Köln: Widerstand gegen Sammelvorführung!

I love Antira 12.03.2008 18:39 Themen: Antifa Antirassismus Soziale Kämpfe
Am 11.März versammelt sich mehrer AntirassistInnen und AntifaschistInnen in der Zentralen Ausländerbehörde Kölns um gegen eine weitere Abschiebeanhörung vonFlüchtlinge aus Afrika zu protestieren.
Am frühen Morgen des 11. März kommt der erste Bus mit SchwarzafrikannerInnen an der Blaubachstr in Köln vorgefahren. Überrascht und ein wenig verängstigt steigen die AfrikannerInnen in „Begleitung“ von drei PolizistInnen aus Brandenburg. Der Ort ist weder Bonn und noch die Kamerunsche Botschaft, was man als Ziel der „Reise“ den Flüchtlingen vor der Abfahrt mitgeteilt hatte, sondern die Zentrale Ausländerbehörde Köln.

Der Hintergrund:

Weltweit steigen die Flüchtlingszahlen – in Europa sinken sie. Das geht nur mit Gewalt. Nicht nur vor den europäischen Grenzen sondern auch im Inland steigt die Brutalität, mit der Flüchtlinge abgewehrt, schikaniert und ausgewiesen werden. Europaweit werden nur noch 23 von 100 Asylbewerber anerkannt. Deutschland ist weiter, nur noch 6 von 100 Flüchtlingen werden anerkannt.

Wie das geht?
Zum Beispiel so: Flüchtlinge werden zwangsweise Botschaftsangehörigen ihrer angeblichen Herkunftsstaaten vorgeführt. Die bestätigen dann, es handele sich um „ihre Leute“ und stellen Reisepapiere aus, damit die Flüchtlinge abgeschoben werden können.Bekannt geworden sind Deals, wo Menschen gegen Bares verkauft werden. Beispiel Guinea: Für 100 Euro „pro Kopf“ bestätigte jahrelang eine dubiose „Botschafterdelegation“, die vorgeführten Flüchtlinge seien guineische Staatsangehörige – egal, woher sie tatsächlich gekommen waren. Als der Deal aufflog, rief die Regierung die Delegation zurück. Doch in Deutschland werden die Blanko-Pässe dieser Delegation weiterhin genutzt, um Flüchtlinge als „Guineer“ zu „identifizieren“ und abzuschieben.Die Zentrale Ausländerbehörde Köln hat sich auf die Identifizierung von kamerunischen Flüchtlingen spezialisiert.

In unregelmäßigen Abständen werden Flüchtlinge aus dem ganzen Bundesgebiet in der Domstadt angeliefert, um sie zu verhören. Flüchtlinge, derzeit vor allem aus Afrika, die nach deutschem Recht und Gesetz keine eindeutig beurkundete Identität besitzen, können nicht abgeschoben werden,sofern sie sich bemühen, die zur Ausreise erforderlichen Papiere zu bekommen, und sich sonst nichts Erhebliches zu Schulden kommen lassen. Das Ungeheuerlich dabei ist, dass ein Regime, das Menschen in die Flucht treibt, von den deutschen Asylbehörden als Kronzeuge gegen diese Flüchtlinge ins Land geholt wird. Die Behauptungen der kamerunischen Beamten über „ihre“ Flüchtlinge sind zwar kaum nachprüfbar, aber werden von den deutschen Ausländerbehörden trotzdem als authentische und unabhängige Äußerungen gewertet.Bereits am 21.11. 07 wurden in Köln ca. 50 Menschen aus Afrika, die im ganzen Bundesgebiet verteilt leben und denen in Deutschland kein Aufenthaltstitel zugebilligt wird, Zeugen und Opfer dieses widerlichen Rechtsvorgangs, der in Köln laut Angaben der Zentralen Ausländerbehörde, seit mindestens 10 Jahren praktiziert wird.

Weiter Informationen unter: www.no-racism.net

Der Protest:

Gegen 8 Uhr morgens hatten sich ungefähr fünfzehn Aktivistinnen aus dem antirassistischen und antifaschistischen Spektrum Köln vor der Ausländerbehörde versammelt um die Abschiebeanhörung zu verhindern.

Während dessen hat ein Teilnehmer der Protest-Aktion es geschafft zu den afrikanischen Flüchtlingen vorzudringen. Als er diese anspricht, um sie zu informieren, dass Leute aus der Stadt zu ihrer Unterstützung da sind und ob sie mit der „Sammelvorführung“ einverstanden seien, wird er von den brandenburgischen Beamten schroff aufgefordert, Deutsch zu sprechen, denn hier dürfe man kein Englisch reden. Als der Aktivist versucht die PolizistInnen darüber aufzuklären, dass die Menschen kaum Deutsch verstehen, besonders nicht unter diesen erschwerten Umständen, rasten die BeamtInnen aus und drängen den Aktivisten zur Tür hinaus.

Gleichzeitig wurde vor der Ausländerbehörde ein Transparent mit der Forderung „Bleiberecht für alle!“ entrollt. Daraufhin stürzte eine panische Angestellte der Abschiebeanstalt an die Drehtür und verriegelt diese in der Hoffnung die AktivistInnen von einem Zutritt in die Behörde abhalten zu können.

Dieser Wunsch ging aber nicht in Erfüllung, durch eine andere Tür konnten sich die Aktivistinnen Zugang verschaffen. Im Eingangsbereich der Ausländerbehörde angekommen, sah man/frau durch eine Glastür ungefähr fünfzehn afrikanische Leute im Warteraum sitzen, deren Duldung in der BR Deutschland am Vortag ausgelaufen war. Schnell versammelten sich MitarbeiterInnen der Ausländerbehörde im Eingangbereich um in konfrontativer Körperhaltung die Aktivistinnen ein zu schüchtern.

Teilnehmer der Aktion von „Kein Mensch ist Illegal“ ließen sich jedoch davon nicht beeindrucken und drängten in die Tür zum Warteraum, um die zuvor unterbundene Kontakt-Aufnahme mit den AfrikanerInnen fortzusetzen. Die PolizistInnen schienen mit dieser Situation sichtlich überfordert zu sein und fackelten nicht lange: Geschubse, Türzerren, als ein Fuß die Tür blockiert zieht ein Polizist sein Chemiespray, woraufhin die besonnenen AktivistInnen sich in den Eingangsbereich zurückziehen.

Es folgen Sondierungsgespräche mit dem Leiter der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Herr Heiarz. Die Aktivisten wollen erfahren warum die Flüchtlinge zu einer solchen rassistischen Vorführung gezwungen werden, worauf Herr Heiarz antwortet: „Die Leute sind doch freiwillig hier!“

Auf die nächste Frage, warum man nicht mit der Delegation des kamerunischem Botschaftspersonas reden dürfe, denen die ZAB freundlicherweise für einen Tag Kamerunische Hoheitsrechte eingeräumt hatte; antwortet Heiarz: „Tut mir leid, Sie können den Anhörungen nicht beiwohnen, das ist exterritoriales Gebiet.Ich kann die kamerunischen Botschafter fragen, aber ich glaube nicht, daß Sie Ihnen das gestatten werden sich hier auf zu halten.“ - Kamerun mitten in Köln, die Aktivisten hörten und staunten nicht schlecht.

Nachdem Herr Heiarz nochmals drauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Vorführung ohne Beistand menschenverachtend ist! - „Wir fordern Sie auf, die zwangsweise Vorführung zur Erlangung von Ausreisepapieren sofort einzustellen!“ – rutschte dem Leiter der ZAB folgende Worte aus dem Mund: „Diese Vorführung hier hat mit Menschlichkeit nichts zu tun.“ Worauf die Aktivisten mit einem gewissen Zynismus nur noch: „Danke für die Ehrlichkeit!“ antworten konnten.

Während die kamerunsche Botschaftsdelegation über einen anderen Eingang in die Behörde gelangt, trifft der polizeiliche Einsatzleiter ein und verkündet, dass die Hundertschaft nun zur Verfügung stehe und ob man nun „freiwillig“ gehen würde oder die Polizei Gewalt anwenden müsse. Zudem wäre er ja bereit auch noch eine Resolution an die Botschaftsangehörigen zu übergeben. Gerade als die Aktivisten ihr nächstes Vorgehen beraten wollten, verdeutlichte die anwesenden Polizisten durch leichte körperliche Gewalt, dass das Angebot mit der Resolution wohl nur zwanzig Sekunden lang galt.

Gespräche mit den Flüchtlingen:

Während der Protestaktion war es mehren AktivistInnen möglich mit den AfrikanerInnen in Kontakt zu treten. Hier ein paar Auszüge aus den Gesprächen:

Edouard wusste, dass UnterstützerInnen aus Köln kommen sollten, so ist gleich ein Vertrauen zu spüren. Edouards Anwalt hatte gegen seine zweite Vorführung Widerspruch eingelegt, dagegen erfolgte ein Gerichtsbeschluss:„Gemäß § 82 IV AufenthG kann die Vorführung Ihres Mandanten auch durch unmittelbaren Zwang durchgesetzt werden, (...) ich weise vorsorglich daraufhin, dass fehlende Mitwirkungspflicht auch zur Kürzung von Sozialleistungen führen kann.“ Dieser Beschluss versinnbildlicht die Freiwilligkeit die der ZAB Leiter wohl meinte.

Edouard: „ Nach einem Tag im Bus und einer Nacht in Köln schicken sie Dich da rein, gegenüber sitzen dir drei kamerunische Botschaftsangehörige, eine Frau und zwei Männer.Dann versuchen sie Dich zum Reden zu bringen. Es sind teilweise dieselben Fragen, wie bei der Anhörung zum Asylverfahren. Wenn Du was sagst, heißt es:-Oh, Du sprichst so und so, Du musst Kameruner sein! – Passersatz, Stempel, Abschiebung...Wir haben uns untereinander informiert, dass wir nichts sagen werden, doch die Angst bleibt: Wir hörten, dass sie beim letzten Mal 2 Leute, die nichts sagten, abgeschoben haben.“

Tano:
„Keiner weiß, welche Anweisung morgen kommt. Aber hier sagst Du am Besten kein Wort.Wenn Du was sagst, schreiben sie alles auf und am Ende sollst Du es unterschreiben.Ich traue denen nicht. Ich glaube, die kriegen viel Geld für diese Vorführung“, sagt Tano.Ihm wurde von der Oberbürgermeisterin der Stadt Brandenburg „unmittelbarer Zwang“ angedroht, wenn er der Vorführung fernbliebe „... ich weise vorsorglich daraufhin, dass fehlende Mitwirkungspflicht auch zur Kürzung von Sozialleistungen führen kann.“

Stefani, wie war die Anhörung für Dich?“ – „ Gut,... na ja...ich frage mich, ob sie übermorgen meine Duldung noch mal verlängern oder ob danach die Abschiebung kommt.“

„Sie waren heute etwas freundlicher zu uns. Beim letzten Mal hatte ich wahnsinnige Angst, weil auch die Delegation so aggressiv war... Ich bin zur kamerunischen Botschaft in Bonn gegangen, ein Mann von einer christlichen Organisation hat mich begleitet. Die haben mir ein Papier gegeben, worauf steht, daß keine Pässe mehr ausgestellt werden, sie würden später einen neuen Pass machen.“- Peter zeigt mir das Papier. – „Sonst kann es auch sein, daß sie Dich einfach wieder rausschmeißen.“ In der Botschaft kriegst Du keinen Pass, warum dann hier?

„Wir haben immer Angst. Vor einem Monat gab es eine Anhörung eines Bekannten, er ist jetzt wohl in Kamerun, und ich habe noch nichts von ihm gehört.“ sagt Dan.

Resümee:

Erst als die Aktivisten eine Liste aller Vorgeführten bekommen haben, wurde unter Protest das Gebäude verlassen. So können Gruppen wie „Kein Mensch ist Illegal“ versuchen zu recherchieren, ob alle der 58 gezwungenen Personen wieder an ihrem Wohnort angekommen sind. Zudem konnten Telefonnummern und E-Mail-Adressen mit den Flüchtlingen aus Brandenburg an der Havel, Neuruppin, Barnstorf, Rathenow und Perleberg ausgetauscht werden.

Leider war es aufgrund einer zu geringen Anzahl an Aktivisten und vielleicht damit verbunden einer nicht energisch genug vorgebrachten Entschlossenheit nicht möglich die Anhörungen zu verhindern. Nun ja, es gibt bestimmt leider ein drittes Mal.

Als die AktivistInnen sich von den Leuten verabschiedeten, gewannen Sie den Eindruck als würdem sich alle schon gut kennten, dabei haben Sie und die Flüchtlinge sich zum ersten Mal gesehen.

Vielleicht gelingt es den Kontakt zu halten, so dass wenn morgen jemand abgeschoben werden soll und dies vielleicht gar keiner mitkriegt, weil er/sie irgendwo in einem abgelegenen Heim wohnt und mit niemand sonst Kontakt hält, die neu aufgebauten Kontakte helfen werden.

Es gilt weiterhin der perfiden Abschiebemaschinerie der Städte, Länder und des Bundes Widerstand entgegen zusetzten, solange bis diese abscheulichen, menschenverachtenden und dubiosen Zwangsvorführungen aufhören.

Deswegen unterstützt eure lokalen antirassistischen Initiativen!

www.kmii-koeln.de
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Ergänzungen

Weiterer Artikel zu Botschaftsvoführungen

bikepunk 089 13.03.2008 - 15:59
Aktionen gegen Botschaftsvorführungen können auf einen Schlag etliche Abschiebungen erheblich rauszögern, entsprechend kitzlig reagieren die Behörden wenn mensch ihnen in die Suppe spuckt. Ich habe mal versucht, ein kleinen "how-to" zu schreiben, einfach damit mehr Leute wissen warum und wie sie gegen Botschaftsvorführungen vorgehen können (Natürlich stark geprägt von münchner Erfahrungen). Gerne weitervebreiten, verbessern ...

 http://bkpnk089.blogsport.de/2007/05/03/botschaftsvorfuehrungen/

Das nächste Mal muss es nicht heissen "Wenn wir nur mehr gewesen wären ..."

Farbe im Spiel

--....-- 13.03.2008 - 20:52
Keine Ahnung ob anlässlich der Abschiebeanhörung oder einfach nur so, jedenfalls wurde die Zentrale Ausländerbehörde Kölns in den letzten Tagen mit etwas Farbe verschönert. Da den AbschieberInnen vom Dienst das anscheinend zu bunt war und diese Türen und Fenster noch am gleichen Tag wieder reinigen ließen hier nur einige Fotos von den Rückständen an der Fassade.

was ist aus den leuten georden?

ari berlin 14.03.2008 - 02:41
ein mensch, der schon vorher im abschiebeknast in eisenhüttenstadt saß, da die behörden gesagt haben, dass er ja nicht in seinem lager sei und deswegen unter sicherheitsverwahrung kommt, ist jetzt (nach der "vorführung in köln" wieder im abschiebeknast in eisenhüttenstadt. mehr wissen wir bisher auch nicht.
gut, dass ihr da gewesen seid.

wir hätten auch gerne mehr infos

neues

ari berlin 19.03.2008 - 02:19
bei der botschaftsanhörung in köln waren 55 leute aus ganz deutschland.
es waren leute aus anderen ländern, nicht nur aus kamerun: togo, niger,
burkina faso, elfenbeinküste. es waren 10 leute aus berlin /
brandenburg. jemand, der schon vorher im abschiebeknast saß war immer in handschellen.
ein mann aus forst/brandenburg war schon schon zum zweiten mal da.
er ist jetzt krank.

...

... 25.03.2009 - 14:38
...

...

... 25.03.2009 - 15:17
...

Grenzen sprengen!

HTML? 25.03.2009 - 16:50
Bericht von der Aktion im März 2009:

 http://de.indymedia.org/2009/03/245098.shtml

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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