Knipst den Schwarz!

Roberto J. De Lapuente 27.03.2008 11:54 Themen: Repression Soziale Kämpfe
Man sollte dem Herrn des Lidl-Konzerns das antun, was er in seinem Namen täglich den Menschen antun läßt. Dieter Schwarz - so heißt dieser Mann - legt viel Wert auf seine Privatsphäre; es existiert kein zugängliches Foto von ihm, weil er die Öffentlichkeit meidet.
"Frau N. ist an beiden Unterarmen tätowiert." oder "Die Kräfte Frau E. und Frau F. unterhalten sich, auch vor Kunden, auf polnisch miteinander!" - Mustergültige Berichterstattung, wie sie von Detekteien an die Lidl-Verantwortlichen weitergegeben wurden. Nicht nur das Verhalten der Lidl-Angestellten am Arbeitsplatz wurde systematisch überwacht, sondern auch deren Privatleben fand Einzug in die Akten. Ja, selbst das Liebesleben der Angestellten soll dem Konzern am Herzen gelegen haben. Kurzum: Die Nachricht über dieses kriminell anmutende Vorgehen Lidls schlug gestern ein wie eine Bombe. Die Medien und deren Leser, Hörer und Zuseher gaben sich überrascht, taten so, als habe man es nicht einmal geahnt.

Doch bereits im Jahre 2004 erhielt der Lidl-Konzern den BigBrotherAward: Einen Negativpreis, der an jene Behörden, Firmen, Organisationen und Personen verliehen wird, die sich besonders engagiert in der Aufhebung der Privatsphäre oder dem Datenschutzabbau hervorgetan haben. Die BBA-Jury begründete 2004 folgendermaßen:

"Den BigBrotherAward 2004 in der Kategorie "Arbeitswelt" erhält die

Lidl Stiftung GmbH & Co. in Neckarsulm

für den nahezu sklavenhalterischen Umgang mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Lidl zeigt, dass gar nicht immer neueste Technik gebraucht wird, um Menschen unter Kontrolle zu halten und sie als Leibeigene ohne Rechte und ohne Privatsphäre zu behandeln. Der "Fall Lidl" zeigt andererseits, dass "Datenschutz" nicht bedeutet, "Daten" um ihrer selbst willen zu schützen, sondern dass es um den Schutz von Menschen und ihren Persönlichkeitsrechten geht."

Bereits damals wußte man also über die Machenschaften bei Lidl Bescheid. Der öffentliche Aufschrei war aber verhalten. Was damals bereits berichtet wurde, überbietet die gestrigen Meldungen um ein Vielfaches. Dort hiße es, dass man Mitarbeitern Abmahnungen ins Haus schickte, weil man bei neun Toilettengängen 72 Minuten vertrödelte, was gemeinhin 27 Minuten über dem Soll (sic!) läge. Eine derartige Zeiterfassung war möglich, weil ich Saum des Arbeitskittels ein RFID (Radio Frequency Indentication) eingenäht war. Von tschechischen Filialen wurde berichtet, dass jeglicher Toilettengang von vornherein verboten war. Menstruierenden Mitarbeiterinnen wurde aber das Privileg der Entledigung von einem menschlichen Bedürfnis erteilt, sofern sie gut sichtbar ein Stirnband trugen, um sich ihres Blutflusses bemerkbar zu machen. Der eingeweihte Kunde wußte also jederzeit, welche der freundlichen Damen gerade Periodenschmerzen durchzumachen hatte und, sofern er Protokoll darüber führt, wann eine Dame überfällig gewesen wäre. Der Vorgesetzte konnte in dieser Weise ebenso eine Schwangerschaft berechnen. Da darf es nicht wundern, dass sich die tschechische Presse empörte. Man muß sich ja geradewegs in die Vierzigerjahre des 20. Jahrhunderts zurückgeversetzt gefühlt haben, als in dort Deutsche - wenn auch im größeren Stile - ebenso herrschten.

Weiter hieß es dort: Private Treffen von Mitarbeiterinnen außerhalb der Arbeitszeit seien ein Anlaß zur Kündigung. Scheinbar sind Lidl-Mitarbeiter Leibeigene des Konzerns, über die man frei verfügen kann - auch in deren Freizeit. Die Konzerns-Leibeigenen werden auch Kreuzverhören ausgesetzt, isoliert in einem Hinterzimmer unter Druck gesetzt, bis sie diverse Anschuldigungen zugeben, um endlich dieser Hölle zu entkommen. In einem konkreten Fall sollte eine Mitarbeiterin zugeben, Pfandgeld gestohlen zu haben. Nach drei Stunden Psychofolter unterschrieb sie ihre Kündigung. Dass sie jahrelang unbezahlte Überstunden leistete, war in jenem Moment belanglos. Wohl auch, weil es ebendiese Frau war, die sich zuvor erfolgreich dafür einsetzte, dass ihre und ihrer Kolleginnen Überstunden auch bezahlt werden. Der gemeine Lidl-Leibeigene hat desweiteren in seiner Freizeit für das Unternehmen zu schuften. Dienstantritt ist um 6:00 Uhr, am Abend wird gut und gerne bis kurz vor 22:00 Uhr gearbeitet. Lohn erhält er aber nur zwischen 8:00 und 20:00 Uhr. Desweiteren: Taschen- und Jackenkontrollen, Kofferraum- und Handschuhfachkontrollen Hausbesuche bei kranken Mitarbeitern, Babyphone-Abhören von Telefonaten oder privaten Gesprächen in Aufenthalts- und Pausenräumen.

Nun hat sich Lidl gestern prompt brav entschuldigt. Eine Entschuldigung, die nur als zynischer Höhepunkt dieses Theaters begriffen werden kann; eine Entschuldigung, die sich vor allem von der Kameraüberwachung distanziert, aber die anderen menschenverachtenden Machenschaften ausklammert. Indem man den dummen Zeitgenossen mimt, der nicht wußte, dass dieses Handeln strafbar und unmoralisch sei, der nun geläutert aus seiner Unwissenheit erwacht, glaubt man das Unternehmen reinwaschen zu können. Detekteien wird man demnach nicht mehr engagieren, aber die alltäglichen Repressionen werden sicher nicht Geschichte sein.

Diese Entschuldigung, so unaufrichtig sie auch gemeint sei, ist nicht ausreichend. Man sollte das Talionsgesetz wieder ausgraben; sollte dem Herrn des Lidl-Konzerns das antun, was er in seinem Namen täglich den Menschen antun läßt. Dieter Schwarz - so heißt dieser Mann - legt viel Wert auf seine Privatsphäre; es existiert kein zugängliches Foto von ihm, weil er die Öffentlichkeit meidet. Man sollte ihm auflauern, Fotos von ihm schießen, sein Privatleben ausschnüffeln, es den Zeitungen zum Fraß vorwerfen, seine Nachbarn aushorchen, seine Biografie nach Skandalösem durchforsten. "Enteignet Springer" war einst, heute soll es heißen "Knipst den Schwarz"! Man verhelfe dem guten, alten Talionsgesetz zur Wiedergeburt - Auge um Auge und Zahn um Zahn eben...
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Ergänzungen

Ehrenbürger, Philanthrop Dieter Schwarz

Heilbronner 27.03.2008 - 12:38

Am 1. Februar 2007 verlieh Oberbürgermeister Helmut Himmelsbach dem 67-jährigen Unternehmer Dieter Schwarz die Ehrenbürgerwürde für dessen Verdienste um Bildung und Kultur.

Schwarz habe sich, so Himmelsbach in seiner Laudatio vor über 100 geladenen Gästen, um Heilbronn „auf wohl einmalige Weise verdient gemacht, er ist nicht nur dem Wohnsitz nach, sondern auch dem Herzen nach ein Bürger seiner Heimatstadt geblieben - und hat dieses so nachdrücklich unter Beweis gestellt wie kaum ein anderer.“ Der Gemeinderat hatte bereits im Dezember auf Anregung des OB beschlossen, Schwarz zum achten Heilbronner Ehrenbürger nach 1945 zu ernennen.

Schwarz ist in dieser Zeit der erste „Mann der Wirtschaft“, der mit der höchsten Auszeichnung gewürdigt wird, die die Stadt Heilbronn zu vergeben hat. Anlass für diese Ehrung war allerdings weniger die von Schwarz geschriebene Erfolgsstory des Unternehmens Lidl&Schwarz, sondern sein außergewöhnliches Engagement als Heilbronner Mäzen.

Himmelsbach nannte als Beispiele aus dem Bildungsbereich die von der Dieter-Schwarz-Stiftung unterstützte Fortbildungseinrichtung „Akademie für Information und Management (AIM)“ und die „heilbronn business school (hbs)“, die zweite Heilbronner Hochschule. Himmelsbach: „Für Heilbronn-Franken und das Oberzentrum Heilbronn ist die hbs ein zentraler Baustein im Ringen um mehr Hochschuleinrichtungen für unsere in dieser Hinsicht unterentwickelte Region.“

Das Science Center, das mit kräftiger Unterstützung von Dieter Schwarz ab 2009 in das alte Hagenbucher-Gebäude einziehen wird, stelle eine - mindestens - landesweit einzigartige Bildungseinrichtung im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft, Schule und Freizeit dar.

Als Beispiele für Schwarzs Hilfe im Kulturbereich nannte Himmelsbach dessen Einsatz für die Sanierung des Kilianskirchturmes, für die Musikstadt und für die Skulpturenstadt Heilbronn.

Himmelsbach würdigte Schwarz zudem als eindrucksvolle Persönlichkeit, er sei trotz des enormen beruflichen Erfolges bescheiden, verständnisvoll und sympathisch geblieben.

In seiner Dankesrede bekannte Schwarz, dass er mit Leib und Seele Heilbronner sei. Er erinnerte an seine Jugendzeit, als er über den American-Field-Service ein Jahr in den USA verbringen konnte und nach seiner Rückkehr als Leiter des Heilbronner American-Field-Service-Komitees auch mit der Aufgabe betraut war, Geld für einen Schüleraustausch aufzutreiben. Die Großzügigkeit von zwei Heilbronner Unternehmern bei dieser Aktion habe sein Verhalten in der Zukunft maßgeblich geprägt.

Später, mit dem zunehmenden Erfolg seines Unternehmens habe er Andere unterstützen können: „Wichtig war für mich aber, dass dies stets anonym blieb, denn ich wollte nie als der große Gönner erscheinen, sondern in gleicher Weise Hilfe leisten, wie mir damals geholfen wurde“.

Schließlich habe er entschieden, dass die Dieter-Schwarz-Stiftung sich auf den Förderschwerpunkt Bildung im Raum Heilbronn konzentrieren solle: „Es ist meine tiefe Überzeugung, dass ich damit am meisten für die Zukunft meiner Heimat leisten kann.“

Fotografieren ist nicht schwer

um es zu veröffentlichen 27.03.2008 - 13:31
Dieter Schwarz muss auf einen Stuhl gestiegen werden.

Alien

er 27.03.2008 - 13:42
erscheint nicht auf den Fotographien

Dieter Schwarz

Lidl-Bespitzelung - unglaubliches Ausmaß

http://www.stern.de 27.03.2008 - 14:50
Die Gewerkschaft Verdi ruft bespitzelte Lidl-Mitarbeiter zu Schadensersatzklagen gegen den Discounter auf. Dies sagte die stellvertretende Bundesvorsitzende Margret Mönig-Raane im Interview mit stern.de. Das vom stern und stern.de aufgedeckte Ausspionieren bei Lidl habe ein "unglaubliches Ausmaß".

Bilder, Videos und Bericht:
 http://www.stern.de/wirtschaft/unternehmen/unternehmen/615194.html?eid=614772

Woanders genau das Gleiche

egal 27.03.2008 - 15:23
bei PLUS ist mir zwar nichts von Kameras bekannt, aber die Arbeitszeiten, welche bezahlt werden, stehen in keinem Verhältnis zu den tatsächlich geleisteten.
Eine Freundin arbeitet in einem PLUS-Markt in Ostdeutschland, dort ist es völlig normal, dass am Tag von 06:00 Uhr bis 21:15 Uhr gearbeitet wird, es werden aber nur 5 Stunden bezahlt.

Um PLUS sollten sich auch mal welche kümmern!

Lidl entschuldigt sich

http://magazine.web.de 27.03.2008 - 16:02
Der Lebensmitteldiscounter Lidl hat sich am Donnerstag bei seinen Mitarbeitern wegen der in mehreren Filialen aufgedeckten Überwachungsmethoden entschuldigt. Politiker, Gewerkschaften und Verbände der Wirtschaft protestierten weiter gegen die Maßnahmen.

In einem Brief der Lidl-Geschäftsführung an die Mitarbeiter heißt es: "Wenn Sie sich in Misskredit gebracht und persönlich verletzt fühlen, so bedauern wir dies außerordentlich und entschuldigen uns dafür bei Ihnen." Das Schreiben ist nach Lidl-Angaben an alle 48.000 Mitarbeiter in Deutschland gegangen.

Lidl teilte mit, "Inventurkontrollen", bei denen Detekteien eingesetzt worden seien, habe es in etwa 200 Lidl-Filialen in Deutschland gegeben. Das entspreche etwa acht Prozent des deutschen Filialnetzes. Die Lidl- Sprecherin sagte, es sei um "Warensicherungsmaßnahmen" gegangen.

Lidl soll Beschäftigte in zahlreichen Filialen systematisch überwacht haben, hatte das Magazin "stern" am Mittwoch berichtet. Über zahlreiche Überwachungskameras sei registriert worden, wann und wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen, wer mit wem möglicherweise ein Liebesverhältnis hat und wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist oder einfach nur "introvertiert und naiv wirkt".
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Der Ethikverband der Deutschen Wirtschaft rügte, bei Lidl sei ethisches Bewusstsein mit Füßen getreten worden: "Menschen zu bespitzeln ist weder fair noch bei einem berechtigten Interesse an Kontrolle in dieser Form nachvollziehbar." Die Gewerkschaft ver.di sprach von einer Verletzung der Grundrechte.

Die Grünen forderten Sanktionen gegen Lidl, da nach ihrer Auffassung gegen den Datenschutz verstoßen wurde. Ver.di prangert schon seit Jahren Methoden an, mit denen sich Lidl aus Sicht der Gewerkschaft gegen die Bestellung von Betriebsräten wehrt und hat darüber auch ein "Schwarzbuch" veröffentlicht. Lidl selbst erklärte, künftig keine Detektivbüros mehr mit der Überwachung der Filialen zu beauftragen.

Die stellvertretende ver.di-Bundesvorsitzende Margret Mönig-Raane rief nach Angaben von stern.de betroffene Lidl-Mitarbeiter zu Schadenersatzklagen gegen den Discounter auf.

Einfache Lösung

Europäer 27.03.2008 - 18:51
Es gibt eine sehr einfache Maßnahme, die jede/r ganz einfach ergreifen kann und dazu niemanden um Erlaubnis fragen muß: Nicht bei LIDL kaufen!

Ich kaufe seit Jahren nicht mehr bei LIDL. Daß dieser Konzern den ohnehin schlechten Arbeitsbedingungen in Supermärkten noch einen draufsetzt, ist absolut nicht neu, was im Artikel auch deutlich zum Ausdruck kommt.

Auch ALDI steht auf meiner Boykottliste, aufgrund der gemeinhin bekannten Praktiken, die Einsetzung von Betriebsräten in Filialen zu verhindern.

Leider sind nur wenige Menschen überhaupt bereit, sich über solche Vorgänge Gedanken zu machen oder sich auch nur darüber zu informieren, geschweige denn, Konsequenzen daraus zu ziehen. Viele Discounter-Kunden gehören zum mangelhaft gebildeten ALGII- oder Niedriglohn-Prekariat, und Mittelschichtler oder Besserverdiener, die bei Discountern einkaufen, pfeifen darauf, unter welchen Bedingungen die Angestellten ihre Niedrieglohnarbeit verrichten müssen, sie wollen einfach nur so wenig Geld bezahlen wie möglich (siehe "Geiz ist geil!").

Lieber einen leeren Kühlschrank, als bei LIDL (oder ALDI) einkaufen zu gehen!

staat muss durchgreifen

hosenträger 27.03.2008 - 19:26
das wäre doch mal eine aufgabe für die bundesanwaltschaft und frau harms. hier unterwandern discounter die grundrechte, auf denen unsere demokratie aufgebaut sind. DA sehe ich eine gefährdung des "deutschen volkes", nicht aber in mg oder sonstigen "terroristen". eine demokratie, die sich auf ihr grundgesetz und die menschenrechte beruft, muss hier einfach ganz konsequent durchgreifen, oder aber auch die EU. naja, zu erwarten ist sowas aber natürlich nicht.

 http://www.markenfirmen.com/ <- das buch ist absolut lesenswert und natürlich freundInnen vor die nase zu halten und zu verleihen.


naja, sobald nokia aber eine show wie in bochum abzieht, da sind die deutschen alle spitz und bereit nokia zu boykottieren... wahrscheinlich genau die leute, die coca-cola bei lidl kaufen.

streik im einzelhandel

idap 28.03.2008 - 09:50
eine gute möglichkeit sich einzubringen ist es, sich mit dem streik im einzelhandel zu solidarisieren. die einzelhändlerinnen streiken schon seit Juni 2007 immer wieder, weil ihnen die spätzuschläge gestricken werden sollen. bei ver.di, fachbereich handel gibt es jeweils aktuelle informationen über die nächsten streiktage. mensch kann dann an den streiktagen einfach zu den treffpunkten der streikenden kommen (meist vor einem großen warenhaus in der stadt) und mit den kolleginnen ins gespräch kommen. hier gibt es einige videoclips zum streik der einzelhändlerinnen:

 http://kanalb.org/topic.php?clipId=261

@ Europäer

echolon 28.03.2008 - 15:40
Die Darstellung, dass das Mittel des Boykottes dazu geeignet sei, seine Kritik an Lidl in die Praxis umzusetzen, kann ich ja noch nachvollziehen. Obwohl meiner Meinung nach, derartige Aktionen eher der persönlichen Selbstaufwertung dienen als einer adäquaten Hilfe der Betroffenen. Doch was in meinen Augen überhaupt nicht geht, sind die Kommentare wie: „Viele Discounter-Kunden gehören zum mangelhaft gebildeten ALGII- oder Niedriglohn-Prekariat […] sie wollen einfach nur so wenig Geld bezahlen wie möglich“ und „Lieber einen leeren Kühlschrank, als bei LIDL (oder ALDI) einkaufen zu gehen!“
Es ist mehr als überheblich, wenn man Menschen aufgrund ihres ALG II Status eine mangelhaft Bildung unterstellt. Derartige Zusammenhänge sind aus der Luft gegriffen und reproduzieren gesellschaftliche Stigmatisierungen.
Sie wollen nicht so wenig Geld zahlen wie möglich, sondern die meisten MÜSSEN es – weil einfach nicht genug Geld da ist. Derartige Supermärkte haben ja nicht grundlos einen so großen Zulauf: wo viele Menschen kein Geld haben, müssen auch viele Menschen irgendwo günstig einkaufen. Dont hate the player - hate the game!
Des Weiteren ist es leicht, aus einem Elfenbeinturm Kritik zu formulieren. Ich will meinen Kindern nicht erzählen, dass es heute nichts zu essen gibt, weil Lidl scheiße ist und wir deswegen dort nichts kaufen und weil die Läden, wo es ja politisch korrekt ist, zu teuer für uns sind.
Nur weil Menschen die Ressourcen zur Verfügung haben, um einen derartigen Boykott für sich zu realisieren, sollten sie nicht verächtlich auf die schauen, die dazu nicht in der Lage sind – aus welchen Gründen auch immer. Menschen die einen derartigen Boykott praktizieren, müssen nicht zwangsläufig die besseren Kritiker an bestehenden Verhältnissen sein. Darüber hinaus haben derartige Boykottaufrufe einen zweifelhafte Außenwirkung: vermitteln sie doch das Bild, dass es einen bösen (z.B.Lidl) und einen guten Kapitalismus (z.B. Tegut) gibt. Aber Menschen werden in allen Supermärkten ausgebeutet – allein schon aufgrund der Tatsache, dass sie in einem Lohnverhältnis stehen.


„Lidl wohl kein Einzelfall“

Lidl-Killer 29.03.2008 - 13:53
Nach Einschätzung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di versuchen zahlreiche Discounter, ihre Mitarbeiter einzuschüchtern oder zu überwachen.

Lidl sei wohl kein Einzelfall, sagte Achim Neumann, Handelssekretär des ver.di-Bezirks Berlin-Brandenburg in Berlin. Die Beweisführung sei das Problem. „Mitarbeiter, die uns von solchen Missständen berichten, wollen meist aus Angst vor befürchteten Repressalien und Kündigungen nicht, dass ihr Namen in die Öffentlichkeit gelangt.“ Nach den Worten von Neumann sind die Kontroll- und Überwachungsmethoden vieler Billiganbieter so, dass erstmal „alle Mitarbeiter im Generalverdacht stehen“.

Durch Lochwände observiert

Bei einer Drogeriekette würden nach Mitarbeiterberichten Detektive und Sicherheitskräfte stundenlang durch Lochwände in die Verkaufsräume spähen, sagte der Gewerkschafter. Dies diene angeblich dem Schutz vor Ladendieben. Viele Beschäftigten hätten durch Praxis und Umfang solcher Aktionen jedoch den Eindruck, dass vor allem ihr persönliches Verhalten ausgespäht und überwacht werde.

Lidl soll mit Detektiven Beschäftigte in zahlreichen Filialen systematisch überwacht haben, hatte „Stern“ am Mittwoch berichtet. Über zahlreiche Überwachungskameras sei registriert worden, wann und wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen, wer mit wem ein Liebesverhältnis hat und wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist oder einfach nur „introvertiert und naiv wirkt“. Das Neckarsulmer Unternehmen hatte sich danach wegen seiner Überwachungsmethoden bei seinen Mitarbeitern entschuldigt. Datenschützer prüfen die Vorgänge.

Seehofer fordert Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz

In Zeiten neuer technischer Möglichkeiten sei ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz längst überfällig.Derüber hinaus sei die Bespitzelung und das Ausschnüffeln der Privatsphäre einiger Mitarbeiter bis hin zur Toilette ein klarer Verstoß gegen die Menschenwürde.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 4 Kommentare

JAAAA...

Bestrafer 27.03.2008 - 15:48
Ja bestrafen wir die bösen Kapitalisten, schließlich haben die ja den Kapitalismus erfunden und knechten uns arme Menschen... es sind ja nicht wir, die dieses abstrakte Vergesellschaftungsprinzip names Kapitalismus konstituieren, es sind ja nicht wir, die dieses jeden Tag reproduzieren, ob im Denken oder im Handeln... ...es ist nur diese gemeine Clique von bösen Kapitalisten, Spekulanten, Bankiers... man, wir sollten endlich Lager bauen und die da einsperren, dann hat auch der Kapitalismus ein Ende.

In diesem Falle...

egal 28.03.2008 - 00:16
... stimme ich Euch Radikalinskis sogar voll und ganz zu: Lasst Schwarz das zuteil werden, was er selbst seinen Mitarbeitern antut. Oder zumindest zulässt, dass es seinen Mitarbeitern angetan wird. Fotografiert ihn, in allen Lebenslagen, und plakatiert ihn großformatig in der Öffentlichkeit. Das hat er verdient. Aber bitte: keine Gewalt! Baseballschläger und so, das geht gar nicht - auch nicht gegen einen wie Schwarz.

@ echolon

Europäer 29.03.2008 - 12:54
Ich möchte den umstrittenen Satz, der in Deiner Ergänzung verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben wird, ein wenig deutlicher formulieren:

Viele Discounter-Kunden gehören entweder zum teilweise mangelhaft gebildeten ALGII- oder Niedriglohn-Prekariat, die dort einkaufen müssen oder sind Mittelschichtler oder Besserverdiener, die einfach Geiz geil finden.


An keiner Stelle habe oder wollte ich ALGII-Empfängern generell eine niedrige Bildung unterstellen. Ein gewisser Anteil ist jedoch, meiner Meinung nach, eben WEGEN der niedrigen Bildung in dieser Situation, wobei ich nicht behaupte, daß sie an dieser niedrigen Bildung unbedingt selbst Schuld sind.

mich kotzt an...

vf04 30.03.2008 - 21:58
Dass hier immer noch gepredigt wird, es solle doch bitte auf gar keinen Fall Gewalt angewendet werden und wenn dann doch die linke Arschbacke blutet, halte zur Not auch die Rechte hin, aber bitte peace und keine Gewalt! Bin gespannt, wie lange diese Mentalität noch hält.

Desweiteren:
Mit dem Aldi-Proll, der hier aufgeführt wird, ist vermutlich kaum der Harz-IV-Empfänger gemeint. Ich selbst treffe oft auf Leute, die finanziell durchaus ordentlich dastehen, jedoch bei der nächst besten Sonderaktion zum Lidl ihres Vertrauens rennen und sich mit jedem Mist eindecken, der zu kriegen ist. Egal, kostet ja unter 1 Euro und es könnte ja jemand schneller sein. Das sind dann btw dieselben, die noch immer an das Gute in den Herrschenden glauben, Team Green als Freund und Helfer betrachten und härtere Maßnahmen gegen sog. Autonome und sonstige Chaoten auch nicht unbedingt ablehnen bzw. das Harz'sche unterdrückungssystem als wirksame Maßnahme gegen SChmarotzer betrachten. Aus den Lautsprechern dröhnt den ganzen Tag Hitradio XY und auf dem Küchentisch liegt die neuste Ausgabe der deutschen Stimme mit den 3 Buchstaben. Diesen Leuten haben wir zu verdanken, dass das System funktioniert und es noch nicht zu Generalstreiks, Massenaufständen etc. gekommen ist. Die Zeiten ändern sich jedoch, gute Ansätze sind ja durchaus schon zu finden.

In diesem Sinne...