Anna, Arthur, Peter und die Inflation

ra0105 07.03.2008 00:00 Themen: Bildung
Anna & Arthur gehen in einen Bioladen ihres Vertrauens. Verärgert müssen sie festellen, dass ihr Lieblingsgemüse wieder teurer geworden ist. Peter der nette Kassierer schaut mitleidig und sagt, das sei halt Inflation. "Muss nicht sein!" - sagen darauf Anna & Arthur.
Der Artikel möchte eine Einführung zum Thema Inflation sein. Er versucht verständlich zu erklären, um was es sich dabei konkret handelt, und welche Implikationen eine Inflation mit sich bringt. Der Interessierte Laie soll danach in der Lage sein, kritisch die Berichterstattung in den Medien zu dieser Thematik zu verfolgen.

Warenkorb, Preisanstieg - die allgemeinen Grundlagen

Bekanntermaßen wird die Inflation mit Hilfe eines "durchschnittlichen" Warenkorbes gemessen. Dazu werden in regelmäßigen Abständen Einwohner zu ihrem Konsumverhalten befragt und natürlich fleißig die Preise und verkauften Mengen von mehr als 700 Gütern gemessen.
Völlig zu Recht kann die Zusammenstellungen kritisiert werden. Man weiß etwa, dass ein Hartz-IV Empfänger einen völlig anders zusammengesetzten Warenkorb hat, als der Manager eines DAX-Unternehmens. Ein veganer Nichtraucher und Alkoholabstinzler (und andere Spaßbremsen ;) ), wird die Erhöhung der Tabak und Biersteuer eher kalt lassen, während er sich gleichzeitig nicht für den allgemeinen Preisverfall von Schweinebäuchen erwärmen kann. Insofern kann die individuelle Inflation eine völlig andere sein (denken wir etwa an den kettenrauchenden, alkoholkranken, autobahnrasenden Karnivorer) als die allgemeine Inflation.Der grundsätzliche Irrtum, den viele begehen, ist die Verwechselung von Preiserhöhungen und dem Anstieg des Preisniveaus. Nur letzteres ist Inflation.

Komplementäre vs. Substitutionsgüter

Eines der Grundgesetze des Marktes ist, dass bei steigenden Preisen die Nachfrage zurückgeht. (Korrekterweise muss dies eingeschränkt werden. Dies gilt nur für so genannte 'normale Güter'. Bei anomalen Gütern kann es durchaus umgekehrt sein. Bestes Beispiel wären etwa Pelzmäntel und andere Statussymbole.)
Wenn der Preis steigt, wird der Konsument also eine geringere Menge nachfragen.
Das ist ganz logisch bei einem Ein-Gut-Modell. Wenn sich der Preis verdoppelt, kann der Konsument für sein Budget nur noch die Hälfte kaufen. In diesem Fall hätten wir eine Inflation von 100%. Das Geld hätte innerhalb einer Periode die Hälfte an Wert (= wieviele Güter kann ich dafür kaufen?) verloren.
Schwieriger wird dies in einem Zwei-Güter-Modell. Nehmen wir einmal an, Gut A würde im Preis stabil bleiben, während Gut B sich im Preis verdoppelt. Zuvor kosteten beide Güter jeweils 10€, und von ihnen wurden jeweils 5 Stück gekauft (Jetzt: Gut A 10€ / Gut B 20€).Was würden Anna & Arthur jetzt tun. Werden sie nur noch Gut A kaufen oder ein bisschen weniger Gut B und Gut A?
Genau hier kommt die Schwierigkeit mit der Inflation. Im Durchschnitt sind die Preise ja um 50% Prozent gestiegen (Gut A+B vorher = 20 jetzt = 30). Das heißt aber nicht, dass die Inflation auch 50% betragen muss! Es kommt darauf an, was Anna & Arthur daraus machen. Stellen wir uns vor, es handele sich bei den beiden Gütern um Butter und Magarine. Angenommen den beiden sei scheißegal, was sie sich aufs Brot schmieren, und sie haben nur nach den Zufallsprinzip entweder Butter oder Margarine gewählt. War ja auch egal, hat schließlich beides genauso viel gekostet. Da der Preis sich jetzt aber verändert hat, ist es nicht mehr egal. Wenn die Butter teurer wird, werden sie komplett auf Margarine umsteigen. Konsequenz? - Die Inflation ist gleich null. Denn sie können nach wie vor 10 Einheiten Streichfett für ihr Geld kaufen. Das sich das Streichfett anders zusammensetzt ist dabei völlig egal.
Sollte Anna allerdings auf ihre Butter bestehen, dann bedeutet das für beide, dass sie insgesamt nicht 10 Einheiten Streichfett konsumieren können für die gleiche Geldmenge.
Wie sich also eine Preiserhöhung auswirkt, hängt demnach stark davon ab, wie austauschbar das Gut ist. Man spricht in diesem Fall von der Fähigkeit zur Substitution. Butter und Margarine substituieren sich gegenseitig äußerst gut. Auch Filterzigaretten und Feindrehtabak sind solche Kandidaten. Gerade letzteres ist ein schönes Beispiel. Weil die Erhöhung der Tabaksteuer Filterzigaretten und Tabak zum Selber-drehen nicht im gleichen Maß traf, wurde die Selbstgedrehte relativ zu den Filterzigaretten noch billiger. Natürlich ist selbst Drehen aufwändiger. Man hat ein Haufen Zeug in den Taschen. Drehen bei Wind und Wetter ist auch nicht sehr einfach. Aber bei vielen hat es ausgereicht und die Nachfrage zog enorm an.
Während einige Güter also gegenseitig austauschbar sind, gibt es andere Güter, die praktisch nicht zu ersetzen sind. Strom wäre so ein Beispiel. Hier kann man sich vielleicht einschränken, ersetzen wird man ihn nicht können. Zum Schluss gibt es noch 'komplementäre' Güter. Das sind Güter, die immer zum Konsum eines anderen Gutes notwendig sind. Das Feuer für die Zigaretten, Autoreifen für das Auto, Strom für den Computer.
Ob ein Gut komplementär oder substitutiv ist, lässt sich anhand der sogenannten Kreuzpreiselastizität ablesen. Wenn der Preis der Butter steigt, steigt auch die Nachfrage nach Magarine (und die Nachfrage nach Butter verringert sich). Wenn der Preis für Tabak sich erhöht, sinkt auch die Nachfrage nach Zigarettenpapier. Aber das führt eigentlich schon ein bisschen zu weit. Wichtig ist nur, eine Preiserhöhung muss nicht zwangsläufig zur Inflation führen.
Richtig speziell ist die Frage wie man das ganze nun messen soll. Will man das tun, müsste man also wissen, was der Konsument im jeden Jahr genau verkonsumiert hat.
Dann könnte ich sehen, was ich jetzt gekauft habe früher gekostet hätte. Denn das gleiche Güterbündel (Warenkorb) hab ich letztes Jahr nicht gekauft. Die Preise haben sich schließlich verändert, worauf ich reagiert habe, in dem ich mein Konsumverhalten verändert habe.
Wenn man also feststellt, dass das was ich jetzt gekauft hab insgesamt früher billiger war, dann muss sich das Preisniveau insgesamt erhöht haben. Tatsächlich habe ich ja sogar von teureren Sachen noch weniger gekauft (so weit das möglich war). Das heißt eigentlich ist mein Geld ja noch weniger wert. Der so genannte Paasche-Index untertreibt die Inflation sogar.
Eine andere Möglichkeit ist es sich einen beliebigen Warenkorb zu nehmen, diesen gedanklich festzuhalten und zu schauen, was er in den Folgeperioden kosten würde. Das Problem ist offensichtlich. Bei einer Explosion des Butterpreise, würde der Laspeyres-Index annehmen, ich würde noch genauso viel Butter verbauchen wie früher. In Wahrheit tue ich dies aber nicht, da ich auf Margarine umgestiegen bin. Er bildet also Konsumreaktion auf Preiserhöhungen garnicht ab. Er übertreibt also folglich.
Da er sich jedoch leichter messen lässt, (Schließlich ist einfacher sich ab und zu über die Preise zu informieren, als immer nachzuforschen, was eine Gruppe representativer Bürger nun jedes Jahr kauft) wird er trotzdem verwendet. Allerdings wird dabei regelmäßig die Zusammensetzung neu überprüft.

Warum gibt es Inflation? - Und ist die schlimm?

Zumindest ein Teil der Inflation ist völlig natürlich und lässt sich auch nicht verhindern. Zurecht wird sie als natürliche Inflation beschrieben. Wenn Anna & Arthur sich ein Auto kaufen wollen, um auch entlegende Orte zu erreichen, könnten sie beispielsweise die Wahl zwischen zwei Autos haben. Zum Beispiel der aktuelle VW Golf. Zufällig kommen sie just in jenem Moment im Autohaus an, als gerade der Modellwechsel vollzogen wird. Sie können also zwischen dem aktuellen und dem Vorgängermodell wählen. Das aktuelle ist natürlich besser ausgestattet. Der Hersteller hat einige Milliarden Euro an Forschung und Entwicklung investiert, und demzufolge ist die neue Variante auch um einiges teurer.
Eine Preiserhöhung aufgrund kontinuierlicher Produktverbesserung gehört also zum 'natürlichen' Teil der Inflation. Wie hoch die ist, ist durchaus umstritten und lässt sich alles andere als einfach messen. Als Faustregel kann aber eine Quote von etwa 1% gelten. Das bedeutet, sollte sich die Inflation unterhalb eines Prozentes bewegen, hat man bereits eine reale Deflation.
Eine Deflation ist für die Wirtschaft der SuperGau schlechthin. Sie bedeutet, dass wenn ich einfach nur warte, mein Geld mehr wert wird. Wozu sollte man denn dann heute den Golf kaufen, wenn er mich morgen 10% weniger kostet (In solch eine Preisabwärtsspirale befindet sich z.B. der US-Automobilmarkt seit einiger Zeit). Die Folge ist eine extreme Konsumzurückhaltung. Auf der Unternehmensseite sieht es ganz ähnlich aus. Warum sollte man das Risiko der Produktion eingehen, wenn man einfach abwarten könnte, um real reich zu werden? Fabrikschließungen wären die Folge.
Aber zurück zur Inflation. Es ist ganz offensichtlich, dass wenn ein Produkt teurer wird und wir keine Möglichkeit oder nicht den Willen haben (der alte ungeliebte Golf) dieses Gut auszutauschen, muss sich die Geldmenge erhöhen. Ansonsten wäre ja kein Geld da, um die höheren Preise zu bezahlen.
(Manchmal versuchen übrigens Regierungen Preise festzusetzen, um eine Inflation zu verhindern. Dies führt in der Regel jedoch nur zu Schattenwirtschaft und dem Ausweichen auf anderen 'geldähnliche Währungen' (=> häufig Gold, Vieh, aber auch Zigaretten u.ä.))
Neben der Inflation durch Innovation gibt es auch noch so genannte exogene Schocks. Damit meint man, dass das bestimmte Rohstoffe, wenn diese sich verteuern (Erdöl!), zu einer wahren Kettenreaktion an Preiserhöhung führen. Unter anderem aus diesem Grund wird versucht, so etwas aus der Inflation herauszurechnen, und man bemüht sich mit der sogenannten Kerninflation zu beschreiben, wie hoch die Inflation 'wirklich' ist. Dies wird teils heftig kritisiert, denn die Verbraucher - ob Unternehmen oder privater Haushalt - müssen dennoch für die höheren Preise aufkommen.
Bisher wurde nur davon gesprochen, dass sich aus verschiedenen Gründen die Preise erhöhen und zwar auf der so genannten Angebotsseite. Unternehmer machen ihre Produkte teuer, weil die Rohstoffe teurer wurden oder sie besser sind.
Aber auch durch die Konsumenten können Produkte teurer werden. Wenn beispielsweise aufgrund eines gestiegenen Umweltbewusstseins die Nachfrage nach Bioprodukten erhöht ist, aber die Erzeugung von Bioprodukten nicht ausreichend ausgeweitet werden kann, dann steigt auch der Preis. Wenn jetzt die Konsumenten bereit sind, einen höheren Preis zu bezahlen (sowohl für die teuere Produktion, als auch für aktuelle Knappheit am Markt), wird folglich das Preisniveau insgesamt steigen.
Eine andere Möglichkeit ist die Lohnpreisspirale. Sollte es den "Arbeitnehmern" (gesamtvolkswirtschafltich betrachtet) gelingen höhere Löhne durchzusetzen, werden diese erhöhten Kosten an den Kunden weitergegeben. Dieser kann sich diese höheren Preise schließlich auch leisten, da sich seine Budgetmenge (wieviel Kohle ist auf dem Konto) erhöht hat.
Allerdings nur weil im IT-Sektor Ende der 90er 'astronomische' Gehälter gezahlt worden sind, weil die Experten so rar waren, heißt das sicher nicht, dass beim 'Durchschnitts'angestellten mehr hängen blieb. Da die Angestellten in der IT-Branche nur ein kleiner Teil der "Arbeitnehmerschaft" in der Volkswirtschaft ausmachen. Und wenn die Produkte allesamt ins Ausland exportiert worden sind, muss sich dann in Deutschland noch lange nicht das Preisniveau anheben. Das tut es eher im Ausland, weil dort jetzt die Preise durchgesetzt werden müssen. Wenn dies nicht gelingt, wird man wohl in Billiglohnländer auswandern oder die Produktion ab einem gewissen Punkt einstellen. Nämlich genau ab dem Punkt, wenn die Rendite eines Unternehmens unter das Zinsniveau sinkt, welches man bei einer Anlage von der Bank kriegen würden. Das Zinsniveau und die Inflation stehen natürlich in einem engen Zusammenhang. Das zu vertiefen wäre aber Aufgabe eines anderen Artikels...

Abschließend lässt sich festellen, dass eine Inflation idealerweise halbwegs konstant verläuft und nach Möglichkeit um die 2% p.a. liegen sollte. Darunter droht die Gefahr einer realen Inflation. Darüber führt die massivere Geldentwertung zu Investitionshemnissen. Denn wenn die Ersparnisse für eine neue Maschine beständig weniger wert werden, gibt es eine Tendenz größere Investitionen zu vermeiden und lieber alles kurzfristig zu verkonsumieren.


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