Feldbefreiung von Genweizen in Gatersleben

Stop GMO! 21.04.2008 11:00 Themen: Biopolitik Ökologie

In der Morgendämmerung des 21. April befreiten sechs Menschen das Genweizenfeld in Gatersleben, um der massiven Bedrohung eines einzigartigen Schatzes an Pflanzensorten ein Ende zu setzen. Mit Hacken konnten sie die ca. 20cm großen Weizenpflanzen auf dem Versuchsfeld zu Fall bringen, bevor die Polizei das Feld erreichte. Zum Ende der Feldbefreiung platzierten die Gentechnikgegner ein übergroßes Weizenbrot auf dem Boden des Feldes - es trug die gebackene Aufschrift "Unser tägliches Brot - ohne Gentechnik!"

Feldbefreiung auf dem Genweizen-Versuchsfeld in Gatersleben

Die Aktion war von Anfang darauf angelegt, sich der Polizei anschliessend zu stellen. Um viertel vor 5 Uhr morgens trafen die AktivistInnen ein und begannen so gleich zu hacken. Nach kurzer Zeit bemerkte dies auch der Wachschutz, der die Polizei rief, sich ansonsten jedoch zurückhielt. Genauso auch der Wachhund, dessen Interesse mehr dem mitgebrachten übergroßen Weizenbrot galt. Als nach einer halben Stunde die Polizei eintraf, konnte bis dahin ein Großteil des Feldes unschädlich gemacht werden. Die FeldbefreierInnen sind nach Aufnahme der Personalien wieder auf freiem Fuß und feiern ihre erfolgreiche Aktion.

In Gatersleben: die öffentliche Genbank

In Gatersleben befindet sich eine der größten Genbanken für Kulturpflanzen in Europa. Die Sammlung ist eine öffentliche“Schatzkammer“ landwirtschaftlicher Sorten. Sie stellt Saatgutproben für Bauern und Züchter, Privatpersonen, Forschende, Entwicklungshilfe-Projekte in aller Welt sowie Unternehmen zur Verfügung. Eine Kontamination dieser Bestände durch Gen-Weizen hätte verheerende Folgen für die zukünftige Züchtungsarbeit.

Diese „Bibliothek“ lebendiger Pflanzensorten arbeitet zum Einen mit großen Kühlanlagen, in denen das Saatgut und keimfähige Material jahrelang aufbewahrt werden kann. Aber immer wieder muss es, damit es seine Keimfähigkeit nicht verliert, ausgesät werden, aufwachsen dürfen und dann können die neuen Samen wiederum eingelagert werden. Weizen, wird mit vielen Sorten in Gatersleben aufbewahrt. Wenn nun in direkter Nachbarschaft der Flächen der Genbank Gentech-Weizen einen Teil seiner Pollen dem Wind überlässt, werden durch Kontamination wirklich Ernährungsgrundlagen zerstört.

Nichts geht ohne Weizen

Ob Brot, ob Pizza, Nudeln oder Müsli: Weizen ist das wichtigste Grundnahrungsmittel in Europa. Weltweit ist es nach dem Reis die zweitwichtigste Nahrungspflanze. Verwandt mit dem Weizen und ebenfalls auf großen Flächen angebaut sind z.B. Hartweizen und Dinkel, ohne die italienische Pasta ebenso wenig denkbar wäre wie allergenarmes, gesundes Dinkelbrot. Auf der Erde werden jährlich rund 630 Mio. Tonnen Weizen geerntet, 25 Mio. Tonnen davon in Deutschland. Der Weizen wächst in der Bundesrepublik jedes Jahr auf etwa drei Millionen Hektar.

Eine skandalöse Genehmigung

Der Versuch mit dem Genweizen wurde 2006 trotz massiver Proteste genehmigt. Unglaublich, aber wahr. Der damals vorgelegte Freisetzungsantrag schweigt sich aus über die räumliche Nähe zur Genbank. Statt dessen schrieben die Verantwortlichen, in der Nähe der Versuchsfläche, fände kein Anbau von Weizen oder mit Weizen kreuzungsfähiger Pflanzen statt. Das ist absichtliche Irreführung, denn die Flächen für die sogenannte Erhaltungszucht der Genbank liegen in unmittelbarer Nähe zu den genmanipulierten Pflanzen.

Das ist unglaublich. Das IPK ist eine Stiftung des Bundes und der Bundesländer und finanziert sich zu einem Großteil aus öffentlichen Mitteln. So wird mit Steuergeldern die – auch mit Steuergeldern finanzierte – Erhaltung von Kulturpflanzensorten verhindert.

Jede Menge Fragezeichen rund um den Genweizen-Versuch

Bei den gentechnischen Manipulationen unserer Kulturpflanzen ergeben sich regelmäßig überraschende „Nebenwirkungen“. So wirkt das Gift im Genmais Mon810 giftiger, wenn die Pflanze es reproduziert, als wenn das Bodenbakterium „Bacillus thuringiensis“ es wie seit Jahrhunderten tut.

Der Genweizen in Gatersleben blüht früher als die Pflanzen der Ausgangssorte. In den Genweizenpflanzen stecken mehrere fremde Genabschnitte. Das sogenannte Bar-Gen bringt eine Resistenz gegen das Herbizid „Basta“ aus dem Hause Bayer mit sich. Ökonomisch sehr attraktiv, wie Konkurrent und Gentech-Konzern Monsanto weiß, der vor allem in Kanada und den USA derartig manipulierten Raps und Soja verkauft.

Als Markergene stecken im Gaterslebener Weizen außerdem Resistenzen gegen die Medikamente Ampicillin und Streptomycin. Die Europäische Lebensmittelbehörde hat dies als gefährlich bezeichnet und will keine Erlaubnis solcher Genpflanzen für den kommerziellen Anbau erteilen.

Selbst aktiv werden!

Vom 26.-29. Juni 2008 findet im Raum Würzburg ein gentechnikfreies Wochenende und eine "Freiwillige Feldbefreiung" statt. Nach vorheriger öffentlicher Angekündigung wird ein Feld mit gentechnisch veränderten Pflanzen unschädlich gemacht. Es geht nicht darum, den Anbauenden zu schädigen, sondern die Gefahr, die von diesen Pflanzen ausgeht, abzuwenden.

Wir betrachten diese Aktion als notwendigen Akt von Zivilcourage, um der Ausbreitung der Gentechnik auf unseren Feldern Einhalt zu gebieten. Wir leisten gewaltfrei und entschlossen Widerstand. Immer mehr Menschen kündigen ihre Bereitschaft zur Feldbefreiung an. In Frankreich machten die “Faucheurs Volontaires” (die freiwilligen Mäherinnen und Mäher) 2006 70% der gentechnischen Versuchsflächen unschädlich. Die breite öffentliche Diskussion führte dazu, dass Frankreich für 2008 den kommerziellen Anbau von Mon810 untersagte.

Weitere Informationen zu dieser Mitmach-Aktion findet Ihr unter www.gendreck-weg.de.
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Ergänzungen

Beeindruckender Saisonstart

monSyngasf 21.04.2008 - 17:26
Einwandfrei ... mehrere direkte Aktionen, drei Feldbesetzungen, BürgerInneninitiaven an den Standorten - gegenüber mehreren Jahren nur lauer Widerständigkeit ist das ein guter Saisonstart. Schließlich geht es erst los. Unter  http://www.gentech-weg.de.vu findet sich ein Überblick über die bisherigen direkten Aktionen in diesem Jahr. Die sollte aber noch viel länger werden.
Glückwünsch an die HackerInnen aus dem inzwischen gentechnikfrei gekämpfen Gießen!

Debatte ist ja mittlerweile richtig erbittert

hier 21.04.2008 - 21:12
als Agrarwissenschaftler bin ich ´mit der Diskussion schon ziemlich lange beschäftigt.
Interessant ist zur Zeit wie sehr die breite Öffentlichkeit einbezogen wird. Wo früher diffuse Ängste geherrscht haben, kommen heute auch halbwegs ordentliche Infos von den Massenmedien.

Ich finds außerdem krass, dass auf beiden Seiten mit sowenig Sachlichkeit und soviel Ignoranz diskutiert wird (wenn überhaupt). Hätte nie gedacht in der "Welt" mal so krasse Formulierungen zu lesen.

 http://debatte.welt.de/kolumnen/14/maxeiner+und+miersch/69452/heldinnen+und+helden?req=RSS

Liste der Felder

feldbesetzi 21.04.2008 - 22:16
 http://www.standortregister.de

minus die, die verhindert/befreit wurden :-)

die echten Felder

+ 22.04.2008 - 18:01
Gute Aktion, doch sicher wirkungslos. Die GenPanscher haben mittlerweile dazugelernt und die Felder mit den richtigen Genpflanzen sind der Öffentlichkeit unbekannt. Das zerstörte Feld dient wie die anderen bekannten Versuchsanlagen nur der Verschleierung und Ablenkung und ist extra zur Zerstörung angelegt worden.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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