Würde für Franco-Opfer, aber nur in Katalonien

Ralf Streck 30.03.2008 11:49 Themen: Antifa Repression Weltweit
Da ein neues Gesetz in Spanien zur Rehabilitierung der Opfer der Diktatur sehr kurz greift ( http://de.indymedia.org/2007/10/198046.shtml), hat die Regionalregierung Kataloniens eine Erweiterung beschlossen. Damit soll den Opfern der Repression die Würde zurückgeben werden, die in Massengräbern verscharrt wurden. Die sozialistische Zentralregierung hatte sich erneut nicht getraut, gegen die Postfaschisten und gegen die mächtige katholische Kirche ein wirkliches "Gesetz zur Wiederherstellung der historischen Erinnerung" zu verabschieden ( http://de.indymedia.org/2007/11/198288.shtml). Doch auch wenn das katalanische Gesetz etwas weiter geht, kritisieren die Opferverbände erneut, dass auch mit diesem Gesetz die Opfer des Faschismus mit den im Kampf zur Verteidung der Republik getöteten Täter gleichgesetzt werden.
Neu ist an dem katalanischen Gesetz vor allem, dass die bisher bekannten 179 Massengräber in Katalonien ausgewiesen werden sollen. Ist der Ort bekannt, an dem die Opfer vergraben wurden, werden die Angehörigen darüber informiert, sagte Sprecher der Regionalregierung Joan Saura. Etwa 100 Massengräber befänden sich auf Friedhöfen, worin knapp 10.000 Menschen liegen sollen. Im Unterschied zum Rest des spanischen Staates, handele sich meist nicht um hingererichtete "Rote"-Zivilisten sondern um Soldaten, fügte Saura an.

Das Gesetz, das im Herbst vom Parlament beschlossen werden soll, will den Familien der seit Jahrzehnten Verschwundenen auch das Recht zur Exhumierung einräumen. Auf ihren Antrag, oder den von "gemeinnützigen Organisationen", kann die Öffnung der Gräber vorgenommen werden. Das muss von einer Kommission unterstützt werden, die von Spezialisten, Organisationen und verschiedene Regierungsstellen gebildet wird. Die Regionalregierung wird die Kosten der Exhumierung und der Identifizierung übernehmen, wie das schon seit Jahren im Baskenland oder Andalusien geschieht. Der Regierungssprecher schätzt, dass jährlich "zwei bis drei" Gräber geöffnet würden. Die Kosten für jede Öffnung beliefen sich auf 40.000 bis 50.000 Euro. In den Fällen, in denen sich die Gräber auf Privatgelände befinden, sollen diese nicht enteignet, sondern im Fall einer Öffnung nur "für 15 Tage" benutzt werden.

Eigentlich ist es erstaunlich, dass es 30 Jahre nach dem friedlichen Ableben des Diktators Franco ein solches Gesetz braucht, dem auch noch das Attribut "pionierhaft" angeheftet wird. Doch die Sozialisten (PSOE) trauten sich nach der Übernahme der Regierung 2004 in Madrid erneut nicht, das "Gesetz zur Wiederherstellung der historischen Erinnerung" zu verabschieden ( http://de.indymedia.org/2006/10/160052.shtml). Schon in der ersten Regierungzeit von 1982 bis 1996 kehrten sie den Opfern den Rücken ( http://de.indymedia.org/2006/01/136998.shtml).

Wegen des Drucks der starken postfaschistischen Volkspartei (PP), die sich nie vom Putsch 1936 und von der Diktatur distanzierte, wurde es verwässert. Erst im Oktober 2007 sagte der ehemalige PP-Innenminister Jaime Mayor Oreja, und heute Europaparlamentarier: "Warum soll ich den Franquismus verurteilen, wenn es viele Familien gab, die ihn natürlich und normal erlebt haben?" (  http://actualidad.terra.es/articulo/sobreseen_oreja_denuncia_supuestas_injurias_1959265.htm) Er meinte auch, dass Franco dem "Baskenland einen außergewöhnlichen Frieden" beschert habe. ( http://www.lavanguardia.es/premium/publica/publica?COMPID=53404349888&ID_PAGINA=22088&ID_FORMATO=9&turbourl=false). Das ist die Art Faschisten, vor denen Adorno warnte "Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten".

Denn zu "Demokraten" gewandelt verunglimpfen sie heute Antifaschisten als Faschisten und bestimmen noch heute die Politik im spanischen Staat. Dabei ist egal, wer gerade regiert und an dem "Opfergesetz" kann das sehr gut beobachtet werden. Statt dem ursprünglich schon zaghaften Gesetz, wurde mit großer Verspätung im Oktober 2007 eilig noch ein "Gesetz zur Anerkennung und Ausweitung der Rechte der Opfer des Bürgerkriegs und der Diktatur" beschlossen, um vor den Wahlen im März 2008 ( http://de.indymedia.org/2008/03/210152.shtml) nicht mit ganz leeren Händen dazustehen.

Ohnehin war nie von einer Bestrafung der Täter die Rede, noch sollte eine Wahrheitskommission noch dem Vorbild von Südafrika oder Chile eingesetzt werden. Dieses Gesetz hebt nicht einmal die Unrechtsurteile auf und formuliert oft vieldeutige Absichtserklärungen ( http://de.indymedia.org/2007/10/198046.shtml). Faschistische Symbole werden weiter nicht verboten und dürfen, zum Beispiel an und in Kirchen oder am Mausoleum des Diktators, weiter gezeigt werden ( http://de.indymedia.org/2007/11/198288.shtml). Die Familien sollen bei der Identifizierung der Angehörigen nur "unterstützt" werden, von einer Übernahme aller Kosten ist nicht die Rede. Geschätzt wird, dass die Faschisten im spanischen Staat etwa 150.000 Menschen hingerichtet haben, etwa 50.000 noch nach dem Ende des Bürgerkriegs zwischen 1939 und 1946. Der Großteil davon liegt bis heute in Massengräbern.

Die Opfer begrüßen, dass Katalonien "ein konkretes Reglement" zur Öffnung der Gräber festlegt, erklärte Emilio Silva, ein Sprecher der Opferverbände. Doch auch an diesem Gesetz kritisieren sie, dass erneut keine Unterscheidung der Opfer vorgenommen wird. So können auch die Angehörigen von im Bürgerkrieg gefallenen Faschisten, die gegen die gewählte republikanische Regierung putschten, das Gesetz in Anspruch nehmen. Erneut würden die Opfer des Putschs und der Diktatur mit den Tätern gleichgesetzt.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 30.03.2008
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Was erwartet man denn von den Sozis

Paul 04.04.2008 - 09:13
So sind sie eben, die Spezialdemokraten und in Spanien noch mit einer extrem nationalistischen Prägung, da kommt dann sowas bei raus, schließlich hatten Francos Schergen ja auch die historischen Nationen Katalonien und Baskenland platt gemacht, dagegen hat die PSOE natürlich nichts und wenn es ums heilige einzige und unteilbare Vaterland geht, stehen die Sozis Gewehr bei Fuß.