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Via Campesina - Verantwortlicher des Massakers

Onda 18.04.2008 16:44 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Am 17. April fanden zahlreiche Aktionen zum "Tag der Landlosen" statt. Damit soll jedes Jahr an ein Massaker an Landlosen erinnert werden, dass vor 12 Jahren im brasilianischen Bundesstaat Pará verübt worden war. 19 Menschen wurden damals von der Polizei erschossen.

Einer der Verantwortlichen für das Massaker, Paulo Sette Camara, kommt nun nach Berlin - auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Am 24. April wird er auf einer Tagung zum Thema "Innere Sicherheit und Demokratische Gesellschaft in Brasilien und Deutschland" als Gastredner auftreten.
Vor nunmehr 12 Jahren, am 10. April 1996 wurde in Brasilien der "Marsch für eine Agrarreform" von 1.500 Familien landloser Arbeiter ins Leben gerufen. Bei diesem Marsch blockierten sie die Bundesstraße PA-150 nahe der Stadt Eldorado dos Carajás im brasilianischen Bundesstaat Pará. Bei der gewaltsamen Räumung durch die Polizei am 17. April 1996 wurden 19 Teilnehmer der Blockade von der Polizei erschossen. Seit diesem Massaker wird jährlich der 17. April als "Tag der Landlosen" in Erinnerung an die Opfer weltweit begangen.

Paulo Sette Câmara war im Jahre 1996 Staatssekretär für öffentliche Sicherheit im brasilianischen Bundesstaat Pará und erteilte am 17. April 1996 an die Polizei die Anweisung, "unter Anwendung notwendiger Mittel, inklusive Schusswaffengebrauch" die Bundesstraße PA-150 von den Demonstranten zu räumen. Neben den 19 Getöteten wurden auch 81 Personen verletzt.

Am 24. April 2008 ist Paulo Sette Câmara nun geladener Gast einer Veranstaltung der Konrad Adenauer Stiftung und der Deutsch-Brasilianischen Gesellschaft in Berlin. Auf dem IX. Deutsch-Brasilianischen Symposium unter dem Titel "Innere Sicherheit und Demokratische Gesellschaft in Brasilien und Deutschland" wird Paulo Sette Câmara am 24. April 2008 um 15:00 Uhr im "Hotel Berlin", Lützowplatz 17, D-10785 Berlin zum Thema "Kriminalität und Gewalt als Herausforderungen für die Demokratie in Brasilien" als Gast der Konrad Adenauer Stiftung (KAS) sprechen.

Dagegen regt sich nun Protest. "Die Einladung von Herrn Sette Câmara durch die Konrad-Adenauer-Stiftung als Gastredner auf dem IX. Deutsch-Brasilianischen Symposium ist ein Skandal", sagt Christian Russau vom Berliner Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL), "Herr Sette Câmara gab die polizeiliche Anweisung für das Massaker und trägt somit die volle politische Verantwortung". "Die Konrad-Adenauer-Stiftung lädt den politisch Verantwortlichen für das Massaker als Gast zu ihrer Tagung ein und tritt damit das Angedenken der erschossenen Landarbeiter mit Füßen", kritisiert auch Kirsten Bredenbeck von der Nichtregierungsorganisation KoBra aus Freiburg. Es könne nicht sein, dass 12 Jahre nach dem Massaker dessen politisch Verantwortliche noch immer nicht zur Verantwortung gezogen wurden, ergänzt Thomas Schmid von den Amigos do MST/Freundinnen und Freunde der MST. Statt dessen wird Paulo Sette Câmara als vermeintlichem Experten für Innere Sicherheit ein Podium gegeben - auf einer Konferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung über Demokratie.

Weitere Infos: www.fdcl-berlin.de

ZUM HINTERGRUND:

Das Massaker von Eldorado dos Carajás

Am 17. April 1996 wurden 19 Landarbeiter von Polizisten nahe der Stadt Eldorado dos Carajás (Bundesstaat Pará) hingerichtet. Die 19 Männer waren Teilnehmer des ‚Marsches für eine Agrarreform’, der am 10. April von 1.500 Familien landloser Arbeiter ins Leben gerufen wurde. Die Familien hatten am Vortag des Massakers gegen 15.00 Uhr ihr Lager am Kilometerpunkt 96 der Fernstraße PA-10, in der sogenannten S-Kurve, unweit der Stadt Eldorado dos Carajás, aufgeschlagen. Die Arbeiter sperrten die Straße und forderten von den sie begleitenden Militärpolizisten Nahrungs- und Transportmittel.

Das 4. Bataillon der Militärpolizei von Marabá stand zu diesem Zeitpunkt bereit, um die Straße frei zu räumen. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Teilnehmern der Landlosenbewegung MST und der Militärpolizei wurde die Operation gegen 20.00 Uhr abgesagt. Major José Maria Pereira de Oliveira, der die Verhandlungen mit der MST führte, hatte zugesagt, die Forderungen der Landlosen an die Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene weiterzureichen. Am folgenden Tag gegen 11.00 Uhr, dem Tag des Massakers, ließ Leutnant Jorge Nazaré Araújo dos Santos verlautbaren, die Verhandlungen seien abgeschlossen, und man würde keiner der Forderungen nachkommen, nicht einmal der nach einer Lebensmittelspende.

Währenddessen wies der Gouverneur von Pará Almir Gabriel den Staatssekretär für öffentliche Sicherheit Paulo Sette Câmara, den staatlichen Leiter der Landreformbehörde INCRA Walter Cardoso und den Präsidenten des Grundstücksinstituts von Pará Iterpa Ronaldo Barata an, die Straße PA-10 frei zu räumen.

Zu Beginn ihrer Aktion setzte die Militärpolizei Tränengas gegen die Landlosen ein und schoss mit scharfer Munition in die Luft. Anschließend benutzten sie ihre Maschinengewehre. Die Teilnehmer des Marsches verteidigten sich mit Stöcken, Steinen, Sensen, und aus einem Revolver wurden einige Schüsse abgegeben. Außer 19 Toten forderte die Polizeiaktion 81 Verletzte: 69 Landlose und 12 Polizisten.

Die polizeilichen Ermittlungsverfahren endeten mit der Anklageerhebung gegen die beiden Kommandanten der Operation Major Mário Colares Pantoja und Major José Maria Oliveira und gegen 153 Militärpolizisten wegen Mord und Körperverletzung. Ebenso sollten sich drei Landarbeiter wegen leichter Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt und illegalem Waffenbesitz vor Gericht verantworten.

Am Ende wurden Oberst Pantoja zu 228 Jahren Haft und Major José Maria Oliveira zu 158 Jahren Haft verurteilt. Die anderen 144 Angeklagten wurden für nicht schuldig befunden.

Aus: Justiça Global / Hrsg. v. FDCL e.V. : Menschenrechte in Brasilien, (Titel des brasilianischen Originals: Direitos Humanos no Brasil - 2003), Lusophonie - Verlag portugiesisch-sprachiger Länder, in Kooperation mit FDCL, Freiburg/Berlin/São Paulo/Rio de Janeiro 2004, S.124-127)


Weitere Informationen unter:
 http://www.fdcl-berlin.de
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