Zwitter-Prozess: Der Kampf geht weiter

Nella 21.03.2008 01:54 Themen: Gender Soziale Kämpfe
Die zwischengeschlechtliche Christiane Völling, die ihren ehemaligen Chirurgen wegen schwerer Körperverletzung anzeigte und am 6. Februar 2008 den "Zwitterprozess" in erster Instanz gewann, muss weiter kämpfen: der fehlbare Chirurg weigert sich, das Schmerzensgeld zu zahlen, und geht in Berufung.
Der Prozess, der am 12. Dezember 2007 am Landgericht Köln in die erste Runde ging, und die vom Verein Inters**uelle Menschen e.V. organisierte Demo brachten eine noch nie da gewesene Resonanz in der Öffentlichkeitzum Thema der genitalen Zwangsoperationen an Zwittern – und für die langjährigen Forderungen Zwischengeschlechtlicher: Recht auf körperliche Integrität, optionalen 3. Geschlechtseintrag, Entschädigungen für Zwangsoperierte sowie generell "Menschenrechte auch für Zwitter". ChristianeVölling klagte ihren damaligen Operateur an: dieser hatte der damals 18-Jährigen ohne ihreEinwilligung die gesunden inneren weiblichen Fortpflanzungsorganeentfernt.

Knapp zwei Monate später kam es am Landgericht Köln zurUrteilsverkündung: Christiane Völling siegte in erster Instanz gegenden Mediziner. Der 6. Februar 2008 wurde zum historischen Tagfür Zwischengeschlechtliche und ihren Kampf um körperlicheUnversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde. Das Urteil wird alsPräzedenzfall in die Geschichte der Bewegung zwischengeschlechtlicherMenschen in Europa eingehen.

Wie zu erwarten war, geht der Beklagte nun in Berufung. Dazu Christiane Völling:

"Der Prozess geht also in die nächste Runde - wie ich mir bereitsgedacht habe, denn welcher Mediziner gesteht schon gerne Fehler ein.(...) Erneuter Presserummel usw., weitere Aufmerksamkeit für uns, aberfür mich ein weiterer Gang durch die seelische Hölle."

In der Tat muss Christiane Völling, nachdem ein gewissenloser Medizinerihr Leben zerstört hat, nun auf dem Rechtsweg mit weiteren jahrelangenSchikanen rechnen. Der Beklagte hält an seinen in der Urteilsurkundefestgehaltenen Behauptungen fest: Christiane Völlings Organe seien"hochgradig verkümmert" gewesen und er habe sich "als Chirurg auf dieDiagnose der vorbehandelnden Fachärzte der Medizinischen Klinik"verlassen dürfen. Tatsache ist, dass bei der Operation "eine normaleweibliche Anatomie mit präpuberalem Uterus, normal grossen Ovaterien"aufgefunden wurde. Zudem war Christiane Völlings weiblicherChromosomensatz bekannt. Trotzdem schreckte der Chirurg vor diesemirreversiblen Eingriff nicht zurück und entfernte seiner nichtaufgeklärten Patientin kurzerhand sämtliche inneren weiblichenGeschlechtsorgane.

Unwürdig behandelt wirdChristiane Völling auch beim Amtsgericht Kleve, das versucht, sie zueiner Personenstandsänderung nach dem Transs**uellengesetz zu drängen.Dieselbe Taktik verfolgt auch der Gutachter des MDK (MedizinischerDienst der Krankenversicherung) Köln, der ebenfalls mit allen Mitteln versucht,Christiane entgegen allen Fakten Völling Transs**ualität - die offiziell als "psychische Störung" gilt -unterzuschieben, um Schmerzensgeldforderungen infolge einerFehlbehandlung zu verhindern und den Ärtztepfusch zu vertuschen.

Christiane Völlings Schicksal ist kein Einzelfall. Allein in Deutschland lebenmehr als 100'000 Zwischengeschlechtliche, mit wenigen Ausnahmen allezwangsoperiert. Der beklagte Mediziner erreicht mit seinem Vorgehengenau das, was auch seine Berufskollegen begrüssen: weitere Zwitterdavor abschrecken, Christiane Völlings Beispiel zu folgen. Denn einsich über Jahre hinweg ziehender Prozess wäre wohl für die meistentraumatisierten Zwitter ein unwürdiger und Kräfte zehrender Zustand. Esist längst überfällig, sämtliche Zwangsoperierten für das ihnenzugefügte Leid kollektiv zu entschädigen -- wie dies Zwischengeschlechtliche schon seit Jahr und Tag fordern (siehe z.B. hier unter "Agenda", 3. oder hier unter "Forderungen": "Opferentschädigungszahlungen").

Christianes Kampf um Gerechtigkeit ist noch lange nicht ausgefochten.Die Menschenrechte von Zwischengeschlechtlichen werden nach wie vor mitFüssen getreten. Wir werden zusammen mit Christiane weiterhin für die Rechte eines jeden zwischengeschlechtlichen Menschen auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde kämpfen!
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Ergänzungen

Die Nährbodenbereiter

Kim 22.03.2008 - 13:49
Völlig zu Recht wird in dem Artikel darauf hingewiesen, dass Transsexualität offiziell als psychische Störung gilt, wobei genau dieses "offiziell" das Problem in der Behandlung liegt. Solange einerseits zwar seit 30 Jahren bekannt sein dürfte, dass die Psyche/Gehirn eines Menschen geschlechtsbestimmender ist, als körperliche Organe - gewissenlose Mediziner aber trotzdem annehmen, das Vorhandensein bestimmter Fortpflanzungsorgane würde das Geschlecht eines Menschen bestimmen, wird weiterhin der Irrglaube bestehen, man könnte Geschlecht künstlich erschaffen, hinbiegen oder umwandeln. Es wird Zeit hier einmal genauer hinzuschauen, wer diejenigen sind, die mit ihren Theorien hier den Nährboden für Zwangsgeschlechtsbestimmungen erzeugen - es sind hier unter anderem solche Vertreter der Psychoanalyse, die sich gerne als Gutmenschen und Helfer aufspielen, aber sich bei näherer Betrachtung als machtbesessene Zwangsgeschlechtszuordner entpuppen, weil sie behaupten, die geschlechtliche Identität wäre nicht angeboren, sondern würde erst später, im Alter von 2-3 Jahren entstehen. Die Leugner einer angeborenen Geschlechtsidentität sind dann interessantwrweise auch oft diejenigen, die die Märchen der blossen sozialen Konstruktion von Geschlecht weiterverbreiten entgegen aller wissenschaftlichen Hinweise, entgegen aller Logik und entgegen jeglicher Menschlichkeit.

Wer das geschlechtliche Selbst eines Menschen nicht respektieren will und sich ein System erschaffen hat, welches ermöglicht Menschen zu "geschlechtsidentitätsgestört" zu erklären und ihnen damit eine an den Haaren herbeigezogene Erfindung der Psychoanalyse, eine psychische Störung, die es nicht gibt, zu unterstellen, braucht sich über die Folgen dieser Menschenverachtung nicht wundern. Es wird Zeit, die Theorien der Sexologie (die oft noch auf John Moneys "jeder-Mensch-kann-zu-jedem-Geschlecht-erzogen-werden"-These basieren) zu hinterfragen, kritisch zu beleuchten und genau hinzuschauen, wer denn die Wegbereiter und Förderer der Menschenrechtsverletzungen sind, die tagtäglich in Deutschland passieren.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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geht nich - gibs nich — sondermüll

Gut — dass

zwitter prozess — jojolina

wieso — wird denn