(K)ein ruhiger Hinterwald...!?

Kalle del´Heye 21.03.2008 22:51 Themen: Antifa Antirassismus
Nachtrag zum Nazigedenken in Zweibrücken und Pirmasens (Westpfalz)

Am Donnerstag, den 13.3. fand in Zweibrücken eine Mahnwache mit anschließendem Demonstrationszug der örtlichen Kameradschaft statt. Am darauf folgenden Samstag riefen in Pirmasens sowohl die NPD als auch die Republikaner zu entsprechenden Veranstaltungen auf. In beiden Fällen sollte dem Jahrestag der Bombadierung der jeweiligen Stadt vor 63 Jahren gedacht werden.
13.03. Zweibrücken

Gegen 17:30 Uhr versammelten sich ca. 40 Neonazis auf dem Alexanderplatz in der Zweibrücker Innenstadt unter dem Motto "Gegen das Vergessen! Bombenholocaust über Zweibrücken!".

Der Versammlungsplatz selber wirkte wie leer gefegt. Der Platz wurde lediglich gesäumt von einigen Schaulustigen, vorwiegend Jugendliche mit Migrationshintergrund, sowie leider viel zu wenigen, hauptsächlich jüngeren „Alternativen“, die ihren Protest größtenteils nur still und in einigem Abstand zum Ausdruck brachten.

Zu Beginn verlas Anmelder Detlef Walk, Führungskader der Kameradschaft Zweibrücken, die Auflagen, welche unter anderem das Tragen von Bomberjacken in Kombination mit Springerstiefeln sowie das gleichzeitige Verwenden von Fackeln und Fahnen untersagte.
Diese und ähnliche Verstöße wurden von den Einsatzkräften der Polizei und des Ordnungsamt gänzlich ignoriert. Einzig als die Nationalhymne in allen drei Strophen abgespielt wurde, waren Diskussionen mit den „Ordnungshütern“ am Lautsprecherwagen der Nazis zu beobachten, jedoch ohne eine Unterbindung zu erwirken. Als sich dagegen vereinzelt akkustischer Protest gegen die Naziveranstaltung regte, schritt die Polizei in Person des stellvertretenden Polizeichefs Manfred Bernhardt sofort ein und drohte mit Platzverweisen.

Nachdem die Nazis eine gute Stunde damit zugebracht hatten, mit geschichtsrevisionistischen Inhalten in Form von Transparenten, Reden, Musik, sowie einer Infotafel, einen absurden „Opferkult“ zu betreiben, formierten sie sich noch für einen Demonstrationszug durch die mittlerweile wie ausgestorben wirkende Innenstadt. Den wenigen Gegendemonstranten gelang es, sich vor der Nazidemonstration zu formieren. Ein Blockadeversuch wurde von der Polizei nicht unterbunden, weshalb sich Nazis und zahlenmäßig weit unterlegene Antifaschisten plötzlich unvermittelt gegenüber standen. Drohgebärden der Nazis vor dem Hintergrund, dass es mit Vernunft und meist auch Intelligenz bei diesen nicht weit her ist, ließen Übergriffe, auch vor den Augen der Staatsgewalt, warscheinlich erscheinen. Deshalb löste sich die Blockade auf, während von rechter Seite „Kameraden“ zurückgehalten werden mussten, um nicht auf der Stelle das skandierte „dumm, brutal, national“ zu bestätigen.


15.03. Pirmasens

Am Samstag, den 15. März sollten in Pirmasens gleich zwei revisionistische Gedenkveranstaltungen stattfinden: Während die rechtsextremen Republikaner vormittags für eine entsprechende Demonstration 100 Personen erwarteten, mobilisierte die NDP zeitgleich für eine Mahnwache, um „den Opfern der Bombardierung durch alliierte Kriegsverbrecher am 15. März 1945“ zu gedenken. Insgesamt belief sich die Teilnehmerzahl für beide Veranstaltungen auf unter 15 Personen.
Bereits seit 9:00 Uhr hatte „die Linke“ einen Infostand in der Fußgängerzone angemeldet, der jedoch kurzfristig vom zuständigen Ordnungsamt verlegt und somit räumlich von den Rechtsradikalen weiter getrennt wurde. Insgesamt waren im Laufe des Tages einige AntifaschistInnen damit beschäftigt, u. a.mit Hilfe von 2 recht guten Flugblättern, z.T. in Sichtweite. auf die NPD- Veranstaltung aufmerksam zu machen. Auffällig waren zudem die massenhaft in der gesamten Innenstadt verklebten „Gegen Nazis“- Aufkleber.

Da sich am Startpunkt der Republikanerdemo zwar ein riesiges Polizeiaufgebot, jedoch nur nur 4 Demonstrationswillige einfanden, zog es der Veranstalter wohl vor, diese nicht vollends der Lächerlichkeit preis zu geben und ersparte Pirmasens einen traurigen Anblick. Ganz so viel Vernunft scheint bei der NPD wohl nicht vorhanden zu sein, was der kümmerliche Haufen bewies, welcher sich gegen 9:30 Uhr, flankiert von 3 Streifenpolizisten an einer Strassenecke, die mit Exerzierplatz nur unzutreffend beschrieben ist, einfand. Schon unglaublich, was Sascha Wagner und sein westpfälzer Handlanger Markus Walter im Hinterwald immer wieder auf die Beine stellen: Die immer gleichen zehn Gestalten gaben auch schon in Dahn und Hauenstein ein bizarres Bild ab.

Wagner, stellvertretender rheinland-pfälzischer NPD-Vorsitzender, war seine schlechte Laune deutlich anzumerken- ob diese auf den samstagmorgentlichen peinlichen Auftritt zurückzuführen war oder ob ihm die letzte Woche verhängten vier Monaten Haft ohne Bewährung wegen Vortäuschens einer Straftat (er hatte bei einem vermeintlichen Einbruch im April 2007 in das damalige Schulungszentrum der NPD in Gonzerath im Hunsrück fälschlicherweise angegeben, dass ein Computer gestohlen worden sei) auf den Magen geschlagen haben, wird wohl müßige Spekulation bleiben.

Resumee

Obgleich das Auftreten der Rechtsextremen in beiden Städten auf den ersten Blick nur lächerlich erscheint, darf dennoch die Gefahr, welche von ihnen ausgeht, nicht unterschätzt werden.
Neben dem einschüchternden Auftreten der zweibrücker Kameradschaftsszene darf vor allem nicht übersehen werden, dass die Nazis zahlreiche, in der Gesellschaft verbreiteten Ressentiments aufgreifen und daran anknüpfen können. So schreibt die NPD beispielsweise im Zusammenhang mit der Mahnwache in Pirmasens:

„Gerade wir Deutsche wissen aufgrund unserer Geschichte, was es bedeutet, Bombenterror ausgesetzt zu sein(...). Auch und gerade deswegen verurteilen wir die Angriffskriege, die die amerikanischen Besatzer heute von deutschem Boden aus und mit deutscher Beteiligung führen!!! Wir lehnen jegliche Beteiligung an Angriffskriegen ab und unterstützen keine!“

[Was den „Bombenterror“ gegen die Zivilbevölkerung betrifft, vergessen die Nazis allerdings zu erwähnen, dass die deutsche Luftwaffe noch brutaler gegen Zivilisten vorging und zudem die faschistische Legion Condor, die Hitler noch vor Beginn des zweiten Weltkrieges nach Spanien schickte um den Putsch Francos zu unterstützen, dort erstmals in der Geschichte einen systematischen Bombenterror gegen die spanische, insbesondere die baskische Bevölkerung begann. Von dort aus zog sich die Blutspur der deutschen Luftwaffe durch ganz Europa. Dies wird von den Nazis immer noch verherrlichend dargestellt, wodurch sich die vermeintlich pazifischtischen Aussagen der Neonazis offenkundig als plumper verlogener Antiamerikanismus entlarfen]

Allein auf einen selbstentlarvenden Prozess zu vertrauen, kann und darf keine antifaschistische Praxis sein. Es ist demnach dringend notwendig, Naziaktiviten gerade auch in strukturschwächeren Landstrichen entgegenzusetzen. Ein erster wichtiger Schritt wäre, hier eine antifaschistische Protestkultur auszubauen bzw. zu etablieren.

In diesem Sinne:

„AUFRUHR, WIDERSTAND – ES GIBT KEIN RUHIGES HINTERLAND!“
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Mehr Bildung für Nazis — kritischer Beobachter