Das Christival - kein Grund zu Feiern!
In dem Zeitraum vom 30.04-04.05. wird das „Christival 2008“ in Bremen veranstaltet. Heerscharen junger Christ_innen werden die Stadt heimsuchen – mit bis zu 30 000 Teilnehmer_innen wird gerechnet.
Schön nett und poppig klingt es im ersten Moment, entpuppt sich aber bei näherem Hinsehen nicht als die harmlose Veranstaltung, als die es vorgestellt wird, sondern als extrem reaktionär.
Schön nett und poppig klingt es im ersten Moment, entpuppt sich aber bei näherem Hinsehen nicht als die harmlose Veranstaltung, als die es vorgestellt wird, sondern als extrem reaktionär.
Organisiert wird das Christival von den so genannten Evangelikalen, christliche Fundermentalist_innen. Diese gehen von der absoluten Irrtumslosigkeit der Bibel aus, die wortwörtlich auf alle Bereiche des Lebens angewendet wird, sowie von der völligen Sündhaftigkeit und Schuld aller Menschen, die durch den einzig wahren christlichen Gott erlöst werden müssen. Die Pflicht eines jeden Menschen sei es, das „Wort Gottes“ in alle gesellschaftlichen Bereiche zu tragen und zu verankern. In diesem Sinne ist das Christival ein großes missionarisches Spektakel, in dem mit viel Popkultur, vereinigenden Gemeinschaftserlebnissen und spirituellen Erfahrungen Menschen für eine extrem reaktionäre Ideologie gewonnen werden sollen.
An dieser ist viel zu kritisieren (neben allgemeiner Religionskritik, beispielsweise auch deren Rassismus und Nationalismus), wir wollen uns in diesem Artikel allerdings in erster Linie auf eine Kritik aus einem antisexistischen und feministischen Blickwinkel fokussieren, womit aber keinesfalls die Notwendigkeit anderer Kritikpunkte geschmälert werden oder deren Verschränktheit unbeachtet bleiben soll.
Bereits im Vorfeld hat das Christival für Negativschlagzeilen gesorgt: Es sollte ein Seminar unter dem Titel “Homosexualität verstehen – Chancen zur Veränderung“ angeboten werden. Zwei Referenten_innen des „Deuschen Institutes für Jugend und Gesellschaft“ sollten dieses Seminar gestalten. Das besagte „Institut“ gehört zu einer missionarischen evangelikalen Kommunität, der sogenannten „Offensive junger Christen“. Das Institut vertritt eindeutig die Position, dass sich Homosexualität als „veränderbar“ begreifen lässt und steht den Zielen von Ex-Gay-Bewegungen nahe, die im Weiteren noch näher beschrieben werden. Das Christival- Seminar wurde inzwischen aufgrund der Intervention des parlamentarischen Geschäftsführers der Grünen, Volker Beck, abgesagt. Auch ohne das umstrittene Seminar wird der sexistische Inhalt des Christivals nicht geschmälert. Roland Werner, prominenter Anhänger des „Deuschen Institutes für Jugend und Gesellschaft“, ist einer der Hauptorganisator_innen. Aber auch die restlichen Initiator_innen und evangelikalen Organisationen stellen sich deutlich hinter das besagte Seminar und dessen Inhalte.
Das Seminar steht lediglich exemplarisch für die in der evangelikalen Bewegung herrschende Ablehnung und Pathologisierung von Homosexualität. Im Laufe ihrer Geschichte entstanden, zunächst in den Vereinigten Staaten, mehrere „Ex-Gay-Organisationen“, die es sich zur Aufgabe machen, Menschen mittels verschiedener „Therapieformen“ in ihrer sexuellen Orientierung zu „verändern“. Auch in Deutschland gibt es entsprechende Gruppen, so z.B. die Vereinigung „Wüstenstrom, e.V.“, eine Ex-Gay-Organisation aus dem evangelikalen Spektrum und Ableger der amerikanischen „Desert Stream Ministries“.
Im Internetportal der Organisation „Wüstenstrom e.V.“ ist zunächst rhetorisch geschickt die Rede von „Sexualitäten, die individuell verschieden sind“ . Schnell wird dennoch deutlich, dass Homosexualität als Problem gewertet wird, welches es zu verändern gilt. Wie dies konkret auszusehen hat, findet sich unter www.wuestenstrom.de. Die hier zur Anwendung kommende Therapieform wird als „Reparative Therapie“ bezeichnet, ein Konzept aus den Anfangszeiten der Psychoanalyse, dessen Name schon Beklemmung erzeugt und welches heute auch im psychologischen Mainstream als gefährlich eingestuft wird. Eine solche „Therapie“ kann ein ganzes Spektrum an psychosozialen Folgen nach sich ziehen, von schweren Identitätskrisen bis hin zu Suizidversuchen. Organisation wie „Wüstenstrom e.V.“ begründen ihre Ansichten und die Notwendigkeit einer Therapie häufig mit einer sog. „Ich-Dystonen Störung“, welche eine Nicht-Akzeptanz der eigenen sexuellen Orientierung bezeichne. Eine Therapie soll jedoch nicht das schwierige Verhältnis der Betroffenen zur eigenen Sexualität verändern, sondern die Homosexualität selbst. Dass ein Wohlbefinden mit der eigenen Sexualität immer eine Frage der Akzeptanz seitens der Gesellschaft ist, bleibt hierbei völlig unberücksichtigt.
Diese heteronormativen Positionen werden mit der Bibel begründet, in der Homophobie fest verankert ist, so zum Beispiel im 3. Buch Mose „Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Greuel ist“.
Auch „Die Birke e.V.“ sieht in Homosexualität einen krankhaften, perversen Auswuchs menschlichen Begehrens, welcher linear auf vorangegangene traumatische Erfahrungen wie sexuellen Missbrauch in der Kindheit zurückzuführen sei: „Was Volker Beck (und pro familia & Co.) an uns so sehr hasst, ist schlicht die Tatsache, dass wir uns erfolgreich zwischen die unschuldigen Opfer und die gnadenlosen Täter stellen: Hier die Rettung vor der Abtreibung, dort die Rettung eines ehemals missbrauchten Kindes, das sich ungewollt als Homosexueller wiederfindet.“ Diese „ungewollte Homosexualität“ gelte es zu heilen.
Im Wesentlichen steht „Die Birke e.V.“ allerdings für die Positionen der christlichen Abtreibungsgegner_innen. Jener Verein gehört zu den sog. “Lebensschützer_innen”, die Schwangerschaftsabbrüche massiv bekämpfen und gegen abtreibende Frauen hetzten. Damit vertreten sie bei weitem keine Einzelposition, was allein schon an dem breiten Kreis finanzieller Unterstützer_innen deutlich wird.
In der von ihnen praktizierten „Schwangerschaftskonfliktberatung“ wird angeblich eng mit den schwangeren Frauen zusammengearbeitet und nach gemeinsamen Lösungswegen gesucht. Dabei kommt als „konstruktive Lösung“ der vermeintlichen Krise allerdings nur die Geburt des evtl. ungewollten Kindes in Frage, auch nach vorangegangener Vergewaltigung. Das dieser „Problemlösung“ zugrunde liegende vereinfachende Frauenbild mutet recht abenteuerlich an. So teilt „Die Birke e.V.“ Rat suchende Schwangere in vier „Frauenprofile“ ein: „Die Harte, scheinbar Skrupellose“, „Die Gesprächsoffene, scheinbar Freundliche“, „Die Zerrissene, schwankend zwischen Zuversicht und Zweifeln“, „Die neue Frau – beziehungsschwach, bindungsunfähig“. Diese antifeministischen Frauenbilder stellen neben Menschentypisierungen, eine verkürzte Gleichmacherei völlig differenter Lebenssituationen dar. Insbesondere in der Beschreibung des letzten „Frauentypus“, der „neuen Frau“, wird ein ganzes Paket christlicher Werte vorgestellt, durch dessen Fehlen die beschriebene, defizitäre Frau dem christlichen, weiblichen Idealtypus widerspricht. Ihr „Profil“ sei das einer nach der sexuellen Revolution in den 1968ern geborenen, nach Materiellem strebenden, durch Reizüberflutung in den Medien („Pornographie, Gewalt, Horror, Perversion“) geschädigten Person, deren Mutter „meist berufstätig war“ und sie somit „fremdbetreut“ aufgewachsen sei. „Oft kommen Trennungen, Scheidungen, Ein-Eltern-Familie, neue Partnerschaften, Patchwork-Konstellationen hinzu. Solche Bindungsdefizite schwächen das Urvertrauen und führen zu Bindungsängsten und Bindungsunfähigkeit.“ Ein Opfer äußerer Umstände sei sie also, welches die Liebe suche, aber diese in ihren „als normal angesehenen“ ständig wechselnden Partnerschaften noch nicht gefunden habe. Sie sei egoistisch, habe „kein Schuld- oder Verantwortungsbewusstsein“ und sei daher ein harter Fall für die Lebensschützer_innen. Hieraus wird deutlich, dass Frauen weder berufstätig noch unabhängig sein oder wechselnde Partner haben sollen. Sie werden ausschließlich auf ihre reproduktive Rolle als Mutter festgelegt – das Recht auf Selbstbestimmung hat hier keinen Platz. Dies wird daran deutlich, dass es den Evangelikalen in erster Linie um die Ablehnung der so genannten „sozialen Indikation“ geht, die einen Schwangerschaftsabbruch wegen einer zu erwartenden sozialen Notlage der Mutter erlaubt und der häufigste Abtreibungsgrund ist. Die Evangelikalen prangern nun den „maßlos gesteigerten Egoismus“ der Betroffenen an, welcher sich in der hohen Bewertung des Selbstbestimmungsrechts („mein Bauch gehört mir“) ausdrücke. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass – dem biblischen Sündenfall gleich, welcher die menschliche Natur verdorben habe – alleinig die Frau zur Verantwortung gezogen wird und sich des Mordes schuldig mache. Begründet wird diese Haltung mit dem biblischen Gebot „Du sollst nicht töten“ und mit einem kreationistischen Verständnis der Entstehung von Leben.
Dies wird z.B. an der Position der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) deutlich, die als eine Dachorganisation von zahlreichen evangelikalen Vereinen an der Austragung des Christivals 2008 maßgeblich beteiligt ist. Sie lehnt naturwissenschaftliche Erklärungen zur Entstehung von Leben ab: Die Befruchtung einer Eizelle bedeutet in dieser Logik göttliche Schicksalhaftigkeit. Der Mensch sei zwar durch moderne Technologien mit der Herrschaft über die Schöpfung Gottes betraut worden, aber dies schließe „die Verfügung über den Mitmenschen, also über menschliches Leben und menschlichen Tod, nicht ein“ . Die Eizelle wird bereits direkt nach der Befruchtung als „vollständiger, ... kleiner Mensch“ begriffen, dessen Recht auf Leben es noch vor dem Recht auf Selbstbestimmung der Schwangeren zu schützen gelte. Gerade innerhalb deutscher evangelikaler Veröffentlichungen findet an dieser Stelle oftmals ein den Holocaust relativierender Bezug statt, wodurch die Nähe der Evangelikalen zu Nationalismus, Revisionismus und rechtem Gedankengut explizit zum Ausdruck kommt: „Unser Volk und unsere evangelische Kirche aber müsste aus Erfahrungen des Dritten Reiches wissen, was es bedeutet, durch Massenliquidation wehrloser Unschuldiger Gottes Gericht herauszufordern.“
Auch bezüglich der Vorstellungen über die Rolle von Frauen in der Gesellschaft gehen Evangelikale mit rechten (aber durchaus auch Mainstream-) Ansichten konform. Die Idealisierung des Mutterbildes wird verbunden mit der Inszenierung einer „demographischen Katastrophe“. So auch von Robert Spaemann, einem wesentlichen Unterstützer der „Birke e.V.“ , der sich dazu in einem Interview in der rechtsextremen Zeitung „Junge Freiheit“ geäußert hat. Darin bezeichnet er die Kampagne „Mein Bauch gehört mir“ als „widerlich“ und fordert ein Verbot von Abtreibungen, damit Deutschland nicht aussterbe.
Das wichtigste Instrument Gottes ist nach evangelikaler Auffassung die Familie. Sie gehe aus seiner Schöpfung hervor und sei demnach verpflichtet nach „Gottes Willen“ zu leben. Dies soll anhand klar festgelegter Rollen („die Frau sei dem Manne Untertan“) und in den engen Grenzen der Zweigeschlechtlichkeit und Mononormativität geschehen.
Das oberste Anliegen von „Mann“ und „Frau“ habe die Zeugung möglichst vieler Kinder zu sein. In diesem Zusammenhang wird Feminismus und die Emanzipation von Frauen als ein „zersetzendes Element“ für Familie, Ehe/Partnerschaft und Gesellschaft angesehen.
Die hier thematisierten zentralen Prinzipien der Evangelikalen wie Homophobie, Sexismus, Antifeminismus, Heteronormativität und Aufrechterhaltung der Zwangszweigeschlechtlichkeit sind keinesfalls Privilegien christlicher Fundermentalist_innen, sondern fest in den Strukturen dieser Gesellschaft verankert. Deutlich wird das beispielsweise auch an der großzügigen finanziellen Unterstützung, die dem Christival nicht nur von verschiedenen Firmen, sondern auch von der Familienministerin Ursula von der Leyen zur Verfügung gestellt wird .
Daran wird deutlich, dass die Evangelikalen nicht einfach als religiöse Spinner_innen abzutun sind.
Dieser auf vielfältigen Ebenen operierenden neuen evangelikalen Religiosität gilt es, sich auf vielfältige Weisen entgegen zu stellen. Wir wollen nicht hinnehmen, dass von dem Mainstream abweichende Sexualitäten und Geschlechtlichkeiten, alternative Lebens- und Beziehungskonzepte weiterhin stigmatisiert und diskriminiert werden.
Wir wenden uns dabei nicht ausschließlich gegen die Ansichten religiöser Fundamentalist_innen, und auch nicht bloß gegen äußerst fragwürdige christlich-konservative Werte. Grundlegend kritisieren wir die auf breiter Akzeptanz und stillschweigendem Einvernehmen basierenden (Re-) Produktion der vergeschlechtlichen Herrschaftsmechanismen durch die gesellschaftliche Mitte.
Am Eröffnungsabend des Christivals, am 30.04.08, wird es eine antisexistische Demo unter dem Motto: „Gegen den sexistischen Normalzustand - beim Christival und überall! Take back the night!” geben.
An dieser ist viel zu kritisieren (neben allgemeiner Religionskritik, beispielsweise auch deren Rassismus und Nationalismus), wir wollen uns in diesem Artikel allerdings in erster Linie auf eine Kritik aus einem antisexistischen und feministischen Blickwinkel fokussieren, womit aber keinesfalls die Notwendigkeit anderer Kritikpunkte geschmälert werden oder deren Verschränktheit unbeachtet bleiben soll.
Bereits im Vorfeld hat das Christival für Negativschlagzeilen gesorgt: Es sollte ein Seminar unter dem Titel “Homosexualität verstehen – Chancen zur Veränderung“ angeboten werden. Zwei Referenten_innen des „Deuschen Institutes für Jugend und Gesellschaft“ sollten dieses Seminar gestalten. Das besagte „Institut“ gehört zu einer missionarischen evangelikalen Kommunität, der sogenannten „Offensive junger Christen“. Das Institut vertritt eindeutig die Position, dass sich Homosexualität als „veränderbar“ begreifen lässt und steht den Zielen von Ex-Gay-Bewegungen nahe, die im Weiteren noch näher beschrieben werden. Das Christival- Seminar wurde inzwischen aufgrund der Intervention des parlamentarischen Geschäftsführers der Grünen, Volker Beck, abgesagt. Auch ohne das umstrittene Seminar wird der sexistische Inhalt des Christivals nicht geschmälert. Roland Werner, prominenter Anhänger des „Deuschen Institutes für Jugend und Gesellschaft“, ist einer der Hauptorganisator_innen. Aber auch die restlichen Initiator_innen und evangelikalen Organisationen stellen sich deutlich hinter das besagte Seminar und dessen Inhalte.
Das Seminar steht lediglich exemplarisch für die in der evangelikalen Bewegung herrschende Ablehnung und Pathologisierung von Homosexualität. Im Laufe ihrer Geschichte entstanden, zunächst in den Vereinigten Staaten, mehrere „Ex-Gay-Organisationen“, die es sich zur Aufgabe machen, Menschen mittels verschiedener „Therapieformen“ in ihrer sexuellen Orientierung zu „verändern“. Auch in Deutschland gibt es entsprechende Gruppen, so z.B. die Vereinigung „Wüstenstrom, e.V.“, eine Ex-Gay-Organisation aus dem evangelikalen Spektrum und Ableger der amerikanischen „Desert Stream Ministries“.
Im Internetportal der Organisation „Wüstenstrom e.V.“ ist zunächst rhetorisch geschickt die Rede von „Sexualitäten, die individuell verschieden sind“ . Schnell wird dennoch deutlich, dass Homosexualität als Problem gewertet wird, welches es zu verändern gilt. Wie dies konkret auszusehen hat, findet sich unter www.wuestenstrom.de. Die hier zur Anwendung kommende Therapieform wird als „Reparative Therapie“ bezeichnet, ein Konzept aus den Anfangszeiten der Psychoanalyse, dessen Name schon Beklemmung erzeugt und welches heute auch im psychologischen Mainstream als gefährlich eingestuft wird. Eine solche „Therapie“ kann ein ganzes Spektrum an psychosozialen Folgen nach sich ziehen, von schweren Identitätskrisen bis hin zu Suizidversuchen. Organisation wie „Wüstenstrom e.V.“ begründen ihre Ansichten und die Notwendigkeit einer Therapie häufig mit einer sog. „Ich-Dystonen Störung“, welche eine Nicht-Akzeptanz der eigenen sexuellen Orientierung bezeichne. Eine Therapie soll jedoch nicht das schwierige Verhältnis der Betroffenen zur eigenen Sexualität verändern, sondern die Homosexualität selbst. Dass ein Wohlbefinden mit der eigenen Sexualität immer eine Frage der Akzeptanz seitens der Gesellschaft ist, bleibt hierbei völlig unberücksichtigt.
Diese heteronormativen Positionen werden mit der Bibel begründet, in der Homophobie fest verankert ist, so zum Beispiel im 3. Buch Mose „Wenn jemand bei einem Manne liegt wie bei einer Frau, so haben sie getan, was ein Greuel ist“.
Auch „Die Birke e.V.“ sieht in Homosexualität einen krankhaften, perversen Auswuchs menschlichen Begehrens, welcher linear auf vorangegangene traumatische Erfahrungen wie sexuellen Missbrauch in der Kindheit zurückzuführen sei: „Was Volker Beck (und pro familia & Co.) an uns so sehr hasst, ist schlicht die Tatsache, dass wir uns erfolgreich zwischen die unschuldigen Opfer und die gnadenlosen Täter stellen: Hier die Rettung vor der Abtreibung, dort die Rettung eines ehemals missbrauchten Kindes, das sich ungewollt als Homosexueller wiederfindet.“ Diese „ungewollte Homosexualität“ gelte es zu heilen.
Im Wesentlichen steht „Die Birke e.V.“ allerdings für die Positionen der christlichen Abtreibungsgegner_innen. Jener Verein gehört zu den sog. “Lebensschützer_innen”, die Schwangerschaftsabbrüche massiv bekämpfen und gegen abtreibende Frauen hetzten. Damit vertreten sie bei weitem keine Einzelposition, was allein schon an dem breiten Kreis finanzieller Unterstützer_innen deutlich wird.
In der von ihnen praktizierten „Schwangerschaftskonfliktberatung“ wird angeblich eng mit den schwangeren Frauen zusammengearbeitet und nach gemeinsamen Lösungswegen gesucht. Dabei kommt als „konstruktive Lösung“ der vermeintlichen Krise allerdings nur die Geburt des evtl. ungewollten Kindes in Frage, auch nach vorangegangener Vergewaltigung. Das dieser „Problemlösung“ zugrunde liegende vereinfachende Frauenbild mutet recht abenteuerlich an. So teilt „Die Birke e.V.“ Rat suchende Schwangere in vier „Frauenprofile“ ein: „Die Harte, scheinbar Skrupellose“, „Die Gesprächsoffene, scheinbar Freundliche“, „Die Zerrissene, schwankend zwischen Zuversicht und Zweifeln“, „Die neue Frau – beziehungsschwach, bindungsunfähig“. Diese antifeministischen Frauenbilder stellen neben Menschentypisierungen, eine verkürzte Gleichmacherei völlig differenter Lebenssituationen dar. Insbesondere in der Beschreibung des letzten „Frauentypus“, der „neuen Frau“, wird ein ganzes Paket christlicher Werte vorgestellt, durch dessen Fehlen die beschriebene, defizitäre Frau dem christlichen, weiblichen Idealtypus widerspricht. Ihr „Profil“ sei das einer nach der sexuellen Revolution in den 1968ern geborenen, nach Materiellem strebenden, durch Reizüberflutung in den Medien („Pornographie, Gewalt, Horror, Perversion“) geschädigten Person, deren Mutter „meist berufstätig war“ und sie somit „fremdbetreut“ aufgewachsen sei. „Oft kommen Trennungen, Scheidungen, Ein-Eltern-Familie, neue Partnerschaften, Patchwork-Konstellationen hinzu. Solche Bindungsdefizite schwächen das Urvertrauen und führen zu Bindungsängsten und Bindungsunfähigkeit.“ Ein Opfer äußerer Umstände sei sie also, welches die Liebe suche, aber diese in ihren „als normal angesehenen“ ständig wechselnden Partnerschaften noch nicht gefunden habe. Sie sei egoistisch, habe „kein Schuld- oder Verantwortungsbewusstsein“ und sei daher ein harter Fall für die Lebensschützer_innen. Hieraus wird deutlich, dass Frauen weder berufstätig noch unabhängig sein oder wechselnde Partner haben sollen. Sie werden ausschließlich auf ihre reproduktive Rolle als Mutter festgelegt – das Recht auf Selbstbestimmung hat hier keinen Platz. Dies wird daran deutlich, dass es den Evangelikalen in erster Linie um die Ablehnung der so genannten „sozialen Indikation“ geht, die einen Schwangerschaftsabbruch wegen einer zu erwartenden sozialen Notlage der Mutter erlaubt und der häufigste Abtreibungsgrund ist. Die Evangelikalen prangern nun den „maßlos gesteigerten Egoismus“ der Betroffenen an, welcher sich in der hohen Bewertung des Selbstbestimmungsrechts („mein Bauch gehört mir“) ausdrücke. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass – dem biblischen Sündenfall gleich, welcher die menschliche Natur verdorben habe – alleinig die Frau zur Verantwortung gezogen wird und sich des Mordes schuldig mache. Begründet wird diese Haltung mit dem biblischen Gebot „Du sollst nicht töten“ und mit einem kreationistischen Verständnis der Entstehung von Leben.
Dies wird z.B. an der Position der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) deutlich, die als eine Dachorganisation von zahlreichen evangelikalen Vereinen an der Austragung des Christivals 2008 maßgeblich beteiligt ist. Sie lehnt naturwissenschaftliche Erklärungen zur Entstehung von Leben ab: Die Befruchtung einer Eizelle bedeutet in dieser Logik göttliche Schicksalhaftigkeit. Der Mensch sei zwar durch moderne Technologien mit der Herrschaft über die Schöpfung Gottes betraut worden, aber dies schließe „die Verfügung über den Mitmenschen, also über menschliches Leben und menschlichen Tod, nicht ein“ . Die Eizelle wird bereits direkt nach der Befruchtung als „vollständiger, ... kleiner Mensch“ begriffen, dessen Recht auf Leben es noch vor dem Recht auf Selbstbestimmung der Schwangeren zu schützen gelte. Gerade innerhalb deutscher evangelikaler Veröffentlichungen findet an dieser Stelle oftmals ein den Holocaust relativierender Bezug statt, wodurch die Nähe der Evangelikalen zu Nationalismus, Revisionismus und rechtem Gedankengut explizit zum Ausdruck kommt: „Unser Volk und unsere evangelische Kirche aber müsste aus Erfahrungen des Dritten Reiches wissen, was es bedeutet, durch Massenliquidation wehrloser Unschuldiger Gottes Gericht herauszufordern.“
Auch bezüglich der Vorstellungen über die Rolle von Frauen in der Gesellschaft gehen Evangelikale mit rechten (aber durchaus auch Mainstream-) Ansichten konform. Die Idealisierung des Mutterbildes wird verbunden mit der Inszenierung einer „demographischen Katastrophe“. So auch von Robert Spaemann, einem wesentlichen Unterstützer der „Birke e.V.“ , der sich dazu in einem Interview in der rechtsextremen Zeitung „Junge Freiheit“ geäußert hat. Darin bezeichnet er die Kampagne „Mein Bauch gehört mir“ als „widerlich“ und fordert ein Verbot von Abtreibungen, damit Deutschland nicht aussterbe.
Das wichtigste Instrument Gottes ist nach evangelikaler Auffassung die Familie. Sie gehe aus seiner Schöpfung hervor und sei demnach verpflichtet nach „Gottes Willen“ zu leben. Dies soll anhand klar festgelegter Rollen („die Frau sei dem Manne Untertan“) und in den engen Grenzen der Zweigeschlechtlichkeit und Mononormativität geschehen.
Das oberste Anliegen von „Mann“ und „Frau“ habe die Zeugung möglichst vieler Kinder zu sein. In diesem Zusammenhang wird Feminismus und die Emanzipation von Frauen als ein „zersetzendes Element“ für Familie, Ehe/Partnerschaft und Gesellschaft angesehen.
Die hier thematisierten zentralen Prinzipien der Evangelikalen wie Homophobie, Sexismus, Antifeminismus, Heteronormativität und Aufrechterhaltung der Zwangszweigeschlechtlichkeit sind keinesfalls Privilegien christlicher Fundermentalist_innen, sondern fest in den Strukturen dieser Gesellschaft verankert. Deutlich wird das beispielsweise auch an der großzügigen finanziellen Unterstützung, die dem Christival nicht nur von verschiedenen Firmen, sondern auch von der Familienministerin Ursula von der Leyen zur Verfügung gestellt wird .
Daran wird deutlich, dass die Evangelikalen nicht einfach als religiöse Spinner_innen abzutun sind.
Dieser auf vielfältigen Ebenen operierenden neuen evangelikalen Religiosität gilt es, sich auf vielfältige Weisen entgegen zu stellen. Wir wollen nicht hinnehmen, dass von dem Mainstream abweichende Sexualitäten und Geschlechtlichkeiten, alternative Lebens- und Beziehungskonzepte weiterhin stigmatisiert und diskriminiert werden.
Wir wenden uns dabei nicht ausschließlich gegen die Ansichten religiöser Fundamentalist_innen, und auch nicht bloß gegen äußerst fragwürdige christlich-konservative Werte. Grundlegend kritisieren wir die auf breiter Akzeptanz und stillschweigendem Einvernehmen basierenden (Re-) Produktion der vergeschlechtlichen Herrschaftsmechanismen durch die gesellschaftliche Mitte.
Am Eröffnungsabend des Christivals, am 30.04.08, wird es eine antisexistische Demo unter dem Motto: „Gegen den sexistischen Normalzustand - beim Christival und überall! Take back the night!” geben.
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(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)
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Ergänzungen
Bündniskundgebung
Mittwoch, 23. April 2008
Vom 30. April bis zum 4. Mai 2008 findet in Bremen das „Christival“ statt. Zu diesem christlichen Event werden 20. bis 30.000 hauptsächlich junge Menschen erwartet. In der Messehalle, auf der Bürgerweide, dem Bahnhofsvorplatz, dem Marktplatz und an etlichen anderen Veranstaltungsorten sollen in Seminaren, Kultur- und Sportveranstaltungen Menschen für den christlichen Fundamentalismus gewonnen werden – unter der Schirmherrschaft der Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen.
Ihr Ministerium beteiligt sich auch mit 250.000 Euro an den Veranstaltungskosten. Schlagzeilen machte das Christival bereits mit dem geplanten Seminar unter dem Titel „Homosexualität verstehen – Chancen zur Veränderung“. Die Message: Wer homosexuell ist, kann und soll das ändern. Das Seminar wurde unterdessen wegen des großen öffentlichen Drucks aus dem Programm gestrichen. Die homosexualitätsfeindliche Einstellung der VeranstalterInnen bleibt. AnhängerInnen des „Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft“, welches den Workshop ursprünglich anbot, sind weiterhin OrganisatorInnen
des Christival und auch andere VeranstalterInnen stellten sich hinter das Seminar.
Sex ist Gottes Idee – Abtreibung auch?“ wird in der Überschrift eines Seminars des Vereins „Die Birke“ gefragt. Bei genauerem Hinsehen wird klar, dass der Veranstalter die Frage längst beantwortet hat. „Die Birke e. V.“ gehört zu den sog. „LebensschützerInnen“, die sich radikal gegen Abtreibung aussprechen und damit Frauen ihr Recht auf Selbstbestimmung über ihren Körper verwehren. Sie wendet sich gegen die von der Frauenbewegung erkämpfte Einschränkung der Strafbarkeit von Abtreibung. Diese erlaubt es Frauen, innerhalb der ersten drei Monate nach einer Beratung die Schwangerschaft abzubrechen.
Das Christival wird als modernes, jugendliches Event inszeniert. Die Inhalte sind jedoch alles andere als neu. Es wird gegen Homosexualität gehetzt und versucht, die Errungenschaften der Frauenbewegung rückgängig zu machen. Die Ehe wird als einzig „richtige“ Lebensform propagiert und alternative Lebensentwürfe werden somit diskreditiert.
Diese Zurschaustellung reaktionärer Ideologie machen wir nicht mit! Wir wenden uns gegen eine Idealvorstellung von Ehe, Heterosexualität und Sex nur zum Zwecke der Fortpflanzung. Die Menschen können selbst über ihr Leben bestimmen – wir brauchen keinen christlich-fundamentalistischen Verhaltenskodex!
In den letzten Jahren hat Religiösität scheinbar eine Renaissance. Zugleich orientieren sich gerade Jugendliche wieder mehr an „alten“ Werten wie Ehe und Familie. Das ist in Zeiten zunehmender sozialer Unsicherheit auch kein Wunder! Wenn die Zukunft immer ungewisser und die Schere zwischen arm und reich immer größer wird, kann gerade Religion Trost in der miesen Lebenslage sein. Auch auf dem Christival wird das deutlich: „Arbeitslos - was nun?“ fragt zum Beispiel eine Seminarankündigung. „Auch wenn es nicht so läuft, wie wir uns das wünschen, so ist Gott doch da und gibt uns Kraft und Halt. Sei gewiss, Gott hat für jeden einen Plan.“ heißt es in der Veranstaltungsbeschreibung.
Das Bedürfnis nach Kraft und Halt ist nachvollziehbar – aber dabei einfach auf einen Gott zu vertrauen, hilft nicht gegen die Ursachen sozialer Unsicherheit, sondern stabilisiert sie noch. Wir wollen uns nicht mit dem Zustand der Welt und unserer eigenen Lage abfinden! Die Verhältnisse sind weder Schicksal noch gottgegeben. Die Welt ist wie sie ist, weil die Menschen sie so eingerichtet haben. Wenn wir sie verändern wollen, können und müssen wir das selbst tun.
Gegen christlichen Fundamentalismus und Homophobie! Für ein selbstbestimmtes Leben und eine Gesellschaft, in der es um die Menschen und ihre Bedürfnisse geht.
Kundgebung am Samstag, 3. Mai, 14 Uhr, Domshof
unterstützt u.a. von: Antifa Bremerhaven, Antifaschistische Jugendaktion Bremen (ajab), Antikapitalistische Linke Bremen, Archiv der sozialen Bewegungen Bremen, AStA der Uni Bremen, Avanti – Projekt undogmatische Linke, Betty Beatz, Bremer Atheisten- und Freidenker – Union, Cafe "Bi it!" im Cafe Kweer, DGB Jugend Bremen/Bremerhaven, DGB Jugend Oldenburg/Wilhelmshaven, feliz Plenum, GesamtschülerInnenvertretung Bremen, GEW Bremen, Gruppe „Kritik im Handgemenge“ Bremen, Internationale sozialistische Linke Bremen, Linksjugend.['solid] Bremen, solid.org – Organisierung linker Basisgruppen, ver.di Jugend Bremen/Nordniedersachsen
Weitere Termine:
Hintergründe zum Christival: Globale und lokale Aspekte der evangelikalen Bewegung // Montag, 28. April, 20 Uhr, Paradox (Bernhardstr. 12)
Auf Teufel komm raus – Tanz in den Mai // Mittwoch, 30. April 2008, ab 21 Uhr, JH Buchtstraße
Große Frauen/Lesben Walpurgisnacht-Party //Mittwoch, 30. April, 22 Uhr, Friedensgemeinde
(Humboldtstr. 175) - natürlich barrierefrei
Bitte etwas differenzierter!
Mich würde auch sehr interessieren, wo es Rassismus und Nationalismus in den Reihen der Christival-Veranstalter gibt.
mehr Infos !
Dumm?
einem patrarchales Frauenbild aus. Aber sind wahrscheinlich eh alles Fakes.
innensicht
Für Meinungsfreiheit
Eine Demo während der Eröffnungsveranstaltung. In der Predigt geht es um Liebe, und darum, dass ein Christ sich durch Nächstenliebe auszeichnet, dadurch dass er jedem Menschen Respekt und Würde entgegenbringt. Das konnte man gleich trainieren, als einige Demonstrnten den Zaun durchbrachen, Böller warfen und mit Tränengas hantierten, das auch Polizisten traf, die nur ihren Job machen.
Ich war auf der Anti-Christival Kundgebung am Freitag auf dem Marktplatz kurz dabei, aus Interesse. Komisch, dass die Anliegen vom Christival und den dort versammelten Leuten eigentlich gar nicht so unterschiedlich sind. Kein Christivaller will einen Homosexuellen heilen. Kein Christivaller will im Patriarchat leben. Die wenigsten Christivaller sehen die Bibel tatsächlich als ein Buch das von Gott vom Himmel gefallen ist und nun wortwörtlich auf das Leben angewendet werden muss, obwohl die Bibel ernst genommen wird. Eine Sache fiel mir auf: Egal auf welcher Seite man steht, es gibt immer einigen wenige die die Denkarbeit machen, das ganze dann in Worte fassen und Parolen für die Masse fabrizieren. Auf der einen Seite hat man dann schwarz angeogene Jugendliche mit anti-Christival- Buttons, die stolze VErkündigung, dass man fürs Christival einige Übernachtungsräume "hergerichtet" hätte (Einbruch und Verwüstung der Sanitären Anlagen) auf der anderen Seite Christival-Teens die "Free Hugs" auf der Straße verteilen.
Ich frage mich, rein von dem Bild, das man nach außen wahrnehmen konnte, wer hier wirklich eine freie Meinungsbildung ermöglicht.
Ich habe beschlossen ein wirklicher Freidenker zu bleiben. Ich will mich bemühen, auch einen "Anti-Christivaller" zu verstehen, deshalb mein Statement hier. Ich will mich nicht nur einseitig informieren und auch gegen meine eigene "Gruppe" konstruktiv-kritisch bleiben.
Wenn das alle machen würden wären wir alle eines: wahre Freidenker.
Denn Frei ist nur der der die Freiheit überall suchen darf.
jesus vs. pressefreiheit
http://www.youtube.com/watch?v=yunpuWSObvQ
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
christival — christian
@christian — fx
? — ?
@fx — (muss ausgefüllt werden)
Wie schön... — Tüüp
@ (muss ausgefüllt werden) — meine name ist mensch
Aberwitzige Reaktion — Lars
@meine name ist mensch — meiner auch
Negativschlagzeilen? — Pater Rolf Hermann Lingen
@pater pipapo — fx
Redet euch nicht raus — >><<
@ mein name ist mensch — whats our way?
Warum so Misstrauisch — Michael
Grausame Bibelzitate — Nikolai Thoma
Termini — Hermann
Angriffe bei der Eröffnungsfeier — Kingscross