Dresden 16. Februar: Handy her oder Knast

ra0105 21.02.2008 10:00 Themen: Antifa Repression
Stellen Sie sich vor, Sie wollen auf eine Demonstration gehen. Stellen Sie sich weiter vor, Sie kommen in eine Polizeikontrolle. Und nun stellen Sie sich vor, Sie werden aufgefordert, ihr Handy der Polizei zu übergeben. Mehr noch, für den Fall, dass Sie ihr Handy ausgeschaltet hatten, sollen Sie es wieder einschalten. Andernfalls wird Ihnen mit Polizeigewahrsam gedroht.
Wenn ihnen bei dem Gedanken daran warm ums Herz wird, weil Sie sich in einer Bananenrepublik wähnen, muss ich Sie entäuschen. So etwas geschieht tatsächlich auch in Deutschland. Genauer in Dresden bei den Protesten zum Naziaufmarsch vom 16. Februar.
Dresden 16. Februar kurz nach Mittag. In der Nähe des Wiener Platzes hat die Polizei, es ist die 23. Einsatzhundertschaft aus Berlin, eine Kontrollstelle aufgebaut. Nicht ungewöhnlich, schließlich hatten sich bereits mehrere Hundert Antifaschisten auf dem Platz versammelt. Viele von ihnen sind der so genannten autonomen Szene zuzurechen.
Warum sollte die Polizei nicht kontrollieren ob gefährliche Gegenstände, die nach dem Versammlungsgesetz verboten sind, mit sich geführt werden. Bei einem Großteil der Demonstranten hatte man dies versäumt, weil man anscheinend nicht in der Lage war, die Ankündigungen die bereits Tage vorher im Internet kursierten, richtig zu deuten. Dort hieß es nämlich, dass allen Antifaschisten die Teilnahme an der Verdi-Kundgebung empfohlen wird. Stattdessen wartet die Polizei zunächst vor dem Neustädter Bahnhof mit einem Großaufgebot.
Und während hunderte Schwarzgekleidete, nach Polizeiangaben darunter auch 200 Gewaltbereite, sich bereits auf der Kundgebung befinden, hat die Berliner Einheit es nun auf Einzelpersonen abgesehen.
Sie beschlagnahmen 11 Handys und 5 Handfunkgeräte. Begründung - Zur Gefahrenabwehr nach dem sächsischen Polizeigesetz. Jemand hatte sein Handy bereits ausgeschaltet. Unter Zwang soll es eingeschaltet werden, damit die IMEI-Nummer (Eine eindeutige Identifikationnummer mit dem beispielsweise gestohlende Handies gesperrt werden können) ausgelesen werden kann.
Nicht nur dass man sich fragt, welche Gefahr denn durch diese Maßnahme abgewehrt werden soll oder kann - es kommt noch besser.
Als am Sonntag bei der Polizei höflich nachgefragt wird, ob man denn sein Handy wiederhaben könne, erklärt diese, dass die Handies inzwischen beim Staatsschutz liegen. Aus diesem Grund können die Handies erst ab dem 25.02.07 abgeholt werden.
Nachdem ein Anwalt eingeschaltet wird, bestreitet die Polizei nun plötzlich die Auskunft und behauptet stattdessen, die Handies hätten bereits am 17.02. abgeholt werden können.
Unter dem Vorwand der Gefahrenabwehr scheint inzwischen alles möglich zu sein. Dass sich Beamte offen der Nötigung bedienen um persönliche Gegenstände zu entwenden und dabei anscheinend glauben sie könnten sich auf eine Rechtsgrundlage berufen, ist mehr als bemerkenswert. Interessant dürfte werden, ob die Beamten entweder wissentlich rechtswidrig handelten oder was noch schlimmer wäre, dass diese Gumminparagraphen tatsächlich eine solche Interpretation zulassen. Sollte sich beweisen lassen, dass die Handies tatsächlich dem Staatschutz überlassen worden sind, hätte dieser Vorfall das Zeug für einen handfesten Skandal. So oder so beschäftigt sich der Landtag notgedrungen mit dem Vorgang. Die SPD will eine kleine Anfrage einreichen.
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Ergänzungen

Aldikarten

aldi 21.02.2008 - 15:48
Man kann sich im Aldi eine Medion Karte holen, die man übers Inet freischaltet. Da muss man eine Adresse eingeben und dann wird die freigeschaltet. Und Adressen gibt es ja ne Menge in Deutschland. Kostet 15€ und 10 euro Startguthaben. Dann noch ein 3 Jahre altes freigeschaltetes handy und los geht das Telefonvergnügen.

Weitere Gründe...

X 21.02.2008 - 16:17
...könnten sein, dass ohne Telefone auch kein Ermittlungsausschuss angerufen werden kann. So hat die Polizei mehr Zeit und Ruhe, Festgenommene in Ruhe zu bearbeiten. Möglicherweise will man auch verhindern, dass sich Gruppen telefonisch abstimmen und an Orten kordiniert sammeln und dort demonstrieren, wo die Polizei gerade schwach vertreten ist. Oder dass Eingekesselte Nachrichten nach außen geben können. Die Polizei hat großes Interesse daran, die Kommunikation von Demonstranten zu verhindern, auch wenn das rechtlich nicht gestattet ist. Aber beschweren kann man sich immer erst hinterher und dann verläuft sowieso alles im Sande. Der Vorteil bleibt also in jedem Fall bei der Polizei.

@X

tutnixzursache 22.02.2008 - 02:14
Mag ja sein, dass die Polizei ein Interesse daran haben könnte, zu verhindern, dass sich Gegendemonstranten absprechen. Das Problem wäre - die Frage der Verhältnismäßigkeit sei mal dahingestellt - jedoch schon erledigt, wenn die Polizei schlicht die Handys an sich sicherstellen würde. Die IMEI-Nummer braucht sie dafür nicht. Ich würde eher davon ausgehen, dass sich hier der Staatsschutz dafür interessiert, wer in seinem Handy welche Telefonnummern stehen hatte. Das geht ihn jedoch nichts an - die Telekommunikation gehört zum Kernbereich privater Lebensgestaltung. Zwar sind die Daten auf den Endgeräten nicht in derselben Weise geschützt, wie der Telekommunikationsvorgang an sich, haben jedoch durchaus eine erhöhte Schutzwürdigkeit. Siehe dazu auch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2006 (2 BvR 2099/04) - auch wenn sich leider das Bundesverfassungsgericht nicht dazu durchgerungen hat, hier die Einhaltung der Voraussetzungen des §100g StPO - der die Verbindungsdaten bei den TK-Unternehmen betrifft - einzufordern.

Im übrigen hätten die Betroffenen, wenn der Staatsschutz seiner vorgesehenen Arbeit nachginge unter Umstände als Beschuldigte ein Zeugnisverweigerungsrecht. Insofern sollte man hier m.E. durchaus darüber nachdenken, die Beteiligten Polizisten anzuzeigen, neben Nötigung könnte man hier vielleicht auch darüber nachdenken, ob das nicht schon in die Richtung einer Aussageerpressung im Sinne des Folterparagraphen §343 StGB geht!

Ermittler wollen Immunität aufheben lassen

http://www.lvz-online.de 26.02.2008 - 00:09
Ermittler wollen Immunität von NPD-Abgeordneten aufheben lassen

Dresden. Die Dresdner Staatsanwaltschaft will den sächsischen Landtag in den kommenden Wochen bitten, die Immunität des NPD-Abgeordneten Jürgen Gansel aufzuheben. Dann könnte Gansel für den Vertrieb der NPD-Schülerzeitung „perplex“ angeklagt werden, sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär am Montag. Die Ermittler sehen den Jugendschutz besonders in einem Artikel verletzt, der die Alliierten im Zweiten Weltkrieg als Kriegstreiber und Hitler als „Friedensfreund“ darstellt. Die Zeitung soll insgesamt rund 70 000 Mal verteilt worden sein. Etwa 2400 Exemplare wurden laut Staatsanwaltschaft inzwischen beschlagnahmt.

Vor einer Woche war bereits ein 18-Jähriger für das Verteilen der NPD-Schülerzeitung verurteilt worden. Die Jugendkammer des Amtsgerichts Aue sah es als erwiesen an, dass der Vorsitzende der rechtsextremen NPD-Jugendorganisation im Kreis Aue-Schwarzenberg das Blatt an Minderjährige verteilte, obwohl er um den jugendgefährdenden Inhalt gewusst hätte.

Die Schülerzeitung steht seit Ende 2007 offiziell auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Das Blatt darf Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren weder angeboten noch überlassen werden.

Eine Anklage gegen Gansel ist laut Staatsanwaltschaft Dresden derzeit noch nicht möglich, weil er als Landtagsmitglied Immunität genießt. Abgeordnete in deutschen Landtagen sowie im Bundestag genießen Schutz vor Strafverfolgung, damit sie ihr Amt unbeeinflusst ausüben können. Das Parlament kann die Immunität für einzelne Abgeordnete allerdings aufheben.

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Bananenrepublik — Stehaufmännchen

Frage — blub

gedankenverbecher — gegoe orwell

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Handys — Telefoniker

SIM Karten — 129a

handy — handy

SIM-Karten2 — 129a

1984 was NOT meant as an instruction manual — (muss ausgefüllt werden)

berlin und überall — alerta antifascista

Mann sollte mal... — Dresdener

IMEI-Nummer — Experte

Neonazi-Gruppe wollte im Untergrund agieren — http://www.volksstimme.de