten unterband gezielt die Kommunikation innerhalb der Gruppe und somit ihre minimalste Arbeitsgrundlage.

Nach langem Warten und der Solidarisierung einiger Jugendarbeiter der angrenzenden Kommunen, die Grünen (Ortsverband Glinde) und verschiedenen glinder Bürgern, wurde der Druck auf die Politik so groß, dass sie die Gespräche wieder aufnahmen. Die Mitglieder der LJG mussten allerdings einige so genannte „politischen Spielregeln“ unterschreiben, damit sie von der Politik wieder „anerkannt“ werden. Darauf folgte ein Versuch der Stadtverwaltung die LJG in die Spinosa zu integrieren. Hier wurde aber schnell klar, dass trotz Aktivitäten der LJG kein Handlungsfreiraum entstehen würde – nach kurzer Zeit wurde ohne Angabe von Gründen der Schlüssel für die Örtlichkeiten wieder eingezogen und somit auch die Zusammenarbeit beendet.

Nach vielen aussichtslosen Versuchen der LJG mit der Stadt auf ein selbstverwaltetes Jugendzentrum hinzuarbeiten, hat die LJG dies aufgegeben und sich aufgelöst. Weiterhin beschäftigt sich die Stadt lieber mit der sinnlosen Umgestaltung des Marktes für min. 2 Millionen Euro, anstatt das Geld in die wesentlich wichtigere Jugendarbeit zu investieren.

Trotz der Auflösung der LJG haben einige Jugendliche es nicht aufgegeben für ein selbstverwaltetes Jugendzentrum zu kämpfen. Dies wurde erst vor kurzem wieder sichtbar als eine Gruppe Jugendlicher ihren Forderungen nach Freiräumen durch ca . 20 Transparente, die in Glinde aufhängt wurden, deutlich machte.

Sind Sie auch der Meinung, dass in Glinde zu wenig Platz für die Jugend ist? Dann bekunden Sie Ihre Solidarität und rufen sie den Bürgermeister Uwe Rehders an: 040/71002-501 !!!

Die obdachlosen Jugendlichen


Die OrganisatorInnen bewerten den Aktionstag als erfolgreichen 1. Schritt. Weitere Schritte werden folgen. Sie bedanken sich des Weiteren für die beispielhafte Mitarbeit der Anwesenden, ohne die der Tag nicht eine so flüssige und lautstarke Eigendynamik hätte entwickeln können!

Für ein „autonomes Zentrum Glinde“! Für Selbstverwaltung überall!
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Ergänzungen

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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jib — jib

schöne aktion — Willi

Fotos — Frosch