Vier Arnstädter Nazi-Schläger verurteilt

Antifaschistische Prozessbeobachtung 24.02.2008 19:24 Themen: Antifa
Am Freitag, den 22. Februar wurden am Amtsgericht in Gotha vier Arnstädter Neonazis zu Bewährungsstrafen verurteilt, weil sie im November 2005 ein 16-jähriges Mädchen am Rande einer Neonazidemo zusammenschlugen.
Bericht vom ersten Prozesstag am 30. Januar 2008: http://de.indymedia.org/2008/02/206902.shtml

Zweiter Prozesstag am 15. Februar

Die erste Zeugin war eine Frau vom Ordnungsamt, die zwar in unmittelbarer Nähe des Geschehens war und auch mitbekommen haben soll, dass sich die Täter aus der Demonstration entfernten. Jedoch von dem was die Täter, die aus der Nazidemo herausstürmten, machten, konnte sie keine Angaben machen.

Die zweite Zeugin des Tages, eine Polizistin aus dem gehobenen Dienst, die vor Ort war, hatte ebenfalls beobachtet, wie die Täter die Demo rennend verließen und konnte zum Angriff der Nazis jedoch keine weiteren Angaben machen.
Jedoch lieferte sie einen entscheidenden Hinweis, der für den weiteren Ablauf möglicherweise entscheidend war und offenbarte eine weitere unglaubliche Ermittlungspanne der Thüringer Polizei. Sie berichtete von einem Augenzeugen, der sich noch während des Tatgeschehens telefonisch über den Polizeinotruf gemeldet hat und berichtete, dass eine Person von vier Männern zusammengeschlagen wurde. Die Person wurde während der polizeilichen Ermittlungen nie verhört und so landete auch kein Vermerk über den protokollierten Anruf in der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft und hätte die Polizistin nicht darüber zu berichten gewusst, wäre dieser Augenzeuge niemals vernommen worden.

Als dritter und letzter Zeuge des zweiten Prozesstages wurde der Begleiter des Opfers vernommen. Er berichtete, wie die vier Täter die Nazidemo verließen, auf ihn und die Betroffene los rannten und „Rotfront verrecke“ brüllten. Beide ergriffen die Flucht. Er konnte den Nazis entkommen. Er berichtete, wie es hinter ihm rumpelte und die Betroffene vor Schmerz um Hilfe rief. Als er sich umdrehte, sah er das Opfer am Boden liegen und um sie herum die vier Täter, die sie mit Schlägen und Tritten traktierten.

Die Verhandlung wurde nach der Zeugenaussage nochmals vertragt, da er oben genannte Augenzeuge noch vernommen werden sollte.

Dritter Prozesstag am 22. Februar

Als erster Zeuge wurde ein Polizeihauptkommissar vernommen, der zum zweiten Prozesstag nicht erscheinen konnte und zum Tattag ebenfalls vor Ort war. Auch er berichtete von den vier die Demonstration rennend verlassenden Neonazis. Vom weiteren Verlauf des Angriffes möchte er allerdings nichts mehr wissen. Er wurde noch vor Ort informiert, dass es diesen Angriff gab und sich ein Augenzeuge dazu meldete. Nach wiederholtem Nachfragen der Nebenklage, warum keine Einsatzkräfte hinter den Tätern hinterhergeschickt wurden bzw. warum keine Hilfe durch die Polizei geleistet wurde, artikulierte sich der Polizeihauptkommissar immer leiser und zog es vor, sich nach der langen Zeit an nichts mehr erinnern zu können. Auch sprach er von „erheblich aufgebrachten Teilnehmern“ der Nazidemo, die man wohl mit den 19 Einsatzkräften vor Ort nicht unter Kontrolle hatte. Auch für den Vertuschungsversuch bzw. die Ermittlungspanne mit dem in den Polizeiakten nicht auftauchenden Augenzeugen, wusste er keinerlei Erklärung.

Als letzter Zeuge wurde nun der Autofahrer vernommen, der den Vorfall beobachtet hatte und die Polizei umgehend informierte. Auch er bestätigte die Version der Betroffenen und schilderte, wie zwei der Täter ihr Opfer traktierten und zwei weitere schon auf dem Rückweg zur Demo waren.

Das Urteil

Die Staatsanwaltschaft forderte mehrmonatige Freiheitsstrafen auf Bewährung, sowie Geldstrafen. Die Verteidigung wollte Freispruch für die Faschist_innen. Besonders perfide war eine Äußerung aus dem Plädoyer der Anwältin von Sven Geyer. Sie monierte, dass eine Antifaschistin, die es sich erdreistet gegen einen faschistischen Aufmarsch zu protestieren, damit rechnen muss verprügelt zu werden.
Das Urteil des Richters blieb unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage. Die Täter werden der gemeinschaftlich begangenen schweren Körperverletzung für schuldig befunden. Steffen Hennrich, Enrico Hartung und Sven Geyer wurden zu je sieben Monate Freiheitsstrafe auf zwei Jahre Bewährung verurteilt, Nico Geyer aufgrund zahlreicher Vorstrafen zu acht Monaten auf ebenfalls zwei Jahre Bewährung. Außerdem muss Enrico Hartung aufgrund mangelndem Einkommens 200 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten. Die übrigen drei Täter müssen je 800€ an das Frauenhaus Gotha zahlen. Über etwaige Revisionsanträge ist nichts bekannt.

Fazit

Trotz des Versuchs der Neonazis und ihrer Verteidiger, die Täter zu Opfern einer Verschwörung zu machen und der Bedrohung des Opfers und der Augenzeugen mit Anzeigen wegen Meineids, ging das Kalkül diesmal nicht auf. Die Schützenhilfe der schlecht ermittelnden Thüringer Polizei, der man schon Absicht unterstellen muss, half auch nicht. Der Tathergang war eindeutig rekonstruierbar und das Opfer sowie die Augenzeugen glaubwürdig. Über die Härte der Strafe möchte sich die Antifaschistische Prozessbeobachtung hier nicht äußern. Es ist in diesem Rechtsstaat nur insofern relevant, dass ein Faschist, der im Knast sitzt, erstmal „außer Gefecht“ ist und draußen keine Menschen verprügeln bzw. seinen geistigen Ausfluss in die Bevölkerung tragen kann. Die Täter werden die ihnen auferlegte Strafe vorerst nicht absitzen müssen. Zur „Resozialisierung“ kann der Knast nichts beitragen. Die Nazis sind ein gesellschaftlichen Problem, dem nur durch eine grundlegende Veränderung der gesamtgesellschaftlichen Struktur beizukommen ist.

Solidarität mit der Betroffenen!
Für nazifreie Straßen!
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Ergänzungen

Nazi-Mord in Berga?

Anfrage 24.02.2008 - 19:37
Auf der Internetseite der Antifa Jena wird über einen Mord an einem der Punkszene zugehörigen Mann berichtet. Leider bleibt die Meldung sehr rudimentär. Es soll sich um Täter aus der Naziszene handeln. Habe zu diesem Fall leider sonst nichts gefunden.
Wer weiß über diesen Fall was genaues? Eine ausführlichere Berichterstattung zu diesem Fall wäre wünschenswert.
Siehe:  http://jena.antifa.net/cms/Aktuelles/40-blog/188-nazi-mord-in-berga-elster

ente in jena

dein name 25.02.2008 - 01:23
Der Punk aus Berga liegt immernoch im Koma, ist jedoch nicht tot.

Und was sagt die Presse?

Aufmerksame Zeitungsleser_in 26.02.2008 - 20:52
aus der Thüringer Allgemeine (TA):

Rechte Schläger in Gotha verurteilt

Das Amtsgericht Gotha hat vier Männer aus der rechtsextremen Szene zu Bewähungsstrafen wegen schwerer Körperverletzung verurteilt, weil sie ein 16-jähriges Mädchen verprügelt haben sollen.

GOTHA. Mehr als zwei Jahre nach der Tat sind vier Neonazis in Gotha wegen gemeinschaftlich begangener schwerer Körperverletzung verurteilt worden. Die Strafe für drei der Angeklagten lautet sieben Monate Haft, die für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wurde. Der vierte Angeklagte erhielt acht Monate auf Bewährung. Zudem müssen drei der Männer im Alter zwischen 25 und 31 Jahren jeweils 800 Euro an ein Frauenhaus in Gotha zahlen. Der vierte soll 200 Stunden soziale Arbeit leisten.

Die Verteidigung hat für die Angeklagten Freispruch gefordert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Rechtsextremisten sollen am Rande eines Neonaziaufmarschs im November 2005 in Friedrichroda eine 16-Jährige verfolgt, geschlagen und getreten haben. Die Jugendliche hatte gemeinsam mit einem Bekannten mit Zwischenrufen gegen den Aufmarsch protestiert. Darauf hin sollen sich die Angeklagten aus der Demonstration gelöst und das Opfer verfolgt und verletzt haben.

Während der Verhandlung sind schwere Ermittlungs-pannen der Polizei bekannt geworden, die um ein Haar eine Verurteilung verhindert hätten. Keiner der anwesenden Beamten hatte die Straftaten gesehen. Ein Zeuge, der die Prügelei beobachtet hatte und sich sofort an die Polizei gewandt hatte, war während der zweijährigen Ermittlung nicht ein einziges Mal vernommen worden. Die Polizei hatte ihn nicht einmal in die Ermittlungsakte für die Staatsanwaltschaft aufgenommen. Erst am zweiten Verhandlungstag war der Mann von einer Polizistin, die als Zeugin geladen war, erwähnt worden und sie übergab dessen Angaben dem Gericht.

Der Zeuge selbst bestätigte weitgehend die Angaben des Opfers und untermauerte so die in der Anklage erhobenen Vorwürfe. Einer der Gründe, warum die Strafe so mild ausfiel, war die lange Dauer zwischen Straftat und Urteil.
25.02.2008 Von Kai MUDRA

Infos zu den Nazis

AGST-Freund 26.02.2008 - 21:19
Auf der Seite der lokalen Antifa gibt es auch mehr Infos zu den nun verurteilten Nazis, nämlich hier:  http://agst.antifa.net/archiv/text116.htm

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hjhj

bnb 25.02.2008 - 01:02
das muss man auch erstmal bringen. weglaufen während eine freundin zusammengeschlagen wird.
für die bulln sind die gegendemonstranten ja der grund für ihre ganze arbeit. klar dass die
alles gutheißen was junge leute davon abhält.

Kommentar

egal 25.02.2008 - 01:55
Kontext? Was war damals genau?
Eure Prozessbeschreibung mag zwar erstmal die Unfähigkeit oder den Unwillen von Bullen beweisen, Nazi-Aktionen ernsthaft zu verfolgen. Sie offenbart aber auch Anderes: Jede Demo kann zum Selbstläufer werden mit nicht vorhersehbarem konkreten Stress, weder von Antifa- noch von Bullen-Seite. Selbst wenn Team Green wollte, kann es im Trubel nicht jedem Nazi hinterherrennen. Ebenso wenig kann jeder Antifa erkennen, wo Probleme liegen. Hinterher meckern, ist leicht. Andererseits sind derartige Prozesse beliebig missbrauchbar. Weiß nicht, ob der Zeuge wirklich einfach so nicht vernommen wurde oder ob er nicht aussagen wollte. Ich erinnere mich, dass hier ständig gepostet wird, keine Aussagen zu machen. Das ist dann die Kehrseite, dass man wegen diesem ständigen Schiss vor dem Missbrauch von Akten dorch Bullenseite oder Anti-Antifa Nazis eben nicht wirklich an die Backe kriegt. Leidtragende sind die auf der Straße, und eben nicht die vom BB. Dazu gehört aber eben mehr Mut und Courage, als der durchschnittliche Indy-User und autonome Transpiträger hat...
Ich hoffe, dem Mädchen geht es mittlerweile so halbwegs und sie lässt sich nicht entmutigen!

verteidigung

alerta antifascista 25.02.2008 - 08:25
also man muss echt blöd sein, wenn man sagt, dass man damit rechnen muss, dass man zusammengerschlagen wird, wenn man sich einer nazidemo entgegenstellt

wahrscheinlich is die verteidigerin auch rechts

korrupter staat

move against it!!!

Stolze Doitsche .....

Nazihunter 26.02.2008 - 17:40
.....die andersdenkende Volxgenossinnen verprügeln .
Schämt oich - zu viert auf ein Mädchen !

Fuck Off & Die