München: "Gott mit dir du Land der Bayern"

Beelzebub 14.03.2008 20:17 Themen: Freiräume Gender Repression
Die Ankündigung für die Heidenspassparty („Heidenspass statt Höllenqual“) auf der „Religionsfreien Zone München 2007“ des bfg (Bund für Geistesfreiheit München) empfand die Erzdiözöse München-Freising als „Aufforderung zum Rammeln“ und erwirkte durch das Kreisverwaltungsreferat der bayerischen Landeshauptstadt unter höchster Strafandrohung ein Partyverbot für Karfreitag 2007. Der bfg München bestand daraufhin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme und hat es, weil ja bald wieder Karfreitag ist (und wiederum eine Veranstaltung in Planung), doch noch geschafft, dass diese Sache vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht am Mittwoch den 12. März verhandelt wurde.
Säkularisierung in Bayern scheinbar nur schwer möglich

Die Verhandlung vor zwei Tagen, schien zwischendurch sogar durchaus vor einem wohlwollendem Gericht aus drei hauptberuflichen Richtern und zwei Schöffen stattzufinden, welches den bereits schriftlich vorgetragenen Argumenten des Rechtsanwaltes Heinhold ohne Unterbrechung zuhörte. Nochmals sprach dieser die Verletzung der Grundrechte, der Menschenrechte und der Meinungsfreiheit im Fall des Verbotes der „Heidenspassparty“ nochmals zusammenfassend an. Das juristische Ziel der Feststellungsklage des Bundes war zum einen, die Party am Karfreitag als politische Versammlung zu werten, die damit unter das Versammlungsgesetz fällt und in geschlossenen Räumen auch an Karfreitag erlaubt sein muss. Darüber hinaus ging es dem bfg München auch darum, dass die weltanschauliche Neutralität des Staates unvereinbar ist mit der Begünstigung, der staatlichen Anordnung und dem besonderen Schutz christlicher Feiertage. Aus Sicht aller Demokraten sicher keine spektakuläre Forderung, sondern demokratisches Gebot für moderne Gesellschaften im 21. Jahrhundert.


Langer Marsch durch die Institutionen

Nach einer Stunde Verhandlung teilte der vorsitzende Richter im überfüllten Gerichtssaal (ohne Kreuz an der Wand) mit, dass das Urteil am kommenden Tag verkündet werde. Schnell kam jedoch heraus, die Kosten des Verfahrens gehen zu Lasten des bfg, Berufung ist allerdings zugelassen. Somit wird der bfg vor den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in die nächste Instanz gehen ließ dieser verkünden. Auch Dietmar Holzapfel, ein Münchner Gastronom, Hotel- und Theaterbesitzer klagte kürzlich gemeinsam mit drei weiteren Betroffenen gegen die polizeiliche Maßnahme am Christopher-Street-Day 2006, im Vorfeld des Papstbesuches, als er gemeinsam mit den drei anderen Klägern auf polizeiliche Anordnung einen Motto-Wagen mit Papstpuppe, Papstfotos und Papst-Zitaten in Zusammenhang mit dessen Verachtung von Schwulen nicht durch die Münchner Innenstadt fahren durfte. Im ersten juristischen Durchlauf wurde das Verfahren niedergeschlagen, doch Holzapfel wollte klären lassen, dass die polizeiliche Maßnahme gegen ihn und die anderen „Wagenbetreiber“ rechtswidrig war. Zu diesem Zweck wurde der Prozess von ihm mit einem über 80-seitigen Gutachten des Rechtsanwaltes Wasmuth gründlich vorbereitet. Der von zwei Berufs- und zwei Laienrichter begleitete vorsitzende Richter Wiens machte den Gerichtssaal (ebenso ohne Kreuz an der Wand !) zunächst zu seiner Bühne. Der freundlich dreinschauende ältere Herr mit weißem Haar und silberner Brille begann die Verhandlung mit der Bekundung der „eigentlichen Ratlosigkeit“ des hohen Gerichts, mit fast väterlich formulierten Appellen an beide Parteien zur gütlichen Beilegung und der Feststellung, dass in dieser Angelegenheit die Wahrheit, wenn überhaupt irgendwo, in der Mitte läge. „Nathan der Weise“ bat um Beilegung, die Parteien zogen sich zur Beratung zurück; auf die Zuhörer im überfüllten zweitgrößten Saal des Hauses übertrug sich ebenfalls eine gewisse Ratlosigkeit in Bezug auf die Bewertung des ersten „Aktes“.


„Und er teilte das juristische Verfahren und verteilte es unter den Armen“

Des Richters Wunsch konnte nicht in Erfüllung gehen. Bedingung für die Beilegung war von Kläger-Seite die rechtliche Zustimmung zur Verwendung des größten Teils der streitgegenständlichen Wagen-Deko-Stücke (hier waren sie bereit, auf die Bilder mit dem geschminkten Papst künftig zu verzichten) und – noch wichtiger – die richterliche Feststellung, dass die polizeiliche Maßnahme von 2006 gegen die Kläger rechtswidrig war. Doch auch wenn der Vorsitzende mit Zustimmung der anwesenden Vertreters des beklagten Freistaates schließlich unprotokolliert festhielt, dass eine gleiche polizeiliche Maßnahme wie 2006 in der Zukunft rechtswidrig sein wird, so wollte er nicht zustimmen, dass diese Maßnahme damit – irgendwie logisch – auch 2006 schon rechtswidrig gewesen gewesen sein muss. In der Diskussion hierüber wurde die Sitzung mehrfach unterbrochen. Es blieb den weiteren Klägern und den beiden sie vertretenden Anwälten nichts anderes übrig, als auf juristische Entscheidung zu drängen. Dies erfreute den eingangs gelassen und wohlwollend wirkenden Vorsitzenden nun aber gar nicht. Er machte aus dem laufenden Verfahren zunächst mal zwei, was er damit begründete, dass die drei Kläger neben Holzapfel formal nicht betroffen seien, da ja nicht verantwortlich zeichnend für den von der polizeilichen Maßnahme betroffenen Wagen. Damit war ihre Klage – dies wiederum rein juristisch logisch – nicht zulässig, wurde flugs abgewiesen und ihnen die Kostenübernahme ins Protokoll diktiert. Die zwei beisitzenden Berufsrichter sahen unbeteiligt in ihre Papiere, die Schöffen genauso interessiert in die Luft, ein weiterer Akt war zu Ende.


Ein Mottowagen als Gefahr für Sicherheit und Ordnung

Nun war Holzapfel noch alleine Kläger, den beide ihn betreuenden Anwälte mit Engagement und Argumenten unterstützten. Doch der vormals weise wirkende Volljurist im Vorsitz hatte erkennbar schon eine Entscheidung getroffen. Nach weiteren Unterbrechungen verkündete er in seiner Urteilsbegründung, das die polizeiliche Maßnahme 2006 nicht rechtswidrig gewesen wäre, weil dem diensthabenden Polizisten bei Verdacht auf „Gefahr für Sicherheit und Ordnung in nicht unerheblichem Maß“ keine ausführliche „juristische Exegese“ zugemutet bzw. abverlangt werden könne. Da staunten die Zuhörer nicht wenig: ein verkehrsicherer Mottowagen, angemeldet bei einer angemeldeten Versammlung, eine Gefahr für Sicherheit und Ordnung? Aber damit nicht genug: es müsse dem Polizeibeamten zugestanden werden, dass es verschiedene Auslegungen in der Bewertung des Motto-Wagens gäbe, und er zu einer anderen gelange als die bzw. der noch verbliebene Kläger. Im übrigen sei zur Demonstration eines politischen Inhaltes keine Schminke im Gesicht des Papstes Ratzinger erforderlich gewesen. Darüber hinaus könne man durchaus zu dem Schluss kommen, dass die Wahl der Darstellung geeignet sei, andere Menschen in ihrer Religiosität zu stören und den Dargestellten als Person zu beleidigen. Es könne auch der Verdacht entstehen, dass nicht die inhaltlichen politischen Äußerungen der dargestellten Person das Wichtigste am Mottowagen seien , sondern der Papst in seiner Ehre verletzt werden sollte. Abschließend meinte der Vorsitzende noch, dass der Eingriff in die Grundrechtsposition des Klägers nicht so gravierend gewesen sei, denn schließlich habe er nach dem Abbau der beanstandeten Elemente mit seinem Wagen ja fahren dürfen!
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Ergänzungen

Wie Christen Homosexualität heilen wollen

Radio Unerhört Marburg 14.03.2008 - 20:33
Wie junge Christen Homosexualität heilen wollen - Christival 2008

Interview mit Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen zu den homophoben Seminarinhalten des christlichen Festivals "Christival":

 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=21464

Rechtsextremer im Stadtrat

http://www.sueddeutsche.de 14.03.2008 - 20:44
Die beiden Rechtsextremisten schauten von oben auf das Stadtparlament herab. Karl Richter, für die rechtsextreme "Bürgerinitiative Ausländerstopp" vor zehn Tagen ins Rathaus gewählt, sah sich die vorletzte Plenumssitzung des alten Stadtrates von der Zuschauertribüne aus an.

Neben ihm saß Norman Bordin, mehrfach vorbestrafter und vom Verfassungsschutz ausdrücklich als "Neonazi" betitelter Landesvorstand der NPD.

"Es ist nicht schön, wer da künftig im Rathaus unterwegs sein könnte", sagt Siegfried Benker, der Fraktionschef der Grünen. Denn auch der Neu-Stadtrat Richter wird Anspruch auf ein Büro im Rathaus haben.

Er wird auch Steuergeld an Gesinnungsfreunde bezahlen dürfen. Derzeit stehen einem Einzelstadtrat 15. 680 Euro zu, um damit eine Hilfskraft zu entlohnen.

Und die wird der NPD-Mann auch bekommen. "Die formalen Rechte eines Stadtrates wird er haben", erklärt Oberbürgermeister Christian Ude (SPD). Allerdings auch nicht mehr als diese Grundrechte: Der Ältestenrat, der alle Fraktionsspitzen versammelt, hat bereits darüber beraten, wie die demokratischen Stadträte mit dem Rechtsextremisten umgehen wollen.

Zwar sind bei allen Wahlen seit 1990 Rechtsextreme in den Stadtrat gekommen, doch diesmal ist eine Absprache nötig. Denn der NPD-Mann Richter sei ein anderes Kaliber als seine Vorgänger, glaubt nicht nur Ude. "Der ist ganz klar auf Krawall aus", sagt der Grüne Benker.


Keine Zusammenarbeit

Wichtigster Punkt der Verabredung: Niemand soll mit dem Rechtsaußen zusammenarbeiten. Wenn keiner der Einzelvertreter der kleineren Parteien mit dem Extremisten eine sogenannte Ausschussgemeinschaft bildet, wird Richter nicht in die wichtigen Ausschüsse gelangen. Dorthin kommen nur Gruppen mit mindestens drei Stadträten oder eben drei Räte, die sich zu diesem Ziel zusammentun - etwa die Vertreter von ÖDP, Freien Wählern und Bayernpartei.

Damit aber könnte der Rechtsaußen nur noch das Plenum als Bühne nutzen. "Dort wird er den Eklat suchen", glaubt Benker. Die anderen Ratsfraktionen wollen sich von einer solchen Strategie der Extremisten jedoch nicht provozieren lassen.

Man werde auf Reden des Rechtsaußen nicht reagieren und sich schon gar keine Debatte aufdrängen lassen, legten sich die Fraktionschefs fest. Nur Falschaussagen und Verunglimpfungen wollen die demokratischen Stadträte entgegentreten, so Benker, "kurz, klar und kühl".

Seinen ersten Auftritt wird Richter auf der ersten Sitzung des neuen Stadtrats im Mai haben. Dann muss der Extremist in seinem Eid dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland Treue schwören. "Das", glaubt Benker, "wird seine erste Lüge."

Rückblick

Ungläubiger 14.03.2008 - 20:58
Zur Vorgeschichte: So manche werden sich erinnern an den Rummel am Karfreitag, den 06.April 07! Als Pionier gegen den Verfall angeblich guter Sitten marschierte Wilfried Röhmel (Erzbischöfliches Ordinariat der Erzdiözöse München-Freising) für seinen Herrn zum Kreisverwaltungsreferat der Stadt, um Schlimmstes zu verhüten! Unter Androhung von 10.000,00 Euro Bußgeld (Höchststrafe) und mithilfe eines mit 300,00 Euro dotierten Bescheides erwirkte er das Verbot der "Heidenspass"-Party des Bund für Geistesfreiheit München.

Noch ein Artikel zum Thema

bikepunk 089 15.03.2008 - 14:06
In meinem blog gibt auch noch einen Artikel zum Thema:
 http://bkpnk089.blogsport.de/2008/03/12/2-klagen-gegen-den-kirchenstaat-bayern/

Bayerische Neonazis schlagen häufiger zu

http://www.netzeitung.de 17.03.2008 - 14:26
Der aktuelle Bericht des Verfassungsschutz gibt Anlaß zur Sorge. Im letzten Jahr haben sich die rechtsextremistischen Gewalttaten in Bayern fast verdoppelt.

Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten in Bayern ist im vorigen Jahr drastisch gestiegen. Waren es im Jahr 2006 noch 47 Delikte, so wurden im Jahr 2007 bereits 82 Gewalttaten mit rechtsextremistischem Hintergrund gezählt. Das teilte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Montag bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichtes 2007 mit.

Zwei Drittel der Täter seien unter 21 Jahre alt, sagte er. Mehr als die Hälfte seien Ersttäter ohne jeden rechtsextremistischen Vorlauf. Die Zahl sonstiger Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund - vor allem Propagandadelikte -sank demgegenüber von 1866 auf 1771.

nicht nur in Bayern

Entdinglichung 17.03.2008 - 16:25
... und in Schleswig-Holstein wurde vor nicht allzulanger Zeit versucht, eine Demonstrationen an einem Feiertag zu verbieten ...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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die ewige christenkacka — Vollidiot