Der Terrorist will nicht resozialisiert werden

Thomas Meyer - Falk 05.03.2008 13:09 Themen: Repression
Mit dieser Überschrift überschreibt Professor Michael Pawlik ( http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/Jura/pawlik/) einen Aufsatz in der F.A.Z. vom 25 Februar 2008
(a.a.O. Seite 40). Dort plädiert Pawlik für ein neuartiges Präventionsrecht, das Elemente des Kriegsrechts aufnehmen müsse.
Der Terrorist will nicht resozialisiert werden




Mit dieser Überschrift überschreibt Professor Michael Pawlik ( http://www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/Jura/pawlik/) einen Aufsatz in der F.A.Z. vom 25 Februar 2008
(a.a.O. Seite 40). Dort plädiert Pawlik für ein neuartiges Präventionsrecht, das Elemente des Kriegsrechts aufnehmen müsse.

Worum geht es? Nach Ansicht des Professors mache es der Kampf gegen den (internationalen) Terrorismus unabdingbar die Trennung zwischen Kriegsrecht, Polizeirecht und Strafrecht zumindest stellenweise aufzuheben. „Hart, aber treffend“ formuliert, so Pawlik, gehe es doch um „Schädlingsbekämpfung“ und hierbei sei der Rechtsstaat alter Prägung überfordert, lege sich selbst Fesseln an, wo er eigentlich die Bürger zu schützen die Pflicht habe.
Zwei wesentliche Maßnahmen der – Zitat- „Unschädlichmachung“ präferiert der Staatsrechtsprofessor. Nämlich „die Inhaftierung bis zum Ende der Feindseligkeiten und die Tötung, und zwar grundsätzlich auch außerhalb konkreter Kampfhandlungen“. Letzteren Punkt führt Pawlik in seinem Beitrag nicht weiter aus, sonder begründet ausführlich nur die Notwendigkeit einer Art „Sicherungshaft“ für Gefährder.

Dabei wendet er sich auch der Frage zu, „inwieweit die Inhaftierten zum Zwecke der Informationserlangung herangezogen werden dürfen.“
Direkte Foltermaßnahmen befürwortet er zwar nicht, aber zumindest vorsätzliche Täuschung, das Versprechen von Zusagen die später nicht eingehalten werden, hält er für zulässig.

Professor Pawlik geißelt die „verbissenen Verteidiger eines wirklichkeitsenthobenen Rechtsstaatsideals“ und fordert „extensive, weit ins Gefahrenvorfeld ausgreifende Ermittlungsmaßnahmen.“ Dass dabei zwangsläufig Unbeteiligte vermehrt ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten, bezeichnet er als unvermeidlichen Kolalateralschaden.

Mit seinem Aufsatz reiht sich Pawlik ein in die Schar derer, die nicht die Ursachen für sogenannten „Terrorismus“ wahrnehmen wollen, sondern nur darauf aus sind, unter Ausnützen einer aufgeheizten Stimmung bestehende gesetzliche Bestimmungen immer weiter aufweichen oder zu beseitigen.

Was die erwähnte „Sicherungshaft“ betrifft haben wir heute schon deren Pedant, die Sicherungsverwahrung. In dieser sitzen – selbst nach konservativen Schätzungen – mindestens 40 % völlig zu Unrecht, weil sie keinerlei Gefahr für die Allgemeinheit darstellen
(Professor Wittchen in der Süddeutschen Zeitung vom 16.08.2005); die allgemeine Kritik an der SV einmal ganz beiseite gelassen.

Und auch im Polizeialltag kommt es immer wieder zu (zumindest) folterähnlichen Übergriffen auf Verdächtige, auch wenn diese selten so offen praktiziert wurden, wie vor wenigen Jahren im Fall des Frankfurter Polizeipräsidenten Daschner ( http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/317/27290/).

Das heißt, Juristen vom Schlage Pawlak wollen letztendlich das legalisieren was in Praxis schon verbreitet ist, sie liefern als willige Juristen der wirtschaftlichen und politischen Elite die Argumentationshilfen um die Bevölkerung immer weiter und besser unter Kontrolle halten zu können. Die angeblichen „Terroristen“ sind nur das Vehikel für die Totalitarismuswünsche der Elite.
Morgen sollen angebliche terroristische islamistische Gefährder in Sicherungshaft. Aber was ist übermorgen? Trifft es dann aktive Gewerkschafter, die mit ihren Forderungen angeblich den Fortbestand der Wirtschaft gefährden ? Oder triff es jene die Demonstrationen gegen stattliche Repression anmelden, weil sie durch ihr Tun die Bevölkerung verunsichern?

Sicher ist das weit voraus gedacht, aber all das wird dann durch Gesetze die heute gemacht werden juristisch möglich.

Es gilt unverändert den Anfängen zu wehren und nicht desinteressiert mit den Schultern zu zucken.

Thomas Meyer – Falk,
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Ergänzungen

"Strafrecht" und Outsourcing zusammen sehen

Mumia-Hörbuchgruppe 05.03.2008 - 18:54
Die Einschätzung von Thomas Meyer–Falk, besagter Professor Michael Pawlik und andere wollen "...das legalisieren was in Praxis schon verbreitet ist, sie liefern als willige Juristen der wirtschaftlichen und politischen Elite die Argumentationshilfen um die Bevölkerung immer weiter und besser unter Kontrolle halten zu können" möchten wir gerne noch um ein paar Gedanken erweitern, wobei wir die im Zitat gemachte Festsstellung völlig richtig finden.

Anfang der 80er mit Einsetzen des sog "Neo-Liberalismus" kam die Tendenz zum "Outsourcing" (Privatisieren) öffentlicher Bereiche an die Privatwirtschaft zeitgleich zu einer in den USA ähnlich geführten Strafrechtsdebatte, wie wir sie hier im Artikel vorfinden.

Als in den USA Anfang der 80er Jahre die Knäste privarisiert wurden, ging es in der öffentlichen Debatte vorwiegend noch um den sog. Sinn und Zweck von Strafvollzug. Die Resozialisierungsziele solltem dem abschreckenden Bestrafen weichen. Völlig losgelöst von den sozialen Hintergründen wurde angenommen, sog. Kriminalität werde durch einen "weichen" Strafvollzug begünstigt.
Was mit dem Beginnn des Neo-Liberalismus unter der Präsidentschaft von Ronald Reagan aber schnell deutlich wurde, war der wirtschaftliche Anreiz zum Ausbau des indutriellen Gefängniskomplexes.
Private Investoren bauten und bauen Gefängnisse, in denen nicht nur private Dienstleister die Bewachung, das Catering, Wartung etc. übernehmen, sondern auch die Gefangenen als Arbeitskräfte der Industrie zur Verfügung gestellt werden. Der erzielte Mehrwert bei Pfenniglöhnen ist natürlich ein ungeheuerer Anreiz, dieses Modell auszubauen. Bei überbelegten Gefängnissen finden sich so schnell private Investoren, die Neubauten anbieten.
Da die neo-liberale Entwicklung in den Folgejahren immer größere Probleme im ärmeren Drittel der Bevölkerung hinterließ, entfachte sich der Strafdiskurs immer wieder. Einzelne Bundesstaaten begannen mit der "Three strikes - you are out" policy, übersetzt "3x und du bist raus". Wurde jemand also wegen irgendwelcher Vergehen 3x rechtskräftig verurteilt, bekommt er 15 Jahre. Das gilt inzwischen für die meisten US-Bundesstaaten. Die Folge war ein Explodieren der Gefangenenzahlen in den USA.
Gab es 1976 noch rund 380.000 Gefangene US-weit, stieg die Zahl über die 80er bis heute auf knapp 2,2 Millionen, obwohl die Kriminalitätsraten sich in der Zeit nicht verändert haben. Beobachter wie z.B. Christian Parenti (  http://www.christianparenti.com/index.html ) nennen dies eine "fieberhafte Orgie der Masseninhaftierung". "Eine ähnliche rasante Entwicklung läßt sich ausser in der Stalinzeit in der Sowjetunion nur selten in der Geschichte finden". (Zitat aus "Free Mumia - Wettlauf gegen den Tod", Hörbuch-CD 2007 )
Es lohnt sich auch, mal einen Blick auf die soziale und ethnische Zusammensetzung der Gefängnisinsass_innen zu werfen, um die gesamtgesselschaftliche Bedeutung der privatisierten Gefängnisse zu erfassen: Obwohl die überwiegende Mehrheit der US-Bevöljerunmg weiss ist, spiegelt sich das nicht in den Gefangenenzahlen wieder. Zum überwiegenden Teil sind es schwarze Männer im Alter von 18 - 45 Jahren, die die Gefängnisse bevölkern und in der Industrie zu Hungerlöhnen arbeiten. Prozentual dicht gefolgt von Gefangenen puertiricanischer Herkunft sowie sonstiger ethnischer Minderheiten in den USA.
Es wäre aber völlig absurd, anzunehmen, Angehörige dieser Bevölkerungsgruppen begingen im Durchschnitt mehr Straftaten. Hier geht der Blick auf die US-Justiz. Mittellose oder Ärmere Angeklagte erhalten oft nur unqualifizierte Pflichtverteidiger_innen, deren Interesse und Kompetenz in der Regel nicht ausreichen, Mandanten bei schweren Anschuldigungen adequat zu vertreten. Besonders bei der Todesstrafe zeigt sich dies: Die ethnische Gefangenenstatistik in den Todeszellen der USA hat sich wohl seit der offiziellen Abschaffung der Sklaverei nicht geändert. Sowohl die Todesstrafe als auch die Langzeitverurteilungen ("3 strikes...") dienen als soziales Kontrollinstrument gegen den ausgeschlossenen Teil der Bevölkerung. Gleichzeitig dient es dem Staat als kostenloses "Sozialmodell", sich siener Verantwortung für einen Großteil seiner Bevölkerung zu entledigen.

Die Bestrebungen zur Knastprivatisierung sind in Europa gerade erst am Anfang. Das sog. "Outsourcing" ehemals öffentlicher Bereiche ist in vielen euröpäischen Ländern der Bevölkerung noch nicht ganz so gut beigebogen worden. Zwar sind in England z.B. bereits 40% der Knäste privatisiert, verlässliche Studien über die daraus resultierende Zahl von Langzeitverurteilungen liegen jedoch noch nicht vor. In Deutschland gibt es erste kleine Versuche, in diese Richtung zu gehen. So begann imMärz 2007 nahe Magdeburg der vom Bund mit 500 Millionen Euro bezuschußte Neubau eines Privatgefängnisses für 650 Gefangene, welches 2009 in Betrieb genommen werden soll. Den Betreiber_innen ist ein Nutzungsrecht an den Gefang_innen für 20 Jahre garantiert.Laut dpa handelt es sich um ein privates Konsortium, welches das Privatgefängnis plant und errichtet. Es wird in Burg bei Magdeburg gebaut und anschließend teilweise in Eigenregie geführt. Einen entsprechenden Vertrag unterzeichneten Vertreter der Landesregierung und der beteiligten Unternehmen bereits 2006. Nach ihren Angaben ist das Projekt bundesweit einmalig: Zum ersten Mal würden die nicht hoheitlichen Aufgaben einer Haftanstalt vollständig privatisiert. (  http://www.haller-kreisblatt.de/index.php?u=0&file=swish/archiv/2006/Allgemein/2006-12-20-MEIN-000.pdf.html&id=867 )

Es ist zu befürchten, dass sich sowohl der Wandel vom "Resozialisieren" zum "Strafen und Staatsterror", als auch das gleichzeitige Privatisieren von Gefängnissen in den nächsten Jahren auch in diesem Lamnd vollziehen wird, sollte nicht frühzeitig dagegen Widerstand entstehen.


Feindstrafrecht

(muss ausgefüllt werden) 05.03.2008 - 20:02
Leider kann ich den Beitrag im FAZ.net nicht finden. Wenn man Pawlik in die FAZ-Suchmaschine wirft, kommt leider nur folgendes dabei raus:
 http://www.faz.net/f30/common/Suchergebnis.aspx?term=Pawlik&x=0&y=0&allchk=1

Wenn jemand nen Link findet, der den Artikel möglichst umfangreich zitiert, wäre ich sehr dann dankbar.

Der Artikel wird in dem Blog von incorampublico ebenfalls aufgegriffen:
 http://incorampublico.wordpress.com/2008/02/25/%E2%80%9Eder-terrorist-will-nicht-resozialisiert-werden%E2%80%9C/

Unangenehmerweise tauchen seit einiger Zeit Stimmen in der Rechtswissenschaft auf, die sich bspw. für eine ausnahmsweise Rettungsfolter aussprechen, oder gar gleich ein Feindstrafrecht etablieren wollen. Interessanterweise schütteln hierzulande immer alle den Kopf über "die" (US-)Amerikaner und nehmen die Veränderung im Bewusstsein vieler hier nicht wahr.

Zum sog. Feindstrafrecht:
 http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/04-03/index.php3?seite=6
 http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/06-08/hrrs-8-06.pdf
 http://www.heise.de/tp/r4/artikel/26/26131/1.html
 http://www.zis-online.com/dat/2006_3_18.pdf
 http://www.cilip.de/presse/2005/sack.htm
 http://www.zeit.de/online/2007/37/lehren-fahndungserfolg

Es ist ein Elend!

@ Feindstrafrecht

oigjaü 07.03.2008 - 22:18
In der Zeitschrift konkret gab es vor einigen Monaten einen Artikel zum selben Thema, der sich aber auf die Rechtswissenschaften an der Uni Bonn bezog. Leider habe ich keine genauere Quellenangabe.
Zur Sache: Was hier "gefordert" wird, entspricht ja, nicht nur in Teilen, einer schon längst gängigen Praxis gegen die militante Linke. Es handelt sich also um den Versuch, diesem Vorgehen eine legale Basis zu verschaffen und es damit auch rechtlich unanfechtbar zu machen.

Im Übrigen ist das ganze einfach völlig Nazi und mit dem Grundgesetz, wenn es denn als eine materielle Sache betrachtet würde, einfach unvereinbar.

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leviathan — tut nicht zur sache