Antirassistische Aktion bei der AWO Berlin

Freya Fluten 27.04.2008 09:31 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
Am Samstag den 26. April besuchten eine Handvoll AktivistInnen die AWO Berlin Mitte, die im Wedding eine Werbeveranstaltung machte, um neue Mitglieder zu gewinnen. Ziel der Aktion war es, auf die Lagerpolitik der AWO Mitte hinzuweisen. Denn die AWO betreibt nicht nur zwei Flüchtlingslager in Berlin und ist einer der Hauptprofiteurinnen des staatlichen Rassismus, sondern sie betreiben mit dem Lager Motardstr. auch das erste heimliche Abschiebelager der Stadt. Es entstanden kontroverse Diskussionen mit den MitarbeiterInnen, eine mobile Ausstellung verdeutlichte die Kritik an den Lagerbedingungen.
„Der AWO Kreisverband Mitte e.V. ist einer der großen Träger sozialer Arbeit in Berlin. Wir bieten […] vielfältige und umfassende soziale Dienstleistungen.“ *

Eine dieser vielfältigen Dienstleistungen der AWO- Mitte ist der Betrieb zweier Flüchtlingsunterkünfte in Berlin. Eine befindet sich in Treptow-Köpenick und seit 1989 eine in der Motardstraße in Spandau. In der Regel werden Flüchtlinge, die in die Bundesrepublik kommen und einen Asylantrag stellen, für die ersten drei Monate in solchen Unterkünften untergebracht. Zu diesem Zweck wurde das Lager in der Motardstraße ursprünglich eingerichtet. Aufgrund der zurückgehenden Flüchtlingszahlen sind viele der Mehrbettzimmer leer. Dank des Ideenreichtums der Betreiberin kam es, dass mittlerweile auch Flüchtlinge, die sich bereits in einer eigenen Wohnung eingerichtet hatten, von den Bezirksämtern in die Motardstraße eingewiesen werden.
In der Motardstraße leben Kinder, Jugendliche und Erwachsene, isoliert von der Mehrheitsgesellschaft, im Industriegebiet Spandau. Die Unterkunft besteht aus 5 Containerbaracken mit jeweils 125 Plätzen. Hier werden Haustiere in Form von Kakerlaken gratis mitgestellt. Dazu kommen defekte Toiletten, die teilweise nicht abschließbar sind. Für das leibliche „Wohl“ sorgt die Firma Dussmann durch die Lieferung ungesunden Fertigessens. Die neue Bleibe gestaltet sich in Form von Mehrbettzimmern, die sich Flüchtlinge mit ihnen unbekannten und andere Sprachen sprechenden Menschen teilen müssen, was zu Spannungen unter den BewohnerInnen oder zu Depressionen führt.
In der AWO „haben sich […] Mitglieder als ehren- und hauptamtlich Tätige zusammengefunden, um in unserer Gesellschaft bei der Bewältigung sozialer Probleme und Aufgaben mitzuwirken und den demokratischen, sozialen Rechtsstaat zu verwirklichen.“ *
Während die AWO das Geld der belegenden Sozialämter erhält, bleiben den BewohnerInnen der Motardstraße 20€ Bargeld im Monat. Dass dieses Geld weder für die Inanspruchnahme rechtlicher Hilfe, noch für Fahrkarten, geschweige denn für kulturelle Ausflüge reicht, ist ja nicht das Problem der AWO. Deshalb verweisen MitarbeiterInnen der AWO engagierte Menschen, die Kritik an den beschriebenen Lebensbedingungen üben, vom Gelände. So beenden sie beispielsweise den Deutschkurs, wenn ehrenamtliche Lehrerinnen die Betroffenen über ihre Rechte aufklären. Zudem informieren sie die BewohnerInnen darüber, dass rechtmäßiges Eintreten für eine Veränderung der Bedingungen durchaus negative Folgen für sie haben kann.

„Die AWO ist […] aufgrund ihrer Geschichte und ihres gesellschaftspolitischen Selbstverständnisses ein Wohlfahrtsverband mit besonderer Prägung“*

Denn die AWO profitiert weiter von der Zwangsunterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in ihren Heimen, statt sich für eine Unterbringung in freigewählten Wohnungen einzusetzen. Sie beteiligt sich an einem System, dass den MigrantInnen ihre Unerwünschtheit vor Augen führen soll, und macht dies durch den verkommenen Zustand plastisch sichtbar!
Wir danken also speziell der AWO-Mitte, ihrem Vorsitzenden Manfred Nowak und allen MitarbeiterInnen der Motardstraße, der Firma Dussmann und den politisch Verantwortlichen auf Bezirks- und Landesebene!

Danke AWO!

Ohne die finanziell lukrative Ausnutzung der staatlichen Ausgrenzung von Menschen, wären wir heute nicht hier! Zuerst kommt der Profit, dann kommt der Mensch.

*Zitate AWO
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Ergänzungen

Dieses Jahr muss das letzte werden

Freimut Fluten 27.04.2008 - 19:56
Die AWO-Mitte hat eine garantierte Bezahlung für 95% der Plätze in der Motardstraße. Zwar ist das auf eine Kapazität von 400 Personen gerechnet, aber trotzdem ein lukrativer Vertrag, den die AWO 1989 aushandelte. Zur höchsten garantierten Auslastung kommt noch, dass die zu bezahlenden Tagessätze die höchsten in Berlin sind.

Danke AWO. Danke Landesamt für Gesundheit und Soziales.

Am 31.12.2008 läuft der Vertrag zwischen LaGeSo und AWO aus. Ob er sich ohne aktives Kündigen verlängert oder er vom Amt aktiv verlängert werden muss, welche Kündigungsfristen es gibt und - gegebenenfalls - welches neue Übel sich das LaGeSo nach einer eventuellen Kündigung ausdenkt, weiß ich leider nicht.

Kleine Anfrage Abgeordnetenhaus Berlin, Januar 2008
 http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/KlAnfr/ka16-11634.pdf