Dritter Tag Genfeldbesetzung in Gießen

Feldhasen, Betonmäuse und Turmfalken 02.04.2008 13:42 Themen: Biopolitik Ökologie

Mit konkreten Forderungen traten heute die AktivistInnen an die Öffentlichkeit, die in der Nacht von Sonntag auf Montag den Acker besetzt hatten, auf dem seit 2006 immer wieder transgene Gerste angepflanzt, aber auch wieder zerstört wurde. Gleichzeitig geht das Leben im kleinen Widerstandsdorf weiter. Von außen werden die BesetzerInnen unterstützt - von Öffentlichtkeitsarbeit bis zur Großpizza aus einer Pizzaria der Umgebung. In de Folgetagen sind Demonstrationen in der Stadt angekündigt.

Eindrücke vom Dienstag, 2. Tag der Besetzung

Dienstag Morgen, der zweite Tag der Besetzung beginnt. Ein paar FrühaufsteherInnen schieben sich über das besetzte Feld der Universität Gießen, ein eher nobles Auto fährt vor. "Frühstück", ruft ein Mann im Anzug, zwei Tüten frische Brötchen schwenkend, winkt mich herbei. Zaungäste - AnwohnerInnen, PassantInnen, StudentInnen - bleiben kurz stehen, das Tripod mit den Transparenten gegen Gentechnik ein unübersehbarer Blickfang, mit manchen entwickeln sich längere Gespräche. Es sind weniger als noch am Morgen zuvor, wo schon nach wenigen Stunden zahlreiche MedienvertreterInnen auf das Feld flanierten, und auch einige BesucherInnen den Schritt über den zerschnittenen Zaun wagten. Aber es ist sonnig, die Laune unter den BesetzerInnen gut. Die Polizei im Hintergrund, unauffällig.

Bei Begegnungen mit MitarbeiterInnen des Instituts, welches die Fläche unterhält, ist Aggression und Überforderung spürbar. Als ich ich mittags das Feld über den offziellen Zugang des Institus verlassen will, freundlich frage, will der Mitarbeiter ein Foto von mir machen. Von mir aus. PolizistInnen, PassantInnen, AktivistInnen, Medienleute ... wahnsinnig, auf wie viele Bilder das Geschehen gebannt wird. Ich willige ein, obwohl ich übermüdet und geschrottet aussehe. Als ich ansezte, das Tor zu öffnen, um das Geldände zu verlassen, sagt er: "Nicht anfassen. Das müssen wir sonst desinfizieren." Ich signalisiere Unverständnis, frage nach. Zunächst keine Antwort. Als ich das Tor passiert habe dann, leise und voller Abscheu: "Drecksau." Eigentlich tut er mir leid - so wie andere MitarbeiterInnen des Instituts wirkt er genervt und unsouverän ... eine lockere Kommunikation fast unmöglich.

 

FeldbesetzerInnen fordern nachweislichen Abbruch der Genversuche in Gießen

Mit einer klaren Forderung an den Versuchsleiter des Gengerstenversuches in Gießen traten die AktivistInnen heute an die Öffentlichkeit. Damit reagierten sie auf die Ankündigung des Versuchsleiters, Prof. Kogel, dass im laufenden Jahr ohnehin keine neue Aussaat gentechnisch veränderter Gerste vorgenommen werden sollte. „Einer solchen Ankündigung zu trauen, fällt uns schwer, denn beim hier laufenden Genversuch wurde viel mit falschen Informationen gearbeitet“, begründet Patrick Neuhaus, einer der BesetzerInnen.

In monatelangen Recherchen hatten GentechnikgegnerInnen nachweisen können, dass das angegebene Versuchsziel der Biosicherheitsforschung vor allem als Vorwand zur Finanzierung und Akzeptanzbeschaffung diente. Neuhaus formuliert: „Tatsächlich werden hier neue Pflanzen entwickelt. Zudem forschen Kogel und seine Unterstützer seit Jahren an neuen Methoden zur schnelleren und effizienteren Manipulierung von Genen.“ Damit hätte dieser Versuch weltweite Bedeutung bei der Durchsetzung der Agro-Gentechnik.

Keinen Zweifel lassen die BesetzerInnen auf dem Feld an ihrer grundsätzlichen Kritik der Technik. „Selbst wenn es Sicherheitsforschung wäre – was nicht stimmt –, würde sie der Durchsetzung von Gentechnik in der Landwirtschaft dienen“, erklärt Johanna Rehse von der BesetzerInnengruppe, „für eine ausreichende Nahrungsmittelversorgung oder einen umweltgerechten Anbau ist diese Technik aber überflüssig. Sie wird durch höhere Profite und Machtausübung Elend erzeugen statt beseitigen.“ Da nütze es auch nichts, wenn die einzelne Pflanze stärker auf biologische Sicherheit überprüft worden wäre.

„Wenn die Universität Gießen als formaler Antragsteller des Versuches nachweist, den Versuch zurückgezogen zu haben, werden wir unsere Türme und Betonblöcke freigeben“, sagt Johanna Rehse. Die Universität sei damit allerdings ihre Sorgen nicht los. Am Widerstand gegen die Genmaisfelder von Prof. Friedt und seinem Institut hatten sich mehrere der auch jetzt aktiven GentechnikgegnerInnen beteiligt. Rehse erklärt weiter: „Wir können der Uni nur raten: Schluss mit der menschenverachtenden Technik. Forschung soll einem besseren Leben dienen und nicht Profit, Kontrolle und der Standortkonkurrenz von Universitäten!“

Quelle: Erklärung von heute aus dem Kreis der FeldbesetzerInnen

 

Die Lage am besetzten Feld

Das in der Nacht von Sonntag auf Montag aufgebaute Widerstandsdorf mit Turm und Betonblock zur Sicherung vor einer Räumung ist inzwischen zum täglichen Treffpunkt von Interessierten und GentechnikgegnerInnen geworden. Privatleute, kleine Geschäfte und Gruppen unterstützen die BesetzerInnen. „Ob Großpizza, Gemüse oder Brot – es ist viel direkte Hilfe auf dem Feld angekommen“, sagt Patrick Neuhaus und bedankt sich für die Unterstützung.

Turm, Banner und Zelte geben vor allem Nachts der bisher für Pflanzenversuche genutzten Fläche ein beeindruckendes Design. Die Universität hat vier Sicherheitsbedienstete am Feld postiert, zudem wird die Fläche laufend mit einer Kamera gefilmt und per Flutlichtanlage rund um die Uhr hell gehalten. Rundherum beobachten zudem Polizeibeamte das Geschehen. Am naheliegenden Polizeipräsidium ist inzwischen auch ein Hubschrauber verfügbar.

 

Kontakt zu den BesetzerInnen
  • Kontakt- und Pressehandy: 0152-29990199

 

Weitere Informationen und Termine
  • Informationsseite zur Gentechnik in Gießen und Protesten: www.gendreck-giessen.de.vu
  • Lage des besetzten Feldes: Alter Steinbacher Weg in Gießen am Kreuzungspunkt Rathenaustraße (Versuchsstation des Instituts für Phytopathologie der Uni Gießen)
  • Samstag, 5. April, 15 Uhr ab Brandplatz Gießen: Demo gegen Gentechnik. Zug vom Regierungspräsidium (Genehmigungsbehörde von Genversuchen für Hessen) zur Uni (Hauptgebäude) und zum Gengerstenfeld (dem inzwischen besetzten Feld)
  • Bericht auf Indymedia direkt nach der Besetzung
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Ergänzungen

das mit den bauern in der krise....

...ist ja nun auch nur die halbe wahrheit. 02.04.2008 - 22:39
vor einigen monaten hättest du sicher recht gahabt, aber durch die steigene nachfraqe von anbaufläche für nachwachsende rohstoffe, zb mais für biogasanlagen, sing die produktion von normalem getreide für nahrungs und futtermittel. fabriken kann mensch neu dazu bauen wenn die nachfrge steigt, mit äckern ist das schwierig. dadurch hat sich zb während der letzten jahres der preis für weizen fast verdoppelt. siehe zb hier:  http://www.raiffeisen.com/markt/telegramm/produkt/euronext/weizen/index_html dies wird allerdings zum teil auch durch gestiegene kosten für treibstoff ec wieder aufgefangen)
allerdings hat du auch recht, teile der landwirtInnen haben grade probleme, auch durch diese entwiklung, denn viele verbrauchen mehr getreide als sie erzeugen bzw sie verbrauchen nur: sie haben langfristig in tierhaltungsanlagen investiert: das ist abgesehen von der moralischen problematik der geringen nutzung der eingesetzten nahrungsmittel (egal ob fleisch oder anderes) bzw der haltungsweise der tiere auch für die produzentInnen problematisch, da für diese den steigenden einkaufspreisen für fütter und andere betriebsmittel wie zb heizstoffe keine entprechenden preissteigerungen gegenüber stehen.
und zumindest in mitteleuropa müssen wir bedenken, das es sich bei den landwirtInnen abgesehen von ausnahmen um unternehmerInnen handelt, die nach betriebswirtschaftlichen gesichtpunkten handeln, oftmals mehrere mio eur im jahr an umsatz machen (auch viele ökologisch ackernde produzentInnen).
und wenn wir im nachhinein zb die anti-akw-bewegung betrachten, denke ich sollte ein ergebniss daraus sein, unternehmen durch massiven protest und widerstand die wirtschaftliche nutzung von hochrisikotechnologien unmöglich zu machen. genfeldbesetzungen können ein konzept sein, aber das konzept bietet leider den nachteil der möglichen raschen verlagerung. wir sollten uns also als alternative darüber gedanken machen, (landwirschaftliche) geräte zur vernichtung der aussat anzuschaffen. und vorallem unsere einzige möglichkeit demokratischen einflussnahme nutzen: boykott aller genprodukte, eigentlich alle tiere die konventionell gehalten werden (also fast alle) werden mit zumindest teilweise genmaipuliertem futter versorgt!

Weitere Erklärungen der Feldbesetzis

wühlmaus 04.04.2008 - 18:13
Auf www.gendreck-weg.de ist eine weitere Erklärung der FeldbesetzerInnen vom vierten Tag zu lesen. Siehe  http://www.gendreck-weg.de/?id=190&lg=de !
Außerdem ist der Acker in Gießen nicht mehr der einzige Genversuchsstandort, der besetzt wurde. Ganz ähnlich sieht es in Oberboihingen (bei Stuttgart) aus:  http://de.indymedia.org/2008/04/212395.shtml

Presseinfo der Grünen Jugend zur Besetzung

egal4 10.04.2008 - 20:27
Für ein gentechnikfreies Giessen und Hessen

Die Grüne Jugend Hessen erklärt sich solidarisch mit den FeldbesetzerInnen der Genversuchsfläche an der Giessener Uni. "Wir freuen uns, dass die erfolgreiche, hessische Widerstandstradition fortgesetzt wird" erklärt Elisabeth Amrein, Vorsitzende der Grünen Jugend Hessen. "Unser erklärtes politisches Ziel ist ein Gentechnikfreies Hessen, der Umwelt zuliebe und um dem erklärten Willen der WählerInnen und VerbraucherInnen in Hessen Ausdruck zu verleihen" ergänzt Kim-Julie Cezanne aus dem Landesvorstand der Grünen Jugend Hessen. Die Grüne Jugend Hessen beschloss zuletzt im Juli letzten Jahres die politischen Möglichkeiten für ein gentechnikfreies Hessen auszuloten und politische Initiativen hierzu zu unterstützen.

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