Verteilaktion der Antifazeitung "Problemkiez"

Mascha Ries 15.02.2008 19:08 Themen: Antifa
Berlin-Neukölln: Verteilaktion der Antifa-Jugendzeitung "Problemkiez"
In den letzten Wochen, sprich seit Jahresbeginn, wurde der "Problemkiez" an Neuköllner Schulen, in Jugendzentren, in Cafes und anderen Locations verteilt.
Die Zeitung wurde überwiegend positiv von den Jugendlichen aufgenommen. Aber auch Ärger mit Nazis blieb nicht aus...
Hier ein kleiner Bericht und eine Vorstellung des Projekts.
Wie mittlerweile auch schon viele Neuköllner_innen bemerkt haben müssten, gibt es im Bezirk seit kurzem eine neue antifaschistische Jugendzeitung mit dem interessanten Titel "Problemkiez".
In den letzten Wochen, sprich seit Jahresbeginn, wurde der "Problemkiez" an Neuköllner Schulen, in Jugendzentren, in Cafes und anderen Locations verteilt.
Die Zeitung wurde überwiegend positiv von den Schüler_innen aufgenommen. So kamen immer wieder Schüler_innen auf die Verteilenden zu, wollten noch ein paar Exemplare zum Weiterverteilen an Freund_innen, als Diskussionsgrundlage für den Unterricht oder sie bekundeten Interesse an einer weiteren Vernetzung mit anderen Antifaschist_innen im Bezirk. Und nicht nur die Schüler_innen bestätigten, dass es ein Nazi-Problem im Bezirk gibt: In mindestens einem Fall wurden Verteiler_innen von vorbeikommenden Nazis bedroht und angepöbelt. Diese Erfahrungen zeigen die Richtigkeit und Notwendigkeit einer solchen Zeitung.

Aber was ist der "Problemkiez"?
Die Bedeutung des Titels wird beim Aufschlagen der Zeitung folgendermaßen erklärt:
"Wir alle kennen den Begriff 'Problemkiez'. In der Öffentlichkeit wird er oft verwendet, wenn es um Neukölln geht. Gemeint ist damit Armut, Kriminalität, schlechte soziale Lage... und in Verbindung gebracht wird das dann oft mit "den Ausländern".
Weil wir das rassistische Klischee, dass die schlechte soziale Lage mit dem Anteil an Migrant_innen zusammen hängt, nicht mehr hören können, wollen wir dem Begriff Problemkiez mal eine andere Bedeutung geben und ein ganz anderes Problem thematisieren: Nicht "die Ausländer" machen einen Kiez zum Problem, sondern alle Rassist_innen, Nationalist_innen, deutschen Stammtisch-Prolls und Neonazis! - jene machen einen Kiez zu einem Problemkiez!"

...und was will so eine regionale Zeitung erreichen, wem soll sie was vermitteln?

Im Vorwort erklärt sich die Redaktion des "Problemkiez" ausführlich:
"Wir sind ein paar Leute aus dem Bezirk, die schon länger bemerkt haben, dass es auch in Neukölln ein Problem gibt: Neonazis, Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus...
Da könnten wir mit der Frage beginnen:
Wie viele Nazis gibt es eigentlich in Neukölln?
Nun, wir wissen es nicht genau.
Wir wissen, dass die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschland) bei den letzten Wahlen mit 3,9% der Stimmen in die BVV gewählt wurde.
Wir wissen, dass in manchen Teilen von Neukölln wie z.B. rund um die Rudower Spinne Menschen mit dem "falschen" Aussehen (also in den Augen von Rassist_innen: mit zu dunkler Haut, mit der falschen Frisur, mit den falschen Buttons) Angst haben müssen, angepöbelt oder sogar zusammengeschlagen zu werden.
Wir wissen, dass in ganz Neukölln Aufkleber zu finden sind, die "Deutschland den Deutschen", "Abschiebung von "Ausländern", oder ähnlichen Stumpfsinn fordern.
Wir wissen, dass sich auch in Neukölln die gefährliche Meinung verbreitet, dass wir die deutsche Geschichte des Nationalsozialismus ruhen lassen sollten, so dass es möglich wird, öffentlich deutscher "Opfer“ und nicht mehr den Opfern der Deutschen zu gedenken.
Wir wissen, dass die jugendlichen Neonazis der "Kameradschaft Neukölln" und ähnliche Cliquen Streifzüge durch verschiedene Kieze machen, um ihre Kürzel (ANB, AGR, etc.), rechte Parolen und Kelten- oder Hakenkreuze an Wände, Mauern und Stromkästen zu sprühen.
Und wir wissen, dass viele Menschen denken, das ginge sie nichts an oder das finde woanders statt. Sie wollen all dies nicht sehen. Aber wir denken, dass wir was tun müssen.

Und weil uns diese Erkenntnis Anlass genug ist, eine Jugendzeitung zu erstellen, haben wir hier fleißig Artikel zusammengetragen, selbst geschrieben und schreiben lassen. Um einerseits große Teile der Menschen in Neukölln - gerade die jüngeren - mit Informationen über Nazis zu versorgen und um andererseits noch mehr Leute zu motivieren, ihren Teil dazu beizutragen, dass die Nazis nicht noch stärker werden.
Das kann heißen, mit Mitschüler_innen zu diskutieren, wenn sie rassistische Sprüche bringen.
Das kann heißen, ein antifaschistisches Konzert zu organisieren um dem rechten Lifestyle was entgegen zusetzen.
Das kann heißen, nicht mehr 'Thor Steinar'-Klamotten zu tragen und den Freund_innen zu erklären, warum es uncool ist, diese Marke allein durch das Tragen der Sachen zu unterstützen.
Das kann heißen, zu verhindern, dass NPD-Aufkleber und Plakate das Straßenbild dominieren.
Das kann auch einfach heißen, eigene, antifaschistische Aufkleber und Plakate anzubringen.
Das kann heißen, sich den Neonazis bei ihrem nächsten Aufmarsch entgegenzustellen und ihre Demonstrationsroute zu blockieren.
Das kann heißen, über die deutsche Geschichte zu reden und immer wieder zu sagen:
Nie wieder Faschismus! Nie wieder Deutschland!
Denn immer noch gilt der gute alte Satz:
Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!"


Inhaltlich geht es in den Artikeln um Neonazistrukturen in Neukölln, rechtes Heldengedenken am Columbiadamm, Sexismus und Gender, die Nazi-Klamottenmarke "Thor Steinar"; es gibt interessante Interviews mit Aktivist_innen der Autonomen Neuköllner Antifa und dem linken Jugendzentrum Anton-Schmaus-Haus, sowie einen Umfangreichen Serviceteil mit Rechtshilfe-Tipps, und vielen Adressen und Homepages aus Neuölln und darüber hinaus. Einige Artikel sind zudem auch in Türkisch abgedruckt. Aber lest selbst!
Als Bonusbeilage zum gleich selbst aktiv werden sind der Zeitung außerdem noch Aufkleber beigelegt!
Mit den Worten der Redaktion gesprochen: "Wenn das mal kein guter Anfang ist!"

Die Zeitung wird übrigens kostenlos verteilt und ausgelegt! In allen bekannten linken Locations in Neukölln und jedem Infoladen deines Vertrauens in Berlin ... und vielleicht auch bald vor deiner Schule!

Hier im Anhang kann der "Problemkiez" übrigens auch als PDF heruntergeladen werden.


Wenn ihr Anregungen, Kritik Kontaktwünsche oder Nachfragen habt, schreibt an:  problemkiez@web.de
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Ergänzungen

Antifa Recherche Neukölln

horch 16.02.2008 - 00:28
hier finden sich weitere umfangreiche und bebilderte informationen zu neonazis in neukölln:
 http://www.antifa-recherche-neukoelln.tk/

Antifa-Zeitungen in Berlin

(muss ausgefüllt werden) 18.02.2008 - 21:56
Neben der oben vorgestellten neuen Antifa-Jugendinfo "Problemkiez" für Berlin-Neukölln gibt es noch weitere regelmäßig erscheinende Jugendinfos in anderen Berliner Bezirken:

Lichtenberg: Abuje
Seit 1999, letzte Ausgabe: Nummer 25, November 2006
->  http://abuje.alfahosting.org/

Treptow-Köpenick: U.R.S.L. (Uns Reichts Schon Lange!)
Seit 2000, einmal pro Jahr, letzte Ausgabe: 2007
->  http://freeweb.dnet.it/treptow/zeitung.htm (aktuelle Ausgabe:  http://freeweb.dnet.it/treptow/news.htm)

Pankow: Rosen auf den Weg gestreut
Seit 2007, alle drei Monate, letzte Ausgabe: Dezember 2007
->  http://rosen-web.de.vu/

Überbezirklich: Antifa Umschau
Seit 2004, letzte Ausgabe: Dezember/Januar 2007/2008
->  http://www.infernal.antifa.de/html/homepage/Broschuren.htm

Daneben gibt es noch diverse Antifa-Zeitungen, die unregelmäßig erscheinen / erschienen und Zeitungen zu einzelnen Kampagnen und Demonstrationen. Zum Beispiel das Antifa-Jugendinfo zur Silvio Meier-Demonstration 2007 ( http://jpberlin.de/antifa-pankow/pberg/silvio-meier/aji2007_silviomeier.pdf).
Ich hoffe ich habe keine vergessen. Ansonsten einfach ergänzen.

neuer Link

ergänzung 24.10.2010 - 12:46
die weiteren umfangreichen und bebilderten informationen zu neonazis in neukölln befinden sich mittlerweile hier:
 http://www.antifa-recherche-neukoelln.de.vu/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Der Anhang — Mascha Ries

... — ...

Tolle Idee und Umsetzung — anonymous

AFA-Sticker auf Türkisch — Kreuzberger Afa