Wie faule Kreditgeschäfte sauber werden

Ralf Streck 24.04.2008 07:22 Themen: Weltweit
Spanien bittet die Kreditnehmer zur Kasse und die Bank of England tauscht faule Kredite großzügig gegen Staatsanleihen ein

Wer noch daran zweifelte, ob die Finanzkrise auch Europa mit voller Wucht erreicht, dem dürften die Zweifel nun zerstoben sein. Die Bank of England hat ein Nothilfepaket in niemals gekannter Höhe geschnürt. Die Notenbank nimmt den Banken faule Hypothekenkredite im Wert von mindestens 63 Milliarden Euro ab ( http://www.bankofengland.co.uk). Einen anderen Weg geht man in Spanien und brummt den Kreditnehmern "kostenlos" neue hohe Schulden auf, um die Rekordgewinne der Banken nicht zu schmälern und um Zeit zu gewinnen.
Da hat sich die sozialistische spanische Regierung was ganz Tolles einfallen lassen, um den hoch verschuldeten Bürgern schmackhaft zu machen, für die Finanzkrise aufzukommen, die sich nach der platzenden Immobilienblase ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25931/1.html) Bahn bricht. Die Sozialisten (PSOE) kündigten im Anschluss an die erste Kabinettssitzung nach den Neuwahlen ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27462/1.html) am vergangenen Freitag ein Konjunkturprogramm in einem Umfang von 18 Milliarden Euro an. Damit soll auch den Besitzern von Wohnungen und Häusern geholfen werden, die wegen der gestiegenen Zinsen in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind.

Ihnen bietet die Regierung vor allem an, die Laufzeit ihrer Hypotheken in den kommenden zwei Jahren "kostenlos" zu verlängern ( http://www.elperiodico.com/default.asp?idpublicacio_PK=46&idioma=CAS&idnoticia_PK=501994&idseccio_PK=1009&h=). Doch gratis sollen nur die sonst üblichen Gebühren sein. Da sind die 0,1 Prozent der Kreditsumme, welche die Banken für einen solchen Fall in diesem spanischen Bankensystem kassieren dürfen. Dazu kommen die Notarkosten etc. Das summiert sich durchschnittlich auf etwa 300-400 Euro, welche den Kreditnehmern erlassen werden.

Nun darf man sich wundern, warum die Banken und Sparkassen so bereitwillig diese Maßnahme mittragen wollen. Angesichts von so viel Lob und Einmütigkeit müssen Zweifel aufkommen. Wie meist steckt auch hier der Teufel im Detail, denn dieses nette sozialistische Angebot von Regierung und Banken kostet eine durchschnittliche Familie nämlich etwa 100.000 Euro.

Wie?

Die Konsumentenschutzvereinigung (OCU/  http://www.ocu.org) warnt vor der Maßnahme und rechnet die Kosten vor, die sich aus der Zinseszinsformel für die Kreditnehmer ergeben. Die wird von den meisten Menschen unterschätzt oder nicht begriffen. Eine Familie mit einem Hypothekenkredit von nur 120.000 Euro (der Durchschnittskredit liegt inzwischen deutlich höher) müsste die Kreditlaufzeit von 20 Jahre auf 40 Jahre verlängern, um überhaupt deutliche Erleichterung bei ihren monatlichen Raten zu spüren. Statt 791 Euro wären dann monatlich noch 578 Euro an die Bank zu bezahlen. Die freut sich, denn sie wird bei einer solchen Kreditverlängerung 86.000 Euro insgesamt mehr an Zinszahlungen der Familie einstreichen ( http://www.finanzas.com/id.9240199/noticias/noticia.htm).

Steigt der Euribor weiter um nur einen Prozentpunkt an, ist der gewonnene Spielraum schon fast wieder weg. Der Euribor ist der Zinssatz mit dem sich Banken Geld untereinander ausleihen und an den Zinssatz haben die spanischen Banken ihre Hypothekenkredite geknüpft, womit sie alles Risiko auf den Kreditnehmer abwälzen dürfen. Dass ein weiterer Prozentpunkt möglich ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass sich dieser Zinssatz in den letzten drei Jahren verdoppelt hat. Wie erwartet hat das die Immobilienblase zum Platzen gebracht ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17795/1.html). Derzeit bewegt er sich auf einen neuen Höchststand von über 4,8 %
( http://www.consumer.es/web/es/vivienda/2008/04/21/176349.php). Angesichts der steigenden Inflation in Europa müsste die Europäische Zentralbank eigentlich auch den Leitzins erhöhen, doch auch hier hat man sich entschlossen, auch über die Geldentwertung die große Masse der Europäer die Zeche zahlen zu lassen ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27666/1.html).

Erstaunlich ist, dass fast die gesamte Presse kaum auf die Gefahren hinweist, sondern die Maßnahme der Regierung abfeiert. Das gilt vor allem in der Parteipresse El Pais ( http://www.elpais.com/articulo/economia/tiempo/pagar/hipoteca/coste/restricciones/elpepieco/20080419elpepieco_4/Tes), aber auch in etwas unabhängigeren Medien wie dem Publico ( http://www.publico.es/dinero/072013/parados/recibiran/ayudas/economicas/trasladarse/localidad) oder auch die oppositionelle El Mundo ( http://www.elmundo.es/elmundo/2008/04/18/suvivienda/1208520652.html). Es werden auch einfache Fragen nicht gestellt. Was machen denn die vielen jungen Menschen, die sich schon jetzt für 40 oder 50 Jahre verschuldet haben ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21764/1.html), damit sie endliche an eine Wohnung kamen.

Die Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero will sich mit der Maßnahme kurzzeitig Luft verschaffen. Das Prinzip Hoffnung herrscht hier vor. Sie greift den Banken wegen der stark steigenden Saumseligkeit mit der Maßnahme unter die Arme. Mit dem Strecken der Kreditlaufzeiten soll der sinkenden Zahlungsmoral entgegen gewirkt werden, damit nicht die große Zahl der faulen Kredite ans Licht kommt. Viele Wohnungen wurden ohne jegliches Eigenkapital über Kredite finanziert. Wie in den USA sind sie wegen der fallenden Preise nun durch nichts mehr gedeckt. Weil immer mehr Familien die monatlichen Zahlungen nicht mehr leisten können, ist die Saumseligkeit im Februar 2007 im Vergleich zum Vorjahr um 70 % gestiegen. Inzwischen dürfen in Spanien schon Kredite im Wert von 20 Milliarden Euro als faul bezeichnet werden ( http://www.elpais.com/articulo/economia/morosidad/banca/sube/febrero/llega/20000/millones/elpepueco/20080419elpepieco_15/Tes).

An den Maßnahmen wird deutlich, dass die Sozialisten auch weiterhin nicht das absurde Kreditsystem ändern wollen, das die Krise erst ermöglichte und den spanischen Banken sogar im Krisenjahr 2007 einen Gewinnzuwachs von fast 20 % bescherte. Die Gewinne der Banken und Sparkassen erreichten einen neuen Rekord von 30 Milliarden Euro ( http://actualidad.terra.es/nacional/articulo/bancos_cajas_ganaron_pese_crisis_2373220.htm). Doch diese Maßnahmen können die Krise nur verschieben und könnten sie sogar noch verschlimmern, denn die schon jetzt enorme Verschuldung der Familien wird noch weiter verschlimmert. Experten schätzen, dass von den Rekordgewinnen der Banken ohnehin nichts bleibt, wenn die Saumseligkeit bis auf 5 % steigt. Das ist angesichts fallender Wachstumsraten, steigender Inflation und Arbeitslosigkeit nicht unwahrscheinlich.

Dass die US-Finanzkrise nun unbestreitbar nach Europa geschwappt ist, zeigen auch die drastischen Maßnahmen der Bank of England. Wie in den USA und in Spanien zeichnet sich auch hier eine deutliche Wirtschaftskrise ab, die von einer platzenden Immobilienblase ausgelöst wird. Auch dort haben fallende Preise für Immobilien die Negativspirale in Gang gebracht.

Die Notenbank hat nun ein Milliardenpaket für Geschäftsbanken aufgelegt, um ihnen wieder Liquidität zu verschaffen. Die britischen Banken, die sich wegen mangelndem Vertrauen untereinander kaum noch Geld ausleihen, sollen so wieder Zugang zu frischem Geld bekommen. Der Umfang der Hilfen beträgt etwa 63 Milliarden Euro und die Notenbank nimmt von den Banken dafür faule und unverkäufliche Asset Backed Securities (ABS /  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27344/1.html) entgegen und tauscht sie gegen sichere Staatsanleihen um ( http://www.bankofengland.co.uk/publications/news/2008/029.htm). Spekuliert wird, dass sich Volumen durchaus noch verdoppeln könnte, weil "keine festen Grenzen" festgelegt wurden.

Dass es sich dabei vor allem um eine politische Entscheidung handelte, wurde schon dadurch deutlich, dass die Maßnahme vom Finanzminister Alistair Darling angekündigt wurde. ( http://business.timesonline.co.uk/tol/business/money/property_and_mortgages/article3783516.ece). Der sagte auch: "De facto wird die Notenbank den Geschäftsbanken Geld leihen und dafür eine Sicherheit hereinnehmen". Die britische Notenbank hat nun erneut dem politischen Druck der Regierung nachgegeben. Obwohl sich auch Großbritannien immer weiter vom gesetzten Inflationsziel entfernt, hatte die Notenbank den Leitzins um 0,25 %, auf allerdings noch immer relativ hohe 5 %, gesenkt ( http://www.bankofengland.co.uk/publications/news/2008/026.htm).

Angeblich ergäben sich für den Steuerzahler durch das Tauschgeschäft (Swap) nur "sehr geringe Risiken". Doch das ist unglaubwürdig. Denn was Darling als Sicherheiten bezeichnet, sind keine Sicherheiten, sondern, wie sich in den USA deutlich gezeigt hat, wertloses Papier. Angeblich soll die Maßnahme nur vorübergehend sein. Die Laufzeit des jeweiligen Swaps belaufe sich auf zunächst ein Jahr, mit der Möglichkeit der Verlängerung auf insgesamt drei Jahre. Die Ausfallrisiken der ABS-Papiere verblieben aber bei den Geschäftsbanken, behauptet die Notenbank. Doch im Fall einer Zahlungsunfähigkeit wird der Staat dann doch mit den Steuergeldern zur Hand gehen, um private Verluste abzusichern. Das hat schon das Beispiel der maroden Northern Rock ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27126/1.html) gezeigt. Oder wie sogar in Finanzkreisen kritisiert wird: "Die Konditionen, zu denen sie (die Notenbanken) das tun - übrigens auf das Risiko der Steuerzahler -, werden aber zunehmend die Sitten verderben. Banken und Investoren, die so preiswert gerettet werden, können sich künftig alles erlauben: Moral Hazard nennt man das. ( http://www.faz.net/d/invest/meldung.aspx?id=74178284)

Die neue Maßnahme solle die Liquidität des Bankensystems verbessern und das Vertrauen in die Finanzmärkte stärken, sagte Notenbank-Chef Mervin King. Letztlich macht King die Politik der US-Notenbank nach und versucht sich als Magier, der Wasser in Wein verwandeln will. Bisher ist das Konzept in den USA deutlich schief gegangen und alle halsbrecherischen Unternehmungen haben weder die Rezession abgewendet, noch das Vertrauen in den Markt wieder hergestellt oder das ganze Ausmaß der Krise zu Tage gefördert.

Dass da noch immer faule Milliarden in den Büchern schlummern, zeigten erst am Montag die neuen Zahlen der Bank of America. Der zweitgrößte Finanzkonzern der USA, meldete ein katastrophales Ergebnis für das erste Quartal 2008. Zum dritten Mal in Folge brach der Gewinn ein, diesmal um gut 75 % auf rund 770 Millionen Euro. Die Finanzkrise belastete das Ergebnis der ersten drei Monate mit 5,3 Milliarden Euro. Rund zwei Milliarden davon sind Abschreibungen auf Wertpapiere und Großkredite und 3,3 Milliarden Euro bilden eine erhöhte Risikovorsorge für erwartete faule Kredite.

Zwar war allseits mit schlechten Zahlen gerechnet worden, doch das Ausmaß überraschte die Anleger dann doch. Doch noch ist die Bank nicht in Verlustzone gerutscht, wie der Marktführer Citigroup. Erst am vergangenen Freitag hatte Citigroup erneut ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27121/1.html) einen Milliardenverlust bekannt gegeben. Allein im ersten Quartal 2008 beliefen sich die neuen Belastungen im Zuge der Finanzkrise auf fast 10 Milliarden Euro. Daraus ergibt sich ein Quartalsverlust von mehr als drei Milliarden Euro.

Auch die Royal Bank of Scotland (RBS) muss große Summen abschreiben. Deshalb hat sie bei ihrer Generalversammlung am Mittwoch den Aktionären eine Kapitalerhöhung von 15 Milliarden Euro vorgeschlagen. Auch die zweitgrößte Bank des Landes muss wegen Verlusten mit faulen US-Krediten Wertberichtigungen von 7,4 Milliarden Euro vornehmen.

© Ralf Streck, den 21.04.2008
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Ergänzungen

Seit wann ....

Illuminati 24.04.2008 - 11:36
... sind Staatsbanken in Familienbesitz ???

Wikipedia

ok, bei der bank of America siehts anders aus, das ist ein Privatunternehmen :
Ownership Summary
Schon mal was von Shareholdern gehört ???

So unterkomplex ist der Kapitalismus nun nicht, als dass er irgendwelche "Hintermänner"
bräuchte. Die werden nur von jenen konstruiert, welche es sich in ihrer verkürtzten Kapitalismuskritik bequem gemacht haben...

Die FED

Ralf 24.04.2008 - 12:02
ist auch praktisch in privaten Händen, wenn das bei der EZB, BoE, nicht der Fall ist.

Spanische Verhältnisse

Kein Eigentümer 25.04.2008 - 17:37
So gut der Erstbeitrag auch recherchiert ist, eine Schwachstelle ist evident: Seit ungefähr 15 Jahren findet in Spanien ein Bauboom ohne Gleichen statt, der sich in den letzten Jahren immer mehr beschleunigte. Einfachste Wohnungen in Madrid oder Häuser im Umland (wie Torrelodones) haben rund 40 bis 60 Prozent mehr zum Mieten oder Kaufen gekostet, wie ein vergleichbares Objekt in Köln, Frankfurt oder einer anderen Stadt in D. Dennoch wurden diese Objekte in der aufgeheizten Stimmung zu völlig überteuerten Preisen von spanischen Durchschnittsverdienern gekauft, auch wenn das Nettolohnniveau nicht höher liegt als in anderen europäischen Ländern. Nun setzt sich in Spanien langsam die Erkenntnis durch, dass die Grundstücke einen solchen Wert nicht besitzen, für den sie gekauft worden sind.

Daran haben aber wirklich nur die Käufer Schuld, die sich einer solchen spekulativen Immobilienphase hätten verweigern können. Es wurde niemand gezwungen, für ein Grundstück im Wert von vielleicht 300 TE ein Darlehen von 500 TE aufzunehmen. Wenn jetzt alles zusammenkracht (und das wird es wohl, wie in Nordamerika), dann muß diese Fehleinschätzung auch selber getragen werden. Umschuldungsmaßnahmen der Banken scheinen nach meiner Einschätzung nur noch der (mittelfristig hilflose) Versuch zu sein, ihr eigenes Zusammenbrechen zu verzögern. Die für den massenhaften Neubau tätigen spanischen Bauuträger sind nach meinem Kenntnisstand schon Reihenweise ihre Koffer am packen, da alles auf Pump und als Luftschloss gebaut...

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