Spanien:Repression gegen streikende Immigranten

SOI 29.02.2008 14:55 Themen: Antirassismus Repression Soziale Kämpfe
Seit dem 14. Januar befinden sich die in der ImmigrantInnengewerkschaft SOI organisierten ErntehelferInnen der Provinz Jaén in einem breit koordinierten Streik. Das Ziel ist die Anerkennung der papierlosen Saisonkräfte, sowie bessere Arbeits,-und Lebensbedingungen oder kurz gesagt Menschenwürde...
Die repressive Antwort auf die Initiative der ImmigrantInnen, die überdies ein autonomes Existenzmodell über Secondhandwaren aufgebaut haben, um den Streik überhaupt abhalten zu können, liess nicht lange auf sich warten:

Am verregneten 23. Februar hielten mehrere Polizeifahrzeuge vor der Unterkunftsherberge der Stadt Jaén, wo derzeit die jährliche Olivenernte stattfindet. Viele der immigrierten Saisonkräfte, die z.T. von einem spanischen Erntegebiet zum nächsten ziehen, um durch die schlechtbezahlte Arbeit ihr Überleben und das ihrer Angehörigen in den Herkunftsländern zu sichern, haben in dieser Herberge wenigstens einen Schlafplatz, fliessendes Wasser und eine Kochgelegenheit zur Verfügung. Ein Grossteil von ihnen nämlich ist aufgrund rassistischen Ausschlusses gezwungen, auf der Strasse zu schlafen.

Die Herberge in der Stadt Jaén ist ein sozialer Dienst, der seit Jahren Allen zur Verfügung steht und deshalb auch für die "sin papeles", diejenigen unter den EinwandererInnen, die über keine Papiere verfügen, ein relativ sicherer Ort gewesen war. Das hat sich mit dem Eindringen der Polizei um die Mittagszeit des 23.02 nun offensichtlich geändert. Den Papierlosen wurde gesagt, sie sollten gehen oder sie würden verhaftet. Manchen wurde noch nicht einmal erlaubt, ihr Gepäck mitzunehmen. Sie mussten es draussen stehen lassen, ohne Rücksicht darauf, dass es gestohlen werden könnte. Überdies wurden auch Personen belangt, die in gar keinem Bezug zu den Immigranten standen.

"Was die Stadverwaltung getan hat", so die so die Betroffenen von der SOI,"ist schwerwiegend. Die Bürgermeisterin Carmen Peñalver sowie auch die Stadträtin Carmen Guerrero sind nun wegen Bedrohung und Nötigung einer Bevölkerungsgruppe, wegen der Verbreitung von Angst und der Zuwiderhandlung gegen die physische und psychische Intergrität ohne Hilfeleistung für die Betroffenen mit einer gerichtlichen Anklage konfrontiert. Konkret wird der Vorwurf gegen sie erhoben, zu verantworten zu haben, dass Personen schutzlos im Freien schlafen müssen und dass sie die Regeln eines Sozialdienstzentrums für die unabdingbaren Grundbedürfnisse verletzten. Weiter wird ihnen die Verantwortung für die Nichteinhaltung der Regeln angelastet, als Betrunkene innerhalb der Herberge Streitigkeiten provozierten".

"Wenn sie die Unterkunft schliessen wollen", so die Anklage der Immigranten, "können sie dies mittels einer einige Tage zuvor erfolgenden per Ankündigung tun. Aber es gibt keine Rechtfertigung dafür, uns auf diese Art und Weise, in der sie verfahren sind, hinauszuwerfen, ohne zu wissen um wen es sich überhaupt handelt; wieviele Kinder und welche Bildung wir haben; ob wir Personen mit Berufen oder Künstler sind; Flüchtlinge auf der Suche nach politischem Asyl oder auf der Flucht vor Krieg. Oder ob wir, wie unser 20 jähriger Compañero Jose, Sahauris sind und ohne Rücksicht darauf, dass eine Deportation nach Marokko für uns gleichbedeutend ist mit Misshandlungen, Folter, Gefängnis sogar bis zu 10 Jahren oder der Gefahr zu verschwinden... Aber es nicht nur das: Sie haben uns hinausgeworfen, als diejenigen, die "eine Last bedeuten", denen sie keine Papiere geben und das ist noch viel schlimmer. Es bedeutet die Selektion seitens einer Gruppe der Gesellschaft, die von oben her bestimmt, dass wir die am meisten Prekarisierten sind und die uns die grössten Schwierigkeiten bereitet, uns zu integrieren, indem sie ihre repressiven Kräfte, die Polizei, gegen uns einsetzt".


"Wir wissen, dass dies geschieht, weil wir unser legitimes Recht zu streiken, das uns vom Verfassungsgericht anerkannt wurde, ausüben wollen und letztendlich weil wir den Kopf heben und der sozialistischen ArbeiterInnenpartei (?) PSOE entgegen dem Wahltenor sagen, dass wir nicht einverstanden sind. Weil wir zum Ausdruck bringen, dass wir eine Stimme und etwas zu sagen haben und weil wir nicht die Wahrheit, über das, was sich während der Olivenernte abspielt, verschweigen oder beschönigen werden. Weil wir vernehmlich machen, dass wir Personen mit menschlicher Würde sind.


Durch die repressive Vorgehensweise des Rathauses von Jaén, das auch von der spanischen sozialistischen ArbeiterInnenpartei (?) regiert wird und durch die seit mehr als 10 Tagen von dem Regierungssubdelegierten Fernando Calahorro betriebene Verfolgungspolitik wird klar offensichtlich, wer die Gesetzesbrecher und dass nicht wir diese sind. Die DelinquentInnen sind die PolitikerInnen und ihre Komplizinnen, welche Menschenrechtsverletzungen betreiben und da niemand über ihnen steht, und sie aufhält, agieren sie in ihrer gesamten Bandbreite. Diese Vorgehenseise richtet sich insbesondere gegen die Schutzlosesten und das sind für gewöhnlich diejenigen, die "da sie nichts mehr zu verlieren haben", wir, die wir uns nicht für Geld oder Macht verkaufen und die immer die Wahrheit aussprechen. Diese Wahrheit ist sehr unbequem; man will nicht, dass sie bekannt wird und deshalb versucht man, uns zum Schweigen zu bringen. Hierbei spielen vielfältige Interessen eine Rolle...; bei den Vorfällen in der Herberge besteht das Interesse darin, sie nicht bekannt werden zu lassen. Deshalb wurden die im Streik Engagierten Ende der vergangenen Woche verraten indem keine Medien anwesend waren, durch Drohungen und das Verbreiten von Angst".


KOMMUNIQUE DER STREIKENDEN ARBEITSMIGRANTEN VOM 23.02.2008
DIE HEFTIGE REPRESSION DER REGIERUNG WIRD FORTGESETZT
Gewerkschaft der ArbeitsmigrantInnen (Sindicato Obrero Inmigrante) SOI

Wir geben öffentlich bekannt, dass die Gruppe immigrierter ArbeiterInnen ohne Papiere ("sin papeles") im unbefristeten Streik, diesen nicht angesichts der schweren Repression, die wir erlitten haben, aufgeben wird. Was sie erreicht haben ist, dass wir unseren Protest gegenüber der Regierungsubdelegation in Jaén vorübergehend einstellen mussten. Es hat dort jedoch eine grosse Unterstützung und Zustimmung seitens der Ansässigen an unserem Informationstisch gegeben und wir haben mehr als 2000 Unterschriften erhalten.


Zehn unserer Genossen sind verhaftet worden, gegen die nun ohne jede Beurteilung, das Ley de Extranjeria (AusländerInnengesetz) angewandt wird, das in der härtesten und selektivsten aller möglichen Weisen gegen das ArbeiterInnenkollektiv der "sin papeles" in der Provinzhauptstadt Jaén zum Einsatz gebracht wird, obwohl dadurch eindeutig ein grundlegendstes und fundamentalstes Recht verletzt wird. An diesem Delikt der Rechtsbeugung partizipieren sowohl die Regierungssubdelegation, als Hauptverantwortlicher, als auch die Polizei und ein Richter, dem alle diese und alle Einzelheiten bekannt sind und obgleich unsere rechtmässigen Anklagen auf seinem Tisch liegen.


Wir haben alles was vorgefallen ist dem Verfassungsgericht mitgeteilt, von dem die Empfehlung an uns erging, diejenigen, die Unterlassungen begehen anzuklagen, wenn unsere grundlegenden Rechte, wie jenes darauf zu streiken, dadurch verletzt werden.

Wir sind von der Notwendigkeit dieser pazifistischen Aktion überzeugt und diese Überzeugung wächst, wenn wir mit eigenen Augen sehen wie die PSOE-Regierung sich bemüht, uns in den Strassen zu stoppen wenn wir versuchen, den Kopf zu erheben und ihnen Auge in Auge zu sagen, dass wir der übrigen Bevölkerung gleichgestellt sind und das wir das Recht besitzen, diese Gleichheit zu verlangen.

Obwohl Wahlen sind und man versucht, uns zu vertuschen werden wir den Streik in anderen kreativen Formen fortsetzen. Wer uns unterstützen will, findet offene Türen. Tatsächlich benötigen wir viel ökonomische und moralische Unterstützung und ganz sicher, dass man sich für unsere Präsenz in Jaén einsetzt.

Einer/ne für Alle, Alle für Einen/Eine

Sindicato Obrero Inmigrante (SOI)
E-Mail:  sindicato.soi@gmail.com
Telfon: (0039) 625 918 052
(0039) 695 959 121

Übersetzung: tierr@
 tierra@gmx.net
www.tierra.bloggospace.de
(work in progress)


Vorherige Berichte zum Streik und den Zuständen bei der Olivenernte in Jaén:
Spanien: Hungerstreik gegen Rassismus
 http://de.indymedia.org/2008/01/205622.shtml
Spanische Oliven und Faschismus
 http://de.indymedia.org/2008/01/204739.shtml
Rassismus und menschenunwürdige Bedingungen für migrantische ErntehelferInnen auch in anderen Teilen Spaniens:
Andalusien: Gemüsesklaven mit Zeitverträgen
www.de.indymedia.org/2008/02/20881.html
Apartheid ist "ein warmes Bett"/@
 http://de.indymedia.org/2007/01/167253.shtml
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Ergänzungen