NAFTA+: Freihandel zum Wohle der Menschheit?
NAFTAplus: Freihandel zum Wohle der Menschheit?
Im Jahr 2005 beschlossen die drei Staatsoberhäuptern der USA (Bush), Kanadas (Martin) und Mexikos (Fox) während eines Treffens auf der Crawford-Ranch des US-amerikanischenPräsidenten Bush die Umsetzung einer „Security and Prosperitiy Partnership of North America“(SPP). Diese sei das adäquate Mittel um die drei Länder wettbewerbsfähig für den Weltmarktzu trimmen und so das Wohlergehen ihrer Bevölkerungen zu steigern. Dass es nur Vordergründigum die Bedürfnisse der Mehrheit der betroffenen Menschen geht, tatsächlich aber um Absicherungvon Kapitalakkumulation und bestehenden Machtstrukturen in den Zeiten der kapitalistischenKrise, zeigt eine kritische Auseinandersetzung mit SSP.
Im Jahr 2005 beschlossen die drei Staatsoberhäuptern der USA (Bush), Kanadas (Martin) und Mexikos (Fox) während eines Treffens auf der Crawford-Ranch des US-amerikanischenPräsidenten Bush die Umsetzung einer „Security and Prosperitiy Partnership of North America“(SPP). Diese sei das adäquate Mittel um die drei Länder wettbewerbsfähig für den Weltmarktzu trimmen und so das Wohlergehen ihrer Bevölkerungen zu steigern. Dass es nur Vordergründigum die Bedürfnisse der Mehrheit der betroffenen Menschen geht, tatsächlich aber um Absicherungvon Kapitalakkumulation und bestehenden Machtstrukturen in den Zeiten der kapitalistischenKrise, zeigt eine kritische Auseinandersetzung mit SSP.
Eine nord-amerikanischen Gemeinschaft für Sicherheit und Wirtschaftswachstum
Die „Security and Prosperitiy Partnership of North America“ (SPP) - in spanisch „Alianza de Seguridad y Prosperidad de América del Norte“ (ASPAN) – kann als die Erweiterung undVertiefung des 1994 zwischen den USA, Kanada und Mexico in Kraft getretenen FreihandelsabkommensNAFTA verstanden werden (NAFTA-Plus). Im Gegensatz zu NAFTA zielt SSP jedoch nicht mehr „nur“auf den möglichst ungehinderten Austauschen von Waren zwischen den USA, Kanada und Mexiko ab,erreicht werden soll vielmehr eine tiefgehende Integration der drei NAFTA-Länder. Auf Basis der Überzeugung des „Freihandels als Motor für wirtschaftliches Wachstum und eine Entwicklung die niemand zurück lässt“, werden gemeinsame Institutionen, Regelungen und Gesetzte entwickelt (1), die letztendlich zu einer prosperierenden und sicheren „nord-amerikanische Gemeinschaft“ mit gemeinsamen Außengrenzen und -zöllen sowie einer gemeinsamen Währung (amero) führen sollen.Ist der Gedanke der Prosperität bereits in NAFTA zentral, so findet in SPP der seit den Attacken auf das WTC 2001 in den USA massiv geführte Sicherheitsdiskurs seinen Niederschlag. Sicherheit und Prosperität, so die Einsicht der Chefs auf ihrem Treffen 2005, hingen grundsätzlich miteinander zusammen. Um Wirtschaftswachstum zu fördern sei es vor allem notwendig „die Bewegungen von Personen, Waren und Dienstleistungen über die Grenzen hinweg effizienter zu machen“ (2). Sicherheit bedürfe zuvorderst eines gemeinsamen und koordinierten Vorgehens gegen die inneren und äußeren Feinde Nord-Amerikas.
Ein entscheidender Unterschied zu NAFTA besteht darin, dass es sich bei SPP nicht um ein Abkommen handelt, sondern um ein Bündel von Regelungen. Diese können als präsidiale Direkterlässe eingeführt werden, womit man sich mühsame parlamentarische und öffentliche Debatten erspart. Wie gut diese Strategie funktioniert zeigt die vorherrschende Unkenntnis über die Existenz eines Projektes, dass tiefgehende Veränderungen für über 800millionen Menschen bedeutet.
Akteure in SPP
SPP spaltet sich in zwei verschiedene Agenden auf: Prosperität und Sicherheit. Jede Agenda umfasst verschiedene Teilbereiche (3), die von Arbeitsgruppen bearbeitet werden. Diese setzten sich zusammen aus Politikern, Intellektuellen und Unternehmern. Gemeinsam erarbeiten sie Programme, über deren Realisierung auf den „Gipfeln der nordamerikanischen Staatsoberhäupter“ entschieden wird (4) und die auf Treffen der zuständigen Minister der drei Länder evaluiert werden.Einer der wichtigsten Akteure in der Entwicklung der SPP ist die „North American Competitivness Council“ (NACC), die auf dem Gipfel der Staatsoberhäupter 2006 in Cancun/Mexico ins Leben gerufen wurde. Im NACC kommen 30 Repräsentanten der größten Unternehmen der drei Ländern zusammen, die „Prioritäten innerhalb der SPP setzen und als dauerhafter Antrieb innerhalb des Integrationsprozesses auch über Wandel in den Regierungen der drei Länder hinweg fungieren“ (5). So fehlt denn auch auf keinem SPP-Treffen der einschmeichelnde Danke der Politiker an die Adresse der NACC für die großartige Zusammenarbeit im Sinne des Wohles der Menschheit.
Geschichte der SPP
SPP wurde zwar im Jahr 2005 aus der Taufe gehoben, hat aber schon einen längeren Entwicklungsprozess hinter sich. Bereits auf einem Treffen zwischen Fox und Bush 2001 in Guajanuato/Mexico unterbreitet erstere den Vorschlag einer Vertiefung des NAFTA-Abkommens um sich so gemeinsam der Förderung der Privatwirtschaft und dem Problem der Migration annehmen zu können. Am Ende des Treffens wird die „Allianz für Prosperität“ zwischen beiden Länder ins Leben gerufen.Fox rekurrierte in seinen Ausführungen vor allem auf die Arbeiten des us-amerikanischen Wissenschaftlers Robert Pastor – der wiederum Freund seines damaligen Außenministers Jorge G. Castañeda ist. Schon in den 1990er Jahren sprach sich Pastor für eine Integration Nord-Amerikas nach dem Vorbild der EU aus, die für ihn u.a. eine gemeinsame Wirtschafts- und Sicherheitspolitik, einen gemeinsamen Außenzoll und letztendlich auch eine gemeinsame Währung (den „amero“) beinhaltet (6).
In der Folge der Attacken auf das World Trade Center 2001 tritt in den USA die Idee der Öffnung gen Mexiko und Kanada zunächst in der Hintergrund zugunsten eines scharfen Sicherheitsdiskurses, der sich in zahlreichen bilateralen Grenz- und Migrationsabkommen und letztendlich in der Ergänzung der Allianz für Prosperität um den Aspekt der Sicherheit niederschlägt.
Im März 2005 schickt eine „unabhängige“ tri-nationale Arbeitsgruppe die Forderung nach einer „Nord-Amerikanischen Wirtschafts- und Sicherheitsgemeinschaft“ in die Welt (7). Neben anderen Verfassern findet sich einmal mehr der Name Robert Pastors. Eine Woche später auf dem Treffen der nord-amerikanischen Staatsoberhäupter in Texas beschließen diese die Umsetzung einer „Allianz für Sicherheit und Prosperität“.
Warum SPP?
Allgemein erhoffen sich die wirtschaftlichen und politischen Eliten von der Schaffung einer Allianz für Sicherheit und Prosperität die Entstehung eines wirtschaftlichen Blockes, der auf dem Weltmarkt mit den zunehmend erstarkenden Rivalen EU, Japan und China konkurrieren kann, sowie die Entstehung eines Binnenmarkt mit mehr als 800millionen Einwohnern und hervorragenden Absatzmöglichkeiten für die Waren der großen Konzerne. Jedes Land verfolgt aber auch ganz genuine Interessen. So forderte beispielsweise der ehemaligen mexikanische Präsident Fox schon auf dem ersten Treffen 2001, das gravierende Problem der Migration vor Augen, einen erleichterten Eintritt für mexikanische Arbeitskräfte in den US-Markt. Kanada verfolgt primär das Ziel eines ungehinderten Zugangs der eigenen Waren zum Markt seines südliche Nachbarn, nachdem die in der Folge von 09/11 von den USA geführten Abschottungspolitik mit aller Härte die empfindliche Abhängigkeit der eigenen Wirtschaft von diesem aufgezeigt hatte. Für die USA steht vor allem der Aspekt der Sicherheit im Vordergrund. Dabei lässt sich der us-amerikanische Sicherheitsbegriff jedoch nicht auf den Bereich des militärischen beschränken (wie er seinen Niederschlag z.B. in der Merida Initiative / Plan Mexiko findet), sondern umfasst u.a. auch jenen der Migration („sichere und intelligente Grenzen“) und den Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Öl, Wasser und Gas – die eben vor allem in Canada (Süßwasser) und Mexiko (Gas & Öl) vorliegen. SPP ist also für die Herrschenden aller drei Länder ein Win-Win-Projekt.
SPP - Ein Projekt der Eliten
Ist es über die Etikettierung des SSP als Bündel von Regelungen (anstatt als Abkommen) gelungen, jeder – zumindest theoretischen - Einflussnahme von Seiten der Bevölkerung über „demokratische“ Strukturen einen Riegel vorzuschieben, wird der privatwirtschaftlichen Teilnahme Tür und Tor geöffnet. Und zwar nicht mehr „nur“ durch Lobbyisten im Politikergewand, sondern durch die direkte Teilnahme privatwirtschaftlicher Akteure. Im wissenschaftlichen und politischen Diskurs wird diese Entwicklung dann euphemistisch als Demokratisierung des hierarchischen Staates durch die Möglichkeit der Teilnahme der Zivilgesellschaft (!) abgefeiert. Tatsächlich ist wohl der Befund des frankfurter Wissenschaftlers Joachim Hirsch zutreffender, der von einer Privatisierung der Politik (8) spricht, womit eine Verlagerung der Politik in „kaum mehr kontrollierbare(n) staatlich-private(n) Verhandlungs- und Entscheidungsstrukturen“ gemeint ist (9).Letztendlich bedeutet die Integration der drei Länder und die faktische Abschaffung der nationalen Grenzen für Waren und wirtschaftlich verwertbare Personen die Realisierung der Freihandelsträume der nationalen Eliten. Sie dient der Absicherung von Kapitalakkumulation und bestehenden Herrschaftsverhältnissen in den Zeiten der kapitalistischen und – bezogen auf die USA – hegemonialen Krise. Was die Mehrheit der Bevölkerung von einer weiteren Liberalisierung zu erwarten hat, lässt ich erahnen, wenn man auf die verheerenden Folgen, die NAFTA bis heute vor allem für die ländliche Bevölkerung hat, fokussiert. Die Heilsversprechen, die die Herrschenden mit blumigen Worten auf den Erwartungshorizont „ihrer Bürger“ projizieren sind wieder einmal nichts anderes als Lügen, mit denen ihnen ihre (Selbst-)Ausbeutung schmackhaft gemacht werden soll.
Fußnoten:
((1) Für einen Überblick über die verschiedenen Initiativen siehe 1. und 2 Report an die Staatsoberhäupter
(2) siehe Erster Bericht an die Staatsoberhäupter
(3) Übersicht und Erläuterungen der Arbeitsgruppen: http://www.spp-psp.gc.ca/overview/security-en.aspx
(4) 2005: Texas/USA; 2006: Cancun/Mexico; 2007: Montebello/Canada; 2008: New Orleans/USA
(5) http://en.wikipedia.org/wiki/North_American_Competitiveness_Council
(6) Pastor, Robert (2001): „Toward a North American Community: Lessons from the Old World for the New“. Institute for International Economics, Washington, DC.
(7) http://www.cfr.org/publication/7914/trinational_call_for_a_north_american_economic_and_security_community_by_2010.html
(8)Hirsch, Joachim (2005): „Materialistische Staatstheorie. Transformationsprozesse des kapitalistischen Staatensystems“. Hamburg: VSA
(9) Auf gleichen Sachverhalt macht auch Bob Jessop mit seiner These der „Entstaatlichung politischer Regime“ aufmerksam. „Dieser Trend beinhaltet eine Bewegung weg von der zentralen Rolle offizieller Staatsapparate bei der Sicherung staatlich geförderter ökonomischer und sozialer Projekte sowie der politischen Hegemonie hin zur Betonung verschiedener Formen der Partnerschaft zwischen gouvernementalen, paragouvernementalen und nichtgouvernementalen Organisation.“ Jessop, Bob (1997): „Die Zukunft des Nationalstaates: Erosion oder Reorganisation?“. In: Becker, Sablowski, Schumm (Hrsg.) (1997): „Jenseits der Nationalökonomie?“ Berlin, Hamburg, S. 50-95.
Links Artikel:
NAFTA plus – In den Fängen der Macht (Interview mit Miguel Pickard von CIEPAC)
Acht Jahre NAFTA: vom Freihandelsabkommen zur Nordamerikanischen Gemeinschaft?
Red Mexicana de acción frente al libre comercio
Links Offiziell:
SPP Seite Kanada
SPP Seite Mexiko I
SPP Seite Mexiko II
SPP Seite USA
Montebello 2007
Artikelsammlung
Video:
Interview mit Prof. Dr. Michel Chossudovsky: ASPAN, estrategia de conquista territorial (spanisch)
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Ergänzungen
Kanada Quebec: Montebello: NAFTA + Gipfel
le monde diplomatique
Böses Erwachen in Mexiko
Die großen Erwartungen an das Freihandelsabkommen Nafta haben sich nicht erfüllt. Zugeständnisse der Regierung fügten vor allem der Landwirtschaft Schaden zu. Der artikel kommt von Anne Vigna.