Verfahren wegen Hess-Ersatzmarsch '07 in Jena

Kiel4Jena 15.03.2008 18:37 Themen: Antifa Repression
Verfahren wegen angeblichen „Schweren Landfriedensbruchs“ gegen vier beim Rudolf-Hess-Ersatzmarsch am 18.8.07 in Jena festgenommen Kieler Antifas
Jährlich versucht Ende August die deutsche Alt- und Neonaziszene geschlossen dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess um dessen Todestag herum vom NS-Massenmörder in einen „Märtyrer des Friedens“ umzulügen. Jahrelang fanden zu diesem Anlass Aufmärsche tausender Nazis in der bayrischen Kleinstadt Wunsiedel statt, wo Hess begraben liegt. Nachdem die Hessmärsche seit dem Jahre 2005 in Folge von antifaschistischer Intervention vom Bundesverfassungsgericht vorläufig verboten wurden, weichen die Nazis seitdem an verschiedene Orte in der ganzen Bundesrepublik und Dänemark aus. So auch im Jahre 2007 zum 20. Todestag Rudolf Hesss, als am 18. August einer der größeren Ersatzmärsche unter der Teilnahme hoher NPD-Prominenz in Jena stattfand. Zu den Gegenaktivitäten gegen dieses Ausweichevent mobilisierte auch die bundesweite Kampagne „NS-Verherrlichung stoppen!“, die seit einigen Jahren gegen die Hessmärsche aktiv ist.

Der lokalen Mobilisierung der Jenaer AntifaschistenInnen sowie der Kampagne folgten am morgen des 18. August etwa 800 AntifaschistenInnen, von denen auch einige aus dem gesamten Bundesgebiet anreisten. Stadt und Polizei waren an diesem Tag von Beginn an darauf aus, den antifaschistischen Protest möglichst klein zu halten: Eine geplante Antifa-Demonstration wurde nicht genehmigt und als sich nach der Kundgebung eine Spontandemo auf einer Route fernab der Nazis durch die Jenaer Innenstadt bewegen wollte, wurde ihr Losgehen von massiv präsenten Polizeikräften stark behindert. Erst nach zähen Verhandlungen durfte diese dann doch noch starten. Diese Tendenz setzte sich den ganzen Tag fort: Die Naziroute war von einem Aufgebot von 1000 PolizistInnen weiträumig abgeriegelt, Blockadeversuche wurden brutal geräumt und es kam zu insgesamt 40 schikanösen Festnahmen und Ingewahrsamnahmen. In dessen Folge wurden nun einige Strafverfahren gegen AntifaschistInnen eingeleitet, so auch gegen vier angereiste Kieler.

Die Kieler Antifas wurden während des Antifa-Aktionstages in einer Seitenstraße abseits jeglichen Spektakels zusammen mit einer größeren Gruppe bunt zusammen gewürfelter Menschen von herbeieilenden PolizistInnen des BFE eingekesselt. Schon hier fiel die besonders schikanöse und menschenverachtende Art der BeamtInnen auf, die sich in Beleidigungen, strengem Befehlston und Obrigkeitsgehabe ausdrückte. Nach einer peniblen Personalienkontrolle wurden die vier, offensichtlich nach ihrer dunklen Kleidung und ihrem vergleichsweise weiten Anreiseweg ausgewählten Kieler aus der Menge heraus gepickt und genauestens durchsucht, wobei sie sich u.a. wegen ihrer Kleidung und Figur beleidigen lassen mussten und Ewigkeiten mit dem Gesicht zum Baum stehend zu körperlichen Verrenkungen gezwungen wurden. Im Anschluss wurden die nun Festgenommen in einen Gefangenentransporter verfrachtet. Die unterschiedlichen Vorwürfe variierten zu diesem Zeitpunkt noch zwischen „Gefährlicher Körperverletzung“, „Verdacht auf Landfriedensbruch“ und „Verdacht auf schwere Körperverletzung“. Nach einigen Stunden im in der prallen Sonne abgeparkten Gefangenentransporter und einer Irrfahrt durch Jena, bei der den Antifas nicht gestattet wurde auf Klo zu gehen, wurden die Gefangenen in die „Gefangenensammelstelle (GESA)“ gebracht und dort (von mittlerweile anderen PolizistInnen) recht schnell entlassen. An diesem Ort war die Begründung für die Festnahme nur noch der Besitz von angeblichen „Vermummungsgegenständen“.

Knapp zwei Monate später flatterte den vier Kielern eine polizeiliche Vorladung ins Haus, da gegen sie ein Ermittlungsverfahren wegen „Besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs“ geführt würde. Kürzlich wurde bekannt, dass sie beschuldigt werden, an einer vormittäglichen Aktion gegen anreisende Nazis in der Jenaer Innenstadt beteiligt gewesen zu sein. Belastet und anhand von alltäglichsten Merkmalen vermeintlich identifiziert werden die Antifas dabei ausschließlich von zwei Polizisten.

Es ist also davon auszugehen, dass die vier Kieler Antifas auserwählt wurden, den großen Polizeieinsatz durch die Anhebung der Statistik juristisch bestätigter „Straftaten“ am 18.8. im Nachhinein zu rechtfertigen. Andere Begründungen für die polizeilichen Ermittlungen dürften sein, dass es am 18.8. trotz der vielen Repressionsmaßnahmen zu überdurchschnittlich vielen direkten Angriffen auf an- und abreisende Nazis gekommen war, was die thüringische Polizei so offensichtlich nicht auf sich sitzen lassen mag. Und natürlich wird es auch mal wieder darum gehen, weit angereiste Antifa-AktivistInnen, besonders wenn es sich um „Autonome“ handelt, für ihr politisches Engagement abzustrafen.

Jedenfalls lassen sich genügend Hinweise erkennen, die darauf hindeuten, dass es tatsächlich irgendwann in der nächsten Zeit zu Anklagen und Prozessen gegen die vier Kieler kommen könnte. Wir bitten deshalb schon jetzt vorsorglich alle AntifaschistInnen, vor allem in Kiel und Jena, die Betroffenen in diesem Fall inner- und außerhalb des Gerichts zu unterstützen und den Fall breit öffentlich zu machen!

Solidarität mit betroffenen Antifas!
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