Brasilien: Besetzungen in 8 Bundesstaaten

toby 14.03.2008 00:47 Themen: Soziale Kämpfe Weltweit Ökologie
Die Bewegung der von Staudaemmen Betroffenen (Movimento dos Atingidos por Barragens MAB) fuehrte in der Woche vom 10.-14. Maerz in 8 Bundesstaaten in Brasilien Besetzungen von Infrastruktureinrichtungen (Bundesstrassen, Eisenbahnlinien) und Behoerden durch, um ihren Forderungen nach einer Verbesserung der Lebensbedingungen im laendlichen Raum Nachdruck zu verleihen und ihre Ablehnung des neoliberalen Entwicklungsmodells der Regierung Lula zum Ausdruck zu bringen.
Im Bundesstaat Ceará besetzten ca. 600 AktivistInnen des MAB mit Unterstuetzung der Landlosenbewegung MST das Gelaende des Unternehmenskonsortiums, das die Bauarbeiten am Kanal der Integration koordiniert und legten somit die Arbeiten am Kanal fuer zwei Tage still.
Der Kanal, der das Wasser aus dem groessten Stausee des Bundesstaates (Castanhão) 255km in die Metropolitanregion Fortaleza und die Industriezone des Hafens von Pecém (v.a. Stahlindustrie) transportieren soll, gilt als Modell fuer die Flussableitung des Rio São Francisco, dem derzeitigen Prestigeprojekt der Regierung Lula ( http://de.indymedia.org/2008/03/209845.shtml). Doch waehrend die Regierung nicht muede wird, die Vorteile der Flussableitung fuer die laendliche Bevoelkerung herauszustellen, lassen sich an den bereits fertiggestellten Abschnitte des Kanals heute schon die Auswirkungen des Megaprojektes studieren:
Familien, die teilweise weniger als 100m vom Kanal entfernt leben und keinen Zugang zum Wasser haben, ausgetrocknete Viehweiden und Lastwaegen, die Trinkwasser verteilen, waehrend das Wasser des Kanals von Videokameras und bewaffneten Patrouillen bewacht wird.
Verpsrochen wurden vor allem denjenigen, die durch die Staudamm- und Kanalbauten vertrieben wurden, bereits viele Projekte, doch bis heute warten sie auf deren Umsetzung – mit Blick auf das im Kanal vorbeiziehende Wasser. So steht der “Kanal der Integration” (sic.) als Symbol fuer die ungerechte Verteilung der natuerlichen Ressourcen Brasiliens und fuer eine Politik, die auf Kosten der laendlichen Bevoelkerung den Interessen der kapitalstarken Industrie und der Agraroligarchie dient.

Die Stilllegung der Bauarbeiten am Kanal war jedoch nicht nur ein symbolischer Akt, sondern diente dazu, Druck auf die Regierung auszuueben, damit diese die Umsetzung der Massnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation im laendlichen Raum (Bau von Bewasserungseinrichtungen, Schulen, Gesundheitseinrichtungen, Strassen etc.) wieder in Angriff nimmt. Darueber hinaus machten die BesetzerInnen ihre Ablehnung des gegenwaertigen Entwicklungsmodells deutlich und forderten eine Politik, die den Menschen und nicht dem Kapital dient ein.
In den 51/2 Stunden dauernden Verhandlungen mit Vertretern der Regierung wurden viele der bestehenden Probleme im laendlichen Raum Cearás angesprochen, einige Loesungsvorschlaege diskutiert, einige konkrete Massnahmen beschlossen und weitere Treffen vereinbart. Was davon dann letztendlich wirklich umgesetzt werden kann, wird sich einmal mehr erst im Laufe der Zeit herausstellen. Es scheint, dass der Regierung wirklich etwas daran gelegen ist, die katastrophalen Bedingungen der Bevoelkerung, die durch den Bau des Castanhão betroffen wurde, zu verbessern. An dem Entwicklungsmodell, das auf Wirtschaftswachstum durch den Ausbau von Agrobusiness und Industrie setzt, wird sich dadurch allerdings nichts anedern. Am Donnerstag wurden die Bauarbeiten am Kanal der Integration wieder fortgesetzt.
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Ergänzungen

mehr eindruecke

toby 14.03.2008 - 18:06
noch ein paar bilder von der besetzung...

Indios in Brasilien wehren sich erfolglos

http://www.baz.ch 14.03.2008 - 19:14
Indios in Brasilien wehren sich erfolglos gegen Polizei

Verzweifelte Abwehraktionen mit Pfeil und Bogen sind erfolglos geblieben: Die Polizei hat in Brasilien mit Gewalt hunderte landlose Indios, darunter dutzende Frauen mit Babys, aus einer illegalen Siedlung im Amazonas-Gebiet vertrieben.

17 Indios und andere Besetzer seien dabei am Dienstag (Ortszeit) festgenommen worden, teilte die Polizei am Mittwoch in Manaus im Bundesland Amazonas mit. Über die Zahl der Verletzten machte sie keine Angaben.

Die Indios sollen das 180 000 Quadratmeter grosse Gelände eines japanischen Bauingenieurs zwischen Manaus und Itacoatiara vor drei Monaten besetzt haben. Ein Richter habe nun die Räumung angeordnet.

Die rund 150 Beamten - einige auf Pferden - setzten laut Medien auch Tränengas und Hunde ein. Die Behausungen der Indios seien zerstört worden. Auch Mütter mit Babys in den Armen und Tränen in den Augen hätten heftigen Widerstand geleistet, hiess es.

Der Häuptling des Stammes Satere-Mawe, Luiz Satere, beschuldigte die Polizei schwerer Übergriffe. Er wolle die «Menschenrechtsverletzungen» vor dem Bundesparlament in Brasilia anprangern.

«Einer der Beamten hat zum Beispiel eine schwangere Frau wie einen Fussball getreten», klagte der 49-Jährige. Das umstrittene Gelände sei immer Land der Indigenen gewesen. Der Stamm besitze aber leider keine Papiere, sagte er.

Kleiner Eindruck

Chico 14.03.2008 - 19:35
Die Indigene sollen das 180.000 Quadratmeter große Gelände eines japanischen Bauingenieurs zwischen Manaus und Itacoatiara vor drei Monaten besetzt haben. Ein Richter habe nun die Räumung angeordnet.

Umstrittenes Staudammprojekt in Brasilien

Radio Dreyeckland 14.03.2008 - 20:23
Interview mit Kirsten Bredenbeck von KoBra /Kooperation Brasilien) Freiburg, die über das umstrittene Staudamm Projekt des Soa Francisco berichtet. Anlass ist der Internationale Tag der Aktion gegen Staudämme.

 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=21525