40 Jahre Attentat auf Rudi Dutschke – Aktion

Blitz 11.04.2008 20:34 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Berlin. Heute vor 40 Jahren verübte Josef Bachmann ein Attentat auf die wohl schillernste Figur der Außer- parlamentarischen Bewegung (APO) der 1960er Jahre und des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund), Rudi Dutschke. Der nach eigenen Aussagen von der BILD-Zeitung motivierte Attentäter traf Dutschke, der in der Nähe des SDS-Büros am Berliner Kurfürstendamm mit seinem Fahrrad unterwegs war, mit drei Kugeln seiner Pistole aus nächster Nähe, wobei er „dreckiges Kommunistenschwein“ schrie.
Innerhalb von wenigen Stunden verbreitete sich die Nachricht von den schweren Verletzungen des Studenten und es wurden Proteste in Berlin wie auch in vielen anderen Städten organisiert. Ziele der spontanen Aktionen waren vornehmlich die Gebäude der Springer-Presse, die blockiert wurden, damit die Zeitungen des Verlags nicht ausgeliefert werden konnten. Über die Ostertage entfachten heftige Auseinandersetzungen zwischen DemonstrantInnen und der durch die Osterfeiertage geschwächten Polizei. Diese „Osterkrawalle“ gingen als eine der größten Straßenschlachten in die Geschichte ein. Nach den Protesten wegen des Tods von Benno Ohnesorg waren der 11. April 1968 und die folgenden Tage eine der deutlichsten Zuspitzungen zwischen der neuen Linken und dem Staat. In München kamen zwei Menschen während der Proteste zu Tode und in zahlreichen europäischen Ländern wurden aus Solidarität direkte Aktionen durchgeführt.

Heute, 40 Jahre nach den Ereignissen, gedachten einige AktivistInnen des Berliner Mayday-Bündnisses den Geschehnissen von damals. Im Retro-Look, mit Mao-Bibel und „Springer enteignen“-Schildern, in Hemd und Krawatte, mit Parkas und Hornbrillen protestierten sie vor dem Springer-Gebäude in der Kreuzberger Kochstraße (bald: Rudi-Dutschke-Straße). Ihr Protest richtete sich nicht nur gegen die Informationspolitik der Springer Presse, die nach wie vor in populistischer Manier konservative Gelüste erfüllt und plumpe Kapitalinteressen vertritt: Die von der BILD-Zeitung lancierte Kampagne gegen Mindestlohn sollte dem Springer-Konzern ganz real Geld in die Kassen spülen. Als 2/3-Mehrheitseigner des Postdienstleisters PIN-AG ist der Konzern Paradebeispiel für unterdurchschnittliche Bezahlung und miese, prekäre Arbeitsverhältnisse. Nähere Informationen zur PIN-AG finden sich zum Beispiel hier und hier.

Hannah Schuster, Sprecherin des Mayday-Bündnisses, bemerkt dazu: „Springer-Zeitungen wie BZ und BILD betreiben nach wie vor rassistische Stimmungsmache und denunzieren Streiks und soziale Kämpfe. Die Ablehnung beschränkt sich aber nicht auf Zeitungsartikel: Beim Postdienstleister PIN versucht die Springer AG vereinbarte Mindestlöhne auszuhebeln und die ohnehin bescheidenen Rechte der Beschäftigten weiter einzuschränken.“ Deshalb sei, so Schuster, die Forderung nach der Springer-Enteignung nicht nur eine historische Reminiszenz.

Im Hinblick auf die Hetzkampagnen früherer Zeit äußerte sich Philipp Stein, einer der OrganisatorInnen der Mayday-Parade: „Wie die heutige Titelschlagzeile der Welt-Kompakt zeigt, hat sich nicht viel verändert seit damals.“ Damit nahm er Bezug auf den Aufmacher „Linke Gewalt nimmt dramatisch zu“, mit der unter Berufung auf die Vorkommnisse nach der Großdemonstration in Rostock gegen den letztjährigen G8-Gipfel vor einer vermeintlichen linken Gefahr gewarnt wird. In der Statistik unter der Schlagzeile ist allerdings deutlich abzulesen, dass die offizielle Zahl der rechtsextem motivierten Straftaten mehr als dreimal so hoch ist. Exakt vor 40 Jahren titelte die BILD-Zeitung „Rudi Dutschke – Staatsfeind Nr. 1“ und auch heute noch wird im Springer-Blatt „Welt“ unter Verdrehung der Tatsachen gegen Linke gehetzt.

Mit einem Augenzwinkern führten die Anwesenden eine symbolische Blockade des Gebäudes durch, posierten für Fotos mit einem „Enteignet Springer!-Transparent und hielten ihre zahlreichen Schilder dem gigantischen BILD-Logo, das seit einigen Wochen auf dem Gebäude zu sehen ist, entgegen. Zeitgleich zu der spontanen Aktion fand eine kurze Pressekonferenz statt, mit der nicht nur die Aktion vermittelt, sondern zugleich für die diesjährige Maydayparade in Berlin geworben wurde. In Anlehnung an die „Be Berlin“ Image-Kampagne der Stadt soll unter dem Motto „be.STREIK.berlin – Organisiert das schöne Leben“ gegen unsichere Arbeits- und Lebensverhältnisse auf die Straße gegangen werden. Das Motto nimmt nicht nur positiv Bezug auf die Streiks der vergangenen Monate. Zugleich sollen auch Fragen nach der Möglichkeit von Streiks und Solidarität in einer Welt der sich zunehmend individualisierenden Arbeits- und Lebensverhältnisse aufgeworfen werden.

Nach Angaben der VeranstalterInnen soll die Parade am 1. Mai um 14 Uhr am Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain beginnen und von dort aus mit zahlreichen thematisch gestalteten Wagen nach Kreuzberg ziehen. Nähere Informationen finden sich unter http://berlin.euromayday.org
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Ergänzungen

Gedenkveranstaltung an Dutschke-Attentat

Bill 12.04.2008 - 02:50
Über eine von den GRÜNEN initiierte Gedankveranstaltung heute am Ort des Dutschke-Attentats am Berliner Ku'damm berichtete die Bildmedien:

 http://www.rbb-online.de/_/abendschau/beitrag_jsp/key=rbb_beitrag_mini_7306268.html
 http://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/ts4120.html
 http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/26/0,3672,7225018,00.html
 http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/472816
 http://www.kurier.at/nachrichten/147689.php

In Ansprachen vor etwa 400 Teilnehmerinnen gab Claudia Roth Rudi Dutschkes spätere Schilderung des Attentatsverlaufs wieder. Die Witwe Gretchen Dutschke berichtete über ihr entsetzen, als ihr damals zunächst Rudis Tod gemeldet worden war. Christian Ströbele, der Minuten zuvor noch im Bundestag an Rudi Dutschke erinnert hatte (-> TOP ZP9, ab 14.4.08 abrufbar unter:
 http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/16155.html

trat Schmähungen von Rudis politischen Positionen als nationalistisch und Terror-freundlich entgegen (so u.a. W. Kraushaar; dagegen u.a. J. Treulieb:
 http://www.oeko-net.de/kommune/kommune05-07/adutschke.htm

sowie versuchten Gleichsetzungen der 68er mit Nazis (u.a. durch Ströbeles alten Weggefährten Götz Aly).
 http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,535950,00.html

Ströbele beendete seine Ansprache - in Anlehnung an Rudis Worte 1974 am Grab des RAF-Mitglieds Holger Meins - mit dem Ausruf: "Rudi, der Kampf geht weiter".

Rudi Dutschke hatte diese seine Worte damals angesichts von Vorhalten nachträglich so erläutert:

"'Holger, der Kampf geht weiter'‘ – das heißt für mich, dass der Kampf der Ausgebeuteten und Beleidigten um ihre soziale Befreiung die alleinige Grundlage unseres politischen Handelns als revolutionäre Sozialisten und Kommunisten ausmacht. […] Die Ermordung eines antifaschistischen und sozialdemokratischen [Mannes] ist aber als Mord in der reaktionären deutschen Tradition zu begreifen. Der Klassenkampf ist ein Lernprozess. Der Terror aber behindert jeden Lernprozess der Unterdrückten und Beleidigten.“

Mehr

zum Thema 12.04.2008 - 14:00
www.1968kongress.de

Vor vierzig Jahren.

saul 12.04.2008 - 18:10
 http://de.indymedia.org/2008/01/204561.shtml
de.indymedia.org | Vor vierzig Jahren.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 9 Kommentare an

Super Aktion! — Marc

Richtig so! — Mobilisator

wie niedlich — grete

Augenzwinkern? — Ernst Meiner

naja — mein name steht in meinem führerschein

Trotzdem gute Idee! — Thomas Kaiser

@Bill: was fuer ein hohn — lehrling68