Ostersolidemo gegen Beugehaft in Hamburg

Katrin Wasilewski 24.03.2008 20:42 Themen: Repression
Eiskalt pfiff Wind um die Ohren der zahlreichen Gegner des aktuellen juristischen Rachefeldzuges gegen Brigitte Mohnhaupt, Christian Klar und Knut Folkerts.
Trotzdem hatten sich im Vergleich zu den parallel stattfindenden Friedensmärschen im Rheinland vergleichsweise viele Demonstranten eingefunden
Kein versprengtes Häufchen sondern rund 500 Menschen versammelten sich am Samstagnachmittag in Hamburg vor der Roten Flora. Das Bündnis gegen Beugehaft forderte:
„freiheit für Christian Klar“ und „freiheit für Birgit Hogefeld“ auf gelben Schildern am Lautsprecherwagen. Bunte Plakate und Transparente hängen an den Außenmauern des autonomen Stadtteilzentrums. „Fahr zur Hölle Sicherheitsstaat“ „Keine Träne für Buback“ „Kritik und Diskussion statt deutscher Betroffenheits- und Opferdiskurse“ „Wir Grüßen Das Kommando Ulrike Meinhof vom 7.4.77 Keine Beugehaft Für Niemand“.
Sie zeugen auch davon, dass man seit 35 Jahren von Staats wegen die Propagandalüge von „apolitischer Kriminalität“ aufrechterhält. Kriminalisiert und bestraft werden so alle Verhaltensweisen, die direkt oder indirekt das System der Ausbeutung und die Macht der Ausbeuter gefährden könnten.
Christians Rechtsanwalt Heinz-Jürgen Schneider berichtete von der aktuellen Situation.
Derzeit kämpft Christian um die Gewährung der Hafterleichterungen, die er sich erst im April vorigen Jahres vor dem Landgericht Karlsruhe siegreich erstritt. Wortwörtlich heißt es im Urteil aus Karlsruhe: „Im vorliegenden Fall habe aber die Justizvollzugsanstalt alle diese Umstände eingehend abgewogen und sei ursprünglich zu dem Ergebnis gelangt, dass die beantragten Lockerungen gewährt werden können. Die Versagung beruhe letztlich nur auf der fehlenden Zustimmung des Justizministeriums, wobei keinerlei Umstände bekannt geworden oder geltend gemacht worden seien, die ein Abweichen von der ursprünglichen Planung rechtfertigen könnten.“
Justizminister Goll (FDP) hatte seinerzeit wohl schwer zu schlucken daran, gab damals eine Presseerklärung heraus, wonach die Hafterleichterungen nur mit einem Hilfsantrag zugesprochen wurden. Jetzt enthält der Minister Christian seine Vollzugslockerungen mit der fadenscheinigen Begründung vor, wegen der möglichen Beugehaft steige die Fluchtgefahr (nach 26 Jahren Knast!).
Es scheint allerdings, dass das einzige, was hier gebeugt wird, das Recht ist, man nennt diesen Vorgang kurz und prägnant Rechtsbeugung.
Während der Demo kam in diesem Zusammenhang aus Teilnehmerkreisen das Wort vom Amtsmissbrauch auf.
Die Linke war ebenfalls auf der Rednerliste und geißelte in einer argumentativ überzeugenden Rede das derzeitige Verfahren als rechtswidrig. „Jede Geschichte linker Bewegung und Aufbrüche wird umgedeutet und geleugnet, die politische und gesellschaftliche Relevanz linker Kämpfe vor allen Dingen der 60er und 70er Jahre weghistorisiert. Linke Perspektiven jenseits der kapitalistischen Realität sollen in dieser Welt nicht mehr denkbar sein. Menschen, die sich trotzdem organisieren, um diesem Normalzustand Widerstand entgegenzusetzen, werden mit Repressionen überzogen, wie in den § 129 a Verfahren des vergangenen Jahres“. Alle derzeit noch laufenden Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der seit zehn Jahren aufgelösten RAF sollten eingestellt werden.
Von der Roten Flora aus zog die bunte Menschengruppe aller Altersklassen begleitet von lauter Musik aus den wummernden Lautsprechern auf dem Wagen rund zwei Stunden lang durch das Viertel an der Schanzenstraße. Aus den Häusern gab es zustimmende Beifallsbekundungen, die allgegenwärtigen Uniformierten hielten sich zurück, waren aber ständig präsent, selbst der Zebrastreifen an der Sternschanze wurde überwacht .
In der Abschlusskundgebung wurde die unverzügliche Freilassung von Christian Klar und Birgit Hogefeld gefordert.
Ein Protestschreiben an Minister Goll kann bei Die Linke Mönchengladbach unter Dokumente heruntergeladen werden.
Eine Mahnwache ist dort ebenfalls für Samstag 14 Uhr angekündigt.
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Ergänzungen

500?

niemals! 25.03.2008 - 08:35
es waren vielleicht 150-200 leute da.

Halluzination oder Illusion?

Realität 25.03.2008 - 10:26
Es war ein versprengtes Häufchen von maximal 180 Menschen, die da am Samstag vor der Flora standen und Außenstehenden meines Erachtens nicht ansatzweise vermitteln konnten, weshalb sie da waren. Wem ist damit geholfen, die Zahlen so aufzumotzen? So wird sich mal wieder über die eigene Bedeutungslosigkeit hinweghalluziniert.
Und: Bunte Menschengruppe - das stimmt zwar, aber eher im negativen Sinne. Wer unter den -einzig vorhandenen - Fahnen der ILPS (International League of Peoples' Struggle), die sich explizit für den nationalen Befreiungskampf der Völker einsetzen, gegen die mögliche neuerliche/verlängerte Inhaftierung von früheren RAF-Mitgliedern demonstriert, hat zwar einerseits recht, da auch die RAF nicht gerade befreit vom Denken in Völkern und rassischen Konstrukten war, kann aber, andererseits, den tatsächlich unglaublichen Beugehaftverfahren nichts, aber auch gar nichts, progressives entgegensetzen. Das ist das wirklich traurige an dieser Angelegenheit: Da werden Menschen, die ihre Taten im Rechtssystem abgegolten haben, zu Beugehaft verurteilt, um Dinge herauszubekommen, die (vermutlich) in diversen Akten stehen, die der Staat aber nicht freigibt. Und das im Zusammenhang mit einem Diskurs zu "40Jahre deutscher Herbst", der reaktionärer vom Mainstream aus kaum denkbar ist, und vom größten Teil der sog. Linken nur mit hilfloser romantischer aber-wir-wollten-doch-das-richtige-Rhetorik begegnet wird.
Dem staatlichen Begehren, gegen die drei betroffenen RAFler_innen ihre Ansichten von Recht und Rache durchzusetzen, werden wir nicht begegnen können, wenn dies nicht in einer klaren inhaltichen Abgrenzung steht, die nationale Befreiungskämpfer_innen ebenso ausschließt, wie Gruppen, die hinterm Faschismus immer noch das Kapital in Form raffgieriger Jüd_innen sehen, und offene Sympathien für eine stalinistische Haltung beweisen.
Dazu, dass die "Linke" in Parteiform auf der Demo gesprochen hat, braucht man eigentlich gar nichts mehr zu sagen.

Um mal bei der Realität zu bleiben

Keine Träne für Deutschland! 25.03.2008 - 19:39
Insgesamt wurden 250 Leute gezählt, die gegen Beugehaftanträge, gegen die neuen Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der ehemaligen RAF und für die Freilassung von Birgit Hogefeld und Christian Klar demonstriert haben. Das Spektrum war in der Tat sehr gemischt und so ziemlich jede Fraktion der radikalen Linken war irgendwie vertreten. Und das ist auch Ok so!



Bezüge zum Berliner mg-Verfahren

Einstellung 27.03.2008 - 13:27
Gab es Bezüge zum Berliner Verfahren (wegen Mitgliedschaft in der militanten gruppe)?

Auch in diesem Berliner Verfahren gibt es Zeugenvorladungen. Spätestens zum Prozess im Herbst wird es erneut Zeugenvorladungen geben und eventuell auch Beugehaft.

Solidarität mit allen von Beugehaft bedrohten Menschen!
Einstellung aller 129/a/b-Verfahren!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

hilfe — traurig

@traurig — BelaKun

...und wer hat mich gefragt?! — jmd aus Hamburg

@ jemand aus Hamburg — 100 % pc

keine menschlichkeit — jmd. von der Demo