Hannover: Diskussion Bundeswehr in der Kirche

Antimitarismus 06.03.2008 17:54 Themen: Militarismus Repression
Am 28.11. fand in der hannoverschen Marktkirche zum 7. mal ein Konzert der 1. Panzerdivison der Bundeswehr statt. Zum ersten Mal wurde dieser Schulterschluss von Kirche und Militär gestört. Schon vor der Marktkirche verteilten AntimilitaristInnen Flugblätter, kurz vor Beginn des Konzertes wurde vor dem Altar ein Transparent mit der Aufschrift „Aufrüstung mit Gottes Segen - Hand in Hand zum Kriegseinsatz“ entrollt.
Nach wenigen Minuten ließ Stadtsuperintendent Puschmann die Störenden durch einen massiven
Polizeieinsatz aus der Kirche drängen. Genauso erging es einer Gruppe, die zu Beginn des Konzertes unter Rufen von Parolen, kleine Flugzettel ins Publikum warf.
Die Polizei nahm vor der Kirche 16 Personen mit dem Vorwurf des Hausfriedens-bruchs, zum Teil brutal, fest.
Sowohl das Konzert der Bundeswehr als auch das Vorgehen von Kirchenvertretern und Polizei lösten bundesweiten Protest aus.
Die Pastorin der Marktkirche, Hanna Kreisel-Liebermann, bekundete anschließend Interesse an einem Gespräch mit den Protestierenden. Für uns ist die Zusammenarbeit der Kirche mit dem Militär jedoch nichts, das im Hinterzimmer abgehandelt werden könnte, sondern ein Thema, das nach einer öffentlichen Auseinandersetzung verlangt – gerade angesichts der aktuellen und angekündigten Kriegseinsätze der 1.Panzerdivison.
Deshalb war für uns ein öffentlicher Rahmen die Vorraussetzung für ein inhaltliches Gespräch. Dieses fand am 4. März 2008 unter dem Titel „Bundeswehr in der Kirche – Ein Konzert und seine Folgen“ im Pavillon statt.

Die Podiumsdiskussion an diesem Dienstag, im Pavillon war mit ca. 200 ZuschauerInnen sehr gut besucht. Die eher ungewöhnliche Zusammensetzung der auf dem Podium Diskutierenden versprach allerdings auch einen spannenden und kurzweiligen Abend.
Auf der einen Seite VertreterInnen der Marktkirche Stadtsuperintendent Puschmann, die Pastorin der Marktkirche Fr. Kreisel-Liebermann und das Mitglied des Kirchenvorstands Fr. Sjörstedt-Hellmut und auf der Seite der antimilitaristischen DemonstrantInnen, VertreterInnen der Roten Aktion Kornstr.(RAK), der Antimilitaristischen Initiative Hannover und des Friedensbüros.
Die Veranstaltung war inhaltlich in drei Blöcke unterteilt.
Im ersten Block ging es um die Transformation der Bundeswehr, die Rolle der 1. Panzerdivision dabei und die Bedeutung des "Schulterschlusses" (Zitat Generalmajor Langheld der 1. Panzerdivision) mit der Kirche.
Stadtsuperintendent Puschmann zog sich in seinem Beitrag auf die Position zurück die Bundeswehr sei Teil der Stadtgesellschaft und die Soldaten Staatsbürger in Uniform für die er die Pflicht habe von "Christ zu Christ" Seelsorge zu betreiben. Außerdem sei die Kirche der falsche Adressat für Kritik an der Bundeswehr, schließlich würde der Bundestag oder das Bundesverfassungsgericht über Auslandseinsätze entscheiden. Dafür handelte er sich aus dem Publikum den Vorwurf der Naivität und der Ermöglichung des Missbrauchs der Kirche für Propagandaveranstaltungen der Bundeswehr ein.
Der Vertreter der RAK erklärte in seinem Beitrag, dass die Bundeswehr sich seit Jahren auf dem Weg zu einer Armee im Einsatz befindet um an dem weltweiten Wettlauf um die Aufteilung von Rohstoffen und Märkten teilzuhaben. Dabei spielt die 1. Panzerdivion Hannover, die durch die Transformation von 10.000 auf 19.000 SoldatInnen aufgestockt und zur Division Eingreifkräfte wurde eine herausragende Rolle. Sie stellt die Kampfverbände (z.B. demnächst in Afghanistan) aber auch die Fenneck-Spührpanzer, die beim G8 die anreisenden DemonstrantInnen auf den Autobahnen überwachten.
Die Zusammenarbeit der Kirche mit dem Militär verschafft der kriegsführenden Bundeswehr vermeintlich Legitimität. So soll deren Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht werden – denn ohne diese ist kein Krieg führbar.
Im zweiten Diskussionsblock ging es um die Aktion an sich. Während die Pastorin der Marktkirche betonte sie könne das Anliegen der Demonstrierenden nachvollziehen lehne aber die gewählten Mittel ab und sie hätte sich ein Absprache mit dem Kirchenvorstand gewünscht, erklärte die Vertreterin des Friedensbüros, dass es um die Skandalisierung des Schulterschlusses zwischen der Bundeswehr und der Kirche gegangen sei. Ein Ziel, das mit vorherigen Absprachen oder einfach nur Flugblätter verteilen nicht erreicht worden wäre. Sie wertete die groß aufgemachte Presseberichterstattung aber auch die nun in ganggekommende Diskussion als Bestätigung, dass das Vorgehen der Demonstrierenden richtig war.
Im dritten Inhaltsblock ging es um die Folgen der Aktion und die Repression durch die Polizei. Der Vertreter der Antimilitaristischen Initiative Hannover fasste zunächst einmal die erfahrene Repression zusammen: gewaltsame Räumung der Kirche, Festnahmen, Erkennungsdienstliche Behandlungen, Misshandlungen und Drohungen durch die Polizei, 7-stündiges Gewahrsam...
Des Weiteren erklärte er Einschüchterung und Abschreckung vor Wiederholung sei der Zweck der polizeilichen Repression. Er forderte Stadtsuperintendent Puschmann, dessen Hausfriedensbruchsanzeigen die Repressionsmaschinerie erst in Gang gesetzt hat, auf sie endlich wieder zurückzuziehen und so weiteres Unrecht zu verhindern.
Im darauf folgenden Beitrag des Kirchenvorstandsmitglieds Fr. Sjörstedt-Hellmut wurde offensichtlich, dass der Kirchenvorstand mit dem Polizeieinsatz nicht einverstanden war und im Gegensatz zu Stadtsuperintendent Puschmann eine Rücknahme der Anzeigen befürwortet.

Schlussendlich bleibt zu sagen, dass wir unser Ziel, den Druck auf die Kirche zu erhöhen die Zusammenarbeit mit der kriegsführenden 1. Panzerdivision einzustellen und die Anzeigen zurückzuziehen erreicht haben. Somit sind wir auch unserem Ziel des Unterlaufens der Kriegsfähigkeit der Bundeswehr ein kleines Stückchen näher gekommen. Bleibt abzuwarten welche Entscheidungen der Marktkirchenvorstand bezüglich dieser beiden Fragen fällt. Falls die Anzeigen nicht zurückgezogen werden und die Zusammenarbeit mit der 1. Panzerdivision weiter läuft, wird es mit Sicherheit auch weiterhin Protestaktionen geben.
Auch sonst bleibt noch viel zu tun um die Bundeswehr kriegsunfähig zu machen. Deshalb werden wir z.B. am morgigen Freitag ab 13:30 Uhr gegen das 25 jährige Jubiläum der Patenschaft der 1. Panzerdivision mit der Stadt Hannover vor dem Rathaus demonstrieren und am 22. August ihr Sommerbiwak vermiesen.


Die Hannoversche Allgemeine Zeitung (HAZ) schreib zu der Podiumsdiskussion:

Protest in Kirche bleibt Streitthema
Demonstranten kündigen weitere Störaktionen an

Von Jan Sedelies
Auch drei Monate nach der Störung des Adventskonzerts des Musikkorps der 1. Panzerdivision in der Marktkirche durch Bundeswehrgegner sorgt der Vorfall für Zündstoff. Das zeigte sich am Dienstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung im Raschplatz-Pavillon mit rund 250 Teilnehmern, bei der Vertreter der Kirche und der Demonstranten über das Verhältnis von Bundeswehr und Kirche stritten. Eine Annäherung der gegensätzlichen Positionen gelang in den zweieinhalb Stunden Diskussion nicht: Während die Protestgruppen die Bundeswehr grundsätzlich aus Gotteshäusern verbannen wollen, plädierte die kirchliche Seite dafür, je nach dem Charakter möglicher Veranstaltungen der Bundeswehr abzuwägen.
Die Kirche sei der falsche Adressat für Kritik an der Bundeswehr, betonte Stadtsuperintendent Wolfgang Puschmann, der im November nach der Störung des Benefizkonzerts für Straßenkinder durch 15 Demonstranten aus dem autonomen Spektrum und dem Friedensbüro die Polizei gerufen und Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet hatte. „Ich verstehe ja Ihr Anliegen“, sagte Puschmann zu den Vertretern der Demonstranten. „Aber dann müssen Sie sich an die Politik wenden.“ Die Anzeigen gegen die Demonstranten will Puschmann aufrechterhalten: „Wenn ich zulasse, dass Störer straffrei Veranstaltungen abbrechen können, kann ich keine Veranstaltung mehr machen.“
Darüber, ob auch in Zukunft Konzerte der Bundeswehr in der Marktkirche stattfinden sollen, herrschte im Pavillon Uneinigkeit zwischen Puschmann und den Vertretern der Gemeinde. Der Stadtsuperintendent hielt daran fest, Benefizveranstaltungen im Namen der Seelsorge generell durchzuführen. Dagegen sprachen sich Marktkirchenpastorin Hanna Kreisel-Liebermann und Kerstin Sjöstedt-Hellmuth, Mitglied des Kirchenvorstandes, dafür aus, künftig bei jeder Veranstaltung genau abzuwägen. „Wir gehen davon aus, dass sich möglicherweise etwas ändern wird und werden intensiv darüber in der Gemeinde diskutieren“, sagte Sjöstedt-Hellmuth. „Die Aktion hat uns gezeigt, wie sehr wir uns wieder mit dem Thema Frieden beschäftigen müssen“, meinte Kreisel-Liebermann.
Die Vertreter der Demonstranten verteidigten am Dienstag die Mittel ihres Protestes. „Ziel war es, den Schulterschluss der Bundeswehr mit der Kirche zu skandalisieren“, sagte Lukas Ladewig von der Antimilitaristischen Initiative Hannover. Er forderte Puschmann auf, die Anzeigen als „Zeichen der Versöhnung“ zurückzunehmen. Auch Dirk Wittenberg von der Roten Aktion Kornstraße kritisierte vor allem das Verhalten Puschmanns: „Sie wollen doch nur Vergeltung, weil Sie sich als Person und Institution angegriffen gefühlt haben.“ Ladewig kündigte im Pavillon weitere Aktionen gegen die Bundeswehr an. Schon morgen soll es eine Kundgebung gegen die Feierlichkeiten im Rathaus aus Anlass der 25-jährigen Patenschaft der Stadt Hannover für die 1. Panzerdivision geben.
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Ergänzungen

Indy-Artikel zur Aktion am 28.11.07

Rogue 06.03.2008 - 20:18
Link zum Indymedia-Artikel über die Aktion vom 28.11.2007:  http://de.indymedia.org/2007/11/200854.shtml

Heute 13:30 Uhr vor dem neuen Rathaus

Kundgebung 07.03.2008 - 12:04
bis gleich

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 5 Kommentare

Spührpanzer Fennek???

besserwisser 06.03.2008 - 19:33
Wieso bezeichnen die Linken den Fennek immer als Spürpanzer??? Es ist ein Spähpanzer.
Oder kann es sein das ihr euch selbst als eine atomare, biologische oder chemische Bedrohung empfindet gegen die man mit Spürpanzern ankämpfen muss?
Es gibt eine Ausführung des Fuchs als Spürpanzer aber ihr Tiefflieger werdet den Unterschied wohl nicht begreifen.

Denkanregung

_rotfront_ 07.03.2008 - 00:57
Keine schlechte Aktion, aber ein kleiner fader Beigeschmack bleibt.

Es klingt ein bißchen so, als würdet ihr dagegen protestieren dass die eigentlich »gute« Kirche sich »mißbrauchen« lässt von der Bundeswehr. Eine deutlichere Kritik an Militär UND Religion als solches wäre imho angebracht.

@rotfront

is wurst 07.03.2008 - 03:43
seh ich anders... zum einen gibt es viele religionen die friedfertigkeit predigen, weiter auch untern den christen viele die gewalt und krieg ablehnen und das auch biblisch begründen können... auch leute aus organisierten kirchen waren schon häufig in der friedensbewegung usw. aktiv oder z.b. bei den g8 protesten am start...
obwohl natürlich klar ist, dass im namen von religion auch oft genug scheisse angerichtet wurde. ..... aber das wurde im namen von z.b. kommunismus genauso getan und der wird ja auch nicht grundsätzlich für schlecht befunden
wie man zu glauben oder religion steht muss jeder selber für sich entscheiden... das aber mit militär und der kritik daran gleichzusetzen halte ich für nicht gerechtfertigt, denn es gibt genug leute die aus ihrem glauben heraus gute sachen starten und für eine friedliche welt einstehen...

wann und wo, heute?

deinemudder 07.03.2008 - 11:44
Kundgebung gegen die Feierlichkeiten im Rathaus aus Anlass der 25-jährigen Patenschaft der Stadt Hannover für die 1. Panzerdivision

Wäre ganz geil, wenn ihr mal dazu schreiben könntet, wann und wo das heute ist! Dann kommen wir auch mit ein paar leuten!

@ is wurst

opium des volkes 07.03.2008 - 19:36
es is wurst ob leute *gutes* tun aus religiösen antrieb. die religion ist ihrem wesen nach eine der revolution feindlich gegenüber stehende ideologische fratze des vielgesichtigen kapitalistischen systems. sie ist der überbleibsel eines vakuums des wissens der nichts weiter als ein anachronismus ist wenn man sich anschaut wie weit die natur/geisteswischenschaften sind.viele junge linke tendieren dazu auf buddhistische mönche zu zeigen und zu sagen sehet die inkarnation der unschuld! vergessen dabei immer das diese klerikale priesterklasse in z.b tibet jahrhundertelang den *religiösen* führer eben dieses landes hervorbrachte und einen großen anteil der produktion fraß. diese geistlichen lebten auf kosten der arbeitenden feudalen bevölkerung und sie werden noch heute in ihren purpurfarben mantel in dem sie ständig von den medien als märtyrer der chinesischen invasion gezeigt werden dargestellt. sie sind aber ihrem wesen nach regressiv was die welthistorische entwicklung des menschens und der gesellschaft angeht. kirchliche institutionen profitieren nur davon wenn wir uns weigern eine grundlegende religionskritik abzuliefern nur weil einiges spinner propagieren das die bibel und das kommuhnistische manifest kulminieren in der revolution der moral!das ist einfach lächerlich und schon der pazifistische touch die jedweder religion innewohnt steht einem konsequenten klassenkämpferischen denken feindlich gegenüber. das die kirche hier in deutschland das macht was führende klerikale intellektuelle in den usa schon lange tun nämlcih die militärischen operatoinen in der muslimischen welt rechtfertigen zeigt wieder auf wie gefährlich die religion udn all ihre buntscheckigen ausformungen ist.d.h wer an gott glaub darf es aber er möge bitte die verteidigung der religion nicht in linken foren vornehmen das passt einfach nicht möge diese projektion des weltlichen jammertals endlich seine agonie beenden und auf den kehrrichthaufen der geschichte landen!