Erfurt: Häuserkampf und Repression

wir bleiben alle 07.04.2008 16:58 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe

Die Repression gegen das seit sieben Jahren besetzte Haus in Erfurt nimmt zu. Nachdem der von der Stadt Erfurt veröffentlichte Bebauungsplan auf dem besetzten Gelände einen Lebensmittelmarkt vorsieht (vergl.: http://de.indymedia.org/2008/02/208613.shtml), verbieten Ordnungsbehörden nun kurzerhand alle Veranstaltungen auf dem Gelände. Es sind jedoch nicht nur die Erfurter Ämter die zur Zeit aktiv werden. Es regt sich auch Widerstand.

Die Repression

Seit der Besetzung eines Teils des ehemaligen Topf & Söhne Geländes fanden dort unzählige Veranstaltungen statt. Neben Konzerten, Filmvorführungen, Vorträgen und Workshops wurde sich intensiv mit der Geschichte des Geländes auseinandergesetzt. Die Firma Topf & Söhne produzierte während der Zeit des Nationalsozialismus Krematorien sowie Teile von Gaskammern für Konzentrations- und Vernichtungslager. Zahlreiche Veranstaltungen und der Rundgang über das Gelände haben dies thematisiert.

Die historische, politische und kulturelle Arbeit der Besetzer_innen wurde von der Stadt bisweilen toleriert, ja teilweise sogar gut geheißen. Vertreter_innen der Stadt ließen sich zum Beispiel von den Besetzer_innen bei einem Rundgang über die Brache führen.

In anbetracht dessen, klingt das nach sieben Jahren ausgesprochene Verbot aller Veranstaltungen auf dem Gelände, wie ein schlechter Witz. „Wir fragen uns wie es kommt, dass bestimmte Teile der Stadt nach sieben Jahren plötzlich entdecken, dass Besetzungen illegal sind und solche selbstverwalteten Projekte den Standards städtischer Projekte nicht entsprechen und auch gar nicht entsprechen wollen?" - so eine Sprecherin der Besetzer_innen.

Als Begründung hatte das Ordnugsamt bau- und nutzungsrechtliche Erwägungen sowie Sicherheitsbedenken angeführt. Der bauliche Zustand des Geländes ist der Stadt seit vielen Jahren bekannt. Somit scheint klar, dass der Grund für das plötzliche Engagement der städtischen Behörde nicht die baulichen Mängel sein können. Bleibt zu vermuten, dass hier die Aushandlung politischer Machtverhältnisse im Vordergrund steht, die exemplarisch am politischen Umgang mit dem Besetzten Haus ausgetragen werden. Ob und wie die Behörden das Verbot durchsetzen werden bleibt ungewiss.

Der Widerstand

Unter dem Motto „Wir bleiben alle!“ wird derweilen für den Erhalt des Besetzten Haus Erfurt in seiner jetzigen Form gekämpf. Neben dem Sammeln von Unterschriften wird der Protest vor allem auf der Straße sichtbar. So schmücken etliche „Wir bleiben alle“ Sprühereien die Stadt. Immer wieder werden Transparente an Brücken befestigt.

Die Gruppe Plan_B (http://www.planb.de.tp) startete vor kurzem eine Postkarten-Aktion unter dem Motto „Wir bleiben alle!“. Auf den Postkarten wird die Notwendigkeit des Hauses erläutert, die aktuelle Bedrohung geschildert und dazu aufgerufen an die Parteien im Erfurter Stadtrat zu schreiben.

Am Heutigen Montag den 7. April begannen die Bautage auf dem besetzten Gelände. „Das wir alle bleiben zeigen wir dadurch, dass wir einfach weiterbauen“ sagte ein Aktivist dazu. An drei Tagen sollen Dächer und Zäune repariert und kleinere Umbauten durchgeführt werden.

Im Rahmen der „days of action for Squats and autonomous spaces“ wird von der Gruppe JFK am 10. April eine „Open-Air Überraschungsparty“ organisiert. Mit der Party soll für den Erhalt von besetzten Häusern und autonomen Plätzen gekämpft werden.

Am 11. und 12. April findet im besetzten Haus das sieben Jahre besetzt Festival statt. Neben Workshops, Infoveranstaltungen und Filmvorführungen gibt es jede Menge Musik sowohl live als auch aus der Dose.

In der nächsten Zeit gibt es also genug Möglichkeiten das besetzte Haus in Erfurt zu unterstützen. Es bleibt zu hoffen das die Ordnugsämter und die Polizei von einer weitergehenden Repression absehen.

Kulturelles Zentrum "Besetztes Haus" durch städtische Behörden bedroht: http://de.indymedia.org/2008/04/212629.shtml

Besetztes Haus Erfurt: http://topf.squat.net/

Open-Air Überraschungsparty: http://wirbleibenalle.blogsport.de/

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Ergänzungen

Wir bleiben Alle - Soundtrack

tritratrullala 07.04.2008 - 20:44

aus den blogs

cmc 07.04.2008 - 22:14
Nächstes Wochenende finden die decentralized days of action for squats and autonomous spaces statt. Durch Demonstrationen, Direkte Aktionen, Besetzungen und Öffentlichkeitsarbeit soll auf die Situation von besetzten Häusern und autonomen Räumen aufmerksam gemacht werden. Wie dringend notwendig das ist, zeigt sich derzeit in Erfurt...

"Festival untersagt"

XaftershowX 08.04.2008 - 15:30
"Die Enttäuschung ist groß: Den Bewohnern des besetzten Hauses auf dem ehemaligen Gelände Topf & Söhne ist ein für den 10. bis 12. April geplantes Festival mit 200 Gästen untersagt worden.

ERFURT (vd). Bands, DJs und Gäste hatten das Wochenende fest eingeplant. Im Vorfeld wurde offensiv mit Flyern und im Internet für das Open-air-Event geworben. Fatal, dass die Bauverwaltung davon Wind bekam und aus bau- und nutzungsrechtlichen Erwägungen sowie wegen Sicherheitsbedenken diese Veranstaltung per Bescheid untersagte. Außerdem ist bis gestern Abend das Festival nicht angemeldet worden, sagte Bauamtsleiter Winfried Kiermeier gegenüber TA. "Bisher konnte uns weder erläutert werden, wie der Veranstalter die Sicherheit auf dem Gelände gewährleisten und beispielsweise Fluchtwege ausweisen kann. Wenn das gelingt und eine Anmeldung vorliegt, könnte das Festival noch stattfinden." "Für uns bedeutet dieser Bescheid das Ende sämtlicher kultureller und politischer Arbeit. Sieben Jahre Auseinandersetzung mit der Historie des Geländes und mit anderen gesellschaftlichen Themen, Konzerte, Lesungen und Workshops werden schlichtweg ignoriert", sagte Markus Müller vom kulturellen Zentrum. Ignoriert werde, dass die jungen Besetzer nur einen Teil des Geländes nutzen, der in einem weitaus besseren baulichen Zustand als der Rest des Geländes sei. Der Zustand des Geländes war der Stadtverwaltung in der Vergangenheit durchaus bekannt, darauf verweist Müller: "Trotzdem wurde unsere Arbeit toleriert, teilweise sogar gut geheißen." Auf die Frage, warum das Festival nicht angemeldet wurde, antwortete Müller: "Das könnte nur eine einzelne Person. Es ist aber niemand bereit, diese Verantwortung allein zu tragen.""

Quelle:  http://www.thueringer-allgemeine.de/ta/ta.erfurt.volltext.php?kennung=on5taLOKStaErfurt39544&zulieferer=ta&kategorie=LOK&rubrik=Stadt®ion=Erfurt&auftritt=TA&dbserver=1

"Schluss bei 100 Leuten"

XaftershowX 08.04.2008 - 15:36
Erfurt. (tlz/el) Zwei Tage lang soll gefeiert werden in der Rudolstädter Straße 1 - doch das "7-Jahre-besetzt-Festival" am 11. und 12. April auf dem einstigen Topf & Söhne-Gelände hat das Bauamt auf den Plan gerufen. "Es wird groß beworben, so dass wir von hunderten von Leuten ausgehen müssen - dafür sind die Sicherheitsanforderungen nicht erfüllt", sagte Baumamtsleiter Winfried Kiermeier auf Anfrage der TLZ. Zugestellt wurde an die Adresse des Besetzten Hauses am 2. April ein Schreiben des Amtes, in dem die Veranstaltung untersagt wird, es sei denn, es könne nachgewiesen werden, dass vom Brandschutz bis zu den Toiletten alle Sicherheitsanforderungen erfüllt seien, die es bei einer solchen Großveranstaltung gebe, bestätigte Kiermeier. Wenn ein entsprechender Antrag bei seinem Amt eingehe, werde dieser "kurzfristig und vorrangig" bearbeitet.

Dass bereits seit sieben Jahren das Gelände Ort zahlreicher Veranstaltungen von der Lesung über das Rockkonzert bis zu Führungen - auch für VertreterInnen der Stadtverwaltung - gewesen sei, spiele keine Rolle, sondern die Größe des Publikums. "Spätestens bei 100 Leuten müsste da Schluss sein", sagt Kiermeier. Von den wenigsten Veranstaltungen habe die Bauverwaltung Kenntnis erhalten; wenn sie aber Kenntnis habe und Gefahr im Verzug sei, müsse sie handeln.

Eine Reaktion auf sein Schreiben habe er noch nicht, sagte Kiermeier, der im Internet auf das "7-Jahre-besetzt-Festival" aufmerksam wurde. Dort findet sich auch die Reaktion der BesetzerInnen, die ein Ende ihrer gesamten kulturellen und politischen Arbeit gekommen sehen. "Auch in den vergangenen Jahren war der bauliche Zustand des Geländes der Stadt durchaus bekannt. Trotzdem wurde die nichtkommerzielle politische und kulturelle Arbeit der BesetzerInnen toleriert, ja teilweise sogar gut geheißen", schreiben sie.

Und wünschen sich "vielfältige, kreative Solidarität", um ihr Projekt in "seiner jetzigen selbstverwalteten Form" zu erhalten.

07.04.2008

Quelle:  http://www.tlz.de/tlz/tlz.erfurt.volltext.php?kennung=on2tlzLOKStaErfurt39544&zulieferer=tlz&kategorie=LOK&rubrik=Stadt®ion=Erfurt&auftritt=TLZ&dbserver=1

Bauordnungsamt verbietet weitere Nutzung

Radio F.R.E.I 08.04.2008 - 19:29
Eigentlich hätte alles so schön werden können: Seit mittlerweile sieben Jahren organisieren Menschen auf einem Teil des Topf und Söhne-Geländes nichtkommerzielle Veranstaltungen. Es gibt Konzerte, Lesungen und Filmabende. Im Besetzten Haus in Erfurt ist über die Jahre ein vielfältiges soziokulturelles Zentrum entstanden, auf dem gelebt und gefeiert, gestritten uns sich mit Geschichte und Gegenwart auseinandergesetzt wird. All das ist ein Grund zum Feiern und deshalb findet am kommenden Wochenende ein Festival für alle Freundinnen und Freunde des Hauses statt. Eigentlich.
Denn Ungemach droht nun vom Bauordnungsamt der Stadt Erfurt. Die Nutzung des Geländes sei ab sofort untersagt, so heißt es in einem Schreiben an den derzeitigen Besitzer. Radio FREI sprach mit zwei SprecherInnen des Hausplenums über die aktuelle Situation und wollte zunächst wissen, wie diese Maßnahme von Seiten der Stadtverwaltung begründet wird.

Radiobeitrag:
 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=21871

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